„Chronische Überlastung“: Lehrkräfte sehen sich am Limit – ihre Schüler auch (Verhaltens-Auffälligkeiten nehmen zu)  

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BERLIN. Die Corona-Pandemie und der Lehrkräftemangel haben an deutschen Schulen tiefe Spuren hinterlassen: Eine überwältigende Mehrheit der Lehrkräfte erlebt das Kollegium (92 Prozent) und sich selbst (84 Prozent) derzeit stark oder sehr stark belastet. Für über drei Viertel der Lehrkräfte (79 Prozent) ist Wochenendarbeit die Regel und eine Erholung in der Freizeit kaum noch möglich (60 Prozent). Das sind Ergebnisse des Deutschen Schulbarometers, einer repräsentativen Umfrage der Robert Bosch Stiftung, durchgeführt von forsa. „Die dramatische Überlastung von Lehrkräften, psychisch und physisch, ist zu einem enormen Risiko geworden – für die Lehrkräfte selbst und für die Zukunft funktionierender Schulen insgesamt“, sagt VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann.

Vier von fünf Lehrkräften in Deutschland fühlen sich stark belastet. Foto: Shutterstock

Die Hälfte der Lehrkräfte leidet der Umfrage zufolge unter körperlicher (62%) oder mentaler Erschöpfung (46%). Mehr als jede zehnte Lehrkraft (13%) plant, im kommenden Schuljahr weniger zu arbeiten und das wöchentliche Deputat zu reduzieren.

„Lehrkräfte stehen enorm unter Druck. Sie müssen die Digitalisierung im Rekordtempo nachholen, Corona-Richtlinien überwachen, Lernrückstände aufarbeiten, einen Fachkräftemangel abfedern und eine steigende Zahl von geflüchteten ukrainischen Kindern und Jugendlichen in die Schulen integrieren“, sagt Dagmar Wolf, Bereichsleiterin Bildung der Robert Bosch Stiftung. Trotz der noch immer sehr hohen Berufszufriedenheit (74%) sei das Belastungserleben der Lehrkräfte in der Pandemie stark angestiegen. „Lehrerin oder Lehrer wird man aus Überzeugung. Aber chronische Überlastung macht auf Dauer krank und unzufrieden. Schulen benötigen deshalb dringend zusätzliches Personal. Dazu gehören Sozialpädagog:innen und Schulsozialarbeiter:innen, aber auch Verwaltungskräfte, die die Schulleitungen entlasten.“

Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen weiter angestiegen

Fast alle Lehrkräfte (95 Prozent) geben an, seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 einen deutlichen Anstieg von Verhaltensauffälligkeiten bei ihren Schüler:innen zu beobachten. Im Vergleich zur Befragung des Deutschen Schulbarometers im September 2021 ist dieser Anteil in fast allen Bereichen noch einmal gestiegen. So berichten jetzt 80% der Befragten von einer starken Zunahme von Konzentrations- und Motivationsproblemen (2021: 67 Prozent). Fast doppelt so viele Lehrkräfte (42 Prozent) wie vor einem halben Jahr beobachten aggressives Verhalten bei ihren Schüler:innen. Befragt nach Hilfsangeboten für die Kinder und Jugendlichen verweisen fast drei Viertel der Lehrkräfte auf Angebote der Schulsozialarbeit. Sprechstunden von Schulpsycholog:innen finden an der Hälfte der Gymnasien und Berufsschulen statt, jedoch lediglich an einem Drittel der Haupt-, Real- und Gesamtschulen und an einem Viertel der Grundschulen.

Ein zeitlicher Vergleich zwischen September 2021 und April 2022 zeigt außerdem, dass die Lehrkräfte den Anteil der Schüler:innen mit deutlichen Lernrückständen inzwischen deutlich höher schätzen (September 2021: 33 Prozent, April 2022: 41 Prozent). Das betrifft vor allem Schulen, in denen mehr als die Hälfte der Schülerschaft eine andere Familiensprache als Deutsch spricht. Drei Viertel der Lehrkräfte geben an, dass Schüler:innen nicht die Unterstützung erhalten, die nötig wäre, um vorhandene Lernlücken zu schließen. Ebenso viele sind der Meinung, dass die Förderung des psychischen Wohlbefindens wichtiger sein sollte als das Erfüllen der Lehrpläne.

Zum Zeitpunkt der Befragung im April 2022 stellt die Bewältigung von Corona-Maßnahmen die größte Herausforderung für die Lehrkräfte dar (38 Prozent). Es folgen der Lehrkräftemangel (26 Prozent) und das Verhalten der Schüler:innen (21 Prozent).

VBE-Chef Beckmann kommentiert: „Die Politik steht ohne Wenn und Aber in der Pflicht, endlich lange Versäumtes aufzuarbeiten und jetzt alles Notwendige dafür zu tun, um die Pädagoginnen und Pädagogen in den Schulen zu schützen, die im Kontext von Coronapandemie, massivem Lehrkräftemangel, Integrationsaufgaben, und (verschleppter) Digitalisierung teils Unermessliches leisten. Nur so kann Schule, nur so können wir als Gesellschaft das schaffen, wozu wir verpflichtet sind, nämlich allen Kindern und Jugendlichen einen gerechten Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung und bestmöglicher Förderung ermöglichen.“

Erst Anfang des Jahres hatten in einer im Auftrag des VBE durchgeführten repräsentativen forsa-Umfrage die Hälfte von 1.300 Schulleitungen angegeben, dass es aufgrund der Überlastung in den letzten Jahren vermehrt zu langfristigen Ausfällen in ihrem Kollegium gekommen sei (News4teachers berichtete).

Dazu Beckmann: „Das, was wir an Schule nicht erst seit gestern erleben, ist ein sich selbst verstärkender Teufelskreis. Personalmangel und immer neue Aufgaben führen zu zusätzlichen Belastungen bei den Lehrkräften, die im System sind. Höhere Krankenstände sind zwangsläufig die Folge. Das erhöht wiederum die Arbeitsbelastung der verbleibenden Fachkräfte und gefährdet deren Gesundheit zusätzlich.“

„Die Politik muss das Bildungssystem dauerhaft mit ausreichenden und adäquaten  Ressourcen ausstatten“

Auf der anderen Seite bräuchten Schülerinnen und Schüler gerade in diesen Zeiten, das machten auch die Ergebnisse des Schulbarometers mehr als deutlich, gesunde, belastbare und durch die Bereitstellung der notwendigen Gelingensbedingungen gestärkte Lehrerinnen und Lehrer. „Nur so kann den etwa verstärkt zu beobachtenden Verhaltensauffälligkeiten, den zunehmenden Lernrückständen und vor allem den besorgniserregenden Hinweisen auf das mangelnde psychische Wohlbefinden vieler junger Menschen entgegengewirkt werden. Die Politik muss das Bildungssystem dauerhaft mit ausreichenden und adäquaten  Ressourcen ausstatten, sodass Lehrkräfte wie auch Schülerinnen und Schüler gesund bleiben und eine bestmögliche individuelle Förderung realisierbar ist. Zudem braucht es dringend wirkungsvolle Maßnahmen, um die deutlich zutage tretenden kognitiven und sozial-emotionalen (Zusatz-)Bedarfe bei Kindern und Jugendlichen nachhaltig auszugleichen. Eine bessere Ausstattung mit Lehrkräften und multiprofessionellen Teams, insbesondere mit psychologischer Qualifizierung, wie sie der VBE seit langem fordert, ist dafür unabdingbar. Es kann insgesamt nur um massive Investitionen gehen und dafür brauchen wir ein Sondervermögen Bildung“, sagt Beckmann.

Hintergrund: Der Bundestag hat in der vergangenen Woche ein „Sondervermögen Bundeswehr“ beschlossen, um 100 Milliarden Euro in die Streitkräfte zu investieren. News4teachers

Umfrage: Immer mehr langfristige Ausfälle an Schulen – „Überlastung macht Lehrkräfte zunehmend krank“

 

 

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Schattenläufer
1 Jahr zuvor

Das kann ich nur bestätigen.
Woran liegt das?
Ganz einfach. Die Bildungsministerien haben in den nunmehr fast drei Jahren der Pandemie nicht nur den Gesundheitsschutz sträflich vernachlässigt, sie haben die Anforderungen, trotz der Mehrbelastung, um keinen Deut reduziert. Eher im Gegenteil!

Statt Stundenzahlen der Klassen auf ein Notprogramm zu schalten wurden an Schulen mit 30-40% erkrankten Kollegen die Fehlstunden durch Vertretungen und Mitbetreuungen aufgefangen.

Zusätzliche Belastungen durch Masken, Händewaschen, Testungen und Wechselunterricht fanden keinen Niederschlag in einer Reduzierung der Inhalte. Die fehlende Zeit musste einfach aufgefangen werden.

Die Arbeitsbedingungen haben, speziell im Winter, einen neuen Tiefpunkt erreicht, bei den Temperaturen ist dies sogar wörtlich zu nehmen.

Sinnlose Reformen wurden nicht aufgeschoben sondern so durchgezogen als gäbe es Corona nicht.

Distanzunterricht machte es erforderlich, dass die Digitalisierungsmöglichkeiten der Schulen kurzfristig ausgebaut wurden. Natürlich durch die Lehrer.

Alle Konferenzen fanden statt. Sogar Qualitätsaudits wurden 1 zu 1 durchgeführt.

Den Schulen geht es wie den Krankenhäusern. Man hat die Belastung stark erhöht um einer akuten Notsituation zu begegnen.
Ist ja nur für kurze Zeit, da müssen wir durch. Wir vertrauen auf ihre Mitarbeit. Den Schülern zu Liebe…

Jetzt zeigt sich, dass diese Notsituation zur neuen Normalität werden könnte.
Gefragt wäre also ein personeller Ausbau oder neue Konzepte.

Ich habe aber den Eindruck, dass nichts davon in Sicht ist. Vielmehr wird die hohe Belastung der Mitarbeiter an Schulen und Krankenhäusern auch zur neuen Realität werden. So stellen sich das aus meiner Sicht jedenfalls die Ministerien vor.
Geht doch auch so. Haben wir ja jetzt gesehen.

Ich kann schon jetzt voraussagen, dass das nicht gut gehen wird. Weder in den Krankenhäusern noch an den Schulen.
Auf Dauer wird diese Überbelastung zu einem Teufelskreis aus Berufsausstiegen, Frühpensionen, Burnouts und Resignation führen. Dadurch wird die Personal-Not noch größer, was wir dann durch Mehrarbeit der letzten Überlebenden wieder zusätzlich auffangen sollen.

„Last men standing“ heißt das Spiel.

kanndochnichtwahrsein
1 Jahr zuvor

„Mehr als jede zehnte Lehrkraft (13%) plant, im kommenden Schuljahr weniger zu arbeiten und
das wöchentliche Deputat zu reduzieren.“
Wurde da vielleicht sogar die Frage zweifelhaft gestellt?
Ich denke, noch viel mehr Lehrer würden sich da wünschen – sie „planen“ es aber nicht, weil es nicht genehmigt würde, wenn wir Anträge stellen würden.
Ohne konkreten Grund kann keiner seine Stunden reduzieren.
Und wer Stunden reduziert, weiß auch vorher schon, dass er für weniger Geld mehr Springstunden, die gleiche Arbeit als Klassenleiter, faktisch am Ende keine wirklich freien Halbtage, schon gar nicht freie Tage haben wird, weil das mit der vorhandenen Personaldecke , zumal in Ganztagssschulen gar nicht zu realisieren ist.

Das einzige, was halbwegs kostenneutral sofort helfen würde, wäre

eine Entmüllung des Lehrplans, damit es mehr Zeit für Aufarbeiten, Aufholen und Anschluss finden für die Kinder gibt, damit Neues nicht ohne Grundlagen gelernt werden muss, damit nicht wieder neue Lücken entstehen.
Dann wäre vielleicht auch wieder mal Zeit für Interessen, Persönliches, Probleme, für eine Beziehung zu den Kindern

eine andere Aufteilung der Lehrkräfte mit mehr Fächern in weniger Klassen, damit Beziehungen zu den Kindern entstehen können – Lehrer, die von einer Klasse in die nächste hetzen, haben fast keinen Einfluss auf „verhaltenskreative“ Kinder

eine Reduzierung des Stundenumfangs der Schüler bis zu dem Punkt, wie Lehrkräfte vorhanden sind – das würde bedeuten, den Ganztag auszusetzen, bis wieder ausreichend Lehrer dafür vorhanden sind

Ansonsten kann man nur schwarz sehen.
Die Politik wird weiterhin nicht mehr in Bildung investieren als sie muss (wozu Gerichte sie zwingen, s. A13-Diskussion).
Die Bevölkerung wird weiterhin nicht einfordern, dass in der Schule Qualität vor Quantität gehen muss, dass Betreuung (für wen sie wirklich unabdingbar ist) auch andere als Lehrer können.
Ein großer Teil der Bevölkerung (Eltern) wird weiter nicht für die Lehrer kämpfen, sondern gegen uns – das ist schon fast guter Ton, mindestens aber Tardition – man weiß ja, wie „die Lehrer“ sind.

Ich sehe bereits die Rücklichter des Zuges.
Veränderungen hätte spätestens nach dem letzten Coronawinter DEUTLICH werden müssen.
Inzwischen „läuft es“ ja wieder irgendwie, alle planen ihre Ferien, alle Schüler haben ihre Abschlüsse machen können, die Lehrer haben funktioniert, die Schulen können so bleiben wie alle sie haben wollten/wollen… man muss nichts ändern.

Also wartet man, bis sich bewahrheitet:
„Wenn alles so bleibt wie es ist, bleibt nichts wie es ist!“

kanndochnichtwahrsein
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Danke, leider setzt auch die Formulierung „Haben Sie vor“ ja voraus, dass man eine gewisse Erfolgsaussicht oder wenigstens die Hoffnung auf Erfolg, eine kleine Chance auf Realisierung des Vorhabens erkennen würde.
Wenn ich eh weiß, dass solche Anträge nur in sehr speziellen Fällen (die man für sich selbst nicht in Anspruch nehmen kann) genehmigt werden, bleibt ja nur, jegliche Planung und jegliches Vorhaben auf Eis zu legen oder ganz auszusteigen.
DAS wenigstens kann man uns nicht verwehren – auch wenn es denkbar unwahrscheinlich ist, dass Lehrkräfte nach langer Dienstzeit noch anderswo etwas finden UND in wenigen verbleibenden Jahren bis zur Rente die aus einer Kündigung des Beamtenverhältnisses resultierenden Verluste bei der Altersversorgung angemessen ausgleichen können.

Ehrlicher wäre sicherlich zu fragen:
Können Sie Ihren Job noch zu Ihrer eigenen Zufriedenheit ausfüllen?
Trauen Sie sich zu, unter den gegebenen Umständen noch x-Jahre bis zur Rente/Pension durchzuhalten?
Würden Sie gerne Stunden reduzieren, wenn Sie das Recht dazu hätten und der Antrag genehmigt würde?

Marc
1 Jahr zuvor

Zitat:“ Sprechstunden von Schulpsycholog:innen finden an der Hälfte der Gymnasien und Berufsschulen statt, jedoch lediglich an einem Drittel der Haupt-, Real- und Gesamtschulen und an einem Viertel der Grundschulen.“

Das sagt so ziemlich alles über das Problem im Bildungswesen. Alle Mittel den ohnehin schon elitären Gymnasien hinterhergeworfen und die anderen Schulen mit den verhaltensauffälligen Schülern schauen in die Röhre. Ich behaupte mal aus dem Bauch heraus dass die Verteilung vonn Psychologen genau umgekehrt sein müsste

HaBe
1 Jahr zuvor
Antwortet  Marc

Nein, das entspricht nicht der Realität. Wir sehen in der kinder- und jugendlichenpsychotherapeutischen Praxis genauso viele Gymnasiasten wie Gesamtschüler, Realschüler oder Berufsschüler und Grundschüler.
Davon – bei einem offensichtlichen Mangel an Therapieplätzen (Wartezeit oft 1 Jahr), Mangel an Förderangeboten und an Beratung durch Schulpsychologen – die Schülergruppen gegeneinander auszuspielen, halte ich überhaupt nichts. Alle Bedürftigen haben einen Anspruch auf Hilfe, erhalten diese aber in der Realität nicht oder zu spät. Dies liegt einzig und alleine fahren, dass den Bedarfen der Kinder politisch/ gesellschaftlich keine hohe Priorität eingeräumt wird.

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  HaBe

@ HaBe
Dankeschön für Ihre professionelle Einschätzung ; wichtig für das Gesamtbild und kann nicht oft genug gesagt werden.

klm
1 Jahr zuvor

„Trotz der noch immer sehr hohen Berufszufriedenheit (74%) sei das Belastungserleben der Lehrkräfte in der Pandemie stark angestiegen.“

Ich bezweifle die „sehr hohe Berufszufriedenheit“, auch wenn das mal wieder eine „Studie“ belegt.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  klm

Vermutlich ist fas ein Schreibfehler.

Es muss „sehr hohe BerufsUNzugriedenheit“ heißen und schon passt die (recht niedrige) Zahl.

Honigkuchenpferd
1 Jahr zuvor

Naja, die Auffälligkeiten nehmen zu, weil sie zugelassen werden. An den Unis lernen die jungen Lehrer nur noch, wie man spaßigen Unterricht macht. Hat jemand aber keinen Spaß an dem Spaß, dann hat man ihn nicht genügend motiviert und ist selbst schuld. Junge Lehrer wissen oft nicht mehr, wie sie schwierige Kinder in den Griff kriegen können.

Last edited 1 Jahr zuvor by Honigkuchenpferd
Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Honigkuchenpferd

Es geht um Bedürfisorientierung – um jeden Preis.

Das kann nicht gut gehen.

Die Kids müssen die Möglichkeit zur Entwicklung haben, dazu gehört auch mal abwarten, Blase trainieren, nur in den Pausen essen…..

Wird immer lustiger, was die Jungkolleg:innen da auf den Weg bringen. Aber – den Schüler:innen macht es deutlich mehr Spaß als das, wofür Schule mal stand – lernen.

Carsten60
1 Jahr zuvor

„Verhaltensauffälligkeiten nehmen zu, Lernrückstände auch, aggressives Verhalten, fehlendes psychisches Wohlbefinden“, und dann gibt es offenbar viele Schulen, „in denen mehr als die Hälfte der Schülerschaft eine andere Familiensprache als Deutsch spricht“.
Aber niemand sagt, das gehört in die Kategorie des Jammerns „früher war alles besser“. Merkwürdig, merkwürdig.
Aber wenn jemand Defizite bei der Rechtschreibung beklagt, dann wird gesagt, der jammert im Stile von „früher war alles besser“.
Man könnte ja fast spotten: „Früher, also in der guten alten Zeit, wurde in fast allen Familien im Lande Deutsch gesprochen, und deshalb hatten die Kinder und die Lehrer in der Schule auch nicht so viele Probleme. Ansteckende Krankheiten gab’s auch, aber die führten nicht zu solchen katastrophalen Lernrückständen.“
Und die Antwort wäre dann sinngemäß etwa: „Ja, das war eben früher. Jetzt haben wir den Fortschritt der Migrationsgesellschaft, der Globalisierung, der Internationalisierung und neuerdings auch der Digitalisierung. Da ist es eben anders. Aber wir schaffen das.“

Wo ist eigentlich mal nachgewiesen, dass aggressives Verhalten und Verhaltens-auffälligkeiten gegenüber dem Stand von vor 50 Jahren zugenommen haben, und warum das so ist? Oder werden jetzt Fakten generell durch Umfragen ersetzt? Auch bei der Rechtschreibung?

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Aber oben im Artikel ist doch von angestiegenem „aggressiven Verhalten“ sowie „Verhaltensauffälligkeiten“ die Rede. Dann ist das also gar nicht so dramatisch und ist nicht schlimmer als etwa vor 50 Jahren ?

Julia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Falsch, auch wenn die Studie das sagt. Studien sagen vieles, was Praktiker nicht bestätigen können. Komisch zwar, ist aber so.
Allein die Gewalt durch digitales Mobbing ist heute ein Riesenproblem. Oder zählt das etwa nicht als Gewalt?

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Aber wo ist der (empirische) Vergleich zu 1970? Ihr Link betrifft nur den Zeitraum seit Mitte der 2000er Jahre. Und wie gut ist anderes „Anekdotisches“ belegt, z.B. die viel beklagte „Spaltung der Gesellschaft“ (durch wen?) oder die offenbar ins Unermessliche wachsende Zahl der Kinder aus bildungsfernem Milieu (welche und wieviele sind das genauer?) ? Auch die Umfrage in dem obigen Artikel ist doch nur was „Anekdotisches“, weil es nur um Meinungen geht. Wir ersetzen ohnehin immer mehr Fakten durch Meinungsumfragen.
1970 ist m.E. ein geeignetes Datum: die erste SPD-geführte Bundesregierung, in der Folge größere Schulreformen (auch Gesamtschulen), das Ende der Vollbeschäftigung und der Beginn einer millionen-fachen Zuwanderung, auch durch Familienzusammenführung. Wir sollten das nicht zugunsten von kurzatmigen Betrachtungen vergessen. Die langfristigen Veränderungen sind wichtig.

Julia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Julia

Hier macht sich jmd. mein Pseudonym zu eigen!

Julia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Julia

Oder Sie machen sich meins zu eigen. Sind Sie auch schon 3 Jahre dabei wie ich?

Julia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Julia

Mimimi…ich war aber zuerst da! Wie armselig ist das denn?

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Julia

BEIDE Julias bitte ändern!

Einmal mit Zahl – einmal mit Buchstabe und schon seid ihr wieder individuell und einzigartig!

Julia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Auf diese Idee wäre ich ja nie gekommen!
Btw- ich gehe einfach mal davon aus, dass sich den Lesenden der Unterschied in der Urheberinnenschaft der jeweiligen Posts erschließt. 😉

Julia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

…bzw. beim Lesen derselben.

wandkalender
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Kalenderspruch:
Früher war auch nicht alles besser…. Nur wir waren jünger und uns war alles egal..

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  wandkalender

Früher wurde alles besser unter den Teppich gekehrt

Amanakoku
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Quatsch, früher war Gewalt, sagen wir mal „kleine Gewalt“ (der berühmte Klaps auf den Po) einfach weithin gesellschaftlich akzeptiert und fiel insofern gar nicht auf.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Amanakoku

Gibt noch andere Formen von Gewalt. Sexuelle Gewalt wurde sowieso unter den Teppich gekehrt. Eine Gruppe von kleinen Mädchen in den 50ern (dabei meine Mutter) beim baden am Löschteich wird von einer Bande Jugendlicher untergetaucht, bis sie blau sind – war damals nicht der Rede wert, wäre heute in allen Medien und würde etliche TV – Disskussionabende füllen. Die Jugendlichen hatten ihren Frust über die autoritären Erwachsenen nicht in der Schule gezeigt, denn da hatten sie Angst. Sie haben es dann dafür an Schwächeren ausgelassen. Man kann mit solchen Geschichten von früher Bücher füllen. Nur in den Medien war nie was aufgetaucht.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  wandkalender

Früher war mehr Lametta

(Clown verspeist – tut mir leid ;))

Mathy
1 Jahr zuvor

74% der Lehrkräfte sind zufrieden und krank…
Ich sehe die Belastung auch, aber als Außenstehender könnte ich das nicht glauben, wenn so viele zusätzlich angeben, dass sie zufrieden mit ihrer Stelle sind.

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mathy

Das ist ganz einfach: Lebens- und Berufszufriedenheit bedingen lange Zeit, dass der Motor, abundzu mit ein bisschen Stottern , so doch weiterläuft.

Wirds zu viel, kommts zum Syndrom:

“ Laut Prof. Wolfgang Huber, Internist, Nephrologe und Umweltmediziner in Heidelberg, ist das Syndrom eine systemische Entzündungserkrankung, bei der Stoffwechsel und Energieversorgung der Zellen aus dem Gleichgewicht geraten sind. „Die Batteriezelle entleert sich“, schildert er die Vorgänge im Körper. Oft gehe der Erkrankung ein Infekt mit körperlichem Zusammenbruch voraus.“ aus

https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/news-archiv/artikel/muedigkeit-als-dauerzustand-das-chronisches-erschoepfungssyndrom

Arg, also haben wir dann Erschöpfungssyndrom verursacht durch Covid selbst – – plus
Erschöpfungssyndrom in allen Facetten durch Überbelastung/ fehlende Schutzmaßnahmen
durch Glorreiche Erkenntnisse

= jeder passe auf sich auf ( soweit die „Maßnahmen“ der Glorreichen dies zulassen),
Die Summe ist und bleibt im
Minusbereich ( körperlich wie
seelisch )

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mathy

– 2 Zusatz

„Die haben doch Prüfungen, kann sie doch nicht hängen lassen.
Der Benny ist doch so schwach, will ihm doch helfen.
Da müssen die Kollegen dann vertreten………in der Schule.
„Wir sind sowieso zu wenig, die Patienten können nichts dafür.“
Irgendwann geht’s in die Endemie, durchhalten“……..in der Pflege. undundund

Wie lange bleiben diese Vorsätze, die den Karren am Laufen halten noch im Tank. – Können sie noch bleiben?
Wenn der Tank leer ist, ist
Maschin kaputt.
( und Lindner ist nicht der Tiger im Tank)

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sissi

-3
Heute, am 14tenJuni haben wir Frühherbst……ordentlicher Anstieg
( bitte keinen Kommentar , Mr Steckdose, Ihre Fehldiagnose hatten wir schon)Urlaubssperre für Pflege geht oft wegen der letztjährigen nicht mehr,- gut halbe Besetzung, Lauterbach rät zu Maske in Innenräumen ( hat Schule Innenräume ?)
Die Stöhrung kann ergeben was will, ist völlig egal, BA.5 zeigt, was er kann( verhält sich virussig, nicht taubenkonform)
……also muss wohl jeder eigenständig seinen Plan machen, wie komme ich bis zu den Sommerferien durch, trotz der Freiheiten, die sich andere nehmen…..Kräfte schonen, denn da gibt’s ja noch BA.4, vlt. die deltavariante, die anscheinend Israel und 2 andere Länder beunruhigt.
Nur zu, ……..Zeit bis Herbst, gibt ja Wichtigeres, den gescheiterten Tankrabatt wieder hinbiegen, Habeck beschäftigen.
Vlt sollte die Notaufnahme Not-Eintritt verlangen, wie wär der Aufschrei groß- aber so, läuft doch –
Ne, fast nicht mehr….
Also: Jeder sollte seinen Plan….für seine Gesunderhaltung durchziehen….Ich denke, wir sind soweit; es wird nicht mehr anders gehn.
Die ganzen abstrusen Besserwisser tuns doch auch; – und wenns schief geht, wollen sie versorgt werden….

DerechteNorden
1 Jahr zuvor

Über viele Nachrichten hier bei N4T denke ich, dass sie endlich mal die Probleme an deutschen Schule aufzeigen.
Leider scheinen diese Nachrichten außer uns Lehrkräften, Erzieher*innen, Pädagog*innen sonst niemanden zu interessieren bzw. es wird sich sogar darüber lustig gemacht oder sie werden als falsch bewertet.
Welche Schlussfolgerung kann man daraus ziehen? Eigentlich nur diese: Wie es Kindern und Jugendlichen hierzulande ergeht, spielt keine Rolle.
Eigentlich eine Binsenweisheit, aber noch einmal zur Erinnerung: Nur wenn es den in Bildung und Erziehung Tätigen gut geht, geht es auch den Kindern in Bildungseinrichtungen gut.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Etwas über 30% der Lesenden hier sind Eltern, über 50% sind Lehrkräfte, etwa 15 % sind Schüler/Studentinnen und Andere. Laut der Teilnahme an Umfragen, zB zur Masken Pflicht. Wieviel Prozent der Lesenden sind in der Politik? Wäre mal interessant…

Altunderfahren
1 Jahr zuvor

Aber statt wenigstens an der Streichung von Zusatzprogrammen anzusetzen, werden ganz im Gegenteil von Schulleitungsseite nun auch noch Klassenfahrten, Ausflüge, Sommerfeste, Lesenächte und Veranstaltungen aller Art forciert, da man ja „jetzt wieder darf“ und weil die Schüler unbedingt für die entbehrungsreiche Corona-Zeit entschädigt werden müssten.

laromir
1 Jahr zuvor
Antwortet  Altunderfahren

Finde ich prinzipiell gut und schön, wenn man denn einfach mal an anderer Stelle etwas streichen würde, damit soziale und schöne Dinge mehr Raum bekommen. Aber es muss ja immer alles auf einmal sein.

Sybille Haas
1 Jahr zuvor
Antwortet  Altunderfahren

wow, aus Ihren Worten spricht alles außer Zuneigung zu Schülern. Und auch wenn Sie es nicht verstehen wollen – für die Kinder wäre es wichtiger gewesen, wieder so etwas wie Gemeinschaft zu erleben, statt den Lehrplan durchzuprügeln. Erschreckend, dass ein Lehrer (und das sind Sie ja wohl) so etwas nicht sehen kann und will.

Julia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sybille Haas

Blödsinn! Man ist kein:e schlechte:r Lehrer:in, nur weil man seine 40- Stunden-Woche einhält. Wenn meine Schüler auf weiterführende Schulen oder in den Beruf wechseln, müssen sie dafür taugen und fit sein- Gemeinschaft erlebt zu haben ist das gut und schön, wenn aber keine Zeit ist, muss es wegfallen. Dafür sind ggf
die Eltern da. Im Zweifel auch für die Zuneigung.

AndiBandi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Julia

Wieso im Zweifel? Dafür sind hauptsächlich Eltern da! wenn Kinder von Lehrern mehr Zuneigung bekommen als von den eigenen Eltern ist das ne Katastrophe! Lehrer sollten überwiegend Wissen/Bildung vermitteln und keine Ersatzeltern sein!

Und wenn die Kids in den Beruf gehen, gibt es oftmals Ärger, weil zu viele von ihnen gar nicht ausbildungsfähig sind!!
Da muss man aber auch klar sagen, dass das Lehrpersonal da zu 95 Prozent nix für kann, da die Kids schon vollkommen verzogen ausm Elternhaus kommen!

Julia
1 Jahr zuvor
Antwortet  AndiBandi

Stimme vollkommen zu!

Bavarianteachy
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sybille Haas

Ihr Kommentar bringt eigentlich das Problem samt Ursache auf den Punkt:
Moralische Erpressung, Herabwürdigung und Herabsetzung, Nichtakzeptieren von Grenzen und „Mehr, MEHR, MEHR!“

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Bavarianteachy

Ja, das sind die sog. Absahner.

Auch da scheint bereits jegliche Empathie zu fehlen.

Fehlt nur noch, dass da der Gedanke aufkommt, sie würde uns ja beschäftigen.

Das sagen meine Schüler:innen über und zu unseren Reinigungskräften auch – dreckige Klos, Klassenräume, Müll überall … Nur, damit die Damen (bei uns nur Frauen) einen Job und damit Arbeit und damit Geld haben.

Was für eine arrogante Haltung!

Aber nicht lange, denn meine Schüler:innen dürfen das Aufräumen für umsonst und eine Woche übernehmen. Das übt ein wenig in Demut.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sybille Haas

Erschreckend ist, dass Sie nicht verstehen wollen, worum es geht.

Oder sind Sie als Mutter bereit, 30 Kids eine Woche nachmittags mit Übernachtung zu betreuen, weil es wieder erlaubt ist?

Es gibt auch Lehrkräfte, die Kinder haben. Das scheint vielen Eltern egal zu sein.

Ja, die Kids brauchen das ganz soziale – aber warum konnte das im LD nicht bei, mit und von Eltern und Familie gelernt werden?

Mir ist unklar, dass Aufgaben wie diese immer ausgelagert werden.

Und ja – wir Lehrkräfte sehen die Notwendigkeit.

Wir sehen und fühlen aber auch die Mehrbelastung.

Zu der Einladung für eine Übernachtungswoche gehört natürlich auch die kulinarische Versorgung und die Rundumbetreuung – Bettwäsche, Bespaßung, Elterngenehmigungen einholen, Krankenkassenkarte einholen, Geld einsammeln, ….. – viel Spaß.

Danach hören wir uns wieder.

Schattenläufer
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sybille Haas

Sie haben da ein Verständnis-Problem.
Wenn ein Pferd tot ist, muss man absteigen. Da hilft aller guter Wille nichts. Auch nicht die größte Zuneigung.

Mit diesem Anspruchsdenken wäre aber bestimmt ein Platz am Bildungsministerium drin.

MeinSenf
1 Jahr zuvor

Am Limit war ich schon länger, jetzt bin ich teilweise so erschöpft, dass ich nicht mehr schlafen kann. Klingt komisch, ist aber so.

War der Lehrberuf irgendwann einmal machbar, hat er sich in den letzten Jahren zum 48 Stundenjob, den man in 24 erledigen soll, entwickelt. Schon vor Corona hat sich diese Entwicklung abgezeichnet, die letzten zwei Jahre haben das nur beschleunigt.

Nach einem Zusammenbruch meines Immunsystems durch chronische Überlastung mit lebensgefährlicher Infektion vor einigen Jahren, habe ich inzwischen zum Glück gelernt, mich zur Not auch mal rauszuziehen und nicht alles perfekt machen zu wollen. Allerdings fällt mir das in letzter Zeit wieder schwerer. In meinem Kollegium bin ich mit einer solchen Geschichte nicht allein, die chronischen Erkrankungen haben deutlich zugenommen und auch die längeren Totalausfälle. In diesem System muss jeder auf sich selbst aufpassen, auch auf die Gefahr hin, dass man für faul gehalten wird, sonst wird man komplett verheizt.

Im Moment läuft’s nach dem Motto: Gestern noch standen wir am Abgrund, heute sind wir einen Schritt weiter.

Alex
1 Jahr zuvor
Antwortet  MeinSenf

Mein ehemaliger Schulleiter hat das gut zusammengefasst: „Ein gutes Pferd springt nur so hoch wie es muss.“

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  MeinSenf

Zu erschöpft um schlafen zu können – gut gesagt!