„Wir müssen Jungs stark machen“: Wie Schulen mit Frauenhass umgehen sollten

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MÜNCHEN. Großbritannien führt Unterricht gegen Frauenfeindlichkeit ein – und auch in Deutschland mehren sich die Warnungen vor wachsendem Hass auf Mädchen und Frauen, gerade unter Jugendlichen. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann fordert eine entschlossene Reaktion der Schulen. Ein eigenes Curriculum hält sie allerdings für wenig zielführend. 

Gewalt gegen Frauen – weit verbreitet. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Es war ein Tag wie jeder andere an einer Schule bei Heidelberg, bis der 18-jährige Schüler seine gleichaltrige Ex-Freundin auf dem Schulgelände mit einem Messer erstach. Die junge Frau starb noch vor Ort. Der Täter, ein Abiturient aus St. Leon-Rot, flüchtete mit einem Auto quer durchs Land und verletzte sich schließlich bei einem Unfall in Niedersachsen. Wenige Monate zuvor hatte er das Opfer bereits geschlagen. Jetzt ist er wegen Mordes rechtskräftig zu elf Jahren Haft verurteilt worden (News4teachers berichtete).

Die Tat sorgte bundesweit für Aufsehen. Und sie wirft Fragen auf, die weit über den konkreten Fall hinausreichen: Wie kann es sein, dass ein junger Mann zu solch brutaler Gewalt greift? Welche Rollen spielen frauenfeindliche Ideologien, soziale Medien und mangelnde Bildung im Bereich Geschlechtergerechtigkeit? Und was können Schulen tun, um frühzeitig gegenzusteuern?

Einen möglichen Weg zeigt Großbritannien. Wie der Spiegel aktuell berichtet, führt das britische Bildungsministerium verpflichtenden Unterricht zur Bekämpfung von Frauenhass ein – inklusive Aufklärung über die „Incel“-Bewegung und den Einfluss misogyn geprägter Influencer wie Andrew Tate, der im Vereinigten Königreich wegen Vergewaltigung, Menschenhandel, Körperverletzung und Kontrolle der Prostitution angeklagt ist. Vor allem Jungen soll so geholfen werden, positive männliche Vorbilder zu entwickeln. Bereits ab September 2026 soll das neue Unterrichtsmodul an allen weiterführenden Schulen verpflichtend sein.

Wie steht es in Deutschland? Für Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), steht fest: Das Problem ist längst auch an deutschen Schulen angekommen. Sie beschreibt eine neue Form von Frauenfeindlichkeit, die sich gerade unter jungen Männern immer stärker ausbreitet – befeuert durch soziale Netzwerke wie Tiktok oder YouTube, in denen Influencer toxische Männlichkeit propagieren und den Feminismus zum Feindbild erklären. „Natürlich kommt das alles mit den Schülerinnen und Schülern auch zu uns in die Schule. Die Schule ist ein Spiegel der Gesellschaft“, sagt sie.

Lehrkräfte seien dafür ausgebildet, auch schwierige Themen anzusprechen, zu moderieren und die Jugendlichen zu unterstützen. Doch dazu brauche es Aufmerksamkeit für die neuen Trends – und die Fähigkeit, sie pädagogisch einzuordnen: „Wir sehen diese Entwicklung an den Schulen, und natürlich müssen wir darüber sprechen, wie wir reagieren können.“

Kein neues Schulfach – aber ein klarer Bildungsauftrag

Einen eigenen Unterricht zur Frauenfeindlichkeit nach britischem Vorbild hält Fleischmann indes für nicht zielführend: „Wir können nicht immer alles durch ein neues Schulfach retten.“ Die Diskussion über neue Fächer werde inzwischen bei jeder gesellschaftlichen Herausforderung geführt – von der Medienkompetenz über gesunde Ernährung bis hin zum Demokratieverständnis. Doch das greife zu kurz. Entscheidend sei nicht die Form, sondern der Inhalt – und dessen Umsetzung im Schulalltag.

„Worum es geht, ist, die Themen aufzugreifen und mit den Kindern und Jugendlichen zu sprechen“, betont sie. Besonders wichtig sei es, Jungen zu stärken und ihnen Alternativen zur digitalen Radikalisierung aufzuzeigen: „Wir müssen ihnen positive Vorbilder geben. Ihnen vor Augen führen, dass das die falsche Entwicklung ist und dass man sich als junger Mann stark aufstellen muss gegen solche frauenfeindlichen Aussagen.“

Medienkompetenz und Demokratiebildung als Schlüssel

Für den BLLV sind zwei Bildungsbereiche zentral im Kampf gegen Misogynie: Medienkompetenz und Demokratiebildung. Nur wenn junge Menschen lernen, Fake-News, Algorithmen-Logiken und manipulative Inhalte im Netz zu erkennen, können sie sich gegen Hass und Hetze behaupten. Und nur wenn sie demokratische Werte wie Gleichberechtigung und Toleranz von klein auf verinnerlichen, sind sie gewappnet gegen Radikalisierung – ob sie nun aus politischer, religiöser oder frauenfeindlicher Richtung kommt.

„Demokratiebildung schon in der Grundschule und Medienkompetenz als integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Bildung – und zwar fächerübergreifend – ist eine der wichtigsten Aufgaben zukunftsfähiger Bildung“, sagt Fleischmann. Der BLLV hat diesen Anspruch in einem Manifest „Haltung zählt“ festgehalten: gegen Hass, Hetze, Geringschätzung und Diskriminierung (hier geht es hin).

Fleischmann stellt aber auch klar: Schule allein kann das Problem nicht lösen. Es braucht ein gemeinsames Vorgehen – von Eltern, Politik, Medien und Zivilgesellschaft. Denn auch wenn Lehrkräfte sensibilisieren und begleiten können, bleibedie Ursache für die neue Welle des Frauenhasses eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Hindergrund: Der Mord von Heidelberg war kein Einzelfall. Allein 2023 wurden laut Bundesregierung 360 Mädchen und Frauen in Deutschland getötet – fast jeden Tag ein Femizid. News4teachers 

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4 Kommentare
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Rainer Zufall
3 Monate zuvor

“Wir sehen diese Entwicklung an den Schulen, und natürlich müssen wir darüber sprechen, wie wir reagieren können”
Viel Spaß beim Reagieren! Wer will schon präventiv handeln, wenn wir stattdessen Trends viel zu langsam hinterherhecheln… 🙁

“Worum es geht, ist, die Themen aufzugreifen und mit den Kindern und Jugendlichen zu sprechen”
ODER wir könnten Kinder und Jugendlichen zu mündigen Mitgliedern der Demokratie erziehen, welche über einen eigenen Wertekompass verfügen und nicht bei jedem Problem und jeder Minderheit darüber unterrichtet werden muss, warum das gezeigte Verhalten (mal wieder) falsch ist.

Bringt den Kindern Respekt und Emphatie bei, anstelle die Geschichte von 356 Bevölkerungsgruppen!

Unfassbar
3 Monate zuvor

Gibt es Tipps, wie Lehrerinnen das Thema in einer vom Mädchen- und Frauenhass betroffenen Klasse behandeln sollen? Wie sollen Sozialarbeiterinnen mit solchen Jungs arbeiten? Was sind das eigentlich für Jungs und wie sind deren Eltern drauf?

Cordula
3 Monate zuvor

„Einen eigenen Unterricht zur Frauenfeindlichkeit nach britischem Vorbild hält Fleischmann indes für nicht zielführend: „Wir können nicht immer alles durch ein neues Schulfach retten.“ Die Diskussion über neue Fächer werde inzwischen bei jeder gesellschaftlichen Herausforderung geführt – von der Medienkompetenz über gesunde Ernährung bis hin zum Demokratieverständnis. Doch das greife zu kurz. Entscheidend sei nicht die Form, sondern der Inhalt – und dessen Umsetzung im Schulalltag.“

„Demokratiebildung schon in der Grundschule und Medienkompetenz als integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Bildung – und zwar fächerübergreifend – ist eine der wichtigsten Aufgaben zukunftsfähiger Bildung“, sagt Fleischmann.

Fächerübergreifend – getreu der Sichtweise von Frau Fleischmann: Nicht ein neues Fach ist Lösung für gesellschaftliche Herausforderung, sondern alles in die Fächer zu integrieren.
Blablabla, so passiert nie etwas.

B.B.
3 Monate zuvor

Wie spreche ich ein Thema an, ohne es anzusprechen. Andrew Tate. Vermutlich wird sein Einfluss überschätzt und andere Einflüsse bleiben untererwähnt. So das systematische Versagen der Polizei und der Behörden bei der Verfolgung der sexuellen Gewalt gegen Minderjährige. Kein ganz neues Thema in GB.