MÜNCHEN. „Nehmt uns endlich ernst!” Unter diesem Motto demonstrierten nach Angaben der Veranstalter 500 bayerische Schülerinnen und Schüler für die Abschaffung von unangekündigten Leistungstests. Hintergrund ist eine Petition, die von der 17-jährigen Schülerin Amelie aus München gestartet wurde und mittlerweile von fast 54.000 Menschen unterschrieben wurde.

Schülerin Amelie sagt: „Der riesige Erfolg unserer Petition ist ein klares Signal an die Politik: Wir Schülerinnen und Schüler leiden unter Angst und Stress durch unangekündigte Abfragen und Exen. Sie hindern uns, nachhaltig zu lernen und bereiten uns nicht auf die Zukunft vor. Die Welt ändert sich rasant, aber die Schulen in Bayern arbeiten mit Methoden aus dem letzten Jahrhundert.“
Ministerpräsident Markus Söder hatte auf der CSU-Fraktionsklausur im Herbst letzten Jahres erklärt, Exen und Abfragen würden selbstverständlich bleiben. Dieses Machtwort stieß auf öffentliche Kritik (News4teachers berichtete).
Die Forderungen der Schülerinnen und Schüler seien berechtigt – wie Schulpädagogik-Experte Prof. em. Ludwig Haag nun auf der Bühne erklärte: „‘Ein wenig Angst schadet nicht’ – diese Aussage ist schlichtweg falsch, viele tausend Studien belegen das. Unangekündigte Exen verursachen nachgewiesenermaßen einen höheren Angstpegel. Ein Schulsystem, das auf Ängsten aufbaut, erzeugt kein günstiges Lernklima. Wo im Leben werden sonst noch unangekündigte Leistungen erhoben? Richtig, nirgends!“
Das unterstrich auch Margret Rasfeld, langjährige Schulleiterin und renommierte Bildungsreformerin. „Ich habe noch kein Kind erlebt, das nicht lernen will. Lernen braucht Beziehung, Zutrauen, Eigenverantwortung – das ist das Gegenteil von Angst, Druck und Demütigung. Wir brauchen Schulen, die nicht nur auf Wissen setzen, sondern Zuversicht und Zukunftskompetenzen vermitteln, die Herzensbildung betreiben“, meinte sie.
„Wir brauchen dringend eine neue Lernkultur, um die jungen Menschen fit für die Zukunft zu machen”
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist neben dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) sowie dem Bayerischen Elternverband (BEV) eine von vielen Unterstützer-Organisationen, die diese Perspektive teilt.
Martina Borgendale, selbst Lehrerin und Vorsitzende der GEW Bayern, unterstrich: „Wir brauchen dringend eine neue Lernkultur, um die jungen Menschen fit für die Zukunft zu machen. In Zeiten von künstlicher Intelligenz ist ‘Bulimielernen’ nicht mehr gefragt, bei dem Wissen kurzfristig ins Hirn gestopft, abgerufen und dann schnell wieder vergessen wird. Schülerinnen und Schüler müssen stattdessen grundlegende Zusammenhänge verstehen und Kompetenzen erwerben. Und da passen Abfragen und Exen einfach nicht mehr in unsere Zeit.”
Tausende von Schülerinnen und Schüler haben sich seit dem Start der Petition der Bewegung angeschlossen. Sie fordern eine zeitgemäße Lern- und Prüfungskultur, eine Schule ohne Angst – als ersten Schritt hin zu dringend nötigen, grundlegenden Veränderungen im bayerischen Bildungssystem. Dass sie sich von der Politik ignoriert fühlen, verursacht Unmut. Ayush Yadav, stellvertretender Landesschülersprecher der bayerischen Gymnasien: „Die Politik muss uns ernstnehmen, wir vertreten 1,7 Millionen Schülerinnen und Schüler in Bayern! 73 Prozent unserer Anträge in den letzten zwei Jahren wurden abgelehnt. Das ist das Gegenteil von demokratischer Mitgestaltung!“
Petitions-Initiatorin Amelie: „Die Demo heute ist der Anfang einer Bewegung. Wir haben einen langen Atem und wir werden immer mehr. Die Politik muss uns Schülerinnen und Schüler ernst nehmen. Wir haben ein Recht auf ein Bildungssystem, das der Realität junger Menschen gerecht wird und uns wirklich auf die Zukunft vorbereitet. Es ist unsere Zukunft!“ News4teachers
Also unangekündigte Leistungswesen verhindern, das nachhaltig gelernt wird? Ich hätte als pädagogischer Laie eher gedacht, dass bei angekündigten Proben die Gefahr größer wäre, dass bis kurz vor dem Termin nichts wiederholt oder geübt wird, sondern nur kurz davor versucht wird den Stoff noch schnell in sich reinzufressen. Kann natürlich sein, dass die Erfahrungen aus meiner eigenen Schulzeit da längst überholt sind und Schüler*innen heutzutage deutlich fleißiger, regelmäßiger und nachhaltiger lernen würden, wenn die Lehrkräfte sie nur ließen. Dass Lernen ohne Druck und Angst aus eigenem Antrieb deutlich besser funktioniert, habe ich allerdings zu meiner Schulzeit auch live mitbekommen. Es gab schon auch Fächer in denen ich fast immer aufmerksam war, freiwillig mehr gemacht habe als notwendig und auch immer top Noten hatte, egal ob der Unterricht der jeweiligen Lehrkraft nun spannend und motivierend war oder langweilig und staubtrocken. In anderen Fächern gab es da je nach Lehrkraft und Unterrichtsstil z.T. sehr deutliche Schwankungen bei den Noten und Lernerfolgen.
So ist es ja auch, wenn Schüler gewöhnt sind, dass Tests angekündigt werden, lernen sie auch nicht, wenn keiner angekündigt worden ist. Ich merke es, wenn ich Klassen bekomme, in denen Tests immer nur angekündigt waren. Die fallen da anfangs alle gehörig auf die Nase. Aber mit der Zeit gewöhnen sie sich und schauen mindestens vor jeder Stunde nochmal ins Heft.
Man darf ja sogar am Ende einer Stunde einen Test zum Thema der Stunde schreiben. Das ist auch ein unangekündigter Test. Sollte man vielleicht öfter mal machen, um das Aufpassen und Mitmachen zu fördern.
Man darf auch intrinsischer Lernkultur Beachtung schenken, empfiehlt sich hier.
Mögen die Schüler*innen diese Politik der CSU in Erinnrung behalten – ums Lernen geht es da nicht
Ein kleiner Nebenaspekt, wenn Kurzkontrollen nicht angekündigt sind, ist die Gefahr geringer, dass die Kinder Spickzettel jeweder Art vorbereiten und nutzen. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt. War schon zu meiner Zeit so. 🙂 (Meine sagten mir neulich erst, wie sie es mal gemacht hätten. Da wussten sie, ein Test steht bevor.)
Betrachten Sie Spickzettel ernsthaft als “Gefahr”?
Warum nennen Sie es “Gefahr”? Lassen Sie bewusst abgucken? Also wenn Spickzettel ok sind, kann man ja während eines Tests aus dem Raum gehen mit der Aufforderung, bitte nicht abzugucken. Tun Sie das sogar?
Sie zitieren mich falsch: Bitte genauer lesen im vorherigen Beitrag.
Als Gefahren bezeichne ich die Klimaktastrophe, herrschende Dikatoren weltweit, zuviel Testosteron, Glauben an Frieden schaffen per erneuter Aufrüstung, stetig zunehmenden rechtsextremistischen Terror, etc.
Spicken beherbergt lediglich das Risiko – die Wortwahl “Gefahr” ist schlicht unpassend. Schönen Tag noch.
Zumindest halten Spickzettel vom Lernen ab und verführen zu “Erfolg durch Schwindel”.
Wer meint, erschwindelte Erfolge gehörten auch zum schulischen Kompetenzerwerb, sieht in Spickzetteln und anderen Täuschungsmanövern natürlich keine Gefahr – auch nicht für die SuS selbst.
Schwindelig macht höchstens Ihre Ignoranz des Lernerfolges durch Abschreiben einer vorher strukturierten, zusammengefassten “Komprimierung auf das Wesentliche” – besten Dank an die Donauperle.
Spickzettel sind doch gut. Da hat sich jemand Gedanken gemacht, den Lernstoff strukturiert und auf das Wesentliche komprimiert. Im Gegensatz zum schnöden Abschreiben beim Nebensitzer setzt ein guter Spickzettel eigene Denkarbeit voraus.
Genau so bzw. meine persönliche Spickerei beinhaltete nie Gefahren – am allerwenigsten für Erfolglosigkeit.
Bestwerk vom Philosopie LK “Kant vs. Adorno” steht heute noch eingerahmt auf dem Gästekloh. Den hab ich letztlich so klein schreiben können, das glaubt mir heute keiner mehr, dass das für manche nicht zum Kompetenzerwerb gehören soll.
Wir wurden schon zu meiner Schulzeit aus den genannten Gründen ermuntert Spickzettel zu schreiben. Allerdings wurde uns empfohlen sie besser nicht zu nutzen, da es sonst ne 6 gegeben hätte, wenn man damit erwischt worden wäre.
Unterrichtsinhalt=wesentliche Aussagen? Nur Anforderungsbereich I bedeutet maximal Note drei, für mehr sollte man anwenden und ableiten können. Das steht auch auf dem Zettel?
Auch Abschreiben vom Nachbarn will gelernt sein, idealerweise sollte man wissen, was richtig ist und was nicht. Und nicht jeder Nachbar schreibt leserlich.
Apropos richtig abschreiben:
Mein Mitschüler schrieb mal in völliger Versunkenheit, Selbstaufgabe und akribischer Genauigkeit gleich den Namen des Nachbarn mit ab…Lehrer hat ihn öffentlich zur Schnecke gemacht. Keiner hat gelacht. Mitleid war wohl größer als Schadenfreude. Muss ein grottenlangweiliges Thema gewesen sein, anders kann ich mir den Fauxpas nicht erklären.
Ein kompetenter Schüler (m/w/d) ist jemand, der weiß, bei wem er abschreiben kann und bei wem nicht.
500 Schüler sind für eine Großstadt schon recht wenig. Zumal ich ihr Anliegen vollkommen nachvollziehen kann.
Da ist es wieder, das Bulimielernen. Es wird bei Abschaffung der Exen auf jeden Fall mehr werden, denn jetzt wissen die SchülerInnen ja, wann ein Test ist. In der Pause vorher nochmal schnell ins Heft geguckt, ne 4 geschrieben. Passt.
Zum Glück zeigt das Beispiel Finnland ja gerade, welches die Methoden der Zukunft nicht sind. Absturz in PISA von 2 auf 18.
Wenn man die einzelnen Gruppen getrennt betrachtet, lag FIN bei den sozial privilegierten Schüler*innen, den Schüler*innen ohne und mit Migrationshintergrund etc. sogar schlechter als der Schnitt von Gesamtdeutschland. Auch Jungs und Migranten waren dort noch wesentlich größere Bildungsverlierer als in DE.
Interessant. Und das war sooooooooo angepriesen worden. Und so viele Änderungen im deutschen Schulwesen berufen sich auf Finnland……
Ich muss auch immer grinsen, wenn sich Experten auf vermeintliche PISA-Champions berufen, deren Ergebnisse sie aber scheinbar niemals näher analysiert haben.
Ich bin immer wieder verwundert, dass so viele “schulferne” selbsternannte Fachleute so unwidersprochen soviel Unheil in der Schule und in den Lehrplänen anrichten dürfen.Von diesen werden den Schulen Methoden und Unterrichtsformen aufgenötigt die wie man jetzt sieht alles nur noch schlimmer machen. Aber es hört sich halt modern an (Lernlandschafren, Kompetenzorientierung, projektartiges Lernen, selbsgesteuertes Lernen) Der Nachweis der Wirkungslosigkeit wird von PISA-Sudie zu PISA-Studie immer deutlicher.
Unterstütze ihre Aussage zu 100%. Hier mal wertfrei ein Prompt zu den Ursachen des Bildungsabsturzes:
Finnlands Absturz in den PISA-Rankings von Platz 2 auf 18 hat mehrere Ursachen:
– **Bildungsreformen**: Mitte der 1990er-Jahre wurden traditionelle Unterrichtsmethoden durch kompetenzorientierte Ansätze ersetzt, die auf selbstgesteuertes Lernen statt auf strukturierte Klassenführung setzen. Diese Reformen führten ab 2012 zu messbaren Leistungseinbußen[7][9].
– **Migration**: Nach 2015 stieg die Migration stark an, was das Schulsystem durch Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede überforderte. Dies beeinträchtigte die Chancengleichheit, einst ein Markenzeichen des finnischen Systems[1][2][3].
– **Kürzungen der Bildungsausgaben**: Seit den 1990er-Jahren wurden die Mittel für Bildung erheblich reduziert, was langfristig die Qualität des Systems beeinträchtigte[2].
– **Digitalisierung und gesellschaftliche Veränderungen**: Der zunehmende Einsatz digitaler Geräte und veränderte Werte in der Gesellschaft haben die Konzentration und das Interesse am Lernen negativ beeinflusst[9].
Diese Faktoren zusammen erklären den Leistungsrückgang in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften.
Quellen
[1] Bildungsstudie: Finnland – der gefallene Pisa-Champion – WELT https://www.welt.de/politik/ausland/plus248925404/Bildungsstudie-Finnland-der-gefallene-Pisa-Champion.html
[2] Vorbild Finnland? Die Wahrheit über das einst beste Schulsystem … https://condorcet.ch/2023/03/vorbild-finnland-die-wahrheit-ueber-das-einst-beste-schulsystem-der-welt/
[3] Pisa: Wo schwächelt Europas Bildung? | eurotopics.net https://www.eurotopics.net/de/311859/pisa-wo-schwaechelt-europas-bildung
[4] Zu früh gefreut: Das ist der wahre Grund für Finnlands Pisa-Sieg https://www.focus.de/familie/schule/finnland-ist-entthront-zu-frueh-gefreut-das-ist-der-wahre-grund-fuer-finnlands-pisa-sieg_id_4801769.html
[5] Finnland bleibt eine der Spitzennationen in der PISA-Studie https://finland.fi/de/leben-amp-gesellschaft/finnland-bleibt-eine-der-spitzennationen-in-der-pisa-studie/
[6] Bedingungsloses Grundeinkommen in Finnland – Ein Angebot, das … https://www.deutschlandfunk.de/bedingungsloses-grundeinkommen-in-finnland-ein-angebot-das-100.html
[7] Finnlands Pisa-Absturz als Weckruf für die Schweizer Bildungspolitik https://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/11438.html
[8] Finnlands Pisa-Geheimnis: Die Champions der unteren Zehntausend https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/finnlands-pisa-geheimnis-die-champions-der-unteren-zehntausend-a-347648.html
[9] Finnland: Was ist für den PISA-Absturz verantwortlich? https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/finnland-was-ist-fuer-den-pisa-absturz-verantwortlich/
Aus [4]: “Doch eine Untersuchung des Forschers Gabriel Heller Sahlgren der London School of Economics offenbart, das Finnlands Erfolg im Jahr 2000 nicht auf der neuen Unterrichtsmethode basierte, vielmehr war er auf jene Dinge zurückzuführen, die etliche Bundesländer abschaffen wollten – nämlich strengen Frontalunterricht.” (Hervorhebung von mir).
Das habe ich auch schon öfters gelesen und verstehe diese ewige Leier vom “altmodischen/unnützen/bösen” Frontalunterricht nicht. Ist halt auch eine “Methode aus dem letzten Jahrhundert” oder sogar Jahrtausend. Wie schon anderswo diskutiert ist nicht alles, was “alt” und bewährt ist, schlecht – im Gegenteil. Natürlich ist es nicht wünschenswert nur frontal zu unterrichten; ich persönlich finde die Mischung aus verschiedenen Methoden wichtig, aber ganz ohne FU geht es für mich nicht, insbesondere bei neuem Stoff.
Frontalunterricht ist mit das Beste, aber anstrengend für beide Seiten.
Ich bin natürlich pro bildungswissenschaftlichen Kompetenzgewinn.
Wenn ich bei Finnland das Argument gestiegene Migration lese, muss ich immer grinsen. Zu Zeiten als Finnland in den Rankings noch vorne lag, betrug der Anteil Schüler*innen mit Migrationshintergrund noch 3%. Die Hauptherkunftsländer der ausländischen Wohnbevölkerung wären Estland und Russland. Auch wenn die Quote bis 2022 auf 7% gestiegen ist, wäre das aus meiner Sicht immer noch ein eher geringer Wert. Bei PISA 2022-Mathematik schnitten die finnischen Probanden sowohl ohne Migrationshintergrund, als auch mit Migrationshintergrund schon schlechter ab als die Pendants in Gesamt-DE. Interessant wäre auch ein gesonderter Vergleich der PISA-Ergebnisse Finnlands mit den Bundesländern der deutschen Spitzengruppe, wo es z.T. massiv höhere Anteile an Migranten gibt.
Man kann ja auch England als Beispiel hernehmen. Die haben das Kompetenzgedöns usw. wieder durch Inhalte ersetzt und sind damit im PISA-Ranking gestiegen. Vor allem MigrantInnen haben von dieser Umstellung profitiert.
Oder anders formuliert, “white british” performen dort im Vergleich zu vielen anderen Ethnien schlechter und der Abstand vergrößtert sich mit zunehmenden Jahrgangsstufen immer weiter. Zumindest rutschen “white british” von Rang 5 in der Grundstufe bis auf Rang 10 in der Oberstufe ab.
So kann man etwas Vernünftiges natürlich leicht schlechtreden: Methoden aus dem letzten Jahrhundert. Aber die neuen Methoden waren ja nun auch oft nicht das Gelbe vom Ei, sodass man in Hamburg fürs Lesenlernen wieder auf Methoden aus dem letzten Jahrhundert erfolgreich zurückgreift. Erfolgreich wie gesagt.
Ich finde auch nicht, dass alles Alte (egal ob es ums Schulsystem geht oder nicht) per se schlecht ist. Aber natürlich ist auch nicht alles Alte gut. Die ältesten Demokratien der Welt sind mehrere Hundert Jahre alt. Deshalb schafft man sie doch aber nicht ab? Das ist einfach kein Argument. “Zeitgemäß” wäre etwas anderes. Allerdings stellt sich hier die Frage, was denn zeitgemäß sein soll, vor allem wenn die meisten SuS eine eher schlechte Lernhaltung haben und 3 oder mehr Stunden täglich am Handy hängen…?
‘…hindern uns…zu lernen’: Ihr lernt aber nicht, nicht einmal für angekündigte Tests! Weder für ‘sinnlose Wissensabfragen’ noch Vokabeln für den englischen Basiswortschatz, weder Bruchrechenregeln noch ob Elektronen positiv oder negativ geladen sind, meist auch nicht den formalen Aufbau einer Textanalyse oder ob Bach ein typischer Vertreter von Death Metal ist.
Ich kenne auch nur wenige Kinder, die nicht lernen wollen. Ich kenne aber sehr viele Jugendliche, die in der Schule, egal in welchem Fach, keine Zusammenhänge verstehen wollen. Sie lernen lieber Fakten auswendig, egal wieviel universeller es sonst wäre und wieviel mehr Arbeit sie so haben, so braucht man wenigstens keine Grundlagen. Angekündigter, schriftlicher Test, 10 Minuten, Schwerpunkt Zusammenhänge/Anwendung Prinzipien, dann 5 Minuten, um mit dem Heft die Antworten zu verbessern, Abgabe. Ergebnis: 50% 4-5, 50% 1-2. Das ist die Realität! ‘Ich habe aber alles aus dem Heft auswendig gelernt’. Vielleicht ist in NRW alles anders.
Zuversicht und Zukunftskompetenzen, dazu gehört auch, Erfolg durch eigene Anstrengung zu haben, nicht durch Hochloben von ziellosem Herumreden ohne Faktenbezug. Um ein Thema herumreden zu können ist nicht das Gleiche wie zu einem Thema etwas Fundiertes sagen zu können.
Hätte eine Petition zu Klassenarbeiten ein anderes Ergebnis gehabt? Super, die brauchen wir, stresst uns auch nicht? Insofern..riesiger Erfolg der Petition, Signal an die Politik…hm. Es baut auch nicht das ganze Schulsystem auf Angst auf. Wo unangekündigte Leistungen im Leben erhoben werden? Wenn der Chef ab und zu Routinearbeiten kontrolliert, wenn die Abteilungsleiterin beim Verkaufsgespräch zufällig in der Nähe bleibt, wenn die Schwiegermutter vor der Tür steht und den Staub sieht….Überall, wenn auch nicht offiziell und mit Notenskala.
Das ist auch meine Erfahrung. Die Angst kommt meines Erachtens nach auch nur daher, dass die SuS eben schlecht vorbereitet sind, häufig sogar überfordert (z.B. wenn sie auf der falschen Schulart sind), sonst bräuchten sie ja keine Angst haben. Ansonsten haben sie zumindest bei uns vor allem Angst, auch vor angesagten Leistungsnachweisen, vor Referaten, vor mündlichen Prüfungen… Der eine hat vor dem einen mehr Angst, der andere vor dem anderen – soll man deshalb alles abschaffen? Es geht bei den Exen auch nicht darum, extra und bewusst Angst zu schüren, wie einige meinen, sondern darum, die SuS zum kontinuierlichen Lernen anzuhalten und zu überprüfen, wie sie mit dem aktuellen Stoff zurechtkommen, was man im mündlichen Unterrichtsgespräch nicht so gut kann (zusammen wissen sie immer fast alles).
Bildung ist harte und kontinuierliche Arbeit. Sie setzt Leistungs- und Anstrengungsbereitschaft voraus.
Was werden sich junge Menschen zukünftig zutrauen, wenn ihnen adäquate fachliche Forderungen (je nach Schulart), kognitive Herausforderungen (Anstrengungen), Sachkritik und realistische Bewertungen nicht mehr zugemutet werden dürfen.
LuL haben zunehmend den Eindruck, sich für jede lapidare Leistungsanforderung und durch sie vorgenommene (uninflationierte) Leistungsbewertung (Note) rechtfertigen zu müssen.
Es gibt sicher auch Kinder und Jugendliche, welche “Die Fabelhafte Welt der Amelie” gar nicht so toll finden, welche Leistung abliefern wollen, es mögen sich im intellektuellen Wettbewerb mit Gleichaltrigen zu messen, sich dabei als selbstwirksam wahrnehmen und auch an Fehlern bzw. Misserfolgen wachsen und resilienter werden könnten.
Vielleicht sollten diese SuS auch mal eine Petition gegen Niveauverlust, Noteninflation, chancengleiche Klein- und Gleichmacherei und Weichspülgang im Bildungssystem starten.
“Anstatt im Sinn einer weiteren Entlastungsideologie und Kuscheleckenpädagogik Schüler weiter in Watte zu packen, ihnen das Leben leichter zu machen, sie vor allen Herausforderungen, Problemen und Schwierigkeiten zu bewahren, sollten Rechenschaftsablagen und Stegreifaufgaben als optionale, nicht einzige Elemente einer Leistungskultur beibehalten werden, die allerdings pädagogisch noch professioneller angewandt und in einer Bildungskultur umgesetzt werden müssen. Diese umfasst Elemente der Herausforderung und damit auch Elemente des Scheiterns und Gelingens. Bildung ist im Kern harte Arbeit, auch das ist Kindern und Jugendlichen zu vermitteln.”
Prof. Dr. Klaus Zierer
Danke, liebe Katze! Wieder alles genau auf den Punkt gebracht.
Passend zu Katzes 1a-Kommentar dieser link: https://www.welt.de/debatte/article255847442/Deutsche-Studenten-Ich-habe-gehoert-die-Tante-soll-anstrengend-sein.html
(Ich hoffe, der Artikel bleibt vor der paywall…)
Danke! Super Kommentar von Professorin Zümrüt Gülbay-Peischard.
Ich bin auch für viele SuS in der Abiturstufe die olle anstrengende Oldschool-Tante mit den zu schweren weil anspruchsvollen Klausuren.
Wo Abitur draufsteht sollte auch noch kognitive und emotionale Hochschulreife drin sein.
Ich sage: Gebt den Schülern das.
Warum?
Was SuS nicht schreiben müssen wir nicht kontrollieren.
Je schneller die Ideologie der Unbildung crasht, um so schneller geht es vielleicht wieder aufwärts.
Vom Crash Boom Bang schaffen wir nun auch noch die Grätsche über den immer flacheren Bildungshügel zum Kräsch Bum Bäng.Dann ist’s endlich vollbracht.
Tri-Tra-Trullala – seid ihr alle da, frage ich meine KuK.
Ja, aber nicht mehr lange.
Dann richten wir als empathielose Pauker und unsere verhexten Exen auch keinen pädagogischen und seelischen Kollateralschaden mehr bei den Schülerlein an.
Das Korrigieren (Kontrollieren) dieser “Schreiberei” führt ohnehin immer zu depressiven Verstimmungen beim Leerkörper.
Ihr Schülerlein kommet, oh, kommet doch all
zur Schule her kommet mit ………………………… im freien Fall.
Lücke darf individuell ergänzt werden. Muss aber nicht.
Mut zur Wissenslücke ist ganz cool.
Ich (in NRW) kündige Tests immer vorher an. Zu Beginn des Schuljahres teile ich den Schülern mit, dass wir im Halbjahr zwei nicht terminierte Tests schreiben werden. Jeder weiß Bescheid, jeder ist gut informiert.
Liebe Schüler,
im letzten Jahrhundert haben deutlich mehr Schüler ein deutlich höheres Basiswissen (oder meinetwegen Basis”kompetenzen” aus der Schule mitgenommen als heute. Im letzten Jahrhundert hat Deutschland mit konkurrenzfähiger Industie und Innovationsfähigkeit, aber auch mit Leistungsbereitschaft, die finanzielle Grundlage für ein ausgebautes Sozialsystem geschaffen. Das steht im Moment auf dem Spiel!
Die zeitliche Herkunft einer Methode ist nicht per se ein Indikator für ihre Stichhaltigkeit und Effizienz. Das sollte man schon differenzieren und nicht mit Schlagworten abbügeln!
“Im letzten Jahrhundert haben deutlich mehr Schüler ein deutlich höheres Basiswissen (oder meinetwegen Basis”kompetenzen” aus der Schule mitgenommen als heute.”
Das ist zunächst mal nur eine Behauptung. Die erste PISA-Studie und der vorherige TIMSS-Schock sprechen eine andere Sprache. 1964 (!) erschien ein viel diskutiertes Werk des Philolsophen Georg Picht. Titel: “Die deutsche Bildungskatastrophe”. Gerne hier nachlesen: https://www.uni-bielefeld.de/uni/universitaetsarchiv/oeffentlichkeitsarbeit/ausstellungen/Kapitel-1_UABI_Schelsky.pdf
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Im Jahr 2000 erzielten die Probanden aus DE in PISA-Mathematik im Schnitt allerdings noch 503 Punkte, im Jahr 2022 dann noch 475. In Naturwissenschaft ging es von 516 auf 492 Pkt abwärts.
“Ich habe noch kein Kind erlebt, das nicht lernen will.”
Dann lade ich Sie herzlichst in mein Neigungsfach Englisch oder meine siebte Klasse Geschichte ein.
Da staunen Sie Bauklötze, Frau Rasfeld.
So ist es. Ich könnte in die Klassenstufen 8-10 in Biologie und Chemie einladen.
Ich weiß gar nicht, welchem vor Lerneifer, intrinsischer Motivation und Leistungswillen strotzenden Kind ich seine Fragen im Unterricht zuerst beantworten soll und den Wunsch nach herausfordernden Lern- und Anwendungsaufgaben schnellstmöglich erfüllen kann.
Ich hätte da auch eine 9. und eine 11. Klasse anzubieten. Die Kleinen wollen eher noch lernen und sind neugierig und freuen sich, wenn sie was Neues können (und ich mich natürlich auch!), aber viel tun dafür wollen sie trotzdem nicht…
Ich hätte ein Berufskolleg anzubieten mit im Schnitt 25% Fehlzeiten (die SuS fehlen tatsächlich 25% der Zeit, also mehr als einen Tag pro Woche. Sie kommen nicht nur jeden 4. Tag zu spät o.ä.)
Da kommen auch Aussagen wie: “Bevor ich mir den Rest meines Lebens mit Arbeit versaue, will ich in der Schule noch ein bisschen chillen.”
Dass etwas aus dem “letzten Jahrhundert” stammt, muss nichts Schlechtes sein. Wer wollte z. B. auf einen Kühlschrank verzichten? Oder ist der noch älter?
Man sehe sich mal das Rad an oder Computer oder Autos oder oder oder
In Finnland waren die Methoden aus dem letzten Jahrhundert scheinbar besser als die jetzigen (Lernlandschaften, selbstgesteuertes Lernen, Kompetenzorientierung, Lehrer als Lernbegleiter). Zumindest werden diese Veränderungen in Finnland für den Absturz im Pisa-Ranking verantwortlich gemacht.
Es wurde auch darauf hingewiesen, dass der Anteil der Schüler*innen mit Migrationshintergrund bei PISA 2022 im 10-Jahresvergleich um 133% angestiegen sei. Wobei ich den aktuellen Anteil von 7% immer noch nicht für dramatisch hoch halte. Nach meinen Informationen wären die Hauptherkunftsländer der ausländischen Wohnbevölkerung in FIN auch immer noch Estland und Russland.
Auch in den sehr ländlichen Gebieten mit kaum Migrationshintergrund stürzte Finnland ab.
7% wäre im Vergleich zu Bundesländern im Süden und Westen Deutschlands auch extrem niedrig. Dort sind die Anteile 5 bis 7 mal höher.
Korrekt. Die hohen Punktzahlen Finnlands sind noch Nachwirkungen des sehr lehrerzentrierten Unterrichts, der erst wenige Jahre vor der PISA-Studie abgeschafft wurde.
“erst wenige Jahre vor der PISA-Studie abgeschafft”? War das tatsächlich überall so? Ich habe z.B. einen Bericht eines Bildungsexperten aus der Schweiz gelesen, der sich nach den damaligen Spitzenplätzen Finnlands vor gut 25 Jahren dort an einigen Schulen umgeschaut hatte und von strukturiertem und geleiteten Unterricht im Klassenverband berichtet hat. Anschließend dann gemeinsame Übungsteile mit präzisen Aufgaben und lernförderlichen Feedbacks. Individualisierten Unterricht oder selbstreguliertes Lernen hatte der damals nicht wahrgenommen. Das scheint dann an diesen Schulen vermutlich erst später eingeführt worden zu sein.
Diese Diskussion führt zu nichts.
Irgendwann darf ich bestimmt auch niemanden mehr im Unterricht aufrufen, einige haben bestimmt Angst davor.