Schulhof-Rangelei um Palästina-Flagge: Lehrer bleibt straffrei (bekommt aber Geldauflage)

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BERLIN. Ein Schüler zeigt nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel eine Palästina-Flagge. Ein Lehrer will dies unterbinden. Die Situation eskaliert – und beschäftigt die Justiz.

Das Gericht hat entschieden – salominisch? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Nach Gewalt auf einem Schulhof in Berlin-Neukölln im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt ist das Verfahren gegen einen Lehrer eingestellt worden. Der 62-Jährige war wegen Körperverletzung im Amt angeklagt. Er soll nun innerhalb von sechs Monaten eine Geldauflage von 800 Euro zahlen, dann ist der Fall endgültig erledigt (Az.: 246a Cs 1062/24).

Hintergrund: Zwei Tage nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel 2023 gerieten an einem Berliner Gymnasium Lehrer und Schüler aneinander. Der Schüler hat eine Palästina-Flagge gezeigt. Die Anklage warf dem Lehrer vor, dem inzwischen 16-Jährigen mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen zu haben.

Gericht: Provokationen vor dem Vorfall

Ursprünglich sollte der Lehrer für Sport und Geografie eine Geldstrafe von 3.000 Euro (30 Tagessätze zu je 100 Euro) zahlen. Gegen einen entsprechenden Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten hatte er jedoch Einspruch eingelegt. Darum kam es zur mündlichen Verhandlung. Der Schüler trat in dem Prozess als Nebenkläger auf und sagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus.

Die Vorsitzende Richterin Imke Hammer sagte, es gebe mehrere Gründe für eine Einstellung des Verfahrens: Die Staatsanwaltschaft sei selbst von einem minderschweren Fall ausgegangen. Dem Geschehen seien Provokationen vorausgegangen. Der Lehrer sei selbst verletzt worden und arbeite seitdem nicht mehr. Zudem sei er der Bedrohung durch Schüler ausgesetzt.

Lehrer: «Ich hörte Jubel»

Der Lehrer wies den Vorwurf eines absichtlichen Schlags vor Gericht zurück. «Ich hörte Jubel», schilderte er. Er sei zu der Gruppe gegangen, wo der Jubel hergekommen sei und ein Vermummter eine Palästina-Flagge gezeigt habe. Er habe dies als politische Demonstration aufgefasst. «Mir war klar, dass ich da einschreiten muss», so der 62-Jährige.

Ein Schüler habe dann demonstrativ die Flagge in seine Richtung gezeigt. Er habe ihn aufgefordert, sie wegzupacken und mit zur Schulleitung zu kommen. Weil er dies nicht getan habe, sei es zu einer Konfrontation «von Angesicht zu Angesicht» gekommen. Plötzlich habe ihn der Schüler angegriffen und seinen Kopf gegen seine Stirn bewegt. Reflexmäßig habe er ihn weggeschoben.

Polizei stuft Lehrer als gefährdet ein

Für ihn sei die Situation beendet gewesen. Wie der Lehrer schilderte, wurde er dann jedoch von dem Schüler angegriffen. Mit ausgestrecktem Bein habe er ihn in den Bauch getreten. «Der Junge ist Kampfsportler», so der Mann.

Der 62-Jährige ist seit dem Vorfall nach eigenen Angaben krankgeschrieben und in psychologischer Behandlung. «Ich wurde von der Polizei als gefährdete Person eingestuft. Ich sollte auf keinen Fall in die Schule gehen», schilderte er. Tatsächlich habe eine der Schülerinnen im Internet dazu aufgefordert, ihn «behindert» zu schlagen. Gegen diese Jugendliche werde es demnächst zum Prozess kommen.

Staatsanwaltschaft klagt auch Schüler an

Auch gegen den 16-Jährigen hat die Berliner Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung Anklage erhoben. Ob und wann es in diesem Fall vor einem Jugendrichter zum Prozess kommt, ist nach Angaben einer Gerichtssprecherin noch offen. Das Gericht müsse noch prüfen, ob es einen hinreichenden Tatverdacht gebe.

Der Schüler sagte im Prozess gegen den Lehrer unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus. Sein Rechtsanwalt erklärte, den Kopfstoß habe es nicht gegeben. Durch den Schlag ins Gesicht habe sein Mandant mehrere Wochen Schmerzen im Gesicht gehabt. Sein Mandant habe in einer eindeutigen Selbstverteidigungssituation gehandelt. Der Jugendliche habe die Schule wechseln müssen. News4teachers / mit Material der dpa

Nach Rangelei mit Schüler um Palästina-Flagge: Lehrer wehrt sich gegen Geldstrafe

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Rainer Zufall
8 Monate zuvor

Ich dachte es gab ein Video vom Geschehen inklusive Kopfstoß

Realist
8 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Bodycams für Lehrer (wie bei Polizisten in Einsätzen üblich) würden helfen…

Aber nee, dann könnte die Gesellschaft ja nicht mehr alle Schuld bei den f… S… abwälzen.

Rainer Zufall
8 Monate zuvor
Antwortet  Realist

Ne, ich dachte, das war auf Handy oder so.
In der bisherigen Berichterstattung klang es sehr konkret, dass ein anderer Schüler dazwischen ging und einen Kopfstoß gab

Ohne Worte- ohne mich
8 Monate zuvor

Ergo- gaaanz weit wegbleiben. Schulleitung holen.

447
8 Monate zuvor

Genau das.

dickebank
8 Monate zuvor

Falsch, “holen lassen” – ansonsten droht einem wegen der Entfernung vom Geschehen der Vorwurf der verletzung der Aufsichtspflicht.

J.b
8 Monate zuvor

Gibt es auch, nur ist es innerhalb der Polizeibehörde abhanden gekommen und wurde in den Verhandlungen daher nicht berücksichtigt.
Dazu gab es bei br24 vor ein paar Wochen einen Artikel.

potschemutschka
8 Monate zuvor
Antwortet  J.b

Wenn ich mich richtig erinnere, waren auch nur wenige Sekunden darauf zu sehen und vor allem nicht, der Beginn, sondern erst ab der Ohrfeige.

Rainer Zufall
8 Monate zuvor
Antwortet  potschemutschka

Erinneren Sie sich seit dem Kindergarten daran? 😉

dickebank
8 Monate zuvor

… und dienstrechtlich?

Lisa
8 Monate zuvor

Der Kollege tut mir sehr Leid. Auf die letzten Meter sein Leben so zu zerstören. Vermutlich muss er umziehen.Gute Besserung.
Es ist so oft ein Fehler, selbst eingreifen zu wollen anstatt zu delegieren.

447
8 Monate zuvor

Wenigstens hat er sich aus der Schusslinie genommen.

Pauker_In
8 Monate zuvor
Antwortet  447

Tja, aber wofür musste er eigentlich zahlen? Irgendwie bleibt doch immer Scheiße hängen, mit der man beworfen wurde…

GBS-Mensch
8 Monate zuvor

Vielleicht googeln Sie einmal Notwehr.

Zwei Juristen, nämlich ein Staatsanwalt und eine Richterin (beides wird man nur mit ünerdurchschnittlichen Ergebnissen in den Staatsexamina) sind zu dem Ergebnis gekommen (Strafbefehl und Einstellung gegen Auflage), dass die Lehrperson sich rechtswidrig verhalten hatte.
Notwehr wird übrigens in der Juristenausbildung ad nauseam behandelt, ist also kein Exot, bei dem man leichtfertig Fehler macht oder unwissend ist.

447
8 Monate zuvor
Antwortet  GBS-Mensch

Jeder mit etwas Erfahrung in dem Bereich kennt auch die (täglich ausgeurteilten) Verrenkungen, wann “Notwehr” nicht gegeben sei, überschritten sei und und und…
… im Dienst ist daher die Regel sehr einfach: Man redet freundlich und sonst nichts.

GBS-Mensch
8 Monate zuvor
Antwortet  GBS-Mensch

Das kann ich zurückgeben:

153a ZPO – ABSEHEN(!!!) von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen.

https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__153a.html

Wenn der Lehrer sich nicht rechtswidrig verhalten hätte, wäre ein Freispruch erfolgt und keine Einstellung unter Auflagen.

GBS-Mensch
8 Monate zuvor

Nachtrag:

Wahrscheinlich wird in der Person eines Anwaltes noch ein Dritter Jurist involviert gewesen sein, der der Lehrperson geraten haben wird, die Einstellung gegen Auflage zu akzeptieren.

GBS-Mensch
8 Monate zuvor
Antwortet  GBS-Mensch

Was Sie gemacht hätten, ist für die juristische Einordnung nicht relevant.