Umfrage zeigt: Kita-Krise immer schlimmer! „Das Kindeswohl ist permanent gefährdet“

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MAINZ. Die Personalnot in den Kitas ist groß, auch in Rheinland-Pfalz. Ein 2021 eingeführtes neues Kita-Gesetz versprach Besserung – doch nach Ansicht der Beschäftigten hat sich die Lage eher noch verschlimmert. Dies zeigt eine neue Umfrage.

Die Personal-Situation in vielen Kitas ist nicht lustig (Symbolbild). Foto: Shutterstock

Der Verband Kita-Fachkräfte Rheinland-Pfalz warnt vor einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durch das 2021 eingeführte Kita-Gesetz. «In keinem Bereich fand bislang wirklich eine Verbesserung statt», sagte Nadine Zimmer, die für den Verband eine Umfrage durchführte, am Montag. «Das Kindeswohl ist permanent gefährdet. Kinder, Eltern und Fachkräfte erleben schlechte Rahmenbedingungen.» Aktuell bedeute das Kita-Zukunftsgesetz weniger Qualität, weniger Kindeswohl und weniger Zeit für das einzelne Kind.

Das lang kontrovers diskutierte Gesetz war 2021 vollständig in Kraft getreten. Eltern haben danach einen Rechtsanspruch auf eine tägliche siebenstündige Betreuung am Stück und mehr Mitwirkungsmöglichkeiten. Für die Kita-Träger gibt es ein neues System zur Personalberechnung. Zudem wurde ein sogenanntes Sozialraumbudget eingeführt, mit dem Kita-Sozialarbeit gefördert werden kann.

Bei der Online-Umfrage unter pädagogischem Personal aus Rheinland-Pfalz nahmen laut Kita-Fachkräfteverband im Frühjahr 2023 rund 1000 Menschen teil. Vor allem fehlende Zeit und Personalmangel wurde von den Befragten als problematisch empfunden. Die Mehrheit der Befragten fühlte sich demnach überfordert.

«Natürlich nehmen wir die Ergebnisse der Umfrage ernst, denn uns allen ist daran gelegen, dass wir eine gut funktionierende Kita-Landschaft haben», erklärte Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD). Für Erzieherinnen und Erzieher, Eltern, Träger und Kommunen stellten sich viele Aufgaben, die in Zeiten des Fachkräftemangels schwierig zu lösen seien. «Das ist nicht nur in Rheinland-Pfalz so, und das hat auch nichts mit dem Kita-Gesetz zu tun.»

Mehr Eltern brauchten längere Betreuungszeiten, es fehlten Erzieherinnen und Erzieher, Kitas platzten aus allen Nähten, weil mehr Kinder in die Kitas kommen. Zugleich seien die Folgen der Corona-Pandemie für Kinder und Erzieherinnen und Erzieher auch im Kita-Bereich noch spürbar, teilte Hubig mit. Viele Kritikpunkte der Umfrage stehen Hubig zufolge nicht im Zusammenhang mit dem Kita-Gesetz. «Richtig und wichtig ist aber, dass die Umfrage erneut aufzeigt, wo es Handlungsbedarf gibt.»

«Resignation macht sich breit – unsere Erzieherinnen und Erzieher im Land leiden unter dem, was die Landesregierung ihnen mit dem Kita-Gesetz aufbürdet»

Mit dem Kita-Gesetz würden jedoch seit 2021 im Land positive Impulse gesetzt, betonte die Ministerin. Es seien seither rund 1600 zusätzliche Stellen geschaffen worden. Zudem könne nun Kita-Sozialarbeit angeboten werden, Zeit für Leitungs- und Praxisanleitungsaufgaben werde auf die Arbeitszeit angerechnet, Auszubildende und Studierende seien nicht mehr Teil des Personalschlüssels.

Der Kita-Experte der CDU-Fraktion, Thomas Barth, betonte dagegen, dass die Ergebnisse der Kita-Umfrage eine deutliche Sprache sprechen. Die Arbeitsbedingungen für Erzieherinnen und Erzieher hätten sich nicht verbessert. Ähnlich sehe es bei der Arbeitsbelastung aus. «Resignation macht sich breit – unsere Erzieherinnen und Erzieher im Land leiden unter dem, was die Landesregierung ihnen mit dem Kita-Gesetz aufbürdet.» Die Rahmenbedingungen, die das Land für die Einrichtungen vorgibt, passten nicht zum Kita-Alltag.

Nach Einschätzung der GEW gibt es in den Kitas im Bundesland einen großen Fachkräftemangel. Das habe zur Folge, dass der gesetzlich geregelte Rechtsanspruch auf eine tägliche siebenstündige Betreuung am Stück oftmals nur auf dem Papier bestehe, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft, Kathrin Gröning, am Montag in Mainz.

Eine Umfrage der GEW habe gezeigt, dass die dünne Personaldecke auch zu Einschränkungen der Öffnungszeiten in den Einrichtungen führe. Die Gewerkschaft schließe sich daher der Kritik des Verbands der Kita-Fachkräfte Rheinland-Pfalz an. Mit Stichtag 1. März 2023 gab es laut Statistischem Landesamt in den Tageseinrichtungen für Kinder in Rheinland-Pfalz rund 35.700 pädagogische Fachkräfte.

«Kommunen und freie Träger müssen die Kostensteigerungen alleine tragen, während das Land seinen Finanzierungsanteil eingefroren hat», teilte Andreas Göbel, Hauptgeschäftsführender Direktor des Landkreistages, mit. Kreise und freie Träger blieben demnach auf den Mehrkosten für Personal und den Baukostensteigerungen alleine sitzen. «Unabhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kreise, Städte und Gemeinden müssen Kita-Plätze zur Verfügung gestellt werden. Wenn Plätze fehlen, werden die Kommunen verklagt.» Durch die knappen Mittel gelinge es aber kaum noch, Frühforderungsmaßnahmen sicherzustellen.

«Wenn ich kein Personal hab, kann ich auch erstmal keins einstellen»

«Die Probleme waren schon vorher da, aber die sind jetzt massiver», sagte die Verbandsvorsitzende Claudia Theobald. «Weil jetzt alle Kinder durchgehend in der Kita betreut werden.» Die Puffer, die es vorher noch in Randzeiten gegeben habe, gebe es nun nicht mehr. Und durch diese Arbeitsverdichtung entstehe ein riesiger Druck.

«Wir müssen den Mangel so verwalten jetzt erstmal, dass das Kindeswohl sichergestellt ist», sagte Theobald. «Wenn ich kein Personal hab, kann ich auch erstmal keins einstellen.» Einige Maßnahmen könnten aber auch kurzfristig umgesetzt werden, etwa eine verbesserte Dienstplangestaltung, zusätzliche Verwaltungskräfte sowie kleinere Umbauten für Wickelplätze oder Lärmschutz. Ziel sei es, einen möglichst stabilen Alltag aufrechtzuerhalten. Der Wunsch des Verbandes sei, dass das Kita-Gesetz frühzeitig und regelmäßig evaluiert werde. News4teachers / mit Material der dpa

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TaMu
5 Monate zuvor

Dieser Rechtsanspruch auf sieben Stunden Betreuung täglich hat vor allem einen Druck geschaffen, der weiter gegeben wird: den Druck der Erwartungshaltung in der Wirtschaft, dass Eltern beide trotz Kindern Vollzeit oder Beinahe- Vollzeit arbeiten können, weil es einen Rechtsanspruch gibt und deshalb „die Kinder nicht mehr das Problem sein können“.
Vermutlich hält in Gesprächen um finanzielle Hilfen für Alleinerziehende auch das Jobcenter mehr Arbeitsstunden für möglich, weil die Kinder schließlich versorgt seien. Und die werden natürlich dann massenhaft wöchentlich 35 Stunden abgegeben, in überfüllte Einrichtungen ohne Ruhe, in denen durchgehend von Oktober bis April alle irgendwie kränkeln, was mit der Schnupfennase auf dem Foto gut dargestellt ist. Von Schlafen nach Bedarf kann da bereits für die Kleinsten nicht mehr die Rede sein, obwohl Schlaf zu den menschlichen Grundbedürfnissen gehört und für die Gehirnentwicklung und-regeneration absolut notwendig ist.
All das ist bereits Kindswohlgefährdung. Diese beginnt nicht erst bei Verletzungen der Aufsichtspflicht oder wenn aktiv körperlich aggressiv vorgegangen wird.
Mich persönlich ärgert auch, dass es einen einklagbaren Rechtsanspruch auf etwas gibt, für das von vornherein die Voraussetzungen gefehlt haben. Nicht alles, was eine gute Sache sein könnte, kann dann in dieser Form verankert werden. Mir würde auch ein Rechtsanspruch auf Betreutes Wohnen im Alter oder bei Krankheit in kleinen, persönlichen Wohneinheiten mit den eigenen Möbeln und liebevoller Pflege falls notwendig innerhalb dieser eigenen vier Wände gefallen. Dafür fehlen ganz klar Mittel und Personal. Nachvollziehbarerweise kann man hier den Steuerzahlern die Schadensersatzansprüche nicht aufladen, was mit dem Anspruch auf Kindervollzeit aber geschieht.
Ich finde ja immer noch, dass Wirtschaft und Unternehmen sich an den Kosten für diesen Kita- Wahnsinn beteiligen müssten. Es geht schon lange nicht mehr um die Kinder und die Frühkindliche Förderung, sondern um die Wirtschaftskraft beider Eltern. Was über fünf Stunden Betreuung hinaus geht, ist keine Förderung des Kindes mehr, sondern Aufbewahrung. Das hat im Sozialgesetzbuch nichts zu suchen.

GS in SH
5 Monate zuvor
Antwortet  TaMu

Eine unserer Kitas hat von 7 bis 18 Uhr geöffnet. Etwa 20% der unter 3-jährigen nutzen das volle Angebot. Bei den über 3-jährigen sind es ca 30%.
Um das Angebot aufrechterhalten zu können ist die Kita auf jede Menge Aushilfen angewiesen, besonders in Zeiten mit hohem Krankenstand und in den Randstunden.

In der Schule kann man schon nach den ersten Unterrichtsstunden ziemlich sicher sagen, welche der Erstklässler diese 11-stündige „Förderung“ durchlaufen hat…..

TschinavonMauzen
5 Monate zuvor
Antwortet  GS in SH

In meiner alten Kita war der Anteil der Krippenkinder, die bis 17.00 Uhr da waren fast doppelt so groß, wie der der Ü-3 Kinder. Da waren 8-9 wenn nicht sogar 10 Stunden keine Seltenheit. Die meisten waren übrigens Kinder aus guten finanziell gestellten. Da wollten beide Elternteile arbeiten um sich einerseits selbst zu verwirklichen und anderseits um sich einen gewissen Lebensstil leisten zu können.

Nina
4 Monate zuvor
Antwortet  GS in SH

Wie furchtbar für die Kinder. Ich finde diese Entwicklung, die Kinder möglichst schnell und möglichst lange irgendwo parken zu müssen, damit beide Elternteile arbeiten können, fürchterlich.

AnjaLE
5 Monate zuvor
Antwortet  TaMu

Dem kann ich absolut vollumfänglich zustimmen. Perfekt auf den Punkt gebracht. Vor allem die letzten 2 Sätze!

Realist
5 Monate zuvor

„KiTa-Zukunftsgesetz“

Immer wenn Gesetze schon im Titel so etwas wie „Zukunft“, „gut“ (Bund: „Gute-KiTa-Gesetz“) oder ähnliche Euphemismen haben, sollten alle Alarmglocken losgehen und die Beschäftigten sich schon einmal nach Alternativen umsehen…

Englisch Freund
5 Monate zuvor

An alle Eltern, die sich zu sehr darüber aufregen, dass es für ihre kleinsten Kinder nicht immer möglich ist eine Betreuung und Förderung von 7h bis 17h/ 5 Tage die Woche zu erhalten.
Schlagen Sie bitte nochmals im Grundgesetz nach: Artikel 6 (2)

Nicht alles nur auf den Staat schieben und glauben alles outsourcen zu können.