Lehrkräfte unter Druck: Wie Amerikas Rechte Kirks Tod instrumentalisiert

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OKLAHOMA CITY. Nach dem Mord am rechten Aktivisten Charlie Kirk in den USA verschärft sich der Kulturkampf um die Schulen. In Oklahoma nutzt der inzwischen zurückgetretene Schulchef Ryan Walters die Welle der Empörung, um Kirks Organisation Turning Point USA staatlich an allen High Schools zu verankern – protegiert von Donald Trump und mit nationaler Bühne bei Fox News.

Läuft. Foto: Shutterstock

„Danke, Donald Trump! Hier in Oklahoma führen wir das Land an, wenn es darum geht, das Bildungssystem zu reformieren. Der schlimmste Alptraum der Liberalen wird wahr“, schreibt Ryan Walters auf der Plattform X. Walters, bis vor wenigen Tagen oberster Schulbeamter des Bundesstaates Oklahoma, kündigt an, dass mit Unterstützung des Staates an jeder High School eine Gruppe von Turning Point USA (TPUSA) gegründet wird – jener erzkonservativen Jugendorganisation, die vom Anfang September ermordeten Aktivisten Charlie Kirk aufgebaut worden war.

In seinen Beiträgen beschuldigt Walters die Demokraten und die Lehrergewerkschaften, Kindern mit „Critical Race Theory, Drag-Queen-Lesungen und Black Lives Matter“ geschadet zu haben – und nun Turning Point USA blockieren zu wollen.

Dagegen richtet sich der Widerspruch vieler Nutzer auf der Plattform. „Sie wollen den Zugang nicht verhindern. Sie wollen nur nicht, dass Sie es vorschreiben“, entgegnet eine Kommentatorin. „Wenn Schüler das wollen, ist es ihr Recht. Aber allen High Schools in Oklahoma eine TPUSA-Gruppe vorzuschreiben, heißt, Ihre eigenen Überzeugungen aufzuzwingen.“ Andere erinnern Walters daran, dass Oklahoma im kürzlich erschienenen nationalen Bildungsranking des Beratungsunternehmens Wallet Hub den vorletzten Platz 50 belegt: „Sollten Sie sich nicht besser um die Grundbildung kümmern, statt Religion und Dogmen in die Schulen zu tragen?“

Walters’ Ankündigung nach Kirks Tod

Der Auslöser war der Mord an Kirk. Unmittelbar danach meldete Turning Point USA einen sprunghaften Zulauf von mehr als 50.000 neuen Interessenten. Walters griff diese Welle (noch als Schuldezernent) auf – und erklärte, seine Behörde werde künftig sicherstellen, dass an jeder High School des Bundesstaates eine offizielle Schülergruppe der Organisation gegründet werde, wie der „Merkur“ berichtet. Damit werde Turning Point USA nicht mehr nur auf freiwillige Initiativen einzelner Schüler angewiesen sein, sondern durch die staatliche Vorgabe flächendeckend in allen Schulen präsent sein.

Walters begründete dies mit dem Anspruch, Kinder vor „woken Einflüssen“ und „Lügen“ über Amerikas Geschichte zu schützen. Lehrkräfte und ihre Gewerkschaften hätten Schüler „viel zu lange“ indoktriniert, Eltern aus den Klassenzimmern gedrängt und junge Menschen „angelogen“. „Wir wollen sicherstellen, dass unsere Kinder die amerikanische Größe verstehen“, sagte Walters in einem Video.

Protegiert von Trump – und auf Sendung in den USA

Die Initiative brachte Walters sofort Aufmerksamkeit weit über Oklahoma hinaus. Donald Trump pries den Schritt öffentlich als wegweisend für den Kampf gegen „linke Propaganda“. Walters wiederum inszenierte sich als Speerspitze dieser Bewegung. Fox News bot ihm die nationale Bühne: In einer Talkshow erklärte er, „das sei genau das, was die Kinder tun müssten“. Millionen Zuschauer in den USA hörten so seine Botschaft – und Walters wurde in den konservativen Medien zum Gesicht einer neuen Offensive im Bildungskampf.

Walters’ Kulturkampf: Abrechnung mit Lehrern und Gewerkschaften

Für Walters war die Ankündigung zugleich eine Fortsetzung seines persönlichen Feldzugs gegen Lehrkräfte und ihre Verbände, wie „The 74“ berichtet (eine Art News4teachers für die USA – der Name bezieht sich auf die rund 74 Millionen Schülerinnen und Schüler in den USA). Schon zuvor hatte er die Lehrergewerkschaft Oklahomas als „terroristische Organisation“ bezeichnet. Walters, einst ein beliebter Geschichtslehrer, war in den vergangenen Jahren zu einem der profiliertesten Kulturkämpfer im Bildungswesen geworden. Im Amt versuchte er, Lehrerlizenzen zu entziehen, Bibeln in Klassenzimmern vorzuschreiben und Schulsysteme wie das von Tulsa unter staatliche Kontrolle zu zwingen, weil er dort „linke Einflüsse“ witterte.

Vorwürfe und Rücktritt

Doch Walters’ Amtsführung brachte ihn zunehmend in Bedrängnis. Er verzögerte die Auszahlung von Geldern, die für Sicherheitsmaßnahmen an Schulen vorgesehen waren, geriet in Konflikte mit führenden Republikanern im Parlament und wurde wegen seines Umgangs mit Staatsfinanzen überprüft. Auch skurrile Episoden, wie ein Actionfilm mit Nacktszenen, der während einer Schulbehördensitzung in seinem Büro auf dem Fernseher lief, beschädigten sein Ansehen.

Schließlich trat Walters vor wenigen Tagen als Schulchef zurück. Statt sich aus der Politik zurückzuziehen, übernahm er allerdings sofort die Leitung der Teacher Freedom Alliance – einer Anti-Gewerkschaftsorganisation, die neu gegründet und an die Freedom Foundation angebunden wurde. Die Freedom Foundation ist ein erzkonservativer Thinktank, der seit Jahren Kampagnen betreibt, um die Macht von Gewerkschaften in den USA zu schwächen, insbesondere im öffentlichen Dienst. Mit der Teacher Freedom Alliance soll diese Strategie nun gezielt auf Schulen ausgeweitet werden. Walters erklärte dazu: „Wir werden eine Armee von Lehrern aufbauen, um die Gewerkschaften ein für alle Mal zu besiegen.“

Walters’ neue Bühne: Der Kulturkampf wird national

Seinen Rücktritt deutet Walters nun selbst nicht als Niederlage, sondern als Aufbruch. In seinem Interview auf Fox News kündigte er an: „Dieser Kampf wird national, und wir werden unsere Schulen zurückholen.“ Die Schulbehörde arbeitet derweil weiter an ihrer reaktionären Agenda – auch ohne Walters. So sollen in mehreren Bezirken Bücher aus Bibliotheken verschwinden, darunter Klassiker wie Wer die Nachtigall stört von Harper Lee, Herr der Fliegen von William Golding oder ein Band aus der populären Twilight-Reihe von Stephenie Meyer. Walters begründete das mit einem „notwendigen Schutz“ der Kinder. News4teachers 

Trumps Bildungspolitik: Wenn Schulen und Hochschulen zu Kampfzonen werden (und Widerstand teuer ist)

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Rainer Zufall
18 Stunden zuvor

“So sollen in mehreren Bezirken Bücher aus Bibliotheken verschwinden, darunter Klassiker wie Wer die Nachtigall stört von Harper Lee, Herr der Fliegen von William Golding oder ein Band aus der populären Twilight-Reihe von Stephenie Meyer.”
NEIN! Aus einem der Bücher beziehen manchen im Forum ihr Basiswissen über die Natur von Jugendlichen! 🙁

447
18 Stunden zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Macht doch nichts, geläutert durch die Erkenntnis, dass alle Kinder reine Lichtgestalten sind (wären da nicht die bösen Erwachsenen und die doofe Realität) erscheint es doch gut, solche üblen Machwerke zu verbieten.

Walter Hasenbrot
3 Stunden zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Da sagt man immer, Literatur würde bilden. Literatur kann aber auch Vorurteile festigen:

https://www.moment.at/story/die-geschichte-vom-wahren-herr-der-fliegen-und-warum-du-sie-kennen-solltest/

Einer
16 Stunden zuvor

Läuft alles klar nach Project 2025. Es war alles vorher bekannt. Also müsse wir davon ausgehen, dass die Bürger des Landes dies so wollten. Das ist halt der Nachteil von freien Wahlen. Es können auch die Falschen gewählt werden.
Aber dieser Mangel steht ja auch noch auf seiner Liste.

Hysterican
16 Stunden zuvor

“Wir werden eine Armee von Lehrern aufbauen, um die Gewerkschaften ein für alle Mal zu besiegen.”

Beängstigend, wie diese Maga-Wi..x..x..er die Gleichschaltung und individuelle Anbiederung vieler Beamter – darunter natürlich auch Lehrer – während des NS-Regimes als Blaupause für ihre eigenen fundamental-christlichen, erzkonservativen oder auch faschistischen Vorstellungen und Zielsetzungen nehmen. All zu lange wird es nicht mehr dauern, bis DumbAss-Donald und seine hirnlosen Zwerge die ersten Bücherverbrennungen starten.

Bin gespannt, ob dann auch eine Adaption des Horst-Wessel-Liedes (dem in einer Kneipenschlägerei mit einem Messer ermordeten faschistischen Zuhälter aus Bielefeld auf “Mehrtürer-Status”) zu hören sein wird.
“Die Fahne hoch – die Reihen fest geschlossen – Maga marschiert in ruhigem festen Schritt …” usw usf.

Man kann gar nich genug fressen, wie man kotzen muss, wenn man das alles liest, sieht und hört.

AvL
15 Stunden zuvor

Es ist wie im dritten Reich, als Bücher von Remarque, Heine, Heinrich Mann, B.Traven aus den Regalen verschwanden, um verboten und schließlich öffentlich verbrannt zu werden. https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_verbotener_Autoren_w%C3%A4hrend_der_Zeit_des_Nationalsozialismus
Er, Trump, setzt seinen Kulturkampf gegen Andersdenkende unvermindert weiter fort. Wer Klassiker wie “Wer die Nachtigall stört” von Harper Lee oder “Herr der Fliegen” von William Golding verbietet, der hat deutlich eine rote Linie zum Kulturkrieg eröffnet. Das entsetzliche ist, dass diese Bücherstürmer rein gar kein schlechtes Gewissen plagt, wie sie mit ihrer Meinungsfreiheit und Gedankenfreiheit umzugehen pflegen.Das ist faschismus, was sich dort abspielt. Die Ohnmacht der demokratischen Bürger der USA aber, die viel zu viel hinnehmen, ist ebenso entsetzlich.

Opossum
2 Stunden zuvor
Antwortet  AvL

Die Zensur ist schlimm und die Vertreibung von solchen Büchern aus Schulbibliotheken macht Sorgen. Aber die Bücher sich noch nicht verboten, wie es zum Beispiel in UdSSR war. Man kann sie frei kaufen und zu Hause lesen und sich dabei nicht verstecken, oder?

Auf jeden Fall bleibt zu hoffen, dass solche Schritte das Interesse zu diesen Büchern nur noch stärker machen werden. Und dass die Zensur bald rückgängig gemacht wird.

Wenn es um „Critical Race Theory, Drag-Queen-Lesungen und Black Lives Matter“ geht, würde ich mir als Eltern keine Indoktrination in Schulen wünschen.

Harald
35 Minuten zuvor
Antwortet  Redaktion

Wo ist der Rassismus in den USA institutionell verankert? Also zum Nachteil der schwarzen Bevölkerung.
Die Affirmative Action der Institutionen geht doch eher in die andere Richtung, zB. müssen Schwarze weniger Punkte im SAT erreichen, um einen Studienplatz zu erhalten.

Opossum
12 Minuten zuvor
Antwortet  Redaktion

Soweit “White Lives Matter” oder “All Lives Matter” als problematisch kritisiert werden, ja, ich halte es für Indoktrination. Es soll keinen Rassismus geben – weder “positiven”, noch “negativen”. Das Problem muss genannt und thematisiert werden, die Bewegung an sich aber korreliert mit Gewalt, ist mit critical racial theory verbunden und keine konkrete Lösungen vorschlägt.

Indra Rupp
2 Stunden zuvor

Meine Nachbarn schweben jetzt wohl im siebten Himmel..