Kultusministerin bekommt von wütenden Lehrern eine Fünf plus – die freut sich: „Lehrkräfte üben ihren Beruf gerne aus“

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STUTTGART. Mit der Bildungspolitik des Landes sind Lehrkräfte alles andere als zufrieden. Das ergibt eine Umfrage des VBE in Baden-Württemberg, die so wohl auch für die meisten anderen Bundesländer gelten dürfte. Trotz der Klatsche: Die Kultusministerin liest Positives aus den Antworten heraus.

Die Bildungspolitik fällt durch (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Lehrerinnen und Lehrer an Grund- und weiterführenden Schulen stellen der Landesregierung in der Bildungspolitik ein schlechtes Zeugnis aus. Wie aus einer Umfrage der Gewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE) hervorgeht, gaben Grundschullehrkräfte dem Land im Schnitt die Note 4,5. Lehrkräfte an Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen gaben eine 4,7. «Die Politik verspielt ihren letzten Kredit bei den Lehrerinnen und Lehrern – das Ergebnis ist ein geradezu ernüchterndes Zeugnis», sagte VBE-Chef Gerhard Brand bei der Vorstellung der Umfrage am Montag in Stuttgart.

Als Grund für die Unzufriedenheit unter den Lehrkräften nannte Brand unter anderem eine hohe Arbeitsbelastung. «Die Lehrkräfte beklagen, dass ihnen zu viele Zusatzaufgaben aufgebürdet werden und dass sie mit Bürokratie zu kämpfen haben», sagte Brand. Der Umfrage zufolge gaben an den Grundschulen rund 98 Prozent der Befragten an, eine hohe oder eher hohe Arbeitsbelastung zu verspüren. An den weiterführenden Schulen waren es sogar 99 Prozent. «Man muss keine Glaskugel haben, um zu sehen, dass Ausfälle bei einer zu hohen Arbeitsbelastung vorprogrammiert sind und diese kompensiert werden müssen», erklärte Brand. Das sei ein Teufelskreis, denn das führe für die verbleibenden Lehrkräfte zu Mehrarbeit.

«Die Daten zeigen eindeutig, dass sie entlastet werden müssen. Das Land setzt die Gesundheit der Lehrkräfte aufs Spiel»

Unter den Mehrfachnennungen, wie der Ausfall von Kolleginnen und Kollegen an Schulen aufgefangen wird, war «Mehrarbeit» mit rund 80 Prozent der Befragten an beiden Schularten die meistgenannte Antwort. «Was sollen Lehrerinnen und Lehrer noch leisten? Die Daten zeigen eindeutig, dass sie entlastet werden müssen. Das Land setzt die Gesundheit der Lehrkräfte aufs Spiel. Entlastung schaffen wir nur durch mehr Lehrkräfte an den Schulen, eine ausreichende Krankheitsreserve und dadurch, den Lehrerinnen und Lehrern mehr Zeit für ihr Kerngeschäft – den Unterricht – zu geben», betonte Brand.

Als weitere Hauptgründe für die hohe Belastung nannten die Befragten die große Heterogenität in den Klassen (69 Prozent bei den Grundschullehrkräften, 73 Prozent bei Sek-I-Lehrkräften) und Disziplinschwierigkeiten (ähnliche Werte).

«Zu große Klassen, eine zunehmend heterogener werdende Schülerschaft bei einem wachsenden Aufgabenfeld der Lehrkräfte – Lehrerinnen und Lehrer haben immer weniger Zeit, auf die Schülerinnen und Schüler einzugehen. Herausforderndes Verhalten wird zum Problem und man muss keine Glaskugel haben, um zu sehen, dass dies nicht gut gehen kann», sagte der VBE-Chef. Ein Großteil der Befragten an den Grundschulen und der Sekundarstufe I zeigt sich zudem «unzufrieden» oder «eher unzufrieden» damit, wie Inklusion an den Schulen umgesetzt wird (etwa 70 Prozent an der Sekundarstufe I und 62 Prozent an den Grundschulen).

Trotz der schlechten Noten und der als hoch empfundenen Arbeitsbelastung übt der Umfrage zufolge die Mehrheit der Lehrkräfte ihren Job gerne aus. Rund 78 Prozent der
Grundschullehrkräfte und 67,4 Prozent der Sekundarstufe-I-Lehrkräfte erklären, dass sie
ihren Beruf «eher gern» oder sogar «sehr gern» ausüben. «Es zeigt, dass die Lehrerinnen und Lehrer ihren Beruf trotz aller Schwierigkeiten aus Überzeugung ausüben. Aber
auch die stärkste Überzeugung kann sich ins Gegenteil verkehren. Bei der
Weiterempfehlungsbereitschaft sehen wir, dass die Stimmung gerade kippt», so
Brand. Während noch ein wenig mehr als die Hälfte der Befragten im
Grundschulbereich (54 Prozent) ihren Beruf weiterempfehlen würden, würden ca.
60 Prozent der Befragten im Sekundar-I-Bereich ihren Beruf wahrscheinlich nicht
oder nicht weiterempfehlen.

«Eine wichtige Botschaft ist, dass eine überwältigende Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer ihren Beruf gerne ausübt»

Kultusministerin Theresa Schopper sagte: «Eine wichtige Botschaft ist, dass eine überwältigende Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer ihren Beruf gerne ausübt.» Man wisse, dass aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen auch in den Schulen aufschlagen würden. «Schule ist nun mal ein Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklung», sagte die Grünen-Politikerin. Man verwende enorme Energie darauf, die Rahmenbedingungen für Lehrkräfte trotz des Fachkräftemangels stetig zu verbessern.

Die oppositionelle SPD im Landtag forderte von der Landesregierung unter anderem eine angemessene Krankheitsreserve. «Grün-Schwarz darf die Signale aus der Lehrerschaft nicht länger überhören», sagte die bildungspolitische Sprecherin Katrin Steinhülb-Joos. Der FDP-Bildungsexperte Timm Kern betonte, Kultusministerin Schopper müsse sich angesichts der Ergebnisse nicht wundern, wenn viele Lehrerinnen und Lehrer ihren Beruf vorzeitig aufgeben würden.

Für die Erhebung hatte die Gewerkschaft rund 1700 Grundschullehrkräfte und 1.400 Lehrkräfte der Sekundarstufe 1 vom 19. bis 23. Februar befragt. Weil alle Schulen angeschrieben worden seien und es keine Zufallsauswahl gegeben habe, sei die Umfrage nicht repräsentativ, sagte VBE-Chef Brand. Dafür sei die Quote an Rückmeldungen sehr hoch. In Baden-Württemberg unterrichten laut Statistischem Landesamt gut 60.000 Lehrkräfte an Grundschulen sowie an Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen. News4teachers / mit Material der dpa

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27 Kommentare
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Hans Malz
20 Tage zuvor

Um das mal mit den Worten eines meiner Schüler zu sagen:“Oh super, keine 6.“
Manche sind halt einfach zufrieden zu stellen.

uesdW
20 Tage zuvor
Antwortet  Hans Malz

Unsere argumentieren eher, keine 6, ist doch gut, ganz nahe dran sehr gut, was wollen wir mehr

dickebank
20 Tage zuvor
Antwortet  uesdW

Immerhin einen Punkt von 15 möglichen.

Vierblättriges Kleeblatt
20 Tage zuvor

Interessant. Mit der Vorgängerin von der CDU waren sie doch aber alle auch unzufrieden. Jetzt haben sie eine von den Grünen und sind auch unzufrieden.

Mankannesnichtfassen
20 Tage zuvor

Weil sie es alle nicht können.

Hans Malz
17 Tage zuvor

In NRW leider meine Erfahrung aus den letzen 20 Jahren…

Dil Uhlenspiegel
20 Tage zuvor

Miss verständnis offenbar.

dickebank
20 Tage zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Die Miss heißt doch anders – oder? Ist der Name nicht an einen Biketyp angelehnt?

Biene
20 Tage zuvor
Antwortet  dickebank

Meine perfekte Empfehlung: https://www.youtube.com/watch?v=tWYCS6k1IOA
Sir Prise an Miss Fortune. 😉

Egvina
20 Tage zuvor

@ Redaktion: Tippfehler bei „Stuttgart“

Dorle Ahus Loreen
20 Tage zuvor

wenn sich an den Arbeitszeiten nicht bald was ändert mit diesen über 40 Stunden an 5 Tagen + Korrigieren und diesem Reallohnverlust durch Inflation, werden viele aufhören, kündigen und schlicht nicht mehr neu anfangen!

Macht doch was

Hysterican
19 Tage zuvor

Macht doch was“

….und Frau Schopper so: „Nöö – wieso?“

Der Zauberlehrling
20 Tage zuvor

Auch wenn diese Studie nicht repräsentativ ist – sie ist und wird wie die Arbeitszeitstudie des BLV ignoriert. Wie so viele Studien und Befragungen vorher.

„Eine wichtige Botschaft ist, dass eine überwältigende Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer ihren Beruf gerne ausübt“ (Schopper).

Schopper ist keinen Deut besser als Eisenmann oder gar Stoch. Das Kultusministerium ist und war für Kretschmann das fünfte Rad am Wagen – ohne jegliche Kontrolle ob die Luft raus ist oder nicht.

Zwei Jahre noch bis zur Landtagswahl. Zwei Jahre des Stillstandes – wäre nicht die G9-Reform dem KM von außen aufgezwungen worden.

Hoffentlich bewirken die Klagen des Philologenverbandes und des BLV wegen der Nichtdurchführung der Arbeitszeiterfassung irgendetwas.

Realist
20 Tage zuvor

Realitätsverweigerung?

„Kopf-in-den-Sand-steck“-Politik?

Orwellsche Gedankengänge („Mangelhaft ist das neue gut!“)?

Aber man sieht wieder, dass die Politik im Bildungsbereich scheinbar überhaupt nicht an ursächlicher Problemlösung interessiert ist. Selbst wenn irgendwann 50% der Stunden ausfallen, weil keiner den Job zu den gegebenen Bedingungen mehr machen will, wird man das noch als „Erfolg“ feiern, denn das Glas ist dann ja noch halb voll, oder?

Gen Z: …

Jette
20 Tage zuvor

“ Man verwende enorme Energie darauf, die Rahmenbedingungen für Lehrkräfte trotz des Fachkräftemangels stetig zu verbessern.“
Ich wusste gar nicht, dass Frau Schopper so gute Witze drauf hat! Sie weiß schon, warum sie konkrete Angaben dazu weglässt…
Und solange die Arbeitsbedingungen so sind wie sie sind und unsere vorgesetzten Behörden kein Problembewusstsein entwickeln, geschweige denn endlich mal Lösungsmöglichkeiten anbieten, bleibt uns nur entweder zu gehen oder den Einsatz so zu reduzieren, dass die Gesundheit nicht leidet.
Das Schlimmste für mich sind nicht mal die Arbeitsbedingungen, sondern die komplette Ignoranz der schulischen Behörden, die hier wieder deutlich wird!

Der Zauberlehrling
20 Tage zuvor

§ 5 Notenbildungsverordnung, Absatz 2 Nr. 6 für Frau Schopper:

Die Note „ungenügend“ soll erteilt werden, wenn die Leistung den Anforderungen nicht entspricht und selbst die Grundkenntnisse so lückenhaft sind, daß die Mängel in absehbarer Zeit nicht behoben werden können.

Lisa
20 Tage zuvor

Das jemand seinen Beruf eigentlich gerne ausübt, hat gar nichts damit zu tun, dass es zu einer Erschöpfungsdepression ( eigentliche Diagnose bei Burn-Out) kommen kann.
Und es sollte doch bedacht werden, ob das völlig inklusive Modell wirklich das Beste ist.
Wegen der angesprochenen Heterogenität: Eventuell wäre es zielführender, Schüler in kleinen Gruppen erst einmal auf ein bestimmtes Leistungs – und Arbeitsniveau zu bringen. Bevor das jemand diskriminierend findet, andere Schulen wie beispielsweise Sprachschulen, Sportinstute oder Fahrschulen werben sogar mit kleinen Gruppen und Differenzierung, ja Einzelunterricht. Überall sonst, wo Kenntnisse erworben werden sollen, ist das der Weg ( Außer in staatlichen Schulen, da ist das anders) So richtig leuchtet mir das nicht ein.

GriasDi
20 Tage zuvor
Antwortet  Lisa

Mir auch nicht. Beim Sport und in der Musik werden auch nicht alle Leistungsstufen in einen Topf geworfen.

Dil Uhlenspiegel
19 Tage zuvor
Antwortet  Lisa

„Das jemand seinen Beruf eigentlich gerne ausübt, hat gar nichts damit zu tun, dass es zu einer Erschöpfungsdepression ( eigentliche Diagnose bei Burn-Out) kommen kann.“

Eine grundlegende Wahrheit, Danke! Anderweitiges ist angelehnt, was uns zum Anlehnwinkel für Leitern bringt, was ist zu wenig, was ist zu viel? Was uns dazu bringt, dass eine Anlehnung zwischen 65° und 75° betragen soll, dann ist die Sache vertrauenswürdig und sicher, während allzu steile oder allzu flache Anlehnungen leicht kippen oder abrutschen, also ein Risiko darstellen für die auf, unter und im Umfeld der Leiter.

Finagle
20 Tage zuvor

„Der Zeugnisnotendurchschnitt der Klasse beträgt 5+, aber 70% der SuS gehen gerne zur Schule. Das ist das Wichtigste. Weiter so!“

Wenn das der neue Goldstandard der gewünschten Reflexion von Datenlagen und Feedback ist, dann könnte das zumindest das Referendariat erheblich entspannen.

unverzagte
20 Tage zuvor
Antwortet  Finagle

Im Referendariat stehen hoffentlich weiterhin Lerngruppen im Fokus. Gemäß aktuell für richtig befundene Standards folgen entsprechende Bewertungsschemata.

Finagle
20 Tage zuvor
Antwortet  unverzagte

Bestimmt – die Referendare selbst tun es je keinesfalls.

Unverzagte
20 Tage zuvor
Antwortet  Finagle

Bitte um Verständnisermöglichung Ihrer intendierten Satzaussage…

Finagle
20 Tage zuvor
Antwortet  Unverzagte

Wenn Sie das „e“ von „je“ durch ein „a“ substituieren, sollte die nunmehr durch tastaturbedingte Unbill fehlhafte Orthografie hinreichend korrigiert sein und nunmehr einer kognitiven Transferleistung des vorgenannten Elaborates nichts mehr im Wege stehen. ^^

Rainer Zufall
20 Tage zuvor

Jup, in BW brennen wir hell und mit Leidenschaft aus!
Anscheinend für manche eine positive Nachricht =/

447
19 Tage zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Die Bildungsminsternde verwechseln wohl das Brandleuchten mit der Morgenröte – kann passieren.