Studie: Viele Jugendliche verfügen über gute Intuition bei gesunden Lebensmitteln

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BERLIN. Angesichts der großen Vielfalt an Lebensmitteln, denen Konsumentinnen und Konsumenten im Supermarkt heute geradezu ausgesetzt sind, fordern viele Expertinnen und Experten mehr Verbraucherbildung an Schulen. Bei der Einschätzung des gesundheitlichen Wertes gelangen Jugendliche aber häufig zu ähnlichen Einschätzungen wie ausgewiesene Ernährungsexperten, zeigt jetzt eine Studie.

An apple a day… Foto: Shutterstock

Die Qualität des Essens in Schulkantinen wird im Alltag von Schülerinnen und Schülern meist eher negativ bewertet. Die tatsächliche Qualität spielt dabei nicht immer die Hauptrolle. Andererseits drängen sich wohl den wenigsten von uns beim Ernährungsverhalten von Jugendlichen als Erstes Bilder gesundheitsbewusster, disziplinierter Konsumenten auf.

Unabhängig von sozialen Prozessen in Peergroups scheinen Kinder und Jugendliche sich mit Lebensmitteln allerdings besser auszukennen, als man erwarten mag. Darauf deuten zumindest die Ergebnisse einer aktuellen Studie von Wissenschaftlern des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPI) und der Universität Aarhus.

Für die Wahrnehmung von Lebensmitteln und die Beurteilung ihrer Gesundheit spielt demnach eine zentrale Rolle, wie „natürlich“ sie sind. Bereits Jugendliche und junge Erwachsene achten sehr auf Natürlichkeit. Allerdings gibt es bei Jugendlichen erhebliche individuelle Unterschiede in der Beurteilung von Lebensmitteln.

Die Forscherinnen und Forscher verglichen die Lebensmittelwahrnehmung von 36 Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren mit denen von 68 Lebensmittelexpertinnen und -experten wie Ernährungsberatern und Ökotrophologiestudenten. Eine dritte Gruppe bestand aus jungen Erwachsenen mit einem Durchschnittsalter von 30 Jahren. Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden zunächst Bilder von 43 alltäglichen Lebensmittelprodukten gezeigt. Sie sollten dann jedes der Produkte im Hinblick auf 17 Merkmale einschätzen – wie dem Gehalt an Fett, Zucker oder Proteinen, wie sehr das Produkt verarbeitet ist, ob es regionalen Ursprungs und wie aufwändig es verpackt ist. Zudem sollten die Teilnehmenden angeben, für wie „gesund“ sie jedes der Lebensmittel hielten.

Im Anschluss ermittelten die Forscher Dimensionen, die der Wahrnehmung der Lebensmittel zugrunde lagen. Dabei zeigten sich deutliche Gemeinsamkeiten in den Urteilen der Jugendlichen und der Experten. „Für alle Gruppen war ein zentraler Faktor bei der Wahrnehmung der Lebensmittel, wie natürlich sie sind. Lebensmittel, die wenig verpackt waren, wenig Zusatzstoffe enthielten und kaum verarbeitet waren, wurden als ähnlich und zusammengehörig wahrgenommen“, resümiert Thorsten Pachur, Forschungsgruppenleiter am MPI und Leiter der Studie. „Die Natürlichkeit war zudem zentral bei der Beurteilung, wie gesund die Lebensmittel sind. Je höher die Ausprägung auf der Natürlichkeitsdimension, desto gesünder wurde ein Lebensmittel eingestuft.“ Diese einfache Regel bei der Beurteilung der Gesundheit zeigte sich nicht nur bei den Jugendlichen und den jungen Erwachsenen – auch die Ernährungsexpertinnen und Experten schienen ihr zu folgen. Insgesamt wiesen die Gesundheitseinschätzungen der drei Gruppen viele Ähnlichkeiten auf. Äpfel, Wasser, Bananen und Milch wurden als sehr gesund wahrgenommen, sonnengetrocknete Tomaten und Müsliriegel lagen im mittleren Bereich und für Schokoladenriegel und Kekse gab es niedrige Gesundheitswerte.

Neben diesen Parallelen zeigten sich aber auch einige Diskrepanzen zwischen den Teilnehmergruppen. Einzelne Lebensmittel wie Orangensaft oder Fischstäbchen wurden von den Jugendlichen deutlich gesünder eingeschätzt als von den Experten. Möglicherweise orientierten sich die Jugendlichen hier am Gesundheitswert von Orangen und Fisch. Orangensaft enthält jedoch recht viel Zucker und bei Fischstäbchen steht die fettige und kalorienreiche Panade dem gesunden Gehalt an Mineralstoffen und Omega-3 Fettsäuren des Fischs entgegen. Das schien aber nur den Expertinnen und Experten bekannt zu sein. Des Weiteren schienen die Jugendlichen für die mentale Einordnung der Lebensmittel neben der Natürlichkeit auch eine süß-salzig-Achse –also eine einfache Geschmackskomponente – zu verwenden. Bei den anderen Teilnehmergruppen war die Wahrnehmung ausschließlich durch Inhaltsstoffe – insbesondere Cholesterin, Fett und Protein – strukturiert. Die Geschmacksachse verwendeten die Jugendlichen auch zur Beurteilung der Lebensmittelgesundheit, wobei süße Lebensmittel als weniger gesund eingestuft wurden als salzige.

Ein anderer Unterschied zwischen den Jugendlichen und den anderen Studienteilnehmern bestand in der Streuung der Antworten. Während sich die Experten in der Beurteilung der Lebensmittel meist recht einig waren, gab es bei den Jugendlichen eine erhebliche Streuung. Dies deutet darauf hin, dass ein Teil der Jugendlichen eher uninformiert war und bei einigen Antworten raten musste. So wurden beispielsweise die Lebensmittel Lachs und Ketchup oder allgemein der Gehalt an „guten“ Fetten, Ballaststoffen oder Cholesterin sehr unterschiedlich eingeschätzt.

Die Ergebnisse zeigten nach Ansicht der Forscher, dass in der komplexen Lebensmittellandschaft Aspekte der Natürlichkeit modernen Konsumentinnen und Konsumenten eine wichtige Orientierungshilfe böten und zur intuitiven Einschätzung herangezogen würden, wie „gesund“ ein Lebensmittel ist. Über diese Intuition verfügten bereits Jugendliche, und – da auch die Expertinnen und Experten sie verwendeten – scheine die Natürlichkeit von Lebensmitteln in der Tat effektive Hinweise zur Identifikation von gesunden Lebensmitteln zu geben. Trotzdem deuteten die Ergebnisse auch darauf hin, dass Jugendliche ihr Wissen über die Inhaltsstoffe von Lebensmitteln noch weiter schulen bzw. schulen lassen sollten. Und das würde sich lohnen, so die Studienautoren. Ergebnisse anderer Studien zeigten, dass besseres Wissen über Lebensmittel mit gesünderen Konsumentscheidungen zusammenhänge. Der Grundstein für eine gute Lebensmittelintuition scheine jedoch oft gelegt. (zab, pm)

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