Doch kein Geld aus Berlin für marode Schulen? Kretschmann fährt Schäuble in die Parade: Länder dürfen Bildungshoheit nicht dem Bund überlassen

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BERLIN. Bund und Länder haben sich vor kurzem über die Reform der Finanzbeziehungen geeinigt, die auch Baden-Württemberg will. Doch es gibt eine Kröte, an der Ministerpräsident Kretschmann schwer zu schlucken hat. Verhindert er deshalb das von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Aussicht gestellte 3,5-Milliarden-Euro-Paket zur Sanierung von Schulgebäuden? Die SPD schüttelt nur den Kopf.

Will keine Mitsprache des Bundes beim Thema (Schul-)Bildung: Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann. Foto: Bündnis 90 / Die Grünen / flickr (CC BY-SA 2.0)
Will keine Mitsprache des Bundes beim Thema (Schul-)Bildung: Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann. Foto: Bündnis 90 / Die Grünen / flickr (CC BY-SA 2.0)

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist dagegen, dem Bund das Recht einzuräumen, Kommunen direkte Investitionshilfen im Schulbereich zu gewähren. «Bei der Bildung verläuft die rote Linie für mich», sagte der Regierungschef der «Südwest Presse» und der «Badischen Zeitung». Ein solcher Zugriff des Bundes «wäre ein massives Einfallstor in den Kernbereich der föderalen Landeshoheit.» Der Grünen-Politiker, der mit der CDU regiert, kündigte an, er werde der geplanten Grundgesetzänderung, die die Ländermehrheit im Zuge des Finanzkompromisses mit dem Bund in Aussicht gestellt hat, im Bundesrat nicht zustimmen zu wollen.

Er sei der einzige Ministerpräsident, der das im Kreis der 16 Länder-Regierungschefs abgelehnt und in einer Protokollnotiz festgehalten habe, sagte Kretschmann. Die Grundgesetzänderung wäre ein massives Einfallstor in den Kernbereich der Landeshoheit. «Mein Vorgänger Erwin Teufel hätte gesagt: Nur über meine Leiche. Ich habe mich besonders gewundert, dass so wenig Widerstand von Unionsseite kam, die war früher immer eine sichere Bank.»

Paukenschlag in Berlin: Schäuble gibt weitere 3,5 Milliarden Euro zur Sanierung der Schulen – Kooperationsverbot soll fallen

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley kritisierte Kretschmanns Haltung als unsinnigen Alleingang. «Herr Kretschmann lehnt Geld vom Bund für bessere Schulen ab. Das ist grotesk», sagte sie auf Anfrage in Berlin. «Man beißt doch nicht in die Hand, die einem helfen möchte.» Barley rief Kretschmann auf, noch einmal in sich zu gehen. Bund und Länder müssten ihre Kräfte bündeln, für bessere Schulen, mehr Personal und einen Ausbau der Ganztagsschulen. «Herr Kretschmann sollte sich seiner Verantwortung für die kommende Generation stellen», sagte die SPD-Politikerin.

Ein Sprecher des Staatsministeriums entgegnete in Stuttgart: «Es geht nicht darum, das Geld vom Bund nicht anzunehmen, sondern darum, dass die Zuständigkeiten und Kompetenzen bei den Ländern bleiben.» In dem Interview mit den beiden Zeitungen hatte Kretschmann auf die Frage, ob er das Geld vom Bund für die Kommunen annehme, geantwortet: «Ich fahre ja auch auf den Autobahnen, gegen die ich war.»

Bund und Länder hatten sich Mitte Oktober auf eine Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen verständigt. Im Gegenzug für jährliche Hilfen von mehr als neun Milliarden Euro soll der Bund mehr Kompetenzen etwa bei Investitionen in Schulen und in der Steuerverwaltung erhalten. Aus Berlin sickerte in der vergangenen Woche durch, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) offenbar bereit ist, 3,5 Milliarden Euro für die Schulen bereitzustellen – und zwar für deren bauliche Instandsetzung. Allerdings müsste dafür das sogenannte Kooperationsverbot durch eine Grundgesetzänderung aufgehoben werden.

Kretschmann kritisierte, dass die Steuermittelverteilung zwischen Bund und Ländern schon lange nicht mehr nach dem im Grundgesetz vorgesehenen Verfahren erfolge. «Die Crux ist, dass der Artikel 106 aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden ist. Stattdessen macht man es über Programme und natürlich will der Bund dann seinen Daumen drauf haben.» Der Artikel 106 im Grundgesetz regelt, welche Steueraufkommen dem Bund und welche den Ländern zustehen.

Ein gutes Beispiel dafür, dass der Wettbewerbsföderalismus funktioniere, sieht Kretschmann in der jüngst veröffentlichten Bildungsstudie IQB zum Vergleich der Leistungen von Schülern. «Wenn es den Vergleich der Länder nicht gäbe, wüssten wir gar nicht, dass wir so abgesackt sind. Wir gucken jetzt, wieso sind die Schulen in Schleswig-Holstein offenbar besser geworden.» News4teachers / mit Material der dpa

Baden-Württembergs Bildungsabsturz: Jetzt schreitet Kretschmann ein – er will Experten berufen, um das Schulsystem zu beleuchten

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