Philologen: „Etappensieg“ – Land akzeptiert Musterklagen gegen Beamtenbesoldung

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HANNOVER. Im monatelangen Streit um den Umgang mit Widersprüchen gegen die Besoldung der niedersächsischen Beamtinnen und Beamten zeichnet sich eine Wende ab: Das Land ist auf die Gewerkschaften zugegangen. Nach intensiven Verhandlungen hat sich die Landesregierung mit den Spitzenorganisationen des öffentlichen Dienstes auf ein Verfahren verständigt, das den Weg für ausgewählte Musterklagen ebnet – und damit eine drohende Klagewelle verhindert.

Massenklagen? Nein, danke. Illustration: Shutterstock

Der Philologenverband Niedersachsen (PHVN) spricht von einem „Etappensieg“. „Das ist eine wirklich gute Nachricht für unsere Kolleginnen und Kollegen“, sagte Landesvorsitzender Christoph Rabbow. Statt tausender Einzelklagen, „die die Arbeit an niedersächsischen Verwaltungsgerichten zum Erliegen gebracht hätten“, werde nun über ausgewählte Fälle Rechtssicherheit hergestellt.

Einigung nach monatelangem Konflikt

Hintergrund ist ein Erlass des Finanzministeriums vom April 2025, der das Niedersächsische Landesamt für Besoldung und Versorgung (NLBV) angewiesen hatte, sämtliche Widersprüche zur Beamtenalimentation aus den Jahren 2023 und 2024 ohne Einzelfallprüfung abzulehnen. Damit hatte die Landesregierung eine jahrelange Praxis beendet – und massiven Protest ausgelöst. Wie der NDR im Juni berichtete, sprach der Niedersächsische Beamtenbund (NBB) von einer „Gefährdung des Vertrauens vieler Kolleginnen und Kollegen in einen fairen und rechtsstaatlichen Umgang“.

Der Schritt hätte auch zahlreiche Lehrkräfte betroffen. Denn bislang konnten Beamtinnen und Beamte mit einem einzigen Widerspruch dauerhaft ihre Ansprüche sichern. Durch die Änderung mussten sie plötzlich jedes Jahr neu Widerspruch einlegen – und bei Ablehnung den Klageweg beschreiten. Der NBB rechnete mit mehreren Tausend Verfahren, die die Verwaltungsgerichte stark belastet hätten.

Gewerkschaften sehen Einsicht – Land gesteht damit Fehler ein

Nun zeigt die Landesregierung offenbar Einsicht. Nach der Einigung zwischen dem Land und dem dbb niedersachsen sollen die Mitgliedsgewerkschaften – darunter der PHVN – dem Dachverband eine begrenzte Zahl von Fällen für Musterverfahren benennen. Für alle übrigen Betroffenen besteht derzeit keine Klagenotwendigkeit. Sie sollen weiterhin jährlich Widerspruch einlegen, soweit sie ihre Besoldung für rechtswidrig halten.

„Wir begrüßen die Erkenntnis der Landesregierung, dass massenhafte Klageverfahren nicht zielführend sind“, erklärte Rabbow. Diese Einsicht habe „ein gutes halbes Jahr gedauert, aber besser spät als zu spät“. Der Verband wolle sich nun „voll und ganz darauf konzentrieren“, die Lehrkräfte bei den Musterverfahren fachlich wie organisatorisch zu unterstützen.

Streitpunkt: Abstand zur Grundsicherung

Im Kern geht es um die Frage, ob die niedersächsische Beamtenbesoldung noch verfassungsgemäß ist. Laut NDR-Bericht steht seit Jahren der Vorwurf im Raum, die Gehälter lägen zu nah am Niveau der Grundsicherung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen Beamtinnen und Beamte mindestens 15 Prozent mehr verdienen als Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld.

Der NBB-Vorsitzende Alexander Zimbehl hatte bereits im Juni beklagt, dieser Abstand werde „seit Jahren nicht eingehalten“. Durch die Erhöhung des Bürgergeldes sei der Abstand sogar noch kleiner geworden. Das Finanzministerium hält dagegen, seit Januar 2023 sei die Besoldung amtsangemessen – mit angepassten Tabellen, einer höheren Einstiegsbesoldung und einem sogenannten Familienergänzungszuschlag, der einspringen soll, wenn das Familieneinkommen nicht ausreicht.

Doch auch dieser Zuschlag ist unter den Lehrkräften umstritten. Viele von ihnen legen dennoch Widerspruch gegen ihre Besoldung ein – vorsorglich, weil mögliche Korrekturen der Besoldung in unteren Gruppen später auch höhere Besoldungsstufen betreffen könnten. Der Verband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen in Niedersachsen (VLWN) warnte laut NDR davor, „ohne Beteiligung der Gewerkschaften und ohne die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten“, würden „Fakten geschaffen“.

Urteil aus Karlsruhe steht noch aus

Noch immer liegt dem Bundesverfassungsgericht ein Verfahren zur niedersächsischen Beamtenbesoldung vor – ein Urteil steht seit Jahren aus. Bis dahin soll die jetzt vereinbarte Lösung für Entlastung sorgen: keine Klageflut, sondern exemplarische Verfahren mit Signalwirkung.

Für die Lehrkräfte in Niedersachsen bedeutet das zunächst einmal Ruhe. Doch die rechtliche Klärung bleibt abzuwarten. „Nun können und werden wir uns voll und ganz darauf konzentrieren, unsere Kolleginnen und Kollegen bei den Musterverfahren zu unterstützen“, so Rabbow. Der Ausgang dieser Verfahren könnte die Besoldung im öffentlichen Dienst des Landes grundlegend verändern. News4teachers

Nach 17 Jahren (!) Post vom Besoldungsamt: Schulleiter-Einspruch abgelehnt

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3 Kommentare
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Realistin
6 Stunden zuvor

Reallohnverluste ausgleichen.
Wir sind bei ca. 16-18 % Dickes Minus!

Karl Heinz
4 Stunden zuvor

“müssen Beamtinnen und Beamte mindestens 15 Prozent mehr verdienen als Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld”

ääääähm – Lehrer*innen mit A10-A13 bekommen Besoldung auf RTL-2-Niveau??
echt jetzt??

vielleicht sollte ich nach Niedersachsen ziehen und Bürgergeldempfänger werden.
mit 15% weniger könnte ich immer noch ganz gut leben…

Klexel
3 Stunden zuvor

Zitat: ‘Für die Lehrkräfte in Niedersachsen bedeutet das zunächst einmal Ruhe’
Wichtig ist, dass diejenigen, die für dieses Jahr noch eine Nachzahlung ihrer Bezüge geltend machen möchten, bis zum 31.12.2025 schriftlich (nicht per E-Mail!) Widerspruch einlegen müssen.
https://www.gew-nds.de/aktuelles/detailseite/amtsangemessene-alimentation-weiterhin-strittig