GIESSEN. Offenbar gibt es jetzt bundesweit einen zweiten Fall, bei dem Corona-Ansteckungen innerhalb einer Schule dokumentiert werden können: An der Liebigschule im hessischen Gießen haben sich nach Angaben des Gesundheitsamts 14 Covid-19-Infektionen von Schülern bestätigt – 13 Betroffene besuchen gemeinsam eine Klasse, eine neunte. Ein weiteres infiziertes Kind wurde in einer benachbarten Kita entdeckt. „As expected. 13 of 15 cases in one class. Further tests ongoing“ („Wie erwartet. 13 von 15 Fälle in einer Klasse. Weitere Tests laufen“), so kommentiert Prof. Christian Drosten, Chef-Virologe der Berliner Charité, das Geschehen auf Twitter. Drosten warnt seit Monaten vor Schul- und Kitaöffnungen ohne geeignete Schutzmaßnahmen.
„Das Gesundheitsamt ermittelt weiter Kontaktpersonen nach mittlerweile vierzehn bestätigten Covid-19-Infektionen von Schülerinnen und Schülern der Liebigschule Gießen. Dreizehn Fälle betreffen eine neunte Klasse, ein weiterer Fall den Jahrgang elf. Es erfolgten Reihentests“, so heißt es in einer Pressemitteilung des Landkreises Gießen.
„Aufgrund der großen Zahl der Personen sowie deren Aktivitäten recherchiert das Gesundheitsamt weiterhin intensiv. Das Gesundheitsamt befindet sich in enger Abstimmung mit der Schulleitung, der Stadt Gießen als Schulträger sowie dem Staatlichen Schulamt.“
Der Unterricht an der Liebigschule läuft unterdessen weiter: Es gilt lediglich eine Maskenpflicht. „Da Masken im Unterricht getragen wurden, geht das Gesundheitsamt von einer geringen Wahrscheinlichkeit der Weitergabe des Virus aus. Die betroffene Klasse und die Lehrkräfte erhalten ein Testangebot”, so heißt es auf der Seite der Schule.
As expected. 13 of 15 cases in one class. Further tests ongoing. https://t.co/iipQOunjyp
— Christian Drosten (@c_drosten) September 14, 2020
Der Ausbruch erinnert an den in der Hamburger Heinrich-Hertz-Schule in Hamburg-Winterhude, der vergangene Woche bekannt wurde (News4teachers berichtete darüber). Dort haben sich – nach mittlerweile korrigierten Angaben des Gesundheitsamtes – 33 Schüler und drei Schulbeschäftigte mit dem Corona-Virus infiziert. In einer Klasse deute vieles auf eine Infektionskette innerhalb der Schule hin, räumte der Sprecher der Bildungsverwaltung ein. Geschlossen wurde die Schule allerdings ebenfalls nicht; auch dort wurde lediglich eine Maskenpflicht in den Klassenzimmern erlassen. Auch dieses Geschehen kommentiert Drosten auf Twitter lakonisch: „As expectet“.
Haben die Kultusminister die Übertragungsgefahren in Schulen unterschätzt?
„Fehlende Präventions- und Kontrollmaßnahmen könnten in kurzer Zeit zu Ausbrüchen führen, die dann erneute Schulschließungen erzwingen“, heißt es in einer Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie, die Anfang August veröffentlicht wurde – und an der Drosten mitgearbeitet hat (News4teachers berichtet ausführlich darüber – hier geht es zu dem Beitrag).
Die Virologen, darunter auch Prof. Jonas Schmidt-Chanasit von der Universität Hamburg und Helmholtz-Forscherin Prof. Melanie Brinkmann, schreiben in dem Papier: „Wir warnen vor der Vorstellung, dass Kinder keine Rolle in der Pandemie und in der Übertragung spielen.“ Eine Unterschätzung der Übertragungsgefahren an Schulen wäre kontraproduktiv für das kindliche Wohlergehen und die Erholung der Wirtschaft. Für eine wirksame Unterdrückung der Virusausbreitung in der Gesamtgesellschaft bleibe es weiterhin Grundvoraussetzung, die Viruszirkulation in den Schulen niedrig zu halten.
Virologen raten: Klassengrößen reduzieren
Die Experten schlagen mehrere Maßnahmen vor, um die Übertragungsrisiken in den Schulen zu minimieren. Dazu gehört beispielsweise, die Klassengrößen abhängig von der Zahl der Neuinfektionen zu reduzieren. Zudem sollten aus virologischer Sicht feste Kleingruppen definiert werden mit möglichst geringer Durchmischung der Gruppen im Schulalltag. Die Wissenschaftler sprechen sich außerdem für das „konsequente Tragen von Alltagsmasken in allen Schuljahrgängen auch während des Unterrichts“ aus. „Dies sollte begleitet werden durch eine altersgerechte Einführung der Kinder in die Notwendigkeit und den Umfang von Präventionsmaßnahmen“, heißt es. News4teachers / mit Material der dpa
