Pandemie, Krieg, Klimakrise – Schulpsychologin: Kinder leiden unter Anspannung

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HALLE. Die gesamtgesellschaftlichen Probleme von der Corona-Krise über den Krieg in der Ukraine bis hin zum Klimawandel macht sich bei den Kindern und Jugendlichen bemerkbar. Die Anspannung nimmt weiter zu. Und die Zahl der Beratungen bei Schulpsychologen steigt.

Eine Krise jagt die nächste (Symbolbild). Foto: Shutterstock

Der Beratungsbedarf an Schulen hat laut der Schulpsychologischen Beratung in Sachsen-Anhalt auch nach der Pandemie weiter zugenommen. Grund dafür seien die gesamtgesellschaftlichen Themen und die damit einhergehende Anspannung, die sich auch an den Schulen im Land «wie unter einem Brennglas» zeige, sagte die Referatsleiterin der schulpsychologischen Beratung beim Landesschulamt, Carola Wilhayn.

Die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen im Land sehen bei Kindern verschiedene Ängste oder depressive Symptomatiken. Diese würden auch zum Schulschwänzen führen. Wilhayn benannte unter anderem Trennungsängste, Leistungs- und Versagensängste, auch soziale Ängste und eben auch existenzielle Ängste, «wenn wir in Richtung Klimadebatte schauen». Viele der Sorgen seien noch auf die teilweise lange Isolierung der Kinder in der Pandemie zurückzuführen.

«Die Beratungsanfrage ist aktuell sehr hoch, was bedeutet, dass auch Wartezeiten entstehen»

Besonders bei Grundschülern sei «trotz intensiver Bemühungen mit Homeschooling» zu sehen, dass es Nachholbedarf beim Lesen, Schreiben und Rechnen gebe. «Das spüren natürlich auch die weiterführenden Schulen durch die aufwachsenden Jahrgänge», so Wilhayn. Die Beratungsanfrage sei aktuell sehr hoch, «was bedeutet, dass auch Wartezeiten entstehen und wir bei der Terminvergabe nach Dringlichkeit entscheiden müssen».

Die langen Wartezeiten resultieren auch aus dem Betreuungsverhältnis von Schulpsychologen zu Schülern in Sachsen-Anhalt. Im Land kommen statistisch gesehen auf einen der 26 Psychologen rund 10 000 Kinder. Damit liegt Sachsen-Anhalt weit über dem bundesweiten Durchschnitt, wo 2021 statistisch auf einen Schulpsychologen 6300 Kinder kamen, wie die Landesregierung zuletzt einräumte.

Der Aufgabenbereich der Psychologen reicht von Einzelfallarbeit bis systematischer Beratung und Fortbildungen für die Schulen. «Wir sind beispielsweise auch bei schulischen Krisensituationen vor Ort», so die Expertin. Die Arbeit der Schulpsychologen erfolge jedoch anlassbezogen. «Wir sind als Beratungssystem aufgestellt und bieten keine Therapien an.» Das bedeute, dass die Schulpsychologen zur Diagnostik hinzugerufen werden, nach dem Beratungsprozess aber wieder in den Hintergrund treten.

Nur in seltenen Fälle begleiten die Psychologen Kinder oder Jugendlichen über einen längeren Zeitraum. «Sobald wir therapeutischen Bedarf erkennen, empfehlen wir den Eltern, sich einen niedergelassenen Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten zu suchen.» Schüler, Eltern oder Lehrer können sich mit ihrem Anliegen direkt an die Schulpsychologen wenden. News4teachers / mit Material der dpa

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Fakten sind Hate
1 Jahr zuvor

Bis auf den Zwangslockdown und das permanente Maksentragen betrifft keines der genannten Themen die Lebenwirklichkeit der allermeisten Kinder.
Man braucht sich einfach nur die Gespräche von Kindern und Jugendlichen in ihrer Freizeit anhören. Es wird weder über den Sinn oder Unsinn von Kriegen in unbekannten Ländern diskutiert und schon garnicht darüber, dass es früher weiße Weihnachten gab, weil noch kein Klima.

Die Erwachsenen sollten langsam mal aufhören ihre eigenen Probleme den Kindern aufzudrängen.

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Fakten sind Hate

@ Redaktion rät Ihnen völlig richtig „Quellen zu nennen“.
Ich denke, dass Sie die wichtigste Quelle, Leben und Lebenserfahrung ausklammern ( oder aber einfachste Mittel bewusst nutzen ).

Bsp. : ein Kind will lockdown erklärt haben: z.B. Wir können eine Weile nicht ins Fussballstadion
> + schaun wir das Spiel halt alle zusammen im Fernsehen
> – der Staat zwingt uns dazu, ich bin wütend
Kind: mag keinen Zwang, sieht was der Papa nicht mag negativ, plappert anfangs auch nach, lehnt ab, was die schlechte Stimmung verursacht.

🙂 Was soll das?

Sie wollen hier manipulieren – Vorsicht, wenn Kinder dies spitzkriegen, geht der Schuss nach hinten los…leider oft vom Aufstand/Aggressivität bis hin zu depressivem Denken/Verhalten, je nach Typ anders.

Haben Sie Kinder auch als Schutzschild mit zur Demo genommen ?

MB aus NRW
1 Jahr zuvor
Antwortet  Fakten sind Hate

Da erlebe ich meine Schülerinnen und Schüler aber ganz anders, gerade zu Kriegsbeginn waren der Redebedarf und die Sorgen riesig; auf Wunsch der SV haben wir als Klassenlehrer extra Zeit bekommen, mit unseren Klassen über den Krieg zu reden, damit das nicht „zwischen Tür und Angel“ passieren muss.
Wir haben Kinder, die russische Wurzeln haben, zum Teil dann mit Verwandtschaft in Russland und der Ukraine – aber auch die, die so nichts mit Russland zu tun haben, hatten zum großen Teil Redebedarf.

Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind auch Themen, die unsere Schülerinnen und Schüler bewegen; Anregungen für Aktionen (Plastikdeckel, alte Handy und Toner sammeln, in der Cafeteria auf Plastikmüll so gut es geht verzichten, das omnipräsente Heizproblem undichte, z.T. nicht mehr ganz schließbare Fenster und alte Heizkörper, die parallel dazu ab 15 Grad Außentemperatur losbollern, als gäbe es kein Morgen) kommen oft aus der Schülerschaft.

Mit den angehenden Abiturienten hatte ich sogar mal fast eine Stunde lang eine Diskussion, als es um meine anstehende Elternzeit ging, ob man überhaupt noch Kinder in die Welt setzen soll, wo doch die Klimakatastrophe kaum noch aufzuhalten ist. Fand ich selber wirklich krass, wie wenig Hoffnung auf Besserung da zum Teil vorherrschen.

Corona mit seinen Folgen ist da auch spannend. Einsamkeit in der Isolation, Einsicht, in der Zeit einfach „gechillt“ und viel zu wenig für die Schule getan zu haben bis zu großen Ängsten, sich anzustecken und die Krankheit Familienmitgliedern mitzubringen, alles war da. Wir hatten auch mehrere Schüler, die die Infektion gar nicht gut weggesteckt haben und mehrere Coronatote in den Familien der Kinder (ca. 1000 Schüler auf der Schule)…

Klar gibt es einige, denen alles am Allerwertesten vorbeigeht – aber (ist natürlich nur anektdotisch) ich erlebe viel mehr Kinder, die ein Interesse an der Welt und ihren Problemen haben und der politischen Realität sehr kritisch gegenüberstehen.

Sternschnuppe
1 Jahr zuvor
Antwortet  Fakten sind Hate

Ich bin immer wieder überrascht, mit welcher Ignoranz, Gleichgültigkeit und Arroganz hier einige unterwegs sind. Coronamaßnahmen mit einem Krieg gleich zu setzen, bei dem eine ganze Bevölkerung systematisch ausgelöscht werden soll, das ist kaum zu ertragen. Ich erlebe Jugendliche ganz anders. Sie sind sehr wohl an diesen Themen interessiert, weil es ihre Zukunft betrifft und darüber entscheiden wird, wie wir in Zukunft leben wollen.

Canishine
1 Jahr zuvor
Antwortet  Fakten sind Hate

Das würde bedeuten, dass der Horizont der Kinder nur bis zu Maskenspitze reichte und sie die Sorgen und Anspannungen der Erwachsenen und der Gesellschaft drumherum nicht wahrnähmen. Glückliche Kinder …

Ron
1 Jahr zuvor

Dieser Daueralarmismus scheint aber leider politisch gewollt zu sein. Hinzu kommt, dass wir immer weniger zum selber Denken ausbilden, obwohl natürlich das Gegenteil behauptet wird.

TaMu
1 Jahr zuvor

Ich bin immer noch davon überzeugt, dass die Kinder unter keiner der Maßnahmen so gelitten haben, dass sie jetzt, 2023, deshalb noch angespannt sein müssten, wenn nicht ihre Eltern oder ihr direktes Umfeld ihnen so deutlich gezeigt hätten, dass sie das eigentliche Problem in der ganzen Misere gewesen sind und dass diese Misere nicht mit der auslaufenden Pandemie-Stufe geendet hat. Kinder werden geboren und in den meisten Fällen erleben sie während Schwangerschaft, Geburt und erstem Lebensjahr, wie sehr sie erwünscht und geliebt sind. Diese heile Welt platzt um den ersten Geburtstag herum wie die Luftballons von Babys großem Fest. Beide Elternteile wollen oder müssen nun wieder arbeiten und plötzlich ist da ein Mensch zu viel. Das Kind, das bisher jede mögliche Nähe und Geborgenheit in seiner direkten Familie erleben durfte, wird in einer Kinderbetreuungseinrichtung eingewöhnt. Das ist vor dem dritten Lebensjahr bindungspsychologisch ein Drahtseilakt, den das Kind aber schaffen muss, sonst wird es zum Problem. Das Kind ist ab diesem Moment immer das Problem: bei jedem der bis zu 10 normalen Infekte pro Jahr, wenn es zu krank ist, um fremdbetreut zu werden, wenn die Kita Schließzeiten hat, wenn die Kita eine Woche schließt wegen Personalmangel wegen zusätzlicher Erkrankung des ohnehin zu wenigen Personals, wenn alle Betreuungseinrichtungen schließen wegen einer Pandemie, also immer dann ist das Kind das Problem, wenn es nicht aus dem Haus ist. Die allermeisten Kinder sind aber am liebsten zu Hause und im Umfeld des Zuhauses. Sie lassen sich auch gerne betreuen und gehen gerne zur Schule. Das Problem ist, dass sie schon viel zu früh erleben, dass sie da sein und gleichzeitig nicht da sein sollen. Da sie abhängig sind von den Eltern und der Gesellschaft, die ein so extrem ambivalentes Verhältnis zu ihren Kindern hat, reagieren die Kinder darauf selbstverständlich mit Anspannung, Ängsten, Rückzug, Aggressivität und anderen gehäuften Auffälligkeiten.
Da sich die Gesellschaft und mit ihr die Eltern aber weiter auf Vollerwerb, Verringerung von Teilzeit, mehr Wirtschaftsleistung und damit für noch mehr Kinderbetreuung ausrichtet, werden die Kinder auch vermehrt auf diese Ambivalenz reagieren. „Ich bin für meine Eltern das Wichtigste auf Erden und sie lieben mich über alles und ganz wichtig ist es, dass ich möglichst wenig zu Hause bin“ ist meiner Meinung nach ein Satz, über den nachgedacht werden muss. Es sagt etwas über die generelle Bindungs- und Beziehungsfähigkeit unserer Gesellschaft aus, ob wir mit unseren geliebten Menschen am besten in einer Fernbeziehung leben oder ob uns offene Beziehungen mehr geben als die monogame Beziehung mit ihren Einschränkungen. Kinder leiden unter Beziehungen, die ihnen suggerieren, wie wunderbar sie sind und die sie mit der Firma teilen müssen. Wenn das Kind nach einer schmerzhaften Zahnungsnacht von Mama oder Papa in der Betreuung abgegeben wird, obwohl es einen Grießbreitag mit Kuscheln und Schlafen zu Hause gebraucht hätte, weil der Chef sonst verärgert ist, wird es sich zurückgesetzt, verletzt und eifersüchtig fühlen. Es hat einen sehr mächtigen Rivalen, gegen den es nur resignieren kann. Ich glaube unsere Hilflosigkeit zwischen dem Unding unserer zu Hause nicht geduldeten Kinder und dem Verdruss am Arbeitsplatz wegen häufigem Fehlen drückt sich direkt in den Reaktionen der Kinder aus. Mir scheint, dieses Problem lässt sich nur durch sichere familiäre Bindung lösen. Und genau daran sägen wirtschaftliche und politische Kräfte.
Die Pandemie war nur die Leinwand, auf der dieses Bild überdeutlich gezeigt wurde.

Mary-Ellen
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Sehr anschaulich und schlüssig beschrieben!
Vielen Dank!

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Sehe ich ganz genauso.

Leider haben (zu) viele es wohl schon mit der Hipp-Milchbaufgesogen und verinnerlicht – Kind muss weg, ich will (muss) arbeiten, will mich selbst verwirklichen…. und ich habe ein Recht dazu und ein Recht auf einen KiTa-Platz (der nur der Wirtschaft dient, nicht der Familie!).

Mir wird dieser „Trend“ ewig unverständlich bleiben.

Wir haben das Problem, dass es immer heißt, der Staat müsse alles regeln.

Nun ja, der weigert sich und gibt das an’s EuE- und Lehry-Volk ab.

Nur – es ist falsch, Kinder wegorganisieren zu müssen.

Dann ist es so, wie Sie schreiben – die Kids sind im Weg, sind das Problem, sind die Zukunft (oder auch in Zukunft das Problem) und es wird geglaubt, dass die Kids das nicht merken!

Mir u n b e g r e i f l i c h!

Es gibt übrigens auch individuelle Kinder, für die die Trennung von den Eltern die Hölle ist und die Massenbezreuung in den KiTas auch.

Win-win? Ich glaube kaum!

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Daumen hoch!

Mondmatt
1 Jahr zuvor

Wird da was herbeigeredet?
Unsere Großeltern wurden im Bunker groß. In einem echten Krieg.
Unsere Eltern waren auf der Volksschule während sich die USA und die UDSSR um die Weltherrschaft kloppten und haben das Wirtschaftswunder geschafft.
Wir sind im kalten Krieg großgeworden. Bei uns sah auch der Arbeitsmarkt echt eng aus.

Und jetzt. Mein Gott Corona. Ich konnte 6 Monate nicht zu Partys und 2 Monate war die Schule zu.
2500 Km entfernt in der Ukraine tobt ein Krieg. Das macht Angst. Angst essen Seele auf.
Die Klimakrise sorgt für Turbulenzen. Wir sind die letzte Generation

Es gab schon immer irgendwo auf der Welt schreckliche Dinge.
Wenn man Pech hatte sogar ganz in der unmittelbaren Nähe.

Damit leben Menschen schon seit Jahrtausenden. Vom Säbelzahntiger, über die Pest, die Hexenverfolgung, den einen oder anderen Krieg bis hin zu den Weltkriegen.
Heute ist man aber für jede quersteckende Blähung traumatisiert.

Zumindest in der Theorie der Wissenschaft. In der Praxis beobachte ich das zumindest bei meinen, eher schon jugendlichen, Schülern eher selten. Da ist alles cool.

Na ja, dass ich das Wort cool noch verwende ist eher creepy bzw. grinch.
Das kann schon mal traumatisieren.