
Eine Elterninitiative für eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium steht mit ihrem Vorhaben eines Volksbegehrens für eine G9-Möglichkeit für alle Klassen – also vollumfänglich sofort – womöglich vor dem Aus. Das Innenministerium in Stuttgart hat eine Zulassung abgelehnt, weil die Durchführung des geplanten Volksbegehrens nicht verfassungskonform sei. Zudem sei der Antrag unzulässig, weil ihn nicht die dazu berechtigen Vertrauensleute des vorangegangenen Volksantrags gestellt hätten, hieß es.
Zwar haben die Antragsteller laut der Mitteilung die Möglichkeit, gegen die Entscheidung des Ministeriums innerhalb von zwei Wochen den Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg anzurufen. Die Frage der Legitimation dürfte es ihnen aber schwer machen.
G9 ist im Moment nur Modellprojekt – aber…
Eine Elterninitiative kämpft für eine G9-Möglichkeit für alle Klassen. Mit dem Volksbegehren wollen die Eltern erreichen, dass alle Schülerinnen und Schüler am Gymnasium ab 2026 die Möglichkeit bekommen, das Abitur in neun Schuljahren zu absolvieren.
Derzeit ist in Baden-Württemberg das achtjährige Gymnasium Standard. G9 gibt es nur als Modellprojekt an 44 staatlichen Schulen und an einigen Privatschulen.
Die grün-schwarze Koalition hatte sich im April allerdings auf Vorschläge für grundlegende Reformen geeinigt. Unter anderem soll G9 demnach zum Schuljahr 2025/2026 eingeführt werden – jedoch zunächst nur für die Klassen fünf und sechs, danach aufwachsend. Die Gymnasien sollen zudem die Option erhalten, G8-Züge anzubieten – allerdings ohne dafür zusätzliche Mittel zu bekommen (News4teachers berichtete).
Das Volksbegehren setzt auf einem Volksantrag auf, der mehr als 100.000 Stimmen bekommen hat. Dadurch seien die notwendigen 10.000 Unterschriften für die Beantragung des Volksbegehrens gesammelt, hatte das Organisationsteam bei der Übergabe der Unterlagen für das Volksbegehren erklärt. Den Volksantrag hatte der Landtag im April abgelehnt. Dessen Initiatorinnen sind nicht mehr Teil des Teams um das Volksbegehren. Genau hierin sieht das Innenministerium einen Verstoß gegen das Volksabstimmungsgesetz.
Kosten nicht explizit berücksichtigt – 375 Millionen Euro pro Jahr
Ferner hält es die Durchführung des Volksbegehrens unter anderem deshalb für verfassungswidrig, weil der zugrunde liegende Gesetzentwurf im Fall einer Zustimmung bei einer Volksabstimmung erhebliche Kosten verursachen und das Haushaltsgleichgewicht sowie die Budgethoheit des Parlaments wesentlich beeinflussen würde. Für die Umsetzung wäre demzufolge allein von Personalkosten in Höhe von rund 375 Millionen Euro jährlich auszugehen. Nach der Landesverfassung dürften aber infolge einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine Volksbegehren und Volksabstimmungen über das Staatshaushaltsgesetz stattfinden, erläuterte das Ministerium hierzu.
Zudem hätten in der Gesetzesbegründung die Kosten konkret als Geldbetrag genannt werden müssen. «Stattdessen wurde ausschließlich eine Darstellung des Aufwands in Deputaten vorgenommen», hieß es. Diese genüge den Anforderungen an die sogenannte Bestimmtheit der Gesetzesbegründung bei Volksbegehren nicht, die der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg in einer früheren Entscheidung gestellt habe.
Man wolle weiter die Stimme erheben, teilte die Elterninitiative am Montagabend mit. Die Ablehnung der Zulassung des Volksbegehrens eröffne die Möglichkeit, weitere Themen aufzunehmen. «Dies war mit der bestehenden Gesetzesvorlage nicht möglich», hieß es in einer Mitteilung.
Zum einen müsse es möglich sein, das Volksbegehren im Sinne der Initiatorinnen weiterzuführen, «wenn man das basisdemokratische Element des Volksantrags bzw. des Volksbegehrens ernst nimmt». Zum anderen habe das Innenministerium bei den Kosten durch Hinweise des Kultusministeriums das jeweils ungünstigste Szenario berechnet. Weitere rechtliche Schritte müssten sorgfältig geprüft werden, hieß es weiter.
Für ein Volksbegehren müssten die Eltern rund 770.000 Unterschriften sammeln. News4teachers / mit Material der dpa
Für die Umsetzung wäre demzufolge allein von Personalkosten in Höhe von rund 375 Millionen Euro jährlich auszugehen.
Etwas populistisch betrachtet:
Es gab doch schon ursprünglich G9 in Baden-Württemberg. Durch die G8-Einführung hat man also gut 20 Jahre lang jedes Jahr 375 Millionen Euro gespart, dann müsste doch Geld im Überfluss vorhanden sein…
Hehe, genau, hat man wohl woanders verzockt….
Endlich: Es wird nicht über Schlagwörter geredet, sondern über real vorhandene Ressourcen, nach 13 Jahren unter einer grüngeführten Regierung (auch wenn das Innenministerium in CDU-Hand ist)!
Könnten dies nicht für alle bildungspolitischen Vorhaben gelten, unabhängig davon, wie man zu einzelnen Ideen steht? Auch ich bin für multiprofessionelle Teams, Inklusion, Förderstunden, Klassenfahrten und vielfältige Arbeitsgemeinschaften (…), aber bitte nicht auch noch auf dem Rücken von jenen idealistischen Lehrkräften, die sowieso schon unzählige unbezahlte Überstunden anhäufen.
Ob Referent*in in einem Kultusministerium oder GEW-Funktionär*in: Bitte nichts fordern, was man nicht selbst unterrichten muss bzw. für was man keine auskömmlichen Ressourcen zur Verfügung stellen kann oder möchte.
Ich unterstütze die Elterninitiative “Egal”.
Es ist fast schon beschämend, wie pädagogisch sinnvolle Maßnahmen wieder einmal am Geld scheitern. Wie Sepp zurecht anführt, wurde die Schulzeit vor 20 Jahren ja aktiv verkürzt, dies übrigens in einer CDU – Regierung, wobei das Kultusministerium damals von der späteren Bundesministerin Annette Schavan geführt wurde (Gruß an Dr. Specht). Unter Rot – Grün war später an eine Rückkehr zu G9 nicht zu denken, weil stattdessen die Gemeinschaftsschule favorisiert wurde, die allerdings geht bis zum 13. Schuljahr. Jetzt ist wohl der Druck von außen zu groß geworden – und das zurecht!
Es geht also um Ressourcen, die damals bewusst eingespart wurden, nun aber schlicht nicht mehr da sind, weil anderweitig verwendet. Man könnte an die Schildbürger denken und drüber schmunzeln, wenn es nicht so unsagbar traurig wäre So kommen zu den bildungsmäßig ohnehin verlorenen Jahren noch ein paar Jahre mehr.
Danke, Herr Schulmeister, Gruß zurück1
Dass die Ressourcen nun nicht mehr da seien, ist doch Unnsinn.
Richtig ist doch vielmehr, dass Mehrausgaben von mehr als 300 Millionen Euro nicht im Haushalt eingeplant sind und nicht kurzfristig und nicht ohne einen Haushaltsnachtrag zu Verfügung stehen.
In den Bundesländern, in denen G9 wieder eingeführt wurde, wurde das aus guten Gründen nur für die Jahrgänge gemacht, die vollständig ab der fünften Klasse das G9 Curriculum durchlaufen haben werden
Alles andere führt zu Chaos. Es können erstens kurzfristig gar nicht so viele zusätzliche Lehrkräfte eingestellt werden. Zweitens müssten sehr kurzfristig neue Lehrpläne an den Schulen für alle Jahrgänge jedes Jahr neu erstellt werden. Wenn nämlich das, was vorher in 8 Jahren gelernt werden sollte nun in 9 Jahren gelernt werden soll, dann kann ja eine 11. Klasse, die das G8-Curriculum schon fast vollständig durchlaufen hat, in der 12 nicht nach demselben Lehrplan unterrichtet werden wie ein Jahrgang der von Anfang an nach dem G9- Curriculum unterrichtet wurde.
Es ist wesentlich sinnvoller, die Umstellung auf G9 langsam zu machen. Man beginnt in einem Jahrgang mit den fünften Klassen und alle höheren Klassen bleiben bei der G8-Laufbahn. Die Forderung der Eltern führt nur zu Chaos an den Schulen und zu erheblicher Mehrarbeit für die Lehrkräfte.
Natürlich muss ein G9 von unten aufwachsen. Wer anderes fordert, hat keine Ahnung von Schule.
Das was die schwarz-grüne Regierung da jetzt einwirft sind nur Vorwände und keine echten Einwände. Im Prinzip werden ja “Verfahrensfehler” oder “Formalitäten” als Ablehnungsgrund genannt, das riecht immer sofort nach Ausreden.
Und was soll das eigentlich: wird erwartet, dass das Volksbegehren die Umsetzung der Initiative bis ins letzte Details durchgeplant hat? Und auch das Finanzierungsproblem für die Regierung löst?
Und welchen Job hat dann bitte die Regierung selbst noch?
Da machen Sie es sich sehr einfach, unabhängig vom konkreten Streitfall. Auch ein Volksbegehren ist keine Einbahnstraße einer Lobbygruppe, schließlich soll am Ende eine Gesetzesänderung oder ein neues Gesetz stehen. Wie sollen sich die Wahlberechtigten eine Meinung bilden, wenn die Ressourcenfrage (Gebäude, Personal, Lehrplan…) nicht eindeutig geklärt ist?
Ich bin keineswegs mit der konkreten Bildungspolitik der grün-schwarzen Landesregierung einverstanden, zudem haben die beiden Initiatorinnen aus Heidelberg und vom Bodensee doch einen beachtlichen Erfolg erzielt. G9 kommt jetzt sogar schon für die gymnasialen Fünftklässer des Schuljahres 2024/25! Jetzt sind diese beiden schlauen Frauen nicht mehr dabei, sicherlich aus guten Gründen, es gibt nicht nur Gymnasialeltern auf der Welt und in “The Länd”, da ist jetzt schon ein Klassenkampf von oben:
https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/bildungsverlierer-immer-mehr-schulabbrecher-baden-wuerttemberg-100.html
Erfahrungsgemäß ist in G8 nach Klasse 11 das Curriculum längst noch nicht erfüllt, das fehlt noch viel, was dann (oft viel zu bruchstückhaft) in 12.1 abgearbeitet wird. Andererseits gäbe es hier nun wirklich die Möglichkeit, in die Tiefe und in die Breite zu gehen. Und wenn wirklich noch Zeit ist, kann sich der Kurs ja mal einem Thema annehmen, was die Kursteilnehmer interessiert. Ausgehend von meinen Fächern (Englisch EvR) würde mir da eine Menge einfallen an Dingen, die bisher unter den Tisch gefallen sind, weil zeitlich nicht machbar. Die gibt es in anderen Fächern auch. An interessanten Themen mangelt es nicht.
Für unser Militär/Verteidigung gibt es doch auch Sonderetats, warum nicht mal das gleiche für die Bildung machen.
Bildung muss wieder ganz oben stehen auf der Prioritätenliste, sonst werden wir als Land immer weiter abgehängt von den führenden Industrienationen.
Verteidigung ist auch wichtig, klar, aber vielleicht will uns dann bald eh keiner mehr erobern, weil man mit uns nichts mehr anfangen kann als schlecht ausgebildete Arbeitskräfte. Ressourcen hat dieses Land sonst auch nicht, also ist das Territorium Deutschland dann nur noch zur “Durchfahrt” in den Rest Europas interessant…
Uns will auch keiner erobern.
Volle Zustimmung meinerseits! Wenn der Wille da ist, Dinge zu ändern, dann können auch Wege gefunden werden, dies auf die Schiene zu setzen.
Das Problem scheint mir nach wie vor, dass die gegenwärtige Landesregierung im Ländle in erster Linie auf Druck von außen reagiert – und dies wohl auch eher widerwillig, weil man ja ein anderes Konzept bevorzugt hat (Gemeinschaftsschule). Echte G9 Überzeugungstäter wird man am Stuttgarter Kabinettstisch kaum finden. Gut aber, dass der Druck in dieser Deutlichkeit da ist.
Bin an einer GemS und nicht so ganz firm bei G8 und G9…
Aber heißt das Einführen (sofort!) nicht auch sofortige Mehrarbeit (unbezahlt) seitens der KuKs?!
Erst wollen (und tun) die Politiker abschaffen.
Jetzt wollen die Eltern (neeiin 😉 ) neu.
Liebe Kollegies, das Hin- und Her erwischt euch hoffentlich nicht ein zweites Mal!
Und bitte denkt dran, die jüngeren LKs nicht zu überlasten mit dem “alten Krams” von G9.
Wie heißt es so schön – es kommt alles wieder….
Jede Umstellung bedeutet vermutlich einen erhöhten Arbeitsaufwand. Deshalb wäre es auch wichtig, dass der auf möglichst viele Schultern verteilt wird.
Was den „Kram“ betrifft, so ist meines Erachtens nicht die Menge entscheidend, sondern die Qualität des gelernten. Wie nachhaltig ist der Inhalt aufgenommen worden, was kann der Schüler damit anfangen, wenn die Klassenarbeit längst geschrieben ist? Nachhaltiges
Lernen – das wissen wir alle – braucht Zeit. Ein weiteres Argument für einen möglichst zügigen Umstieg.