BERLIN. Im Lehrkräfteforum der Social-Media-Plattform Reddit schildert ein Englischlehrer unter dem Pseudonym Top Dani einen Fall, den womöglich manche Pädagoginnen und Pädagogen kennen – und der sich moralisch wie professionell herausfordernd darstellt: Eine Schülerin hat sich ihm während eines Aufenthalts im Schullandheim als queer anvertraut, sie spricht von homophoben Eltern und sucht bei ihm Schutz und Orientierung. Die Community reagiert mit zahlreichen Ratschlägen, Warnungen und persönlichen Erfahrungen. Der folgende Beitrag dokumentiert den lesenswerten Verlauf dieser Diskussion.

Top Dani berichtet: „Eine Schülerin hat sich mir unter Anderem im Laufe eines Schullandheims anvertraut und sich vor mir geoutet. Ich sage jetzt einfach mal queer zu ihrem Outing, um keine genaueren Details zu nennen. […] Sie sprach davon, dass ihre Eltern sehr homophob sind. […] Heute sprach sie mich darauf an, dass sie gerne mit anderen Pronomen von mir angesprochen werden würde. […] ‘Ich vertraue nur Ihnen damit, dass Sie das meinen Eltern nicht weitersagen.’“
Er beschreibt, dass er selbst offen schwul lebt und deshalb wohl von dem Mädchen als Bezugsperson gesehen werde. Zugleich spüre er die Belastung der Schülerin: psychische Probleme, schulische Schwierigkeiten, hoher Druck. Seine Frage: „Wie gehe ich damit um, insbesondere in Bezug auf die Eltern?“ Später ergänzt er: „Selbstverständlich würde ich das Kind niemals ohne ihr Einverständnis outen. Es geht mir eher darum, wie ich bei den Eltern die Toleranz und Akzeptanz für dieses Thema fördern kann, ohne ein Outing.“
„Manchmal geht es einfach nicht“ – persönliche Erfahrungen
Cam515278 wendet ein: „Nicht alle Eltern sind da tolerant. Ich habe meine Eltern z. B. durch die Beziehung mit meiner Frau verloren. […] Die können dem Kind das Leben zur Hölle machen… Und du kannst ein Outing halt nie wieder rückgängig machen.“
Top Dani antwortet: „Ich befürchte, du hast wohl recht mit der Einschätzung, ich würde mir nur sehr wünschen, mehr für sie tun zu können.“
WoWSchockadin berichtet: „War mal in einer ähnlichen Situation wie du (bin selbst offen schwul […]). Da habe ich das entsprechend für mich behalten und ihm ein offenes Ohr geboten, wenn er jemanden brauchte. Habe ihm aber auch Angebote für queere Jugendliche gezeigt, wo er ebenfalls Leute finden kann.“
Simbertold stellt klar: „Das Kind hat sich dir anvertraut. […] Du kannst ihr ja anbieten, mit/unterstützend mit ihren Eltern zu sprechen, wenn sie soweit ist. Wenn du da jetzt irgendwas machst, ohne dass sie damit okay ist, wird das als massiver Vertrauensbruch wahrgenommen werden, und das zu Recht.“
MarlaButNotAsBrave gibt zu bedenken: „Ich sehe das Risiko, dass wenn die gewünschten Pronomen verwendet werden, das ja dann dazu führt dass die Mitschüler*innen das dann bei anderen Lehrkräften auch tun […]. Evtl. fürs erste nur in eins zu eins Situationen.“ Sie empfiehlt außerdem: „Ich würde auch mit der Schulleitung anonymisiert Rücksprache halten, nicht dass es am Ende heißt, du hättest indoktriniert.“
Top Dani erklärt: „Sie ist ein Mädchen und bat mich um die Pronomen ‘she/they’. […] Sie sagte nun einmal, mitten in meiner Unterrichtsstunde […] dass sie sich diese Pronomen wünscht.“ Er zitiert, wie er es spontan umgesetzt hat: „Please work on the task and don’t interrupt [name], I’m sure they’d like to finish their text in the next minutes.“
Nüchterne Einschätzungen: „Du wirst die Eltern nicht ändern“
AdditionalProgress88 fragt pointiert: „Glaubst du, dass die Eltern dann verständnisvoller, oder weniger intolerant sein werden, nur weil du ihnen das sagst?“
grndbdpsthtl rät: „Gib einfach Sicherheit in der Schule und damit erreichst du dann auch schon viel.“
Garagatt hält dagegen: „Das wird für die Eltern ein jahrelanger Prozess […]. Ich halte es für sinnvoller der Schülerin Beratungsangebote und Anlaufstellen an die Hand zu geben […]. Mach dir Gedanken über die Schülerin, nicht über ihre Eltern. Auf die hast du absolut keinen Einfluss.“
Which_Jellyfish_5189 mahnt: „Das ist nicht deine Aufgabe, deine Schülerin bei den Eltern zu outen. […] Wenn du ihr helfen willst, dann leite sie an Stellen weiter, die dafür ausgebildet sind.“
Als Top Dani erneut fragt, wie er Toleranz fördern könne, ohne zu outen, antwortet der Kommentator nochmals: „Gar nicht. Das ist nicht deine Aufgabe. […] Wir arbeiten genau deswegen immer mehr in multiprofessionellen Teams.“
Melonenstrauch warnt eindringlich: „Auf keinen Fall mit den Eltern Reden. […] Das wäre für die Schülerin ein absolutes Horrorszenario und riesiger Vertrauensbruch. […] Genau solchen Rückhalt in der Lehrerschaft hätte ich mir früher gewünscht.“
sorgenkind1 empfiehlt:
„Ich würde eher versuchen der Schülerin queere Beratungsstellen zu benennen […]. Dann ist es ihre Entscheidung und sie kann selbst überlegen, was sie braucht.“
FrankDrgermany äußert Skepsis: „Dass man eine Person, als absolut einzige Lehrkraft, im Unterricht mit anderen Pronomen anreden soll, hatte ich noch nie und finde ich auch mehr als befremdlich – auch für die Klasse. […] Ein solches ‘Outing’ […] führt unweigerlich zu weiteren Folgeproblemen.“
Top Dani entgegnet: „Ich erkläre mir das so, dass ich ihr Englischlehrer bin und es kein supergutes Äquivalent zum Pronomen ‘they/them’ auf deutsch gibt.“
Professionelle Zurückhaltung – und die Grenzen des Lehrerberufs
fundusmontis schreibt: „Ich bin mittlerweile sehr vorsichtig mit Persönlichem – Verständnis zeigen und an professionelle Beratungen weitervermitteln! […] Wir Lehrer sind in erster Linie für den Unterricht da.“
Vor-und_Zuname ergänzt: „Noch dazu, wenn man vielleicht doch Versprechen abgibt, nix den Eltern zu sagen, und dann Situationen entstehen, wo man verpflichtet ist […]. Vertrauen ist super […] aber man muss wissen, wo die eigenen Grenzen liegen.“
Friendly-Clock3507 fragt kritisch: „Es mag schmeichelhaft sein, wenn sie sagt, sie vertraue nur dir, aber deine Loyalität gilt auch dem Kollegium und dem Elternhaus. Wie reagierst du, wenn dich ein Kollege direkt anspricht? Lügst du für die Person?“
Top Dani antwortet: „Nein, […] dann sage ich, dass sie sich die neuen Pronomen im Moment eben explizit von mir wünscht. […] Kinder probieren sich aus.“
B_Burned fasst zusammen: „Ich finde es ganz toll wie du dich engagierst, um sie zu unterstützen!“
Melonenstrauch betont: „Genau solchen Rückhalt in der Lehrerschaft hätte ich mir früher gewünscht.“ News4teachers
Für queere Jugendliche gibt es zahlreiche regionale Beratungsstellen. Eine bundesweite Anlaufstelle ist die vom Bundesfamilienministerium geförderte Seite comingoutundso.
Studie: Für queere Jugendliche ist die Schule der Diskriminierungsort Nummer eins








