BERLIN. Erst vor wenigen Tagen warnte der Leipziger Politikwissenschaftler Johannes Kiess vor einem Erstarken des Rechtsextremismus unter Jugendlichen. Eine aktuelle Abfrage des „Stern“ bei den Landeskriminalämtern der 16 Bundesländer gibt ihm nun recht: Die Zahl rechtsextrem motivierter Straftaten an deutschen Schulen ist im vergangenen Jahr geradezu explodiert. Zwei ostdeutsche Bundesländer ragen heraus.

Erst vor wenigen Tagen erschien ein verstörendes Foto in den sozialen Medien; darauf zu sehen: Vier Neuntklässler einer Görlitzer Oberschule, die vor dem Tor des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau mit der White-Power-Geste posieren, einem international bekannten Symbol von Rechtsextremen (News4teachers berichtete).
Offenbar liegen solche Provokationen – und Schlimmeres – im Trend: Die Zahl rechtsextrem motivierter Straftaten an deutschen Schulen ist im vergangenen Jahr auf ein Rekordhoch gestiegen. Das ergab eine Abfrage des „Stern“ bei den Landeskriminalämtern der Bundesländer. Demnach haben sich die bei der Polizei gemeldeten Fälle an Schulen in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt – in einigen Bundesländern sogar nahezu vervierfacht.
„Das wirft ein wirklich besorgniserregendes Bild zurück auf die Gesellschaft“
Auch im Vorjahresvergleich sind die Zuwächse enorm. Dem „Stern“ zufolge“ erfasste die Polizei zuletzt in Sachsen-Anhalt den drastischsten Anstieg: die Fälle stiegen 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 150 Prozent, auf 185 Fälle insgesamt. Auch in Rheinland-Pfalz, Sachsen und Bayern nahmen die Vorfälle besonders stark zu: mit 80 beziehungsweise 52 Prozent und fast 39 Prozent. Niedersachsen, das aktuell noch keine endgültigen Zahlen für 2024 übermittelte, kündigte an, dass sich die Fälle im Vergleich zu 2023 voraussichtlich verdoppelt hätten. Aus dem hessischen Kultusministerium hieß es, die gesellschaftliche Polarisierung wirke sich auch auf die Schulen aus. Andere Bundesländer wie Thüringen, die Zahlen bis einschließlich 2023 übermitteln konnten, bestätigen den Trend.
Die absolut gesehen meisten Fälle weisen die Polizeidaten allerdings für Brandenburg aus: 336 Fälle. Zur Erinnerung: Die Oberschule im brandenburgischen Burg war durch einen Brandbrief von zwei Lehrkräften vor zwei Jahren bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Sie berichteten davon, dass dort rechtsextreme Schüler Mitschüler bedrohten und eingeschüchterten. Dazu gab es im gesamten Schulgebäude immer wieder Hakenkreuz-Schmierereien, Hitler-Grüße im Klassenzimmer, Mobbing gegen die wenigen Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund (News4teachers berichtete).
Unlängst berichtete der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) über die Oberschule (BOS) im nur 50 Kilometer entfernten Spremberg über die Berufsorientierende Oberschule im brandenburgischen Spremberg, dass dort rassistische Beleidigungen, Hitler-Grüße und rechtsextreme Provokationen zum Alltag gehören. Eltern, Schüler und sogar Lehrkräfte berichten von einem Klima der Angst – eine Lehrerin wurde tätlich angegriffen.
Die meisten registrierten Taten laut den Statistiken der Landeskriminalämter: das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. Das meint beispielsweise in Schulbänke eingeritzte Hakenkreuze oder das Zeigen des Hitlergrußes auf dem Schulgelände. ´
Nach Auskunft der Länder kommt es auch zunehmend zu Problemen mit der Verwendung von rechtsextremen Symbolen in Klassenchats. Auch an Schulen sehr beliebt ist der Partyhit „L’Amour Toujours“, dessen Refrain spätestens seit einem bundesweit bekanntgewordenen Vorfall auf Sylt im vergangenen Sommer gerne ausländerfeindlich umgedichtet wird auf „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus”. Diese Zeilen zu singen ist zwar nicht zwingend strafbar, verweist aber auf eine frühere NPD-Parole.
Zuletzt war ein Fall bekannt geworden, bei dem Schüler eines Bielefelder Gymnasium „Ausländer raus“ skandierten – auf dem zentralen Gedenkplatz der Gedenkstätte Bergen-Belsen. Im ehemaligen Konzentrationslager wurde Anne Frank ermordet (News4teachers berichtete auch darüber).
Der Leipziger Politikwissenschaftler und Rechtsextremismus-Experte Johannes Kiess sprach erst vor wenigen Tagen im Interview mit dem MDR Sachsen von einem besorgniserregenden Trend, besonders in Ostdeutschland.
„Wir beobachten deutschlandweit mit Fokus auf Ostdeutschland und insbesondere Sachsen Raumgewinne von Neonazis“ – auch an Schulen, sagt Kiess. Rechtsextremismus habe in manchen Gegenden eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit erreicht. „Es gilt vielen als normal, die AfD zu wählen, eine (in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen; Anm. d. Red.) gesichert rechtsextreme Partei.“
„Wenn wir uns die extreme Rechte als Bewegung angucken, dann geht es darum, Raumgewinne zu zementieren“
Diese Entwicklung erlaube es, rechtsextreme Provokationen öffentlich auszuleben – sogar an einem Ort wie Auschwitz. Das Verhalten der Jugendlichen sei dabei weniger das Hauptproblem. Viel gravierender sei, dass sie offenbar davon ausgingen, damit sozial akzeptiert zu werden: „Das wirft ein wirklich besorgniserregendes Bild zurück auf die Gesellschaft.“
Die wiederkehrende Provokation sei dabei nicht zufällig, sondern ein kalkuliertes Vorgehen, das Nachahmer finde. Das Ziel sei klar: „Wenn wir uns die extreme Rechte als Bewegung angucken, dann geht es darum, Raumgewinne zu zementieren“, erklärt Kiess. Dort, wo bereits ein rassistisches oder ausländerfeindliches Klima herrsche, versuchten Rechtsextreme, ihre Dominanz weiter auszubauen. Kiess warnt: Schulen dürften mit der Entwicklung nicht allein gelassen werden. News4teachers
Wer sich online die ganze Zeit mit diesem Scheixx beschäftigt, muss doch glauben, dass es normal ist und in der Schule nur Blödsinn erzählt wird.
Da die Konsequenzen für die Jugendlichen lachhaft sind, wird man der Sache auch nicht Herr.
In unserer Gesellschaft wird insgesamt viel zu wenig darauf geachtet, was online für alle jederzeit verfügbar ist.
Schulen können das Problem nicht lösen.
“In unserer Gesellschaft wird insgesamt viel zu wenig darauf geachtet, was online für alle jederzeit verfügbar ist.”
Nicht nur online. Warte immer nich auf die Einschätzung des Verfassungsschutzes zur AfD, sollte ja nach der Wahl veröffentlicht werden…
Das Problem mit steigenden Zahlen oder zunehmenden Quoten scheint man in einigen Bundesländern nicht zu haben. Wenn diese Delikte dort nicht statistisch erfasst und ausgewertet werden, können natürlich auch keine steigenden Zahlen gemeldet werden.
Das KI-generierte Bild zum Titelthema geht gar nicht.
Die Darstellung des Phänotyps eines Neonazis oder Vertreters der rechten Szene als stiernackigen, dümmlich und dennoch drohend drein schauenden Doppelkinnträger in Bomberjacke bedient ein wiederkehrendes vereinheitlichendes propagandistisches (agitatorisches) Stereotyp, welches das eigentliche pädagogische Anliegen der Prävention von Rechtsextremismus konterkariert.
Eine Mehrzahl meiner 12-19jährigen Schüler in der sächsischen Provinz würden ein derartiges Bild wahrscheinlich grinsend betrachten und dann einschätzen: “Wenn so der typische Neonazi aussieht (aussehen soll), dann besteht in unserer Schule sowie unserem Freundes- und Bekanntenkreis keine Gefahr. Solche Menschen kennen wir nicht.” Mimese wirkt!
Gerne mal das verlinkte Video in folgendem Beitrag anschauen: https://www.news4teachers.de/2024/08/wahlen-in-sachsen-und-thuerigen-afd-unter-kindern-und-jugendlichen-beliebteste-partei-warnung-vor-rechtsextremer-jugendkultur/
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Ich sehe hier keinen Zusammenhang zu Katzes Kommentar. Es geht um die Darstellung eines Rechtsextremisten, die so nicht zutrifft. Immer mehr schlanke, intelligente und gut gekleidete Anhänger sind zu verzeichnen, und das muss alarmierend sein!
Ob solche Stereotypen Darstellungen hier künftig auch für andere Vertreter:innen erscheinen ?
Für eine Analyse im Kunst- und/oder Geschichtsunterricht Unterrichtsstoff mit hohem Unterhaltungswert.
Dumm?
Sieht aus wie Sheldon Cooper auf Steroiden 😉
Und manchmal fehlt mir hier der “Hä?” Button.
Den vermisse ich auch manchmal! 🙂
Teil teils – eindeutig mehr gefiele mir aber das In-Anzug-und-Krawatte-Bild oder das zB einer Typ-französische- Politikerin ( auch Schweiz geht 😉
D.h. das Idolbild, dem mittlerweile wieder nachgefragt wird.
* nachgefolgt
“Das Verhalten der Jugendlichen sei dabei weniger das Hauptproblem. Viel gravierender sei, dass sie offenbar davon ausgingen, damit sozial akzeptiert zu werden”
Volle Zustimmung.
Die Kinder und Jugendlichen bekommen im Internet und von den Erwachsenen ja auch täglich gespiegelt, dass es sich bei Rechtsextremismus “nur” um eine andere von vielen Meinungen handelt. 🙁
Das “Explodieren” der Zahlen finde ich spannend und nicht ausschließlich negativ: Die Schulen dulden das Verhalten offensichtlich nicht und leiten Maßnahmen ein – es könnte eine Lektion aus Burg sein.
Daumendrück!
Wenn es Brandenburg schon nicht schafft, in irgendwelchen Kompetenz-Erhebungen die ersten Plätze zu besetzen, dann schafft wir es bei den rechten Handlungen in der Schule.
Es spiegelt leider sehr mein tägliches Unterrichtserleben wider, obwohl ich im Speckgürtel der Hauptstadt unterrichte und nicht in einem Dorf weit weg von allem.
Es ist nur noch ermüdend. Selbst andauerndens Ausdiskutieren und Reagieren bringt nichts, gegen den Tiktok-Gott komme ich nicht an.
Und gegen das erwachsene Umfeld, welches dem ebenfalls verfallen ist, auch nicht.
Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, weshalb Ihr Beitrag nicht viel mehr Daumen erhalten hat.
Tatsächlich sind TikTok und Co das Problem Nummer Eins.
Wer sich einmal anschaut, wie viel Zeit die Kids nach eigenen Angaben (!) mit diesem Scheixx verbringen, versteht die Gefahr sofort.
Und sehr viele Eltern kümmern sich nicht darum. Nicht unbedingt, weil sie “dem ebenfalls verfallen” sind, sondern weil sie keine Ahnung haben einerseits. Und andererseits gibt es ständig Diskussionen, wenn man Heranwachsenden etwas verbietet. Das war zwar schon immer so, allerdings ist es heutzutage nicht mehr en vogue, dem etwas entgegen zu halten. Man will Freund des Kindes sein, nicht mehr Elternteil. Dabei braucht man gar nicht zu befürchten, dass der angedrohte Liebesentzug bei – vereinfacht ausgedrückt – Handy-Verbot tatsächlich zu einem solchen führt.
Stattdessen wird lieber auf die Schule gesetzt. Lehrkräfte sollen richten, was sich Eltern nicht trauen. (“Dann ist mein Kind sauer auf mich.”)
So funktioniert Erziehung aber nun einmal nicht.
Was ich als ganz gutes Konzept wahrnahm, war die Sprechstunde zu Social Media.
Da konnten KuJ Fragen stellen, vor allem aber auch über eigene Erfahrungen und aktuelle Trends erzählen/ aufklären.
Z.T. wurden da auch ältere SuS eingebunden, um zu beraten oder einzuordnen.
Kostet leider auch Zeit und Personal, auf der anderen Seite sehe ich aber einen großen Vorteil dazu, ein halbes Jahr zu spät über einen vergangenen Tiktok-Trend aufgeklärt zu werden.