Wie umgehen mit jugendlichen Kriminellen? Ex-Polizist wirbt für Zuwendung

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AMELINGHAUSEN. Wie geht man mit Kindern um, die immer wieder durch Gewalt auffallen? Der Autor und ehemalige Polizist Jens Mollenhauer wirbt bei einem Kongress dafür, die jugendlichen Täter nicht allein zu lassen. Denn meist habe ihnen schon als Kind Zuwendung gefehlt.

Immer mehr Jugendliche haben «Feuer im Bauch», sagt Autor Jens Mollenhauer. (Symbolbild) Foto: Shutterstock

Verletzt, vernachlässigt und viel Wut im Bauch – das sind die Gründe für Jugendgewalt, sagt der Autor Jens Mollenhauer. Im Frühjahr ging er nach 40 Jahren bei der Hamburger Polizei in den Ruhestand – nun treibt ihn die Aufgabe um, Intensivtäter nicht ganz allein zu lassen und Gewalt im Vorwege zu verhindern. Die Präventionsarbeit mit Jugendlichen liegt dem 60-Jährigen besonders am Herzen, wie er in seinem Buch «Herzgewalt» eindringlich beschreibt und am Wochenende beim Kongress des Bundesnetzwerks Zivilcourage in Buchholz in der Nordheide bei Hamburg thematisiert.

Die Täter würden immer jünger, auch wegen Social Media, wo die Hemmungen, gewaltverherrlichende Fotos und Videos weiterzuschicken, in den vergangenen Jahren stark gesunken seien. «Jugendgewalt hat sich mit dem Siegeszug der sozialen Medien stark verändert», schreibt der jahrelange Jugendschützer. Viele Jugendliche seien früher reif und durch die Flut der Bilder abgestumpfter. Und niemand kontrolliere den Bilderstrom.

Auch Mädchen würden sich meist schlagen, um Anerkennung zu finden. Die Gewalt sei ein Ventil. Die wenigsten seien Mitglied in Sportvereinen oder hätten Hobbys. Familienausflüge hätten Seltenheitswert, manchmal gebe es nicht einmal Spielsachen. Und oft würden die Jungs einen höheren Stellenwert innerhalb der Familie haben als die Mädchen – was wiederum Wut auslöse.

«Die Schulen sind überfordert, weil Sozialarbeit nicht stattfindet»

Viele Heranwachsende kennen keinen Respekt oder Mitgefühl mehr, ihnen fehlten Vorbilder und Grenzen. Sie suchen sich Schwächere, die sie als Opfer drangsalieren, und lassen sich von Gleichgesinnten feiern. «Die Schulen sind überfordert, weil Sozialarbeit nicht stattfindet», sagt Mollenhauer. Im Elternhaus habe es meist wenig Zeit, Zärtlichkeit und Zuneigung gegeben. Die jungen Menschen liefen mit «Feuer im Bauch» herum, wie er es nennt.

Anschaulich beschreibt er, wie oft Mütter oder Väter kaum wüssten, wo sich die Heranwachsenden aufhalten oder was sie auf ihren Handys für Filme angucken. Genug Eltern würden sich auch nicht kümmern, selbst wenn mehrere Gewaltdelikte vorliegen.

Schon in Grundschulen müsste Medienkompetenz erlernt werden, findet der Jugendexperte und Vater von acht Kindern aus Amelinghausen bei Lüneburg. Auch Gewaltprävention kann er sich als wichtiges Schulfach vorstellen. Er hält viele Vorträge an Schulen und wird immer wieder hinzugezogen, wenn Lehrer nicht mehr weiter wissen.

Und seine wichtigste Botschaft bleibt immer: «Wir dürfen die Jugendlichen nicht allein lassen!» Er versucht es meist mit Gesprächen, um eine Beziehung aufzubauen. Für eine Herabsetzung der Strafmündigkeit ist Mollenhauer nicht, auch wenn einige schockierende Taten deutschlandweit zuletzt von sehr jungen Menschen begangen wurden. Gefängnis – gerade in jungen Jahren – könne immer nur die letzte Lösung sein. News4teachers / mit Material der dpa

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