Experten fordern, Ausbildungsreife neu zu definieren – „Zensuren sind nicht alles“

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NEUSTRELITZ. Zensuren sind nicht alles. Firmen in der modernen Arbeitswelt ist vor allem die Motivation und Leistungsbereitschaft bei Schülern wichtig. Experten fordern nun, dass die Ausbildungsreife neu definiert wird.

Das Bildungs- und Ausbildungssystem in Deutschland ist nach Einschätzung von Experten noch nicht ausreichend auf die Anforderungen der modernen Arbeitswelt eingestellt. Jugendliche würden zu sehr auf Zensuren orientiert, statt ihre Kompetenzen zu fördern, sagte Gabriele Taube-Riegas, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Neubrandenburg, auf einer Bildungskonferenz in Neustrelitz. Der Fachkräftemangel sei nur zu bewältigen, «wenn wir auf die Jugendlichen zugehen». Die Wirtschaft fordere vor allem Leistungsbereitschaft, Motivation und soziale Kompetenz. Deshalb müsse der Begriff «Ausbildungsreife» ganz neu definiert werden. «Das ist bisher zu unklar», erklärte Taube-Riegas.

Lehrstellen-Bewerber und ausbildende Betriebe finden immer seltener zusammen. Foto: Tognum / flickr (CC BY-NC 2.0)
Lehrstellen-Bewerber und ausbildende Betriebe finden immer seltener zusammen. Foto: Tognum / flickr (CC BY-NC 2.0)

Wie es besser gemacht werden könne, erläuterte sie an einem Beispiel: Eine mutige Schulleiterin an der Mecklenburgischen Seenplatte habe einem 16-jährigen Schüler zu seinem Traumberuf verholfen – auch mit weniger guten Zensuren. «Der junge Mann hat die Ausbildung in der Computerfirma erfolgreich abgeschlossen», sagte Taube-Riegas. Wegen der Zensuren hätten sich der junge Mann und seine Eltern nicht getraut, sich zu bewerben, die Schulleiterin habe geholfen. «Ein klassischer Fall», sagte die Bildungswissenschaftlerin.

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Bundesweit blieben jährlich rund 58 400 Schüler ohne Abschluss. Viele müssen mit millionenschweren Programmen der Arbeitsagenturen dann wieder auf die Ausbildung vorbereitet werden. Hilfe erhält die Forscherin von der Neubrandenburger IHK. «Wenn Bewerber Motivation und Leistungsbereitschaft bei Gesprächen rüberbringen, dann macht das manches wett», sagte IHK-Bildungsexpertin Ellen Grull. Im Nordosten hätten zuletzt knapp 40 Prozent der Firmen ihre Lehrstellen nicht besetzen können. Viele kümmerten sich inzwischen schon sehr früh um Schüler an Schulen.

Wegen der bisher fehlenden Ausbildungsreife von Schulabgängern in Mecklenburg-Vorpommern geben die Arbeitsagenturen 2013 rund 3,6 Millionen Euro für Kurse der Berufsvorbereitenden Bildung aus, wie die Chefin der Regionaldirektion Nord der Bundesarbeitsagentur, Margit Haupt-Koopmann, sagte. So gebe es Hilfen bei nachträglichem Schulabschluss und bei der Suche nach passenden Ausbildungen. Aktuell nehmen rund 1300 Jugendliche teil. Für sechs- bis zwölfmonatige Langzeitpraktika – die Einstiegsqualifizierung in Unternehmen – werden zudem rund 455 000 Euro ausgegeben. «Es wäre schön, wenn diese Angebote in Mecklenburg-Vorpommern noch stärker genutzt würden», appellierte sie an die Wirtschaft.

Nachwuchssicherung sei eine zentrale Herausforderung. «Angesichts der demografischen Entwicklung müssen wir alle Potenziale nutzen», sagte Haupt-Koopmann. Die Landesregierung versucht unter anderem mit fünf Produktionsschulen rund 350 Mädchen und Jungen, die mit der regulären Schule nicht klarkamen, auf den Ausbildungsweg zu helfen. dpa

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3 Kommentare
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Biene
10 Jahre zuvor

Ein Problem das Hausgemacht ist! Den Fachkräftemangel haben sich die Firmen selbst zu zuschreiben, weil sie jahrelang nur auf die guten Zensuren geschaut haben, dann die Abiturienten genommen haben und die sind zum Teil nach der Ausbildung raus aus den Firmen und dann geht es in die besserbezahlten Positionen anderer Firmen ihrer Branche oder ins Studium um noch besserbezahlte Positionen zu kommen. Außerdem ist es auch teilweise die Firmenpolitik, die sich mit den Ansichten und möglichen Zukunftsplänen der Auszubildenden nicht immer wunderbar übereinstimmen. Dieses ist zwar logisch, aber es passt auch gut zu dem immanenten Nachwuchsmangel der in der Bundesrepublik. Das geforderte Umdenken sollte in ALLEN Bereichen von Bildung und Wirtschaft sowie Politik erfolgen.

Reinhard
10 Jahre zuvor

„Jugendliche würden zu sehr auf Zensuren orientiert, statt ihre Kompetenzen zu fördern, sagte Gabriele Taube-Riegas,…“
Das ist lustig. Ich weiß nicht, wie es in Schleswig-Holstein gemacht wird, aber wir Lehrer im Süden geben dann gute Noten, wenn das Fördern der Kompetenzen (darin besteht der Großteil unseres Unterrichts) erfolgreich war.

Reinhard
10 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

Oha, da war wohl meine Schnellesekompetenz zu gering … es geht um Mecklenburg-Vorpommern.