Schulpolitik: Schlechtes Zeugnis für die Brombeere – “Besser ist noch nichts” 

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ERFURT. Die Bildungspolitik soll ein Schwerpunkt der Arbeit der neuen Thüringer Landesregierung sein. Die größte Bildungsgewerkschaft ist mit den bisherigen Arbeitsergebnissen allerdings unzufrieden.

“Wohlfeil”: Der Thüringer Bildungsminister Christian Tischner (CDU). Foto: Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur / Jacob Schröter

Etwa drei Monate nach dem Amtsantritt der Landesregierung gibt die Bildungsgewerkschaft GEW dem Bildungsministerium überwiegend schlechte Noten. «Unsere Einschätzung ist: Besser ist noch nichts geworden», sagte die GEW-Landesvorsitzende Kathrin Vitzthum in Erfurt.

Dies sei umso gravierender, weil die sogenannte Brombeer-Regierung aus CDU, SPD und BSW bei der Übernahme der Amtsgeschäfte im Dezember den Eindruck erweckt habe, im Bildungsbereich seien schnelle Erfolge möglich. Das sei aber von vorneherein eine unrealistische Annahme gewesen. Das, was die Landesregierung in ihrem 100-Tage-Programm zur Bildungspolitik geschrieben habe, sei deshalb vor allem «ein ambitionierter Nachwahlkampf» gewesen, sagte Vitzthum.

Plan gegen Unterrichtsausfall «wohlfeil»

In ihrem 100-Tage-Programm hat sich die Landesregierung Maßnahmen vorgenommen, die helfen sollen, etwa den Unterrichtsausfall zu bekämpfen. «Ziel ist es, den ersatzlosen Ausfall an staatlichen Schulen im ersten Schritt auf unter zehn Prozent zu senken», heißt es dort beispielsweise. Zudem sollten Zulassungsbeschränkungen für angehende Lehrer an den Hochschulen überprüft werden.

Vitzthum sagte nun, es sei nur bedingt hilfreich, den Unterrichtsausfall auf unter zehn Prozent aller zu gebenden Stunden zu senken. Die entsprechenden Zahlen hätten Statistiken zufolge in den vergangenen Jahren in der Regel knapp unterhalb dieses Wertes gelegen – außer im Herbst, wenn Erkältungszeit sei. Das von der Landesregierung ausgegebene Ziel sei daher «wohlfeil» gewesen.

Ähnlich sei es bei den vorhandenen Zulassungsbeschränkungen für bestimmte Studiengänge, die angehende Lehrer besuchen können oder müssen. Auch wenn es diese mancherorts für einige Studiengänge in der Theorie gebe, seien sie in der Praxis nie angewandt worden. «De facto gibt es in Thüringen keine Zulassungsbeschränkungen», sagte Vitzthum.

Kritik an Umgang mit Protesten

Kritisch äußerte sich Vitzthum auch zum Agieren der Landesregierung im Streit um die geplante Neufassung der Schulordnung. Zwar sei es gut, dass das Bildungsministerium ein Anhörungsverfahren begonnen habe – dazu sei es nicht verpflichtet. Sie sei aber «irritiert», wie Bildungsstaatssekretär Bernd Uwe Althaus mit den Protesten gegen dieses Vorhaben umgehe. Er hatte am Rande einer Demonstration vor dem Landtag vor wenigen Tagen gesagt: «Die gehören nicht hierher.» Vitzthum findet das «total schwierig».

Zudem halte sie es für falsch, dass sich Thüringens Bildungsminister Christian Tischner (CDU) in diesem seit Wochen andauernden Konflikt noch nicht selbst geäußert habe. Damit beweise Tischner keinen besonders sensiblen Umgang mit Menschen, die Sorgen zum Ausdruck brächten.

Demos gegen Neufassung

Mit der geplanten Änderung der Thüringer Schulordnung sollen etwa Kopfnoten wieder eingeführt werden. Außerdem sollen Schulen verpflichtet werden, bereits ab der sechsten Klasse zu entscheiden, ob ein Kind in die nächste Klasse versetzt wird oder nicht – dagegen regt sich Widerstand (News4teachers berichtete).

Die GEW ist die größte Bildungsgewerkschaft. In ihr sind etwa Lehrkräfte, Kita-Fachkräfte und Beschäftigte von Hochschulen organisiert. News4teachers / mit Material der dpa

„Zurück ins Bildungssystem der 80-er Jahre“: Brombeere für Sitzenbleiben und Kopfnoten

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6 Kommentare
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Brausepulver
6 Monate zuvor

Dass sich die Bildungspolitik in Thüringen in 100 Tagen nicht um 180 Grad verändert, ist doch normal. Das passiert auch bei keiner anderen Koalition. Was soll das Gezeter? Da möchte wohl jemand Stimmung machen.

Allerdings ist die Frage, ob sich mit den Koalitionsbeschlüssen überhaupt großartig was ändern wird. Das sehe ich auch nicht viel.

Nanu
6 Monate zuvor

Die GEW ist die größte Bildungsgewerkschaft? Naja. Groß ist wohl relativ. Wenn alle anderen 100 Mitglieder haben, wäre man ja auch mit 101 Mitgliedern die größte Organisation. Die GEW ist kraftlos. Sie bringt keine Massen auf die Straßen. Sie ist leider viel zu politisch links orientiert. Das schreckt nicht links Orientierte ab.

Uhrmacher
6 Monate zuvor

Also ich unterstütze die Vorhaben der neuen thüringischen Landesregierung. Kopfnoten und Sitzenbleiben finde ich ok. Warum ist ja schon an anderer Stelle diskutiert worden.

Carsten
6 Monate zuvor

Welche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen waren denn geplant ?

Rainer Zufall
6 Monate zuvor

Haben die Gummibären nichts von den Bayern gelernt?
Redet gegen wokeness und gendern, dann muss man keine Bildungspolitik machen.
Ggf. schafft das der Ministerpräsident nebenher 😉

Unfassbar
6 Monate zuvor

Das Schulsystem ist ein sehr langsames. Änderungen wirken sich oft genug erst nach mindestens 5 oder 10 Jahren aus. Wie soll man da in wenigen Monaten etwas bemerken?

Abgesehen davon wären wirkliche Veränderungen eine Rückkehr zu dem, womit die heutige Generation 50+ in die Schule gegangen ist. Ob das insgesamt so sinnvoll ist, weiß ich nicht, besonders nicht in Thüringen. Die linksgrüne Opposition wird definitiv etwas dagegen haben, obwohl die Veränderungen sehr schnell sichtbar werden würden.