Wie ein Ortsbürgermeister Druck auf Politiker macht, Schulen mit Luftfiltern auszustatten

16

HANNOVER. Der Rechtsanwalt Thorsten Frühmark, Ortsbürgermeister im niedersächsischen Möllenbeck (CDU) und Vater von vier Kindern, hatte unlängst einen bemerkenswerten Auftritt in der Sendung “hart aber fair”: Er brachte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) beim Thema Luftfilter für Kitas und Schulen ins Schwimmen. Sie vermochte nicht zu erklären, warum der Bund für die Rettung der Lufthansa neun Milliarden Euro aufgewendet hat – für die Gesundheit von Kindern, Lehrkräften und Erziehern aber bislang praktisch nichts. Frühmark hat nun auch Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) angeschrieben. Wir dokumentieren den Brief, der der Redaktion vorliegt.

Luftreiniger für Schulen und Kitas in Niedersachsen

Sehr geehrter Herr Kultusminister Tonne,

ich erlaube mir, Sie auch im Namen vieler Schüler, Eltern und Lehrkräfte anzuschreiben.

Derzeit sind nur wenige Klassenräume, Lehrerzimmer und Kindergärten in Niedersachsen mit Luftreinigern ausgestattet. Dies ist umso bedauerlicher, weil viele Landtage, Staatskanzleien und andere Einrichtungen mit Luftreinigern ausgestattet sind.

Kanadische Forscher haben in einer ausführlichen Studie jetzt belegt, dass die Ansteckungsrate in Schulen ohne entsprechende Luftfiltersysteme vier Mal höher ist als in Schulen mit Luftreinigern. Dies wird auch von vielen deutschen Aerosolexperten, wie zum Beispiel Christian Kähler bestätigt (News4teachers hat über Prof. Kählers Befunde mehrfach berichtet – hier etwa, d. Red.). Auch hat sich der deutsche Ärztetag am 04.05./05.05.2020 dafür ausgesprochen, dass an Schulen Lüftungsanlagen und virenabtötende Lüftungsreinigungsanlagen installiert werden. (News4teachers berichtet aktuell auch darüber – hier.)

Dennoch können sich viele niedersächsische Städte und Gemeinden nicht dazu entschließen, Luftreiniger in Schulen und Kindergärten einzubauen. Natürlich wird immer wieder das Kostenargument hervorgebracht. Angeblich seien Luftreiniger gar nicht für Schulen geeignet, was die Studien jedoch eindeutig widerlegen.

Natürlich ist mir bekannt, dass Sie für Niedersachsen ein Förderprogramm aufgelegt haben. Nach meinem Kenntnisstand werden allerdings keine mobilen Raumluftreiniger gefördert, was dazu führt, dass viele Städte und Gemeinden nicht bereit sind, Luftreiniger zu installieren.

Außerdem ist zwingend erforderlich, dass aus Ihrem Ministerium eine Botschaft dahingehend ausgestrahlt wird, dass Sie es ausdrücklich befürworten, dass Raumluftreiniger für Schulen und Kindergärten angeschafft werden. Wenn die Politik ausstrahlt, dass Raumluftreiniger in Schulen nicht nötig seien, so wird es entsprechend auch in Kommunen so umgesetzt. Sie tragen die Verantwortung für die Schulen und Kindergärten in Niedersachsen.

Mir ist bekannt, dass die besten Geräte rund 3.000,00 € pro Gerät und Klasse kosten, also rund 100,00 € pro Schüler

Es ist für mich und viele Eltern nicht einsichtig, warum Landtage etc. mit Raumluftreinigern ausgestattet werden, Schulen aber nur vereinzelt. In nahezu jedem Gerichtssaal, den ich täglich betrete, sind solche Anlagen zu finden. Es ist nicht verständlich, warum mit zweierlei Maß gemessen wird.

Es ist höchste Zeit, alle Klassenräume etc. mit diesen Reinigern auszustatten. Spätestens in den kommenden Sommerferien sollte dies geschehen. Natürlich ist Ihnen bekannt, dass viele Kinder noch nicht geimpft werden können und insbesondere bei kleinen Kindern nicht absehbar ist, wann überhaupt eine Impfung durchgeführt werden kann. Raumluftreiniger sind insoweit auch eine Investition in die Zukunft. Wir müssen damit rechnen, dass Covid weiter unter uns bleibt und neue Pandemien drohen können.

Mir ist bekannt, dass die besten Geräte rund 3.000,00 € pro Gerät und Klasse kosten, also rund 100,00 € pro Schüler. Ein, im Vergleich zu den Folgekosten einer Erkrankung geringer Beitrag, zumal geeignete Luftreiniger auch nach einer Pandemie zahlreiche Vorteile haben. Geeignete Luftreiniger mit HEPA-Filtern würden nicht nur das Ansteckungsrisiko mit dem Corona-Virus senken, sondern ebenfalls die Übertragung von Grippeviren etc.. Auch die Symptome von Allergikern werden in der Pollenzeit erheblich reduziert.

Ortsbürgermeister Thorsten Frühmark in der Sendung “hart aber fair”. Screenshot

Bitte gehen Sie daher als Kultusminister von Niedersachsen voran und überdenken Sie Ihre Ausrichtung zum Thema Raumluftreiniger insbesondere in Schulen. Die Gesundheit der Schüler und Lehrer in Niedersachsen sollte Ihnen daher wichtig sein.

Insbesondere bedauerlich ist es, dass Elterninitiativen auf eigene Kosten Raumluftreiniger anschaffen. Laut Ihrer eigenen Verordnung sind aber offenbar solche Eigeninitiativen gar nicht erwünscht was Sicht von Gesundheitsaspekten nicht verständlich ist.

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns über diese Angelegenheit austauschen könnten.

Ihr Thorsten Frühmark

Endlich! Bund fördert „stationäre Frischluft-Klimaanlagen“ in Kitas und Schulen – Minister fordert: „In den Sommerferien einbauen!“

 

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

16 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Die Elfe
3 Jahre zuvor

Danke für den Brief. Bin auf die Antwort von GHT gespannt….

Biene
3 Jahre zuvor
Antwortet  Die Elfe

Ich fürchte, das wird ein Brief für die Ablage P(apierkorb oder besser Tonne)!
Die Antwort, wenn sie den überhaupt kommt, würde auch mich interessieren.

Tina
3 Jahre zuvor

“Die Strukturen nutzen, die wir haben” Ich übersetze mal gerade für alle, die Frau Karlicek da nicht verstanden haben: Geld darf es nicht kosten!
“für das nächste Schuljahr einen Anfang gemacht. … Schritt für Schritt angucken…” = Lasst uns mal abwarten. Bis das Problem offensichtlich wird, bin ich nicht mehr Ministerin und jemand anders darf es ausbaden.
“Wir müssen schon zielgenau helfen.” = Wir tun jetzt erstmal gar nichts./Da ist bestimmt sowieso jemand anderes zuständig.
Ach und best of all: Kinder brauchen Freunde und Sport (wurde mehrfach erwähnt) die einzige Antwort der Politik: Nachhilfeprogramme! = Wir bieten mehr Zeit am heimischen Schreibtisch für Kinder, die aufgrund der vielen Zeit zu Hause und aufgrund der Situation zu Hause unmotorisch , unsportlich und unmotiviert sind. Dafür rekrutieren wir das pädagogische Personal, dass am Markt verfügbar ist – also alle, die schon mal ein Kind in freier Wildbahn gesehen haben, am Fernseher reicht auch. Alle anderen brauchen wir schon an den unterversorgten Schulen und Kitas. Ich möchte da ungern Spielverderber sein, aber woher nehmen die Herrschaften Politiker die ganzen Studenten? Manche Dörfer sind mit unmotorisierten Studenten gar nicht erreichbar und in manchen Städten gibt es trotz vieler Problemschulen genau eine Universität mit entsprechend begrenzter Anzahl an Studenten – die auch nicht alle gut erklären können.

Kathrin
3 Jahre zuvor

Sehr geehrter Herr Frühmark, GROßARTIG, dass Sie diesen Brief geschrieben und wie Sie bei “hart aber fair” für Luftfilter gekämpft haben. Ihre Wahrnehmung der Bedürfnisse von Schüler*innen und Lehrkräften und Ihren Einsatz für Schulen würde ich mir auch von “meinem” OB und dem zuständigen Dezernenten wünschen. Man darf ja mal träumen…

Mary-Ellen
3 Jahre zuvor

@Tina:

Vielen Dank für die Karliczek-Übersetzung, auch ansonsten ein treffender Kommentar!

Koogle
3 Jahre zuvor

Braunschweig verweist explizit auf die Ablehnung von Luftfiltergeräten durch Niedersächsische LandesGesundheitsamt und den Städtetag:
>>Immer wieder wird der Einsatz sogenannter mobiler Luftreinigungsgeräte diskutiert. Obwohl die Entwicklung in den letzten Monaten respektable Fortschritte gemacht hat, schließt sich die Stadt unter den derzeitigen Rahmenbedingungen der Meinung des Niedersächsischen Landes Gesundheitsamtes (NLGA) und des Deutschen Städtetages (DST) an. Beide Institutionen sehen mobile Luftreinigungsgeräte zurzeit nur als flankierende und auf die Kleinfläche fokussierte Maßnahme im Kampf gegen die Pandemieausbreitung.<<
https://www.presse-service.de/data.aspx/static/1064446.html

Maren
3 Jahre zuvor

Super!Hier an unserer Schule wollte ich auch eine Eigeninitiative starten.Habe Schulleitung,Elternvertreter und Eltern angeschrieben.Null Resonanz.Neues Klettergerüst und Planung der Klassenfahrten in zwei Jahren sind halt wichtiger,und die Eltern durch das ach so sichere Testen ja beruhigt.

Besorgte Mutter
3 Jahre zuvor

@Herr Fruehmark:Vielen Dank für diesen Brief!!!!

Genau das fordern wir als Eltern, zumindest der groesste Teil!!!!

Damit endlich mal wieder ein “relativ entspannter”, zumindest Wechselunterricht stattfinden kann und unsere Kinder zurück in die Normalitaet koennen.

Eine Relation zur Lufthansa gibt es nicht, unsere Kinder und deren Gesundheit ist wesentlich wichtiger und, wie schon beschrieben, eine Investition in ihre/unsere Zukunft.
Sorry, auch wenn Arbeitsplaetze bei der Lufthansa dran haengen, ABER UNSERE KINDER SIND WICHTIGER!!!!
Diese Milliarden, die in diesen Verein geflossen sind, der nicht erst durch Corona so dermassen in Notlage gekommen ist, haette in die Schulen des Landes fliessen sollen fuer Hochleistungsfilteranlagen und sorry, warum muessen bei den Politikern/Ministerien ueberall diese Anlagen stehen und unsere Kinder, die wesentlich laenger zusammen gepfercht in den viel zu kleinen Raeumen sitzen, duerfen sich infizieren, chronisch erkranken oder gar versterben????
Dann baut doch diese Anlagen dort ab und in den Schulen auf, waere auch eine Moeglichkeit.

Dieser Brief hat eine klare Forderung an den KM Tonne und ich hoffe, das dieser endlich Gehoer findet und bis zum Ende der Sommerferien endlich etwas passiert ist und zwar DIE AUSSTATTUNG JEDES KLASSENRAUMES MIT EINER HOCHLEISTUNGSFILTERANLAGE!!!

HERR TONNE, KOMMEN SIE ENDLICH MAL IN WALLUNG!!!

Carabas
3 Jahre zuvor

Liebe Kathrin,

in Niedersachsen stehen bald Kommunalwahlen an. Gerade jetzt lässt sich durch organisierte Elternverbände viel Druck auf die Herren und Damen in den politischen Ämtern machen.

Machen Sie bitte was draus….

Achim
3 Jahre zuvor

Na dass wundert mich doch sehr, dass hier positiv über diese Sendung berichtet wird. Letzthin gab es noch einen Shitstorm, weil in “Hart aber fair” kritisiert wurde, dass die Lehrer nach Monaten der Schulschließung auf ihren heiligen Brückentag bestanden haben. Auch hier gilt: Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing. Diese Einstellung ist unter der Lehrerschaft wohl sehr weit verbreitet.

Trollbuster
3 Jahre zuvor
Antwortet  Achim

Tatsächlich höre auch ich von vielen Lehrern, die Brot essen und Lieder singen. Und manche differenzieren ihre Kritik nach dem jeweiligen Argument und nicht pauschal nach dem Sender.

WiMoKa
3 Jahre zuvor
Antwortet  Achim

„Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing. Diese Einstellung ist unter der Lehrerschaft wohl sehr weit verbreitet.“
Ja klar, schließlich ist jeder Arbeitnehmer zur Loyalität gegenüber dem AG verpflichtet Was ist falsch daran? Kritik bringt ein Unternehmen weiter, deshalb ist es wichtig, sich denkend mit dem AG auseinanderzusetzen. Wenn ich mich einem AG nicht mehr verpflichtet fühle, sollte ich dort aufhören.
Und das Lehrkräfte offensichtlich nicht pauschal, wie von Ihnen erwartet, ein Sendeformat runterputzen, sondern sich damit auseinandersetzen, spricht doch eher für sie als dagegen. Ich verstehe Ihr Problem nicht…oder sind Sie einer dieser niedlichen Trolle mit traditionell deutschen Namen und Serverherkunft mit dotRU? Dann will ich Sie nicht weiter behelligen mit denkender Auseinandersetzung.

Achim
3 Jahre zuvor
Antwortet  WiMoKa

In dem Fall entschuldige ich mich natürlich, wenn ich etwas falsch verstanden habe. Leider verstehe ich unter Loyalität dem Dienstherrn gegenüber etwas anderes, als ich aus den meisten Kommentaren hier herauslesen. Aber freuen wir uns darauf, im Herbst gibt es eine neue Regierung, sicher mit Beteiligung einer Partei, die den Lehrern grün ist.

Einar
3 Jahre zuvor

Das Kostenargument ist höchstwahrscheinlich eine minderes:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/schulen-muenchen-luftfilter-corona-1.5293681

Mary
3 Jahre zuvor
Antwortet  Einar

Habe den Artikel interessiert gelesen… aber was bleibt dann noch? Wenn man die Kinder nicht impfen darf, dann sollen sie sich eben infizieren damit die Herdenimmunität erreicht werden kann? Mir fällt sonst kein nachvollziehbarer Grund ein.

tachelesme
3 Jahre zuvor

Vielen Dank an Herrn Frühmark, er setzt sich ein, wie kein anderer. Menschlich und pragmatisch sollen Familien geschützt werden. Solche Leute gehören in die Politik als Entscheidungsträger.