Schätzt Wegner die Dimension des Lehrermangels richtig ein? Zweifel daran wachsen

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BERLIN. Der Mangel an Lehrkräften ist in Berlin ein Dauerproblem. Ob CDU und SPD unter einem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner die Lösung dafür haben, wird von vielen Seiten bezweifelt. Nicht zuletzt Elternvertreter und Gewerkschaften sind skeptisch.

Beste Bildung – ohne Lehrkräfte? Foto: Shutterstock / Cineberg

Eltern- und Gewerkschaftsvertreter bezweifeln, dass die von CDU und SPD geplanten Maßnahmen gegen den chronischen Lehrkräftemangel an Berliner Schulen ausreichen werden. «Immerhin gibt es im Koalitionsvertrag ein Bekenntnis zur Zielzahl von 2500 Lehrkräften pro Jahr, die die Hochschulen in Berlin ausbilden müssen», sagte der Geschäftsführer der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin, Markus Hanisch. Doch selbst wenn das klappen sollte, reiche es nicht. «Um den Bedarf zu decken, brauchen wir 3000 Lehrkräfte im Jahr und eine echte Ausbildungsoffensive. Wir hätten uns gewünscht, dass die Koalitionäre diese Realität auch endlich anerkennen.»

Um dem Lehrkräftemangel entgegenzuwirken, sei entscheidend, die Studienbedingungen an den Universitäten zu verbessern und Lehrkräfte zu entlasten, damit der Beruf attraktiver wird. «Dies kann unter anderem durch die Einstellung von Verwaltungspersonal, IT-Kräften und pädagogischen Assistenzen erfolgen und durch die Reduzierung nicht unbedingt nötiger Aufgaben», so der GEW-Geschäftsführer.

Auch der Landeselternausschuss ist mit den Vereinbarungen der beiden Parteien nicht zufrieden: «Wir setzen große Hoffnungen darauf, dass es beim Lehrkräftemangel Verbesserungen gibt», sagte dessen Vorsitzender Norman Heise der Deutschen Presse-Agentur. «Aber nachdem wir den Entwurf zum Koalitionsvertrag gelesen haben, sind die infrage gestellt.» Negativ bewerten die Elternvertreter etwa, dass die bundesweite Diskussion um den Lehrermangel ausgeblendet werde.

Das Thema Staatsvertrag zur verbindlichen Lehrkräfteausbildung in allen Bundesländern tauche in den Absprachen der beiden Parteien, die künftig zusammen regieren wollen, gar nicht auf. «Das Einzige, was man liest, ist, dass man Unterrichtsausfall vermeiden möchte. Das klingt für uns wie ein qualitativer Rückschritt», sagte Heise.

«Wenn Brandenburg die Verbeamtung der Seiteneinsteiger im Landtag durchbringt, dann werden uns die Seiteneinsteiger in Berlin in Scharen wegrennen, die wir schon länger im Dienst haben»

Hinzu kommt, dass Berlins Schulen nach Einschätzung des Philologenverbands eine Abwanderung zahlreicher Seiteneinsteiger nach Brandenburg droht. Das sei ein Problem, das im Koalitionsvertrag von CDU und SPD noch gar nicht auftauche, sagte die Vorsitzende des Verbands in Berlin und Brandenburg, Kathrin Wiencek. «Wenn Brandenburg die Verbeamtung der Seiteneinsteiger im Landtag durchbringt, dann werden uns die Seiteneinsteiger in Berlin in Scharen wegrennen, die wir schon länger im Dienst haben.»

Für als Angestellte beschäftigte Seiteneinsteiger liege die Überlegung nahe zu kündigen, wenn Brandenburg eine Verbeamtung ankündigte. «Das hat natürlich eine Sogwirkung», sagte Wiencek. «Und wir haben unheimlich viele Seiteneinsteiger in Berlin.» In den vergangenen Jahren war die Mehrzahl der jeweils neu eingestellten Lehrkräfte Seiteneinsteiger, hatte also keinen Abschluss in einem Lehramtsstudium.

Die Brandenburger Landesregierung hat Mitte Februar einem Gesetzentwurf zugestimmt, der ermöglichen soll, Seiteneinsteiger mit einem Bachelorabschluss im Schuldienst als Beamte zu übernehmen. Bisher ist das nur mit einem Hochschuldiplom oder Masterabschluss möglich.

Auch aus Sicht des Philologenverbands ist deshalb zweifelhaft, ob die von CDU und SPD geplanten Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel an den Schulen in der Hauptstadt ausreichen. «Kurzfristig kann niemand etwas dagegen erreichen, weil das ein bundesweites Problem ist», sagte Wiencek. «Wir schieben das Tischtuch von rechts nach links und von oben nach unten.» Immerhin sei die Rückkehr zur Verbeamtung in Berlin ein Schritt, der helfe, die Abwanderung von Lehrkräften in andere Bundesländer zu verhindern. Die Entscheidung dazu hatte schon Rot-Grün-Rot getroffen. News4teachers / mit Material der dpa

Was die Koalition gegen Lehrermangel tun will (und wer Bildungssenatorin wird)

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8 Kommentare
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Realist
1 Jahr zuvor

«Wir schieben das Tischtuch von rechts nach links und von oben nach unten.»“

Tja, wenn das Tischtuch nicht ausreicht, muss man sich halt einen kleineren Tisch suchen. Und das heißt, wenn sich die Anzahl der Kinder nicht beeinflussen lässt, weniger Unterrichtsangebot: Kürzung der Stundentafel und Abschaffung der Ganztagsschule. Und schon passt das „Tischtuch“ wieder…

kanndochnichtwahrsein
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Bitte bundesweit:
Wir müssen endlich ehrlich gemessen an der Zahl vorhandener Lehrer auf die damit realistisch möglichen (ohne weiterhin permanente Überarbeitung und Ausreizung aller Kräfte) Unterrichsstunden herunterfahren!

Ansonsten leidet erst die Qualität (durch weitere Überforderung der Lehrer und in Folge der Schüler), dann aber die Quantität noch viel mehr – durch zunehmenden Ausfall vieler Kollegen und noch weiterer Abkehr vom Lehrerberuf beim Nachwuchs!

Bildungsland Deutschland?
Deutschland provoziert gerade Generationen ohne angemessene Bildung…
Solche Versäumnisse kann man m.E. nie wieder aufholen!!
Wir machen uns nicht zuletzt weiter abhängig von anderen Ländern, die uns in noch viel größerem Umfang als jetzt bereits nicht nur Waren, sondern auch Wissen und Innovationen verkaufen werden, für die wir teuer werden bezahlen müssen.
Viel mehr wird uns das kosten als JETZT die Schulen wieder gut aufzustellen!

Vierblättriges Kleeblatt
1 Jahr zuvor

Wenn ich es richtig sehe, werden doch Seiteneinsteiger, die eine Lehrerausbildung berufsbegleitend mit Prüfung nachgeholt haben, sowieso in die Verbeamtung einbezogen?! So erlebe ich es. Oder irre ich mich? Und müssen nicht eh alle Seiteneinsteiger diese berufsbegleitende Nachqualifizierung machen???

Die CDU Berlin hatte übrigens einen interssanten Antrag für den Nachteilsausgleich für jene Lehrer, die nicht verbeamtet werden, als sie noch in der Opposition war. Sie wollte das nachverhandeln, wenn sie in Berlin in Regierungsverantwortung kommt. Ich habe sie deshalb gewählt! Da stand:

„[…] 07.12.2022
Antrag
der Fraktion der CDU
Ein Nachteilsausgleich, der fair und gerecht für alle Berliner Lehrkräfte ist
Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:
Der Senat wird aufgefordert, dafür zu sorgen, dass bei dem Nachteilsausgleich im Rahmen der Wiederverbeamtung der Berliner Lehrkräfte besonders auf Ausgewogenheit und Berücksichtigung aller Gruppen in der Lehrerschaft geachtet wird. Lehrkräfte, die das 52. Lebensjahr überschritten haben, sollen neben einer Erhöhung ihres Bruttogehalts auch eine stufenweise Stundenermäßigung mit fortschreitendem Alter erhalten. Ebenso soll der Senat prüfen, inwieweit
eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für angestellte Lehrkräfte beispielsweise auf ein Jahr ausgeweitet werden kann. Ebenso soll der Senat Modelle der Bezuschussung für eine private Altersvorsorge von angestellten Lehrkräften prüfen. […]

https://polit-x.de/de/documents/8692231/dokumente/abgeordnetenhaus/berlin/bundeslander/antrag-2023-02-02-ein-nachteilsausgleich-der-fair-und-gerecht-fur-alle-berliner-lehrkrafte-ist

Wobei, prüfen, naja, geprüft werden sollte ja auch die Enteignung der Wohnungskonzerne in Berlin und die kommt nun definitiv nicht.

Last edited 1 Jahr zuvor by Vierblättriges Kleeblatt
Cecilia Fabelhaft
1 Jahr zuvor

Der Antrag klingt wirklich interessant, auch wenn das die finanziellen Nachteile lange-lange nicht aufwiegt. Die CDU könnte den Antrag doch einfach noch einmal einbringen, wenn sie demnächst in Berlin regiert. Was sie dann wohl sagt?!?

Aleidis, von edlem Wesen
1 Jahr zuvor

Das wäre wenigstens ein Ausgleich, der den Namen verdient. Danke, @Kleeblatt, dass du immer wieder darauf hinweist. Hier schreien immer alle nach der GEW, wenn etwas nicht klappt, aber wenn die GEW etwas macht, unterstützen sie nur wenige. Für einen echten Nachteilsausgleich wäre eine starke GEW jetzt gut!

Vierblättriges Kleeblatt
1 Jahr zuvor

Immerhin sei die Rückkehr zur Verbeamtung in Berlin ein Schritt, der helfe, die Abwanderung von Lehrkräften in andere Bundesländer zu verhindern. Die Entscheidung dazu hatte schon Rot-Grün-Rot getroffen.

Wie viel das wirklich gebracht hat, weiß jedoch niemand. Es ist ja nicht so, dass seit der Wiederverbeamtung kein Lehrer mehr aus Berlin wegzieht, oder? Und unter den 900 Lehrern, die mal in einem Jahr Berlin verlassen haben (ohne dass man weiß, warum), sollen ja fast 300 verbeamtete Lehrer gewesen sein. Die sind doch nicht abgewandert, weil man anderswo verbeamtet wird!!

Dem gegenüber stehen rund 35.000 Lehrer, die in Berlin geblieben sind. Und es zogen ja auch Lehrer nach Berlin. Von dieser Zahl liest man nichts (wobei verbeamtete Hinzuziehende verbeamtet bleiben).

Die Verbeamtung sei allen gegönnt, die das wollen, aber mich ärgern diese Behauptungen/Darstellungen, selbst von Spitzenpolitikern.

Aleidis, von edlem Wesen
1 Jahr zuvor

Es gab in den 90ern keinen Lehrermangel, obwohl kein ostdeutsches Bundesland verbeamtete. Es gab Massenentlassungen von Lehrern (rund 5000 nach der Wende in MV) und Stellenstreichungen ebenfalls én masse (einige hundert pro Jahr)! Obwohl damals noch wirklich viele Ossis in den Westen gingen, kam es nie zu einem Lehrermangel.

Aber die Sache ist nun „gegessen“, @ Kleeblatt. Besser ist es, für die anderen noch einen fairen Ausgleich zu erringen. Darin unterstütze ich dich.

Angelo
11 Monate zuvor

Was, sorry,viele werdens vvlt nicht hören wollen, irgendwie nochmals zeigt, dass die Verbeamtung NICHT die Lösung des Problems sein kann: Sie schafft keine neuen Lehrkräfte, aber sorgt dafür, dass Pädagogen abwandern. Mitschnitt von einem am WE mitgehörten, mir so übermittelten Gespräcsh in einem Berliner Lokal: "Hab jetzt die Verbeamtung in der Tasche, jetzt erst mal einen Monat krank.Warum soll ich mich in diesem Laden aufreiben?“ Die Lösung kann nur sein, die unglaubliche Privilegierung dieses Standes endlich abzubauen ODER angestellte Lehrer ENDLICH signifikant besser zu stellen. WO sind da die Lösungen? WO zum Beispiel bleibt der viel versprochene Nachteilsausgleich?
Alles Wahlkampfgetöse?