Schule will Schülerinnen das Kopftuch verbieten – Kultusministerium schreitet nach Empörungswelle ein

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MELLE. Nach einem Elternbrief der Lindenschule Buer im niedersächsischen Melle, dem zufolge Kindern und Jugendlichen das Tragen von Kopfbedeckungen (ausdrücklich genannt: Kopftücher) nur auf Antrag erlaubt ist, hat das Kultusministerium in Hannover eingegriffen – und die Schule zur Rücknahme der Regel aufgefordert. Tatsächlich wäre ein Kopftuchverbot für Schülerinnen wohl verfassungswidrig. Die Regierung in Österreich bereitet unterdessen ein generelles Verbot des „Kinderkopftuchs“ vor.

„Ganz klar ein Zeichen von Unterdrückung“ – ? (Symbolfoto.) Foto: Shutterstock

An der Lindenschule Buer, einer Grund- und Oberschule im niedersächsischen Melle, hat ein Rundschreiben Anfang November für erheblichen Unmut gesorgt. In dem Brief vom 4. November wurde Eltern auf einen Passus in der Schulordnung hingewiesen, dem zufolge im Schulgebäude grundsätzlich keine Kopfbedeckungen getragen werden dürfen. Ausdrücklich genannt wurde dabei neben „Mützen und Kappen“ auch das Kopftuch. Ausnahmen sollten demnach nur auf Antrag bei der Schulleitung genehmigt werden.

In der offiziellen Schulordnung findet sich zwar eine allgemeine Passage, nach der in geschlossenen Räumen Kopfbedeckungen abzusetzen sind und Ausnahmen bei der Schulleitung beantragt werden können. Ein expliziter Bezug auf religiös motivierte Kleidung besteht dort jedoch nicht. Erst durch die Hervorhebung des Kopftuchs im Elternbrief wurde die Regel auf religiöse Bekleidung angewendet – was mehrere Eltern gegenüber dem Medium IslamiQ als Eingriff in die Religionsfreiheit kritisierten.

Land weist auf Rechtslage hin – Regel wird aufgehoben

Nachdem der Brief öffentlich geworden war, schaltete sich das Niedersächsische Kultusministerium ein. Eine Sprecherin betonte, dass das Tragen eines Kopftuchs an niedersächsischen Schulen als Ausdruck der Religionsfreiheit grundsätzlich zulässig sei. Das zuständige Landesamt für Schule und Bildung (RLSB) habe umgehend den Kontakt zur Stadt Melle als Schulträger sowie zur Schule aufgenommen und auf die Rechtslage hingewiesen.

Die Schule habe die Praxis daraufhin zurückgenommen und laut Ministerium einen erneuten Elternbrief versendet, in dem die Aufhebung klargestellt wurde. Gleichzeitig kündigte das RLSB eine Überprüfung des gesamten Vorgangs an. Auch die Bürgermeisterin der Stadt Melle erklärte gegenüber IslamiQ, den Fall prüfen zu wollen. Eine direkte Antwort der Schule auf eine Anfrage blieb zunächst aus.

Reaktionen aus der muslimischen Gemeinschaft

Deutliche Kritik kam von der Schura Niedersachsen, dem Rat der islamischen Gemeinschaften, dessen Vorsitzender Kerim Ocakdan sich gegenüber IslamiQ äußerte. Das Schreiben der Schule habe „für Verunsicherung gesorgt“. Ocakdan wies darauf hin, dass es in Deutschland kein Kopftuchverbot für Schülerinnen gebe und die Religionsfreiheit durch Artikel 4 des Grundgesetzes geschützt sei. Die Schura habe den Vorgang an das Kultusministerium weitergeleitet und wolle die Prüfung aufmerksam begleiten. Schulen bräuchten in solchen Fragen „Sensibilität und Dialog, nicht pauschale Verbote“, so Ocakdan.

Auch aus juristischer Sicht gibt es klare Einordnungen. Der Verfassungsrechtler Matthias Goldmann sagte gegenüber IslamiQ, ein Kopftuchverbot für Schülerinnen wäre „verfassungswidrig“. Ein solches Verbot müsste mit einem gleichwertigen Verfassungsgut begründet werden, was nicht ersichtlich sei. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2015 ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen aufgehoben.

Ermittlungen nach Beleidigungen gegen Schulleiterin

Im Zuge der öffentlichen Diskussion kam es zu Schmierereien am Schulgebäude: An die Wände wurden Beleidigungen gegen die Schulleiterin geschrieben. Die Polizei ermittelt, die Stadt Melle bemüht sich um zeitnahe Entfernung. Das Kultusministerium verurteilte die Vorfälle und betonte, man lehne unsachgemäße Kommunikation und strafbare Handlungen grundsätzlich ab.

Während in Deutschland das Tragen religiöser Kopfbedeckungen für Schülerinnen grundsätzlich erlaubt ist und ein pauschales Kopftuchverbot nach Einschätzung von Juristinnen und Juristen verfassungswidrig wäre, geht Österreich aktuell einen anderen Weg. Dort hat die Regierungskoalition aus konservativer ÖVP, sozialdemokratischer SPÖ und liberalen Neos einen neuen Gesetzentwurf vorgelegt, der ein Kopftuchverbot für Schülerinnen gesetzlich festschreiben soll.

Österreichs Integrationsministerin: „Kinderkopftuch ganz klar ein Zeichen von Unterdrückung“

Nach Angaben des Deutschlandfunk begründet Integrationsministerin Susanne Plakolm (ÖVP) den Vorstoß damit, das sogenannte „Kinderkopftuch“ schränke die Sichtbarkeit und Freiheit von Mädchen ein und sei „ganz klar ein Zeichen von Unterdrückung“. Der Gesetzentwurf sieht ein mehrstufiges Vorgehen bei Verstößen vor: Zunächst soll die Schulleitung das Gespräch mit der betroffenen Schülerin suchen und die Eltern informieren. Wenn dies nicht ausreicht, wird die Bildungsbehörde eingeschaltet. Als äußerste Maßnahme drohen Geldbußen zwischen 200 und 1.000 Euro – oder sogar eine Ersatzfreiheitsstrafe.

Der Vorstoß ist bereits der zweite Versuch einer österreichischen Bundesregierung. 2020 hatte der Verfassungsgerichtshof ein entsprechendes Kopftuchverbot an Grundschulen aufgehoben. Die Richter argumentierten damals, dass die Regelung gezielt muslimische Mädchen betreffe, während andere religiöse Kopfbedeckungen – etwa Kippa oder Patka – nicht erfasst wurden. Dies widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz und könne muslimischen Mädchen den Zugang zur Bildung erschweren sowie sie gesellschaftlich ausgrenzen.

Mit dem neuen Gesetzesvorhaben versucht die Regierung nun, die rechtlichen Vorgaben des Gerichts zu umgehen oder neu zu bewerten. Wie der Verfassungsgerichtshof diesmal entscheiden würde, ist offen. Klar ist jedoch: Während in Deutschland der Schutz der Religionsfreiheit im Vordergrund steht, führt Österreich die Debatte zunehmend als integrationspolitisches Instrument – mit deutlich härteren Sanktionen, die im schulischen Kontext bislang einzigartig in Europa wären. Auch in Frankreich gibt es ein Kopftuch-Verbot für Schülerinnen in der Schule – bei Verstößen drohen allerdings nur disziplinarische Maßnahmen, keine Geldstrafen. News4teachers / mit Material der dpa

Kopftuchverbot für Lehrerinnen vor dem Aus: “Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung”

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4 Kommentare
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Indra Rupp
1 Stunde zuvor

So! Erstmal, das ist meine Schule – und die ist nicht rassistisch! Zweitens, es klammern sich alle an ein angebliches Verbot, obwohl es nur eine “Antragspflicht” ist.
Jede Familie bekommt das gewährt, soll nur quasi vorher Bescheid geben.
Keine Ahnung, warum das Sinn machen soll, außer man möchte noch mehr Bürokratie.
Ich hatte mir da aber als Möglichkeit vorgestellt, dass evtl Jugendliche sich auch aus nicht-religiösen Gründen bedecken oder vermummen. Um nicht ansprechbar zu sein, um zu provozieren, vielleicht auch sogar, um Musliminnen nachzuahmen und zu verspotten – und die dann evtl sogar behaupten, dass wäre ihre “Religion” und deshalb dürften sie das.
Könnte eine Schule dann auf die Idee kommen, das schriftlich mit den Eltern abzuklären, damit Shirin ungestört das Kopftuch tragen kann, der Klassenclown Kevin aber nicht?
Vor diesem Hintergrund sähe die Sache dann ganz anders aus und gar nicht rassistisch, im Gegenteil.
Vielleicht war es aber auch nur eine ungeschickte Auslegung der Gleichbehandlung, denn es geht in dem Schreiben um Kopfbedeckungen aller Art und nicht explizit um das Kopftuch, wie suggeriert wird. In dem Schreiben werden als Beispiel “.. Mütze, Kappi oder Kopftuch…” genannt, also die Kopfbedeckungen, die hauptsächlich zu sehen sind.
In Kommentaren der Noz wird nun behauptet, es würde immer nur um Musliminnen gehen, nie um Top, Minirock, ect und dies wäre entlarvend.
Das stimmt genauso nicht, denn wir hatten schon etliche Kleiderordnungsdebatten über Jogginghose, Bauchfrei und Co. Muslimische Kleidung war bislang nie Thema gewesen.
Ich will ja nicht sagen, dass unsere Schulleiterin nicht schon viele Entscheidungen getroffen hat, die Panne waren und das Kollegium, das da jetzt mit rein gezogen wird, kann einem Leid tun.
Sie ist aber ganz sicher keine Rassistin !
Die Schmierereien (“Rassistinnen Boxen”, “Rassistensau”) an der Schule sorgen halt nun erstmal dafür, dass die sich alle zurück halten und vermutlich beraten wollen.
Das kann übrigens von Linksextremen an die Wände geschmiert worden sein, aber auch von Rechtsextremen, die Linken schaden wollen oder von Islamisten, die auch rechtsextrem zu verorten sind ( Islamist ist NICHT = Islam!)
Wir haben an der Schule übrigens auch eine Mensa, wo etwas beantragt werden muss. Nämlich, ob man mit Fleisch, vegetarisch oder ohne Schweinefleisch essen möchte! In dieser Jahreszeit werden wieder die Stolpersteine geputzt und 200 Schuhkartons für Weihnachten für Rumänien und Co gepackt.
Der türkische Eltern Verein organisiert jedes Jahr auf dem Schulhof das internationale Kinderfest, speziell die muslimischen Mädchen haben gute Abschlüsse, wandern weiter zur Oberstufe, es gibt wenig Sprach Probleme trotz hohem Migrations Anteil.
Das muslimische Eltern sich Sorgen machen, bei der aktuellen politischen Lage, kann man verstehen.
So eine unüberlegte Vorgehensweise kann aber nur von Nicht-Rassisten kommen.
Wer etwas nicht böse meint, handelt mitunter nämlich auch unüberlegter/unvorsichtiger.
Ein echter Rassist wie Höcke hält sich als Lehrer bedeckt und unauffällig und kommt erst aus dem Loch, wenn er den Beruf wechselt, zB in die Politik wechselt, oder es genügend politischen und gesellschaftlichen Rückenwind gibt. Das ist bisher nicht der Fall, dafür müsste tatsächlich Blau an der Macht sein, damit Schulleiter für die Diskriminierung von Muslimen keinen Ärger mehr bekämen. Solange wir so weit noch nicht sind, wäre das, speziell als Beamter, einfach nur selbstschädigend.
Das schlimme an diesem Fall:
Jetzt feiern die Rechtsextremen einen angeblichen Beweis, dass Muslime uns bereits “regieren”, weil sie hier ihr Anliegen durchsetzen konnten und es in alle Medien gebracht haben – und Linksextreme wollen nichts anderes als “Kopftuchverbot” lesen.
Das ist das momentan sinnbildliche “Stadtbild” unserer Gesellschaft! Jeder such sich ein Lager und geht in Angriffsposition.

Indra Rupp
1 Stunde zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Noch etwas :
Laut Hausordnung sind Kopfbedeckungen aller Art verboten, es können aber Ausnahmen beantragt werden. ZB für alle Musliminnen. Und nicht “Kopftücher können nur in Ausnahmefällen erlaubt werden”.

Hans Malz
1 Stunde zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Interessante Einblicke, danke.

Rainer Zufall
49 Minuten zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Kenne keine anderen öffentlichen Einrichtungen, wo ich den Antrag auf religiöse Kleidung zu stellen habe.

Das Jungs plötzlich Kippa tragen oder Mädchen Kopftuch, um zu provozieren – was? – halte ich nicht für wahrscheinlich.

Drücke die Daumen, dass das Missverständnis aus der Welt geräumt werden kann, Vandalismus und andere Straftaten gehören geahndet!