edu:regio-Debatte: „Das endet in einer Bildungskatastrophe“ – BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann über den Lehrermangel

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MÜNCHEN. Der Lehrkräftemangel wächst sich aus – auch in Bayern. Der dortige Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat angekündigt, Lehrerinnen und Lehrer aus anderen Bundesländern abwerben zu wollen, um vakante Stellen an Schulen im Freistaat zu besetzen. Darüber und über die Not, in der die Kollegien (nicht nur) in Bayern festsitzen, sprachen wir mit Simone Fleischmann, der Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV) und stellvertretenden VBE-Bundesvorsitzenden, im Vorfeld der edu:regio in München.

„Wir in den Schulen merken, dass wir den Kindern in ihrem Bildungsanspruch und in ihrem Erziehungsanspruch nicht mehr gerecht werden“: BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Foto: BLLV

News4teachers: Herr Söder hat angekündigt, Lehrer, Lehrkräfte aus anderen Bundesländern abwerben zu wollen. Was halten Sie denn von der Idee?

Fleischmann: Erst einmal muss man konstatieren, dass wir wohl noch nie ein so klares Bekenntnis zum Lehrermangel in Deutschland hatten. Das haben wir lange vermisst. Wir fordern hier in Bayern schon lange, dass Herr Söder das Thema Bildung zur Chefsache machen soll. Immerhin, das scheint jetzt angekommen zu sein. Früher hieß es immer, das sei ja nur Gejammer von Lehrerverbänden. Wir haben immerhin jetzt eine anerkannt schwierige Situation, über die jeder spricht – und dann eben auch der  Ministerpräsident. Aber im Ernst: Das Abwerben von Lehrkräften aus anderen Bundesländern ist ein weiterer hilfloser Versuch, die riesigen Löcher zu stopfen.

Wir hatten immer schon größere Probleme und zahlreiche bürokratische Hürden, wenn aus anderen Bundesländern Lehrerinnen und Lehrer nach Bayern kommen wollten. Wenn man jetzt die Hürden verringert – prima – erstmal. Wenn an der Initiative überhaupt etwas positiv sein soll, dann vielleicht das. Herrn Söder spricht vom „Glücksland Bayern“ und dass hier alle sehr gerne in diesem „Glücksland“ leben würden. Deswegen meint er ja, dass Lehrerinnen und Lehrer aus den anderen Bundesländern gerne zu uns kommen. Schauen wir mal, wie viele das dann am Ende sein werden. Der große Run ist jetzt noch nicht eingetreten. Auch bei unserem Lehrerverband haben sich nicht viele Menschen gemeldet, die gerne Details darüber erfahren möchten, wie sie aus Bremen oder sonst woher jetzt nach Bayern kommen könnten. Wir haben da aktuell kein Feedback.

So oder so – es bleibt natürlich ein Nachgeschmack: Wie kann es eigentlich sein, dass Bayern erneut eigene Wege in den föderalen Strukturen geht? Bildung ist Ländersache, ja, aber bei einem gesamtdeutschen Lehrermangel Lehrkräfte aus anderen Bundesländern proaktiv abzuwerben, ist natürlich alles andere als solidarisch und fair. Freilich brauchen wir jeden – und lieber qualifiziertes Personal als Menschen, die keine explizite pädagogische Qualifikation haben. Besser ein Mensch vor der Klasse als keiner, so die traurige Devise.

News4teachers: Wie gravierend stellt sich die Situation an den Schulen denn dar?

Die edu:regio kommt nach München

Im Februar 2023 feierte sie in Düsseldorf eine erfolgreiche Premiere, am 6. Mai 2023 kommt sie nach München: die edu:regio. Das pädagogische Großevent bietet Lehrkräften (und allen anderen, die für Schule Verantwortung tragen) informative Vorträge aus der Praxis, Gespräche mit Tiefgang, ein individuelles Fortbildungsprogramm und eine fachliche Ausstellung mit einem Schwerpunkt auf digitale Bildungsmedien. Der BLLV ist maßgeblich beteiligt.

Informations-Angebote in Gestalt von Vorträgen und Workshops gibt es auf der edu:regio für alle Schulformen von der Grundschule („Kinder für das Lesen begeistern“) bis zum Gymnasium („Kompetenz- und Sprachentwicklung ganz abiturorientiert – Englischunterricht der Sekundarstufe II“). Auch die Lehrkräfte-Gesundheit wird thematisiert. „Resilienz in Zeiten von Stress und Überlastung“ – so lautet der Titel des von der BLLV-Akademie im Rahmen der edu:regio angebotenen Impulsvortrags.

Das komplette Programm und Tickets gibt es hier: https://bildungsmedien-kongresse.de/veranstaltungen/edu-regio/muenchen/veranstaltung

Fleischmann: Zum Schuljahresstart im September 2023 hatten wir in Bayern 4.000 fehlende Lehrerinnen und Lehrer, wie es der BLLV ermittelt hat. Diese Zahl wurde vom Kultusministerium zumindest nicht geleugnet. Aber ich muss Ihnen sagen: Wir brauchen keine neuen Zahlen mehr, um das Ausmaß des Problems erkennen zu können. Wir als Lehrerinnen und Lehrer erleben jeden Tag vor Ort, dass es brennt, dass Kinder uns anschauen, und wir sehen, sie bräuchten Hilfe – und wir können sie ihnen nicht geben. Dass Eltern erbost in die Schule kommen und schimpfen: „Geht‘s noch? Mein Kind ist schon wieder nach der vierten Stunde heimgeschickt worden.“ Dass Lehrerinnen und Lehrer zu ihrem Schulleiter sagen: „Ich kann diese Woche nicht schon wieder zwei Klassen parallel führen.“ Dass eine Fachlehrerin sagt: „Keinesfalls kann ich jetzt schon wieder mit der doppelten Gruppenstärke arbeiten.“ Oder dass ein Förderlehrer sagt: „Wie bitte? Jetzt habe ich drei Wochen die 7C als Klassenleiter geführt, obwohl ich Förderlehrer bin und eigentlich gar nicht unterrichten und keine Noten geben darf. Jetzt soll ich schon wieder eine Klassenleitung übernehme? Das gibt’s dich nicht!

Das gilt bundesweit. Sind es jetzt 120.000, die auf die nächsten zehn Jahre fehlen. Oder sind es „nur“ 80.000? Die Zahlenschlacht, die mitunter betrieben wird, ist müßig. Fakt ist: Wir in den Schulen merken, dass wir den Kindern in ihrem Bildungsanspruch und in ihrem Erziehungsanspruch nicht mehr gerecht werden – und das ist die eigentliche Benchmark.

News4teachers: Dabei fordern Sie als BLLV-Vorsitzende ja schon seit langem ein qualitativ höherwertiges Bildungssystem, um individuelle Förderung gewährleisten zu können. Das rückt das jetzt komplett in weite Ferne, oder?

Fleischmann: Wir bräuchten tatsächlich eine bessere Bildungsqualität – und dafür auch mal einen zweiten Lehrer in der Klasse, mehr Schulpsychologen, mehr Beratungslehrer, mehr Förder- und Fachlehrer, mehr Leitungszeit, mehr Differenzierung und echte individuelle Förderung in Kleingruppen. Ich habe das immer an den Big Five festgemacht, die wir unbedingt qualitativ stärken wollten: die Integration, die Inklusion, die Digitalität, die individuelle Förderung und die echte Ganztagsbildung.

Jetzt sind wir aber so weit, dass wir nicht mal mehr den Regelunterricht, also das Pflichtmaß, erfüllen können. Das heißt, wir schicken Kinder heim. Wir haben Nicht-Lehrer vor den Kindern stehen, und wir bespaßen drei Klassen in der Aula. Wir lassen die dritte Sportstunde ausfallen, wir machen nicht mehr drei Stunden getrennten Religionsunterricht. Wir haben im Kunstunterricht jetzt übergreifende und extrem große Klassen, oder machen ohnehin nur noch alle 14 Tage Kunst. Wir lassen keine Arbeitsgemeinschaften mehr stattfinden. Wir haben keine Möglichkeit mehr, Kinder mit Lese-Rechtschreibschwäche zu fördern. Wir sagen die Vorkurse in den Kitas ab, die gerade den Kindern mit Migrationshintergrund den Start in die Grundschule erleichterten.

Wir haben also vor Start des Schuljahrs die Latte schon so niedrig gelegt, dass wir noch gerade darüber kommen. Und damit sagt ein Kultusminister in Bayern: Wir sind solide aufgestellt. Wir sehen die Realität: dass wir viele Angebote, die pflichtmäßig eigentlich abzubilden wären, nicht mehr am Start haben.

„Wir müssten dahin kommen, positive Stories, schöne Erfolgsgeschichten aus der Schule erzählen zu können, damit junge Menschen sagen: Jetzt kann man wieder Lehrer werden“

News4teachers: Was sind denn Ihre Vorschläge? Wie kann dem Lehrermangel begegnet werden?

Fleischmann: Die Attraktivität des Berufs muss gesteigert werden – und nicht gesenkt. Die kurzfristigen Maßnahmen, die jetzt diskutiert werden, verringern aber die Attraktivität. Das hat außer unseren Politikerinnen und Politikern jetzt schon jeder geschnallt, auch der Nachbarsbub in der zehnten Klasse, den ich für einen prädestinierten Lehrer halte. Der hat immer zu mir gesagt: „Gell, ich will auch einmal wie du Lehrer werden.“ Jetzt sagt er mir: „Wenn ich lese, was du da in den Medien erzählst – dann kann man ja gar kein Lehrer mehr werden.“ Das ist die Situation. Wir müssten wieder dahin kommen, positive Stories, schöne Erfolgsgeschichten aus der Schule erzählen zu können, damit junge Menschen sagen: Jetzt kann man wieder Lehrer werden, nun sind die Bedingungen so, dass ich das Lehramt studieren möchte, weil ich mit Kindern arbeiten möchte, weil ich die Gesellschaft voranbringen will.

Wie kann ich das erreichen? Wir brauchen dringend qualitative und quantitative Veränderungen in der Lehrerbildung – hin zu mehr Flexibilität. Das ist notwendig, weil auch junge Leute genau hinschauen: Wie ist das Studium? Lerne ich dort das, was ich dann für meine Berufspraxis brauche? Wie attraktiv ist das Studium?

Der nächste Punkt ist die Gleichwertigkeit der Lehrämter. Die Diskussion ist ja fast schon in allen Bundesländern durch, jetzt kommt auch Bayern hinterher. In der neuen Legislaturperiode soll die „kleine“ Grundschullehrerin genauso viel wert sein wie der „große“ Philologe. Das heißt, alle Lehrer sind gleichwertige Lehrer, auch monetär, weil sie alle die gleiche Eingangsbesoldung kriegen. Das ist gerecht – und spielt auch deswegen eine Rolle, weil wir einen konkurrierenden Lehrkräftearbeitsmarkt in Zukunft haben werden. Auch im Gymnasium und in der Realschule, wo es jetzt noch einigermaßen gut  läuft, wird der Lehrermangel heftig zuschlagen. Und hätten wir dann nicht gleiche Startchancen für alle Lehrerämter, würden wieder die Grund- und Mittelschulen hinten runterfliegen.

Momentan haben wir das größte Problem in den Mittelschulen. Wir haben die Situation, dass dort keine Kinder und keine Lehrer mehr hinwollen. Wir halten aber  in Bayern an der Vielgliedrigkeit des Schulsystems fest und erklären bei jedem zweiten bildungspolitischen Event, dass die Mittelschule die tragende Säule des bayerischen Schulsystems sei. Wenn die denn so tragend ist, dann gibt es eine ganz konkrete Forderung des BLLV: Dann müsste man diese Schulart finanziell doppelt so gut ausstatten, wie sie momentan ausgestattet ist, weil wir Kinder haben, die ganz etwas anderes brauchen, als das, was wir ihnen aktuell anbieten können. Die schwächsten Kinder bräuchten die Besten und Viele!

News4teachers: Statt die Attraktivität des Lehrerberufs zu erhöhen, werden stattdessen Einschnitte beschlossen…

Fleischmann: Sie haben ja die Maßnahmen gelesen, die die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK vorschlägt, und ich konnte bei der jüngsten Sitzung auch leider sehr grausame Maßnahmen heraushören. Es wird alles gezogen, um diesen eklatanten Lehrermangel kurzfristig zu beheben – angefangen von der Einschränkung der Teilzeit, der Aufstockung der Klassenstärke, der angeordneten oder freiwilligen Mehrarbeit, über gestreamten Unterricht aus der 7c für die 7a und die 7b, weil die Schülerinnen und Schüler natürlich ganz brav dasitzen und auf die Übertragung warten. Die lernen dann sicher immens viel. Und junge Leute sagen: Jawoll, der Lehrerberuf ist sehr attraktiv. Und: Die aktuelle Mannschaft und Frauschaft an den Schulen, die die Fahne jetzt schon lange hochhalten, gehen weiter und die Knie und werden krank. Dann beißt sich die Katze in den Schwanz: Die Stammmannschaft wird krank, der Beruf immer weniger attraktiv – und junge Leute studieren diesen nicht mehr.

„All diese schrecklichen Maßnahmen dienen nur dazu, um kurzfristig Löcher zu stopfen. Sie zahlen null auf die Bildungsqualität ein“

News4teachers: Das sind konkrete Überlegungen der KMK, wie Sie mitbekommen haben?

Fleischmann: Genau, die Süffisanz hören Sie jetzt heraus. Es gehen auch 38 Kinder in ein Klassenzimmer hinein, muss man halt ein paar Stühlchen mehr hineinstellen. Die Lehrer müssen dann vielleicht noch die eine oder andere Stunde mehr arbeiten. Wir lassen niemanden mehr vorzeitig in die Pension, wir machen Sabbatjahre nicht mehr möglich. Wir gehen her und sagen, dass man wie in Brandenburg mit dem Bachelor Lehrer werden kann, reicht auch. Wir werden überhaupt mehr Seiten- und Quereinsteiger einstellen…

News4teachers: Das alles halten Sie natürlich für kontraproduktiv…

Fleischmann: All diese schrecklichen Maßnahmen dienen nur dazu, um kurzfristig Löcher zu stopfen. Sie zahlen null auf die Bildungsqualität ein, zahlen null auf die Attraktivität ein und führen dazu, dass die Dienstunfähigkeit bei der bestehenden Mannschaft noch einmal steigt. Das endet damit, dass wir in einer Bildungskatastrophe landen werden. Andrej Priboschek, Agentur für Bildungsjournalismus, führte das Interview.

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Fräulein Rottenmeier
1 Jahr zuvor

Tja, so ist das….traurig…..

Lars
1 Jahr zuvor

Ich bewundere, wie Frau Fleischmann von jedem beliebigen Ausgangspunkt zum Anliegen der einheitlichen Besoldung für alle Lehrämter findet!

Jette
1 Jahr zuvor

Herzlichen Dank an Frau Fleischmann, die die Probleme in der Schulpolitik sehr klar benennt!
Was noch nicht ausreichend beschrieben wurde, ist die schlechte Stimmung an den Schulen und die Unzufriedenheit mit den Schulbehörden, die entweder nicht sehen wollen oder nicht sehen können, wie das Schulsystem vor die Wand fährt.
Wenn ich mir dann noch anschaue, wie die Schulämter mit engagierten Lehrern und Schulleitern umspringen ( s. jüngstes Beispiel einer Schulleiterin in Herten, von der News4teachers bisher leider noch nicht berichtet hat), dann wird jedem klar, warum keiner mehr im Schuldienst arbeiten will oder sich mit Grauen abwendet.
Der Fall der Schulleiterin in Herten ist sicher kein Einzelfall, in den letzten 10 Jahren in B.W. habe ich etliche derartiger Fälle erlebt, in denen das Schulamt engagierte Leitungskräfte sanktioniert bzw. herausgeekelt hat, weil sie nicht angepasst genug waren.

Schulpolitiker/innen aller Bundesländer, hört bitte hin und tut was!!!

Karl Heinz
1 Jahr zuvor

„Wir in den Schulen merken, dass wir den Kindern in ihrem Bildungsanspruch und in ihrem Erziehungsanspruch nicht mehr gerecht werden – und das ist die eigentliche Benchmark.“

Leider fehlt der guten Frau Fleischmann dann doch ein wenig der strategische Blick.

Selbst wenn das Wunder geschähe und unsere (von uns gewählten) Volksvertreter*innen einen Großteil der von Frau Fleischmann geforderten Maßnahmen zeitnah in den Wege leiten und ausreichend finanzieren würden, selbst dann würde es doch ca. 10 Jahre dauern, bis sich erste Erfolge bemerkbar machen würden.
D.h. die aktuelle Generation Schüler*innen wird – so oder so – mit „Notlösungen“ zum Ziel gebracht werden.

Insofern kann sich auch Frau Fleischmann das Seiteneinsteiger-Bashing sparen.
„Besser ein Mensch vor der Klasse als keiner, so die traurige Devise.“
Solange niemand wie Rumborak am Ring dreht und neue Lehrkräfte herbeizaubert, wird das die einzig realistische Option bleiben.

Sicher müssen die Neu-Lehrkräfte entsprechend vorbereitet werden.
Und ja – auch nicht jede(r) eignet sich für den Beruf.
Das ist aber überall so.
Wie viele stellen während des LehramtsStudiums fest, dass sie nicht mit Kinder umgehen können?
Was spricht dagegen, Leute, die in der freien Wirtschaft tätig waren, die die Realität kennen, in die Schulen zu holen?
Immerhin sollen die Schulen die Kinder auf eben jene Realität vorbereiten. Da nutzt es im Jahre 2023 nichts mehr, wenn man an einer Vorstellung von Schule festhält, die ein geschlossener Kosmos für sich selber bleibt.
Sorry Leute – aber das Zeitalter der Berufszünfte mit entsprechenden Privilegien und „BerufsGeheimnissen“ ins lange vorbei.
Auch Brot kann sich jeder daheim selber backen (oder im Supermarkt kaufen, weil es da vom Fließband viel blliger ist).

Zu den Arbeitsbedingungen gehört aber – neben den oft genannten Hard Facts (Finanzen, Ausstattung, Zeit-Management, Aufgaben-Spektrum…) aber auch etwas anderes:
eine soziale Facette

Lehnt man Seiteneinsteiger ab, bleiben sie also weg – dann löst man auch kurzfristig keine Probleme.
Aber auch bei „grundsoliden“ Lehrkräften verhält es sich teilweise eher negativ.
Wenn z.B. in Hessen die Gymnasial-Lehrer gegen die Grundschullehrer wettern, weil die ebenfalls A13 bekommen sollen, dann sieht man, wo die „Solidarität“ geblieben ist.
Ebenso machen z.B. die GEW, diverse Blogs oder auch Bücher auf Schulleitungen aufmerksam, die eher gegen die Belegschaft als mit ihr arbeiten. Von andauernden kleinen Nadelstichen bis zur halboffenen Schikane. Machtspiele und Egotrips beherrschen auch deutsche Schulen. (Ja natürlich gibt es auch genügend positive Beispiele)
Das sind dann im übrigen die gleichen Leute, die den Kindern etwas über gutes Benehmen, faires Miteinander usw. beibringen sollen…

kanndochnichtwahrsein
1 Jahr zuvor
Antwortet  Karl Heinz

„die aktuelle Generation Schüler*innen wird – so oder so – mit „Notlösungen“ zum Ziel gebracht werden“…
…wenn wir warten, bis Lehrer vom Himmel gefallen sind, wird es so kommen.

Man könnte aber auch auf ein gesundes Maß zurückfahren und Qualität vor zeitliche Quantität stellen. 6 Stunden guter Unterricht bei nicht überlasteten Lehrern ist mehr wert als 8, 9 Stunden zusammengestückelt bei Lehrern, die nicht mehr können – sich dann auch nicht mehr um die Schüler kümmern können.

Ist ja nicht so, dass frühere Schülergenerationen nichts gelernt hätten, weil sie um halb zwei nach Hause gingen.
Natürlich sehe ich den Betreuungsbedarf, den viele Familien haben und die fehlende Selbständigkeit bei vielen Kindern, die mit Hausaufgaben alleine vollkommen überfordert wären.
Dazu braucht man aber nicht zwingend Lehrer!
Außerhalb der Schule gibt es ja durchaus auch Lern- und Bildungsgelegenheiten.
Vielleicht wären Abschlussschüler dann auch wieder besser auf den Beruf vorbereitet, weil sie nicht 13 Jahre lang nur Schule von innen gesehen haben.

Alicia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Karl Heinz

Na dann haben wir früher oder später nur noch Angelernte, Hilfskräfte, mutlose an Beamtenstatus und sicherer Pension Klebende in den Schulen. Alle anderen suchen und finden bessere Arbeitsplätze, wo ihr Engagement gewürdigt (und nicht intern gebasht) wird, wo es sich durchaus auch finanziell auszahlt und wo man in Zeiten des Fachkräftemangels das für sich beste herausverhandelt.
Überhaupt ist zu fragen, wer es sich heute als Quereinsteiger etc. antut, in ein System einzusteigen, von dem stets nur als ‚Krise‘, ‚Katastrophe‘, ‚marode‘ die rede ist und aus demdie, die darin arbeiten, so schnell wie möglich fliehen. Verkrachte Existenzen vielleicht?

Karl Heinz
1 Jahr zuvor
Antwortet  Alicia

„mutlose an Beamtenstatus und sicherer Pension Klebende“
Die gibt es doch schon seit Jahrzehnten.
Ich erinnere mich da an die Lehrämtler während meines Studiums. Für den größten Teil derer, die bis zum Ende durchgehalten haben, war GENAU DAS die treibende Motivation…

“ in ein System einzusteigen, von dem stets nur als ‚Krise‘, ‚Katastrophe‘, ‚marode‘ die rede ist“
Evtl. weil in der freien wirtschaft auch immer mehr immer schlimmer wird (Lohndumping, Umgehen von Tarifverträgen, unbezahlte Überstunden, zunehmendes Selbstmanagement etc. pp.)
Evtl. auch einfach der Wunsch nach beruflicher Veränderung…
Evtl. auch das einer Motivation heraus, DAHIN zu gehen, wo es marode & kaputt ist und Hilfe gebraucht wird…

Wann fliehen SIE aus dem BildungsSystem?

Mika
1 Jahr zuvor
Antwortet  Karl Heinz

Also ich sehe in der freien Wirtschaft deutlich höhere Tarifabschlüsse als im ÖD und auch deutlich bessere Arbeitsbedingungen. Wer als AG heute noch Lohndumping betreibt, hat bald keine AN mehr.

Alicia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Karl Heinz

Am 31.7.23.

Hesse
1 Jahr zuvor
Antwortet  Karl Heinz

Super geschrieben 🙂

Ureinwohner Nordost
1 Jahr zuvor
Antwortet  Karl Heinz

Lieber K. H.,
wir sind in der Schulentwicklung in der BRD schon viel weiter als Sie annehmen.
Die Karre steckt schon jetzt metertief im Dreck.
Es ist sicher, dass die nächsten 20 Jahre aus deutschen Schulen nur noch notbetreute, wenige unterrichtete Schüler kommen.
Wissenschaftler und Ingenieure werden aus dem anderen 7/8 der Weltbevölkerung kommen. Nicht mehr aus DL.
Und das haben wir unser Wahl zu verdanken.
Es ist nur noch bitter 🙁

Gelbe Tulpe
1 Jahr zuvor

Mittlerweile gibt es zahlreiche ehemalige Referendare, die junge Menschen im Internet vor dem Beruf warnen. Es ist fraglich, ob der Staat dem etwas entgegenzustellen hat. Der Lehrermangel wird wohl in Zukunft noch erheblich zunehmen.

Realist
1 Jahr zuvor

„Einschränkung der Teilzeit“

Der Trend zur Teilzeit ist ja kein Lehrkräfte-typisches Phänomen sondern betrifft alle Berufsgruppen. Die Neue Zürcher Zeitung (die man empfehlen kann, da sie oft einen neutraleren Blick auf die „deutschen Verhältnisse“ wirft, als es scheinbar die großen deutschen „Leit“-Medien können…) sieht die Ursachen dafür auch in den weltweit an der Spitze liegenden Steuern und Abgaben in Deutschland, die von jedem hinzuverdienten Euro dank Spitzensteuersatz selbst für „normale“ Arbeitnehmer und Sozialabgaben nur 40 Cent übriglassen:
https://www.nzz.ch/international/oekonom-warnt-vor-massiver-steuerbelastung-die-faulen-werden-in-deutschland-belohnt-die-fleissigen-bestraft-ld.1733578

Fazit: Mehr arbeiten lohnt sich für viele nicht, insbesondere wenn man den Trade-Off „etwas mehr Geld“ vs. „Gesundheit und Freizeit“ dagegenrechnet.

Die „politische Lösung“ für das Problem bei den Lehrkräften wird wohl die „Zwangs-Vollzeit“ sein, was in der „freien“ Wirtschatf kaum durchsetzbar ist: Da werden es wohl bessere Arbeitsbedingungen bzw. deutlich höhere Löhne als Anreiz sein. Aber auch das hat Gen Z wohl mittlerweile schon durchschaut und sagt sich deshalb. „Lehramt? Ich bin doch nicht blöd!“

Aki K.
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Genau auf den Punkt. Deshalb mache ich auch regelmäßig als Single-Boomer mit Steuerklasse I ein Sabbat-Jahr. Mein Chef hat die Wahl: Entweder ein motivierter und flexibler Mitarbeiter mit Erfahrung, oder …
Rechten und Pflichten waren bei Berufsantritt klar definiert. Der Deal betrifft auch die Teilzeit. Ob das ein anderer gut findet oder nicht spielt da keine Rolle, die Entscheidung steht ja jedem offen. Mich wundert die Emotionalisierung diesbezüglich.
Ich habe die Antrage bis 2035 gestellt. Damit können alle rechnen, offen und fair.
Ab 2030 erwarte ich Angebote, da es dann nur noch 20% der Physiklehrer bezogen auf den derzeitigen Stand geben wird. Falls dann das Fach wegfällt, Fakultas für Mathe und Informatik hab ich auch. Unter Angebot verstehe ich den Ausgleich der überproportionalen Abgabenlast.
80 Kinder in einer Klasse? Kein Problem, wenn es denn so gewollt ist. Die mir positiv auffallen bekommen mündlich eine 1, der Rest eine 2. Die Klausuren: multiple choice. Wer ein Helfersyndrom hat, ist natürlich gekniffen. Ich gebe mein Bestes, aber alles hat Grenzen und meine Gesundheit ist mir da wichtiger.
Wenn man sich emotional vom System entkoppelt hat (nicht zu verwechseln mit „alles egal“, sondern bestmöglich unter den bestehenden Rahmenbedingungen), lässt man sich nicht mehr erpressen.

Hmm...
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Hinzu kommt, dass die allermeisten Betriebe Altersteilzeit ab 55 Jahren anbieten (Renteneintritt ab 61 möglich), wobei vom Arbeitgeber deutlich mehr als 50% Einkommen und Rentenbeiträge gezahlt werden.
Für Lehrer gibt es in den meisten Bundesländern gar keine Möglichkeit der Altersteilzeit mehr – wurde je nach Bundesland zwischen 2009 und 2015 abgeschafft.

Carsten
1 Jahr zuvor

Die Realität ist der Dame sicher nicht böse, dass sie mit ihren „Big Five“ weit von ihr entfernt war.