Sogar (die attraktive Metropole) Hamburg kämpft jetzt gegen den Lehrermangel

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HAMBURG. Die Lage sei zwar nicht so dramatisch wie in anderen Bundesländern, betont der Bildungssenator. Trotzdem muss selbst Hamburg (das als attraktive Metropole bislang wenig tun musste, um Lehrkräfte anzuziehen) nun Maßnahmen ergreifen, um genug Personal für die Schulen gewinnen – etwa zusätzliche Angebote zur Gesundheitsförderung. Der GEW reicht das nicht. Und die Linke moniert: Schulen an schwierigen Standorten haben besonders unter dem Lehrkräftemangel zu leiden.

Boomtown Hamburg: Die Hansestadt wächst – und mit ihr der Bedarf an Lehrkräften. Foto: clearlens-images / pixelio.de

Viele Lehrer gehen in Pension, gleichzeitig wächst die Zahl der Schüler: Hamburg braucht in Zukunft jährlich mindestens 900 neue Lehrkräfte. «Das ist schon eine ganze Menge», sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Mittwoch in der Hansestadt. Deshalb seien zusätzliche Maßnahmen vorgesehen.

Die Zahl der Ausbildungsplätze im Vorbereitungsdienst wird weiter von ursprünglich 810 auf 1215 in diesem Jahr und 1350 Plätze im Jahr 2024 erhöht. Geplant sei eine stärke Öffnung des Referendariats für Quereinsteiger, die Unterrichtsfacher studiert haben, aber eben keine Erziehungswissenschaften. Verbessert werden sollen auch die Möglichkeiten, dass Lehrkräfte nach ihrer Pensionierung weiterhin Unterricht geben können.

Die Schulbehörde will den Beruf zudem attraktiver machen – dazu zählen auch zusätzliche Angebote zur Gesundheitsförderung. Lehrkräfte bekommen in Hamburg den Angaben zufolge künftig mindestens die Besoldungsstufe A13. Ziel sei es, pädagogisches Personal, das bisher nachmittags in der Ganztagsbetreuung arbeite, auch vormittags einzusetzen – etwa für Förderangebote, berichtete Rabe.

«Für schwierige Maßnahmen wie die Einschränkung der Teilzeit, mehr Unterrichtsverpflichtung oder die Erhöhung der Klassengröße gibt es zurzeit keinen Anlass»

«Aufgrund unserer vorausschauenden Einstellungspolitik konnten wir einen dramatischen Lehrermangel wie in anderen Bundesländern bisher vermeiden», sagte Rabe. Er geht davon aus, dass die nun vorgestellten Maßnahmen ausreichen werden. «Für schwierige Maßnahmen wie die Einschränkung der Teilzeit, mehr Unterrichtsverpflichtung oder die Erhöhung der Klassengröße gibt es zurzeit keinen Anlass.» Dennoch werde die Lage nicht einfacher. «Die geburtenstarken Jahrgänge gehen jetzt in Pension, die nachrückenden geburtenschwachen Jahrgänge können sie nicht ersetzen.»

Der Hamburger GEW-Vorsitzende Sven Quiring kommentiert: «Es ist richtig, dass der Schulsenator Maßnahmen wie eine Einschränkung der Teilzeit, mehr Unterrichtsverpflichtung oder eine Erhöhung der Klassengrößen ausschließt, denn solche Verschlechterungen schaden der Attraktivität des Berufsfeldes und sind für die GEW nicht verhandelbar. Allerdings hätten wir uns mehr strukturelle Tiefe gewünscht, denn besonders hier liegt einiges im Argen. Insbesondere bei der Bezahlung von Leitungsstellen, dem pädagogisch therapeutischem Fachpersonal und den Vorschulklassen-Lehrkräften muss aus Sicht der GEW strukturell weiter nachgelegt werden.»

Die Linke monierte am Mittwoch, dass auch in Hamburg bereits Lehrer fehlten. Das gehe aus einer Anfrage der Fraktion an den Senat hervor. Demnach seien stadtweit 268,09 Vollzeitstellen unbesetzt, die meisten davon (157,56) an Stadtteilschulen. Rabe betonte jedoch: «Es ist nicht so, dass dadurch das ganze Hamburger Schulsystem ins Straucheln kommt.» Die Zahl offener Stellen für Lehrkräfte sei gering im Vergleich zu der großen Menge besetzter Stellen in Hamburg.

Die Linke kritisierte, der Lehrkräftemangel sei höchst ungleich verteilt. An Schulen mit dem niedrigsten Sozialindex 1 – also mit besonders schwierigen Rahmenbedingungen – fehlten 88,87 Lehrkräfte, mit Sozialindex 2 seien es 84,37. An Schulen mit dem höchsten Sozialindex seien sogar 18,97 Stellen über dem Plan besetzt.

«Unsere Anfrage zeigt eine drastische Spaltung: Schulen in finanzschwachen Gebieten haben in jeder Hinsicht das Nachsehen», sagte die bildungspolitische Sprecherin Sabine Boeddinghaus. Dort gebe es die meisten unbesetzten Stellen, langzeiterkrankten Lehrkräfte und Teilzeitstellen. Hinzu komme, dass inzwischen etwa die Hälfte der Lehrkräfte nur in Teilzeit arbeite. «Der Grund dafür ist, dass die Lehrerarbeitszeitverordnung seit Jahren nicht an die gewachsenen Anforderungen angepasst worden ist.» In der Folge reduzierten Lehrer und Lehrerinnen, die nicht durch Überarbeitung ihre Gesundheit riskieren wollten, immer häufiger ihre Arbeitszeit.

Als Konsequenz fordert die Linke einen Ausbau der Lehrkräfteausbildung. «Der Senat muss eine Ausbildungsoffensive starten, die einen substanziellen Ausbau der Lehramtsstudienplätze für alle Schulformen vorsieht, Zugangsbeschränkungen abschafft und den Hochschulen dafür ausreichend Mittel bereitstellt», sagte Linken-Politikerin Stephanie Rose.

«Lehrerinnen und Lehrer müssen sich auf das Unterrichten konzentrieren können»

Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Birgit Stöver kritisierte: «Hamburg lebt seit Jahren auf Kosten anderer Bundesländer, die mehr in die Lehrerausbildung investieren.» Man habe sich zu sehr auf die Attraktivität der Stadt verlassen, um den Bedarf an Bewerbern zu decken. Der Maßnahmenkatalog komme nun reichlich spät und sei unvollkommen.

Die stellvertretende Landesvorsitzende der FDP Hamburg, Ria Schröder, forderte eine Attraktivitäts-Offensive für den Beruf. «Lehrerinnen und Lehrer müssen sich auf das Unterrichten konzentrieren können», sagte die Politikerin, die zugleich bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag ist. «Dafür sind multiprofessionelle Teams entscheidend. Außerdem müssen Lehrkräfte und Schulleitungen vom Bürokratieballast befreit und leistungsgerecht vergütet werden.» News4teachers / mit Material der dpa

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Nadja Bragdén
1 Jahr zuvor

Auch noch das .

Vierblättriges Kleeblatt
1 Jahr zuvor

Aber dort wird doch schon immer verbeamtet und es wurde hier immer gesagt, die Verbeamtung ist die Lösung für den Lehrermangel???

Herr Mine
1 Jahr zuvor

Im Allgemeinen würde ich sagen, dass der finanzielle Anreiz des Lehrberufs gegeben sein muss. Das kann vielerorts die Verbeamtung gewährleisten (netto mehrere hundert Euro mehr als ein Angestellter).

Während man in Nordhessen mit A13 fast fürstlich leben kann, gehört man in Frankfurt, München oder auch Hamburg mit A13 eher zu denjenigen, die sich ohne Erbe kein eigenes Haus leisten können.

Also: Ja, die Verbeamtung steigert die Attraktivität des Berufs sehr, ist aber in den extrem teuren Städten immer noch zu wenig.

Nick
1 Jahr zuvor
Antwortet  Herr Mine

Mir kommen die Tränen.
Mal demütig über den Tellerrand und dabei recherchieren wie die Bedingungen z.B. bei Polizisten und Feuerwehrleute sind. A13? Pustekuchen. Nette Arbeits- (Dienstzeiten?) Pustekuchen: eher so 24/7. Teilzeit?…
Na gut, einzig die Lehrer haben sich ein A14 redlich verdient. Aber A15 wäre doch auch ok?

Palim
1 Jahr zuvor
Antwortet  Nick

Mir kommen auch die Tränen bei schlechten Arbeitsbedingungen und schlechter Bezahlung in anderen Berufen,
darum dürfen aber auch Lehrkräfte für ihre Rechte und Bedingungen streiten.

Die Arbeitszeit der Lehrkräfte wird gar nicht erhoben, man geht von 40/41h aus, womit die meisten Lehrkräfte nicht auskommen. Es ist ja nicht so, dass Rettungskräfte 24/7/365 arbeiten, sondern zwischendurch frei haben.
Bei Lehrkräften gibt es keinen Ausgleich und keine Zulagen für längere Arbeitszeiten, für Nachtschichten oder Arbeit am WE, Regelungen für Klassenfahrten sind da nur die Spitze des Eisbergs.

Die Länder drücken sich vor der Erhebung der Arbeitszeit, weil ihnen klar ist, dass man erheblich mehr Personal bräuchte, um entsprechende Bedingungen zu schaffen.

HH nutzt sein Arbeitszeitmodell nicht zur Erhebung der Zeiten, sondern schafft durch die Faktorisierung noch höhere Unterrichtsverpflichtung für einige Lehrkräfte und generiert somit mehr Unterricht bei gleich bleibender Personalversorgung.

Nick
1 Jahr zuvor
Antwortet  Palim

Sie ahnen vermutlich nicht wie viele Überstunden eine Vielzahl von Polizeibeamten vor sich her schieben und wie viele von ihnen in einen Zweitjob tätig sind, um über die Runden zu kommen. Das liegt wohl auch daran, dass ihnen nicht der A13/ A14 vergönnt ist.

dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  Nick

Wieso, Polzeiräte haben doch ebenfalls A13 und ein abgeschlossenes Masterstudium, weshalb sie zum höheren Dienst gehören. Im Gegensatz dazu die Kommissarlaufbahn im gehobenen Dienst, die mit A9 beginnt und für Erste Polizeihauptkomissare im Übergangsamt bei A13 enden kann. Daneben gibt es in einigen Bundesländern und beim Bund noch den mittleren Dienst (Polizeimeister), der keinen Studienabschluss vorsieht sondern mit einem Ausbildungsabschluss endet. „Einfache“ Wachpolizisten, die Beamte des einfachen Dienstes waren, gibt es schon lange nicht mehr.

Madin
1 Jahr zuvor
Antwortet  Nick

Manchmal kommen in Diskussionen Argumente auf, die eigentlich keinen Sinn ergeben.
Ich glaube schon, dass die Leser hier es ahnen. Die große Zahl der Mehrarbeitsstunden bei der Polizei wird zumindest erfasst.
Deutschlands größter Arbeitgeber „Der Staat“ ignoriert das trotzdem, anderenfalls es „zu teuer“ wäre und die Personalmisere noch offensichtlicher.

1teacher
1 Jahr zuvor

Dort wird doch schon immer mehr gearbeitet, als woanders. Das ist dem Faktorisierungsverfahren (seit 2003) zu verdanken: Die Anzahl der Unterrichtsstunden der Lehrkräfte ist danach nicht nur schulformabhängig, sondern auch abhängig von Klassenart und -stufe sowie erteilten Fächern. Im Endeffekt: In Hamburg arbeiten Lehrkräfte mehr als in anderen Bundesländern! Quelle: https://www.gew-hamburg.de/themen/schule/in-hamburg-arbeiten-lehrkraefte-mehr-als-in-anderen-bundeslaendern
Verbeamtung hin oder her. Die Angestelte Lehrkräfte sind nicht verbeamtet….und bezahlt wird auch unterschiedlich: A13 für alle (?) Ein altes Thema.

1teacher
1 Jahr zuvor

Vielleicht sollte Herr Senator dann überdenken frisch ausgebildete Lehrer*innen und befristet beschäftigte Lehrkräfte weiterhin während der Sommerferien in die Arbeitslosigkeit zu entlassen??? Auch Erhöhung der Zahl der Planstellen wäre wünschenswert(!), da die Schülerzahlen steigen… Darüberhinaus die finanziellen Reize für die Lehrer*innen an Brennpunktschulen schaffen. Laut Polizei hat sich die Zahl der gefährlichen und schweren Körperverletzungen an Hamburgs Schulen 2022 mehr als verdoppelt!
Quelle: https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Deutlich-mehr-Gewalttaten-an-Hamburgs-Schulen-registriert,gewalt678.html

Minna
1 Jahr zuvor

Gesundheitsangebote für Lehrkräfte? Haha. Es gibt ein Infektionsangebot während die Luftfilter ausbleiben. Schön dumm. Auch die Virenlast spielt halt eine Rolle und wenn mein Immunsystem nach Corona angeschlagen ist ist ein Ort wie Schule halt auch eher ungeeignet …
In den besseren Stadtteilen hat es weniger Durchseuchung gegeben, aber so langsam macht sie sich eben doch bemerkbar. Kein Religionsunterricht seit Oktober zum Beispiel … aber Filme gucken: „Wie bei den Simpsons, Mama!“. Kind ist total begeistert: den ganzen Tag gab es keinen richtigen Unterricht: „In Mathe hat der Lehrer die Arbeiten der Siebtklässler korrigiert und wir haben uns mit Gummibändern beschossen!“.

Palim
1 Jahr zuvor

HH hat doch ohnehin schon das Hamburger Arbeitszeit-Modell.
Fangen wir doch in den Brennpunktschulen mit 20-h-Deputat und einer 4 Tage Woche an, das dürfte mit dem Modell leicht umsetzbar sein,
statt gerade in diesen Schulen den Mangel zu fahren und die Lehrkräfte mit dem Mangel allein zu lassen und sie zu verschleißen.

Setzen wir durch weiteres Personal betreute Praktika ein, um Lehrkräfte zu entlasten und den Jugendlichen mehr Perspektiven zu bieten,
suchen wir zusätzliches Personal zu Begleitung von Kindern und Jugendlichen im Schulalltag und darüber hinaus, der Schule fest zugehörig als Mitarbeitende, nicht als Ehrenamt.

Schaffen wir gerade in den Brennpunkten eine 130% Versorgung mit Lehrkräften UND zusätzlicher guter Versorgung mit zusätzlichem Personal für die schwierigen Aufgaben, die dort gestemmt werden müssen.

Man braucht die SuS als gut ausgebildete Arbeitskräfte,
man braucht die Lehrkräfte weiterhin an diesen Schulen.

Wann will man anfangen, gerade die Brennpunkte weit besser auszustatten?