Bund will Brennpunkt-Schulen fördern – wo genau? Länder einigen sich

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BERLIN. Noch immer verlassen in Deutschland jährlich rund 50.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss. Das im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarte Startchancen-Programm soll helfen, die Situation für benachteiligte Kinder zu verbessern – doch: Wo bleibt es? Immerhin haben sich die Länder schon mal auf die Verteilung der Gelder geeinigt.

Geldscheine fallen aus den Wolken.
Geld soll fließen – wann ist offen. Foto: Shutterstock

Mit finanzieller Hilfe des Bundes sollen die Bildungschancen für benachteiligte Schüler verbessert werden. Das vom Bund angekündigte Startchancen-Programm sei ein richtiger Schritt, denn in keinem Land sei der Bildungserfolg so von der sozialen Herkunft abhängig wie in Deutschland, erklärte Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) am Freitag in Schwerin. Daher müsse der Bund die zugesagten Mittel auch von einer auf zwei Milliarden Euro verdoppeln.

Nach Angaben Oldenburgs haben sich die Kultusminister der Länder auf ihrer Konferenz auf Eckpunkte des Programms und die Verteilung der Finanzmittel verständigt. Mecklenburg-Vorpommern unterstütze jede Maßnahme, die den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft entkopple, betonte die Ministerin. Doch nur, wenn der Bund auch genügend Geld bereitstelle, könne erreicht werden, dass Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrer familiären Situation gleiche Chancen auf einen Schulabschluss und auf gleichberechtigte Teilhabe erhielten.

Im Jahr 2021 hatten in Mecklenburg-Vorpommern 1075 Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen. Das entsprach einem Anteil von 8,1 Prozent, wie aus einer jüngst veröffentlichten Studie des Bildungsforschers Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hervorging. Bundesweit lag die Quote bei 6,2 Prozent. Das neue Programm «Startchancen» soll Kindern und Jugendlichen an bundesweit bis zu 4000 Schulen an schwierigen Standorten bessere Bildungschancen ermöglichen. Insbesondere Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler sollen gestärkt werden, unter anderem durch zusätzliche Sozialarbeiter und bessere Infrastruktur.

Bis zur Kultusministerkonferenz Mitte Juni soll eine zwischen Bund und Ländern abgestimmte Konzeption dazu vorliegen, um dann eine Verwaltungsvereinbarung abschließen zu können, die Voraussetzung dafür ist, dass die Bundesmittel fließen. Unklar ist, ob das Programm bereits in diesem Jahr oder doch erst 2024 beginnt, wie von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) angekündigt worden war. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken drängt auf eine schnellere Umsetzung (News4teachers berichtete). News4teachers / mit Material der dpa

Brennpunktschulen finanziell unterstützen: Verschläft die Bundesregierung ihr Versprechen?

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3 Kommentare
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Carsten60
1 Jahr zuvor

Das ganze ist in gewissem Sinne auch grotesk: Arme Leute gab’s schon immer, alleinerziehende Mütter, Waisenkinder und andere Heimkinder auch, besonders in der Nachkriegszeit, wenn die Väter im Krieg umgekommen, vermisst oder in russischer Gefangenschaft waren. Auch die Kinder der ursprünglichen Gastarbeiter waren natürlich zunächst in unteren sozialen Schichten und wurden als Minderheit nicht immer freundlich behandelt. Das alles ist jetzt 50-75 Jahre her, und die Probleme wuchsen und wuchsen. Und urplötzlich entdeckt man, dass solche Kinder in den Schulen Schwierigkeiten haben und mit Sozialarbeitern und anderen Maßnahmen unterstützt werden sollen? Und vorher hat’s keiner gemerkt? Wie mag es um die Weisheit der Schulpolitiker einerseits und der Weisheit der Erziehungswissenschaftler andererseits in diesem Zeitraum bestellt gewesen sein?

Ich bleibe aber skeptisch, ob mehr Geld in dieser Situation wirklich helfen kann. Mehr Lehrer gibt’s ja nicht, und was mehr Sozialarbeiter konkret bewirken, davon hört man wenig. Was machen die im Alltag? Konflikte schlichten, bevor die blutig oder gar tödlich enden? Mobbing-Opfer betreuen bzw. schützen? In ungünstige gruppendynamische Prozesse in Schulklassen eingreifen, etwa durch häufige Anwesenheit im Unterricht? Oder verzweifelte Lehrer/innen innerlich wieder aufrichten? Oder sonst ausfallende Schulstunden durch Anwesenheit irgendwie überbrücken und ein Chaos verhindern, derweil die Kinder schriftliche Aufgaben erledigen, auch in Gruppen? Einige Berliner Gemeinschaftsschulen haben erstaunlich viele Sozialpädagogen (so 20-30) zusätzlich zur üblichen Zahl von Lehrern. Aber von einer großen Wirkung hört man nichts, verkündet wird meist das, was man erreichen möchte.

Lera
1 Jahr zuvor

Vermutlich in Brennpunkten. Also quasi überall.

Fakten sind Hate
1 Jahr zuvor

Sowas gibt/gab es bereits unter dem Namen „Talentschule“. Als erstes durften die einzelnen Schulen stundenlang Konferenzen halten, Forumlare ausfüllen und Konzepte erarbeiten, um dann in den Genuß von ein bis zwei Lehrerstellen/Personalstellen zu kommen. Als Bonbon gab es nochmals 2000Euro extra auf das Schuletat.

Blöd nur, dass für die regulären sowie zusätzlichen Stellen die Ausschreibungen ins Leere liefen. Verständlich: Welcher Absolvent will denn heute an einer Brennpunktschule arbeiten?

Das erste Förderjahr ist nun um. Das Schulpersonal muss nun im Rahmen der „Talentschule“ ein Jahresbericht sowie weitere Anträge und Konzepte für das komme Schuljahr formulieren. Das Spiel beginnt von vorne.