Kitas mit Kern- und (personell ausgedünnten) Randzeiten? GEW: Problemverschärfend

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ESSEN. Die geplante Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) in Nordrhein-Westfalen stößt bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW auf deutliche Kritik. Zwar erkennt die Gewerkschaft in dem vorgelegten Entwurf einzelne positive Ansätze, warnt aber zugleich vor spürbaren Rückschritten bei der Qualität frühkindlicher Bildung. Besonders problematisch sei die vorgesehene Einführung von Kern- und Randzeiten mit unterschiedlichen Personal- und Qualitätsanforderungen.

“Frühkindliche Bildung braucht gute Arbeitsbedingungen”: Die GEW-Landesvorsitzende Ayla Çelik Foto: Shutterstock

„Frühkindliche Bildung lebt von Kontinuität und stabilen Beziehungen – sie lässt sich nicht in Fünf-Stunden-Pakete pressen. Wenn in den Randzeiten geringere Anforderungen gelten, besteht die Gefahr einer pädagogischen Minimalzeit, während wichtige Bildungsarbeit an den Tagesrand gedrängt wird“, erklärt die Vorsitzende der GEW NRW, Ayla Çelik.

Aus Sicht der Gewerkschaft greift der Gesetzentwurf insgesamt zu kurz. Statt die zentralen Probleme der Kitas anzugehen, etwa hohe Belastungen, große Gruppen und fehlende Zeit für pädagogische Arbeit, entstehe ein kompliziertes Regelwerk mit zusätzlichen Kontrollmechanismen und neuen Risiken für die Träger. Davon hätten weder Kinder noch Fachkräfte einen Nutzen.

„Was als Modernisierung gelabelt wird, rührt nicht einmal an den Kernproblemen des Systems“, sagt Çelik. „Denn weder der Personalschlüssel wird verbessert noch werden verbindliche Zeitkontingente für Leitungsaufgaben und Vorbereitungszeit erhöht. Wer echte Qualitätsentwicklung will, muss den Alltag in den Einrichtungen entlasten, nicht verkomplizieren.“

„Gute Ideen entfalten ihre Wirkung aber nur mit ausreichend qualifiziertem Personal“

Die im Entwurf angelegte Flexibilisierung der Betreuungszeiten durch Kern- und Randzeiten, variable Anwesenheitsmodelle und kommunale Steuerungsinstrumente verschärfe nach Einschätzung der GEW die Situation zusätzlich. Dienstpläne würden komplexer, Arbeitszeiten unübersichtlicher, während klare Personalstandards fehlten, um diese Flexibilisierung pädagogisch abzusichern.

Positiv hebt die GEW NRW hervor, dass mit dem Entwurf erstmals eine rechtliche Grundlage für sogenannte Chancen-Kitas geschaffen werden soll. Ähnlich wie an Schulen könnte damit auch im Kita-Bereich ein Sozialindex eingeführt werden, um Einrichtungen in sozial belasteten Lagen gezielt zu unterstützen. Doch auch hier sieht die Gewerkschaft entscheidende Voraussetzungen nicht erfüllt. „Gute Ideen entfalten ihre Wirkung aber nur mit ausreichend qualifiziertem Personal“, betont Çelik. „Ohne mehr Personal und ohne reale Entlastung wird diese Reform im Alltag scheitern. Frühkindliche Bildung braucht gute Arbeitsbedingungen, nicht nur neue Vorschriften.“

Im weiteren Gesetzgebungsverfahren will die GEW NRW daher auf eine grundlegende Überarbeitung des Entwurfs drängen. Ziel müsse eine Reform sein, die sich an den tatsächlichen Bedingungen in den Einrichtungen orientiert und echte Qualitätsverbesserungen ermöglicht – durch mehr Personal, bessere Arbeitsbedingungen und eine auskömmliche, verlässliche Finanzierung. News4teachers 

Kita-Reform: Künftig gibt es “Kernzeiten” und (dünner besetzte) “Randzeiten” 

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TaMu
7 Stunden zuvor

Frühkindliche Bildung lebt von Kontinuität und stabilen Beziehungen – sie lässt sich nicht in Fünf-Stunden-Pakete pressen. Wenn in den Randzeiten geringere Anforderungen gelten, besteht die Gefahr einer pädagogischen Minimalzeit, während wichtige Bildungsarbeit an den Tagesrand gedrängt wird“, erklärt die Vorsitzende der GEW NRW, Ayla Çelik.

Es geht bei Kindern, ganz besonders U3, immer zuerst um sichere BINDUNG (nicht Bildung!) und um die Befriedigung der elementaren Grundbedürfnisse wie Nahrung, Hygiene, Schlaf und angemessene Anregung. Erst DANACH und darauf aufbauend kann Bildung überhaupt gelingen.

Bei der Bindungsentwicklung, der Grundlage für ein psychisch gesundes Leben mit guter Resilienz, wird durch die Fremdbetreuung ab dem ersten Geburtstag oder sogar noch früher, in zu großen Gruppen mit wechselnden Bezugspersonen und häufig in Vollzeit auf zumindest latent kindeswohlgefährdende Art und Weise eingegriffen und auch noch als Recht des Kindes bezeichnet. Gegen diese systemische Kindeswohlgefährdung hilft keine Konzeption der jeweiligen Einrichtung und kein Jugendamt. Hier ist etwas gesellschaftlich in die falsche Richtung gelaufen, wenn selbst die GEW Vorsitzende NRW das Wort Bindung nicht vor Bildung verwendet.