Kaum Wechsel: Söders umstrittenes Abwerbe-Programm für Lehrkräfte erweist sich als Flop

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MÜNCHEN. Die bayerischen Schülerinnen und Schüler genießen derzeit die letzten Ferientage. Am Dienstag geht es wieder los mit Formeln und Vokabeln. Das Kultusministerium stuft die Unterrichtsversorgung zum Start als gut ein – auch wenn es viele Herausforderungen gebe. Das umstrittene Abwerbe-Programm des Ministerpräsidenten, das Lehrkräfte aus anderen Bundesländern anziehen sollte,  erweist sich unterdessen als Flop.

Wollte Lehrkräfte aus anderen Ländern abwerben – ohne Erfolg: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Foto: Shutterstock

Die Unterrichtsversorgung für die nunmehr gut 1,7 Millionen Schülerinnen und Schüler im Freistaat ist aus Sicht von Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) im neuen Schuljahr gesichert. «Wir sind aktuell voll im Plan, auch besser als im Vorjahr zum gleichen Zeitpunkt. Aber das heißt nicht, dass wir jetzt entspannen können», sagte Piazolo am Freitag in München. «Wir haben so viele Lehrerinnen und Lehrer wie noch nie, aber auch so viele Herausforderungen wie noch nie.»

Inklusion, Integration und Ganztag seien nur einige der großen Baustellen, zählte Piazolo auf. Allein rund 30.000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine seien inzwischen ins bayerische Schulsystem aufgenommen worden – so viele wie ein kompletter Abiturjahrgang. «Das ist schon wuchtig», sagte Piazolo.

Außerdem gebe es aufgrund der höheren Geburtenzahl generell mehr Kinder im Freistaat. In der Folge müssten – besonders an den Grund- und Mittelschulen – in diesem Schuljahr rund 26.000 Schülerinnen und Schüler mehr unterrichtet werden als im Vorjahr.

Deshalb seien für das neue Schuljahr etwa 3700 neue Lehrkräfte auf Planstellen eingestellt worden; hinzu kämen noch Vertragskräfte. Es werde immer schwieriger, Personal zu gewinnen, räumte Piazolo ein. Dies werde auch in Zukunft eine große Aufgabe bleiben: «Der Lehrermangel ist nicht nur ein Thema für ein Schuljahr.»

Der Vorteil für Lehramtsstudierende: In allen Schularten herrscht derzeit Volleinstellung. Weitere Stellen wurden nach Zweitqualifikationen sowie durch freiwillige und dienstrechtliche Maßnahmen für Lehrkräfte gefüllt.

«Wir müssen noch mehr als bisher den einzelnen Schüler betrachten»

Besonders angetan zeigte sich Piazolo von der unerwartet hohen Zahl von 600 Quereinsteigern. Die von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) groß angekündigte und grundsätzlich nachgefragte Regionalprämie habe bei der Abwerbung von Lehrkräften aus anderen Bundesländern jedoch kaum Schlagkraft entfaltet. «Es ist nicht so, dass es da einen riesengroßen Zustrom gibt», sagte der Minister. Das Quereinsteigerprogramm habe wesentlich mehr gebracht. Söders Abwerbe-Versuch hatte Kultusministerinnen und Kultusminister aus anderen Bundesländern verärgert (News4teachers berichtete).

Für die Nachwuchsgewinnung müsse deshalb die Attraktivität des Lehrberufs grundsätzlich gesteigert werden, so Piazolo, etwa durch bessere Beförderungsmöglichkeiten, eine praxisorientierte Lehrkräfteausbildung und eine weitere Reduzierung der Bürokratie, zählte Piazolo auf. Perspektivisch sehe er die Notwendigkeit, zur Wahrung der Qualität des Bildungsniveaus 10.000 weitere Lehrerstellen zu schaffen.

Rund die Hälfte davon entfalle auf den demografischen Zuwachs. Doch Umfang und Komplexität der Aufgaben stiegen, auch aufgrund der Pluralität der Schülerschaft. «Wir müssen noch mehr als bisher den einzelnen Schüler betrachten», erläuterte der Minister.

Der bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband hatte erst vor wenigen Tagen beklagt, dass genau diese individuelle Förderung und Begleitung im Regelfall nicht mehr möglich sei (News4teachers berichtete). Auch für Arbeitsgruppen und ähnliche Angebote fehlten auf breiter Front die Kapazitäten. Dem widersprach Piazolo: «Es ist nicht so, dass nur der Pflichtunterricht stattfindet, sondern auch mehr.» News4teachers / mit Material der dpa

Bayern will Lehrer aus anderen Bundesländern mit höheren Gehältern und Starthilfen locken – gibt’s jetzt ein Wettbieten?

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8 Kommentare
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Dirk Meier
7 Monate zuvor

Ich hatte bei der Bekanntgabe des bayrischen Lehrkräfte-Abwerbungsprogramms bereits hier im Kommentarbereich aufgeführt, was es bräuchte, um tatsächlich ausgebildete Kolleginnen und Kollegen zu einem Umzug zu motivieren. Die aktuellen Rahmenbedingungen sind im Vergleich zu meinen Forderungen ein schlechter Witz. Als nächstes wollen sie Programmierer von Google mit einer Einmalzahlung von 2000 EUR anlocken und wundern sich, warum niemand kommt.

Für verbeamtete Lehrkräfte ergibt ein Wechsel nach Bayern aktuell überhaupt keinen Sinn. Dort wird zwar ein volles 13. Monatsgehalt bezahlt, aber netto würde ich dort aufgrund der Grenzsteuerbelastung mit 42 % auch nur 100-200 EUR monatlich mehr verdienen als dort wo ich jetzt arbeite. Gleichzeitig sind die Lebenshaltungskosten in Bayern nahezu überall höher. Bei einem Einsatz in München, Oberbayern, Regensburg, Neu-Ulm, Nürnberg, Bamberg oder Würzburg ginge es mir finanziell deutlich schlechter als heute.

Wenn Bayern Lehrkräfte anlocken will, dann muss richtig Geld auf den Tisch gelegt werden. Dazu eine unbürokratische Anerkennung der aktuellen Dienstaltersstufe, Bereitstellung/Vermittulung einer kostengünstigen Wohnung sowie eine verlässliche Zusage zum Einsatzort/Schulform.

Simon
7 Monate zuvor
Antwortet  Dirk Meier

Ein volles 13. Gehalt gibt es nicht, aber immerhin 65%.

Rainer Zufall
7 Monate zuvor

Nicht aufgeben, Herr Söder!
Haben Sie schon probiert, die eigenen Lehrkräfte als faul zu bezeichnen und gezielt um Personen diesen Schlages zu werben? 😀

GriasDi
7 Monate zuvor

Zitat:
„Söders umstrittenes Abwerbe-Programm für Lehrkräfte erweist sich als Flop“
Wie so viele Aktionen von diesem Herren. Große Reden nichts dahinter. Die Wählerinnen scheint es nicht zu stören.

Der Zauberlehrling
7 Monate zuvor

Auch der Herr Dr. Markus Söder kocht nur mit Wasser und läuft nicht über selbiges.

Nach Bayern hineinzukommen ist kein einfacher Weg. Da wird genau geschaut, was man studiert hat und welche Vorlesungen man besucht hat.

Sven A.
7 Monate zuvor

Scheinbar war Herrn Söder (und seinen Beratern) unbekannt, dass Lehrer nur dann das Bundesland wechseln dürfen, wenn sie von ihrem Bundesland die Freigabe bekommen. Ganz offensichtlich wollte Bayern jedoch nicht die Einigung zwischen den Ländern ignorieren, dass man keine Beamte übernimmt, die nicht diese Freigabe haben.

Hat Herr Söder wirklich erwartet, dass die Beamten sich aus dem Beamtenverhältnis lösen lassen, um dann vielleicht in Bayern als Angestellte anzuschaffen?

Vierblättriges Kleeblatt
7 Monate zuvor
Dirk Meier
7 Monate zuvor

Das wurde doch gar nicht getestet. Wenn mir Bayern 50k EUR Antrittsbonus bezahlt und die weiteren Parameter (Einkommen, Wohnung, etc.) gleich bleiben, dann würde ich mir einen Umzug schon überlegen.