Arbeiten mit Hochbegabten im Internat – ein Pädagogen-Traum? Ein Lehrer berichtet

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HINTERZARTEN. Wie ist es, als Lehrkraft mit kleinen Einsteins zu arbeiten – mit Kindern und Jugendlichen also, die schon früh ein überragendes Talent für die Naturwissenschaften und ein entsprechendes Interesse erkennen lassen? Der Pädagoge Oliver Boneß berichtet aus seiner beruflichen Praxis. Er betreut eine solche Gruppe im Internat Birklehof.

„Das muss man aushalten können“: Oliver Boneß, Mathematik- und Physik-Lehrer an der Schule Birklehof in Hinterzarten bei Freiburg. Foto: Birklehof

„Ich muss keinen dieser Schülerinnen und Schüler auffordern, sich mal mit Wissenschaft zu beschäftigen“, sagt Oliver Boneß, Mathematik- und Physik-Lehrer an der Schule Birklehof in Hinterzarten bei Freiburg. Gemeint sind Kinder und Jugendliche, die für das plus-MINT-Programm ausgewählt wurden und nun in dem Internat intensiv dabei unterstützt werden, ihre besonderen Talente – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) eben – zu entwickeln.

Plus-MINT

Plus-MINT – das Internats-Förderprogramm für Top-Talente – startet in die neue Runde. Schülerinnen und Schüler der 8. oder 9. Klasse eines Gymnasiums, die sich für sich Naturwissenschaften und Technik begeistern, können sich ab sofort bis zum 20. Februar 2022 zum Einstieg in das Schuljahr 2022/23 online bewerben.

Mädchen und Jungen, die in das plus-MINT aufgenommen werden, können wählen, an welchem der sechs beteiligten Internate in Deutschland sie ihre besonderen Fähigkeiten weiterentwickeln möchten – darunter die Schule Birklehof.

Eine Förderung mit dem Schüler-Bafög ist möglich, sodass die Kosten kein Hinderungsgrund für die Teilnahme sind. Plus-MINT umfasst ein spezielles Förderprogramm sowie eigene Forschungsprojekte, die Möglichkeit zum Frühstudium und zu Unternehmenspraktika. Weitere Informationen: www.plus-mint.de

Über das plus-MINT-Programm an der Schule Birklehof informiert www.birklehof.de/plus-mint

Hoch motivierte Schülerinnen und Schüler, die sich von selbst daran begeben, komplexen Stoff zu bearbeiten – ein Lehrertraum? „Im Prinzip schon“, sagt Programmkoordinator Boneß und lächelt. „Man muss sich nicht lange mit dem einfachen Schulstoff aufhalten.“ Darüber hinaus gebe es mit dieser Klientel von Hochbegabten praktisch keine disziplinarischen Probleme.

Boneß muss es wissen: Er betreut das Programm – und lebt als „Hauserwachsener“ mit Jungen aus den Stufen neun und zehn im Internat. Schon das Wecken morgens gehört zu seinen Aufgaben. „Ich habe dadurch viel mehr Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen, als wenn ich sie nur unterrichten würde. Die Beziehungsarbeit macht einen großen Teil aus.“

„Es geht meist um Beweise, um das, was in der Schulmathematik ein bisschen zu kurz kommt“

Kann man sich das Zusammenleben im Internat vorstellen wie eine permanente Klassenfahrt? Boneß lacht – ja, so ähnlich sei das durchaus. Ist das für ihn als Lehrkraft nicht furchtbar anstrengend? „Wenn mich das belasten würde, dürfte ich den Job nicht machen“, sagt der Pädagoge, der sein Referendariat an einem konventionellen staatlichen Gymnasium absolviert hat und dann an einem Berufskolleg unterrichtete. Das Schöne sei, dass es im Internat viel Zeit für Gespräche über den Lernstoff hinaus gebe und er den Entwicklungsprozess seiner Schützlinge eng begleiten könne.

Und der ist durchaus besonders. Die Auserwählten des plus-MINT-Programms waren allesamt hervorragende Schülerinnen und Schüler, manche mit ihrem Interesse auch etwas einsam, bevor sie von einer normalen Schule ans Internat wechselten. Ihr besonderes Engagement zeigte sich schon früh etwa an der Teilnahme an Wettbewerben.

Im Internat nun leben sie mit gleichgesinnten Altersgenossinnen und -genossen zusammen und werden fachlich auf hohem Level, weit über das normale Abiturniveau hinaus, gefördert. Im Alltag im Birklehof bedeutet dies zum Beispiel, dass sich Kinder und Jugendliche regelmäßig im Mathe-Club treffen, um über mathematische Probleme zu diskutieren. Und damit ist nicht der Schulstoff gemeint. „Es geht meist um Beweise, um das, was in der Schulmathematik ein bisschen zu kurz kommt“, erklärt Boneß. Andere haben sich in Teams zusammengefunden, um Projekte für „Jugend forscht“ zu entwickeln. Da werden dann gemeinsam genetisch veränderte Algen gezüchtet, Computerspiele entwickelt oder eine Punktezähltafel für die Sporthalle gebaut. Wiederum andere besuchen bereits Seminare an der nahegelegenen Universität Freiburg.

Der Austausch mit seinen Schülerinnen und Schülern führt den Pädagogen fachlich durchaus an seine Grenzen – und darüber hinaus. „Es ist ganz normal, dass Schülerinnen oder Schüler mit Fragen kommen, auf die ich keine Antwort habe. Ich kann ja nicht für alle Themen Experte sein, schon gar nicht, wenn sich die Schülerinnen und Schüler ein halbes Jahr intensiv damit beschäftigt haben. Ich muss dann auch mal passen. Ich kann aber immer Tipps geben, wo sie weiterrecherchieren können“, sagt Boneß. Kratzt es nicht am Lehrer-Nimbus, bei manchen Problemen überfragt zu sein?  Wieder lächelt Boneß. „Das muss man schon aushalten können“, sagt er. News4teachers

Junge Einsteins gesucht: Plus-MINT – das Förderprogramm für Top-Talente startet in die neue Runde

 

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9 Kommentare
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Alla
2 Jahre zuvor

Wie geht es denn den Schülern in so einer homogenen Gruppe? Glaubt man den Experten, werden sie so zu asozialen Persönlichkeiten, die keinerlei Hilfsbereitschaft, Teamfähigkeit und Frustrationstoleranz entwickeln!
Der einzige Vorteil ist wohl, dass sie ihren gewaltbereiten Eltern nicht ausgeliefert sind!

Aber, Zynismus beiseite!
Es ist schön, dass die Schüler diese Chance bekommen! Solche Möglichkeiten sollte es öfter geben!

Jens-Arne Buttkereit
2 Jahre zuvor
Antwortet  Alla

An der Schule Birklehof, an der Herr Boneß tätig ist, ist diese Talentgruppe eingebettet in eine ganz übliche gymnasiale Schulgemeinschaft – sie machen etwa 25% eines Jahrgangs aus. Die besondere Förderung erfolgt im außerunterrichtlichen, was an einem Internat einfacher ist, weil die Schülerinnen und Schüler ja auf dem Campus wohnen, bzw. in den Wahlbereichen.
Ziel ist es, diesen Talenten Gleichgesinnte an die Seite zu stellen, mit denen sie fachlich auf einer Wellenlänge unterwegs sind („Bin ich der Einzige, der Mathe mag?“ ist dann kein Thema mehr), und gleichzeitig durch die Einbindung in den ganz normalen Schul- und Internatsalltag sicherzustellen, dass genau Ihre Sorge vor einer zu homogenen Gruppe nicht passiert. Auch plus-MINT Talente spielen mit Freunden Fußball oder singen im Chor!

Susanne Burzel
2 Jahre zuvor

Solange es Hochleister sind, ist alles im grünen Bereich. Doch Hochbegabte, die sich in der Schule zu Underachiever entwickeln, weil sie anecken, hinterfragen, resignieren und sich zurückziehen, erhalten diese Chance nicht, da sie dann keine Hochleister mehr sind. Ich wünsche mir daehr Sensibilität seitens der Lehrer und wie Reformation der Lehrpläne. Stattdessen überforderte Lehrer und Frust auf allen Seiten, wenn Schüler nicht ins Schema passen.

Trotzdem ist dies ein schönes Beispiel, wie es funktionieren kann, denn Hochbegabte haben tatsächlich andere Ansprüche und bieten spezielle Herausforderungen. Keine einfache Aufgabe, aber mit der richtigen Portion Idealismus und Begeisterung zu bewältigen. Gerne mehr davon!

Mama
2 Jahre zuvor

Der Schüler Bafög ist ein Witz. Was meinen die denn, wie geht es dem Kind von Hartz IV Empfängern, die wahrscheinlich sogar selbst gut gebildet und bildungsorientiert sind, aber wo das Kind in einem Umfeld aufwächst, wo jedes gewünschte Fachbuch böse ins Budget fällt.

Da geht es nicht mehr nur um Markenklamotten oder, dass Mama den Frisör spielen muss. Da wird, so sehr sich die Eltern auch bemühen ganz deutlich, dass Bildung kostet.

Und dann denken die, dass so ein Kind sich auf den Bafög einlässt? Nein das tut es nicht. Weil es genau weiß, dass es trotz Bildung und Fleiß mal ganz schnell vorbei sein kann, weil z. B. die Gesundheit nicht mitspielt.

Mein Kind hat damals aus genau diesem Grund den mint Platz nicht angetreten, weil er Angst hatte, dass er diesen Bafög nicht zurück zahlen kann..

Tut mir leid, aber wenn wir von Bildungsgerechtigkeit träumen, dann sollten wir ganz schnell anfangen über finanzielle Konzepte nachzudenken

Jens-Arne Buttkereit
2 Jahre zuvor
Antwortet  Mama

Der Birklehof liegt in Baden-Württemberg. Dort müssen die Lehrbücher von der Schule gestellt werden, durch die Förderung aus dem „Digitalpakt Endgeräte“ erhalten die Schüler sogar Tablets gestellt.

Schüler-BAföG muss definitiv nicht zurückgezahlt werden. Dsa ist genau das finanzielle Konzept, das Sie fordern.

Nicole
2 Jahre zuvor

Bei dem sogenannten Schüler-Bafög handelt es sich um eine Vollförderung die NICHT zurück gezahlt werden muss. Dies sollte also kein Grund sein um eine Teilnahme an diesem oder auch anderen Programmen abzulehnen.

Auch bei den Bafög-Programmen für Auszubildene und Studenten/-innen als zinslose Darlehen gibt es natürlich Netz und doppelten Boden, wenn eine Rückzahlung aus bestimmten Gründen vorübergehend oder auch längerfristig gar nicht oder nur sehr schwer möglich ist (Arbeitslosigkeit, geringer Verdienst etc). Zudem ist die Höhe der Gesamtrückzahlung gedeckelt bei 10.010,00 € sowie die Höhe der monatlichen Raten bei 130,00 €.

Ich finde es wirklich sehr schade, wenn junge Menschen ihre Möglichkeiten nicht ausschöpfen (können), weil – aus welchem Grund auch immer – die richtigen Informationen fehlen.

Mama
2 Jahre zuvor
Antwortet  Nicole

Es ist schon einige Jahre her, aber uns lag damals ein Antrag vor, nachdem mein Sohn 50% der Gesamtsumme ohne Zinsen hätte zurück zahlen müssen oder aber ein Antrag nach Paragraf 35a SGB IIX (Hilfen für seelisch behinderte oder von seelischer Behinderung bedrohter Kinder) als Alternative. Letzteres wäre komplett kostenlos gewesen, allerdings kam es für uns überhaupt nicht in Frage unser mit so einem Stigma zu belasten. Jetzt ist er erwachsen und ein Profi in dem Bereich „Wie komme ich trotz Hochbegabung mit normalen Menschen klar“

Jens-Arne Buttkereit
2 Jahre zuvor
Antwortet  Mama

Vor einigen Jahren gab es dieses Programm plus-MINT noch nicht: erst seit dem Schuljahr 2019/20 besteht die Förderung durch Schüler-BAföG. Da hat sich wirklich viel getan.

Bücherwurm
1 Jahr zuvor

Das Schüler-BAföG gibt es schon lange. Auch mein Abitur 1994 an einem süddeutschen Internat wurde dadurch möglich. Ich musste lediglich nachweisen, dass der Schwerpunkt der Ausbildung nur mit der Internatsunterbringung zu erreichen war und das am Gymnasium um die Ecke nicht ähnliches angeboten wurde. Vollzuschuss und niedrigschwellig. Selbst das Studenten-BAföG ist moderat bei der Rückzahlung. Wenn ich das mit meinen amerikanischen Kollegen vergleiche fühle ich mich sehr privilegiert. Wir leben in einem tollen Land…