Kulturkampf: SPD-Minister weicht das von der CDU durchgesetzte Genderverbot auf

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WIESBADEN. Genderzeichen wie Doppelpunkt, Unterstrich und Sternchen gelten im hessischen Abitur als Fehler. Auch an Hochschulen hat es daher Aufregung gegeben. Doch hier kommt es anders als von vielen erwartet – die SPD weicht das von der CDU durchgesetzte Verbot auf.

CDU und CSU kämpfen entschlossen für ein Genderverbot. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Das umstrittene Verbot von Genderzeichen wie Binnen-I und Gendersternchen der neuen schwarz-roten Landesregierung in Hessen gilt nur für einen Teil der Aufgaben der Hochschulen. Das geht aus einer am Montag verschickten Dienstanweisung des Wissenschaftsministeriums hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in Wiesbaden vorliegt. Demnach gilt das Verbot nicht für die weiten Bereiche der Lehre und Forschung, sondern nur für die Verwaltungen der Hochschulen, also etwa für deren Gebührenbescheide, Schreiben zur Vergabe von Studienplätzen und Beförderungen.

Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) sagte auf Anfrage: «Ich hätte das Thema Genderverbot nicht gebraucht. Ich stehe aber zur Umsetzung des Koalitionsvertrags. Darüber hinaus gibt auch Hinweise, dass Gendersonderzeichen für Menschen mit Lernbehinderungen oder mit Deutsch als Fremdsprache ein Hemmnis sind.» Der 48-jährige Sozialdemokrat ergänzte: «Die deutsche Sprache ist so vielfältig, dass auch andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, inklusiv zu schreiben.»

Die grundgesetzlich garantierte Freiheit von Lehre und Forschung von Hochschulen taste das Wissenschaftsministerium wohlweislich nicht an. Ansonsten würden die Vorgaben des Rates der deutschen Rechtschreibung strikt beachtet. Auch bei den Staatstheatern Darmstadt, Wiesbaden und Kassel bezieht sich das Genderverbot laut Gremmels nur auf die Verwaltungen: «Der künstlerische Bereich unterliegt der grundgesetzlich geschützten Kunstfreiheit.»

«Die hessischen Universitäten verstehen sich als vielfältige und inklusive Orte, die sich die Verwirklichung von Gleichstellung, Diversität und Antidiskriminierung zum Ziel gesetzt haben»

Schon zuvor hatten sich Universitäten gegen ein Genderverbot gewandt. Der Präsident der Frankfurter Goethe-Universität, Enrico Schleiff, etwa erklärte im April in einem internen Rundschreiben: «Die hessischen Universitäten verstehen sich als vielfältige und inklusive Orte, die sich die Verwirklichung von Gleichstellung, Diversität und Antidiskriminierung zum Ziel gesetzt haben.» Dazu gehöre auch, Personen aller Geschlechtsidentitäten in der Ansprache einbeziehen zu können.

«Ein Eingriff der Landesregierung in die Sprache an den Hochschulen wäre eine massive Einschränkung der im Grundgesetz und in der Hessischen Verfassung garantierten Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre», mahnte Schleiff. Von der Konferenz Hessischer Universitätspräsidien (KHU) hieß es, man habe die Dienstanweisung erhalten. Diese werde man zunächst bewerten und sich innerhalb der KHU darüber austauschen.

Im Koalitionsvertrag der im Januar gestarteten schwarz-roten Landesregierung heißt es: «Wir werden festschreiben, dass in der öffentlichen Verwaltung sowie weiteren staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen (wie Schulen, Universitäten, Rundfunk) auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird und eine Orientierung am Rat für deutsche Rechtschreibung erfolgt.» Das CDU-geführte Kultusministerium pocht darauf, Gendern mit Sonderzeichnen in schulischen Prüfungen als Fehler zu werten – was im laufenden Abitur für Ärger sorgt (News4teachers berichtete). News4teachers / mit Material der dpa

Genderverbot in Schulen: Die Union betreibt den Kulturkampf der AfD – und wertet sie damit auf

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5 Kommentare
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RainerZufall
1 Jahr zuvor

Ich bin irritiert, was das Ganze soll.
Aus der einen Perspektive, wurde ein notwendiges Gesetz zur Rettung der deutschen Sprache erlassen, aus der anderen ein Unfall vollführt, den wir jetzt in Zeitlupe beobachten und kommentieren…

Aber welchen Sinn sieht die SPD in dieser halben Lösung, die keinen Kompromiss, sondern zwei Probleme schafft?
Wie kann sie Beführworter- und GegnerInnen gleichermaßen zustimmen bzw. nicht widersprechen?

SoBitter
1 Jahr zuvor

Hessen ist so kaputt. Boris Rhein so peinlich auf dem Parteitag.
Es gäbe so viel zu tun in hessischen Schulen. Das Gendern war nicht das Problem. Alles Augenwischerei.

Generische Feminina
1 Jahr zuvor
Antwortet  SoBitter

Tja, Söder macht`s doch vor. Der zwitschert gestern wieder ohne Not herum- ohne Anlass, ohne Neuigkeitswert- nur, um das Feuer brennen zu lassen und immer wieder anzufachen.
Davon abgesehen, wir “gendern” nun permanent 🙂

Wandervogel
1 Jahr zuvor

Darüber hinaus gibt auch Hinweise, dass Gendersonderzeichen für Menschen mit Lernbehinderungen oder mit Deutsch als Fremdsprache ein Hemmnis sind.”

Die vielen unnötigen Anglizismen doch aber auch, oder? Wer heute Deutsch als Fremdsprache lernt, kommt um einen Englischkurs nicht drumherum. Wie das die Menschen mit Lernbehinderungen schaffen, weiß ich aber nicht. Sicher schreibt gleich jemand dazu, die lernen Deutsch ja auch nicht, deshalb egal. 🙁

Lehramtsaussteiger
1 Jahr zuvor

Ein klarer Eingriff in die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte. So kennt man das ja von den Verbotsparteien CDU und CSU.