GEW fordert „Klasse statt Masse“ für die Kitas

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BERLIN. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mahnt bundeseinheitliche Standards für pädagogische Qualität in Kindertageseinrichtungen an.

Die GEW macht sich für bundeseinheitliche Standards für mehr pädagogische Qualität in Kindertageseinrichtungen stark. Der Grund: Der morgen in Kraft tretende Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung für alle Kinder, die jünger als drei Jahre sind, wirft nach Auffassung der Bildungsgewerkschaft gravierende Probleme auf. „Obwohl fünf Jahre Zeit war, wurde versäumt, rechtzeitig mit dem Ausbau und vor allem mit der Ausbildung des zusätzlich benötigten Fachpersonals zu beginnen“, stellte Norbert Hocke, für Jugendhilfe verantwortliches GEW-Vorstandsmitglied, fest. „In der Eile, in der in den vergangenen Monaten auf den letzten Drücker Einrichtungen gebaut und eröffnet wurden, ist viel zu wenig auf pädagogische Qualität geachtet worden. Um zu vermeiden, dass Eltern einen Platz vor Gericht einklagen, schafft man Masse statt Klasse.“

Ein wichtiges Qualitätskriterium sei die Betreuungsrelation in den Einrichtungen. „Je jünger die Kinder sind, desto mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung brauchen sie. Die emotionale Bindung ist der entscheidende Faktor für gutes Aufwachsen“, erklärte Hocke. Fachleute würden deshalb für die Betreuung unter dreijähriger Kinder einen Personalschlüssel von 1:3 empfehlen. Nach neuesten Erhebungen seien die Einrichtungen in Deutschland von dieser Relation weit entfernt. Im bundesweiten Durchschnitt liege der Personalschlüssel in Krippen bei 1:4,5. In ostdeutschen Einrichtungen sogar nur bei 1:6. „Wir brauchen“, so Hocke, „bundesweite Standards für pädagogische Qualität und ein durchgängiges pädagogisches Konzept für die null- bis sechsjährigen Kinder.“ Diese Standards müssten Kriterien wie Gruppengröße, Personalschlüssel, Freistellung von Personalkräften sowie die wichtigsten Aufgaben des pädagogischen Personals festlegen und für alle Träger gelten. „Wir stärken Betriebs- und Personalräten den Rücken, Überbelegungen, die Träger jetzt durchsetzen wollen, nicht zuzustimmen. Die GEW setzt sich dafür ein, dass die Mittel aus dem unsinnigen Betreuungsgeld für Qualitätsverbesserungen in den Kitas eingesetzt wird“, unterstrich der Experte.

Dramatisch wirkt sich laut Hocke derzeit der Mangel an Erzieherinnen und Erziehern aus. Vielerorts gelinge es nicht, für die neuen Kindertagesstätten qualifiziertes Personal zu finden. In dieser Situation entschieden viele Kita-Träger, die neuen Gruppen mit Hilfspersonal zu eröffnen. In den vergangenen Jahren seien doppelt so viele Hilfskräfte eingestellt worden wie Sozial- oder Kindheitspädagoginnen. Um mehr junge Frauen und Männer für den Erzieherberuf zu begeistern, hält die GEW höhere Einkommen für unabdingbar. „Die Gehälter sind angesichts der Verantwortung und der Bedeutung des Berufs viel zu niedrig. Hier muss in nächster Zeit dringend etwas geschehen: Erzieherinnen verdienen mehr“, machte Hocke deutlich.

Trotz der zahlreichen Defizite rund um den Kita-Ausbau erkenne die GEW die in den vergangenen Jahren unternommenen Anstrengungen in der frühkindlichen Bildung an. „Die Fortschritte in der Kinderbetreuung gibt es aber nur, weil Bund, Länder und Kommunen zusammen gearbeitet haben. Eine solche vereinte Kraftanstrengung brauchen wir dringend auch in den Schulen unseres Landes“, betonte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. Die Bildungsgewerkschaft schlägt daher als nächsten Schritt einen Rechtsanspruch auf verlässliche Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder vor. „Es ist erforderlich, jedem Kind, dessen Eltern es wünschen, für die Zeit von 7:30 bis 17:30 Uhr in der Grundschule ein pädagogisch gestaltetes Bildungs- und Betreuungsangebot zu machen. Mit Ganztagsschulen, die nur an drei Tagen die Woche nachmittags geöffnet sind und ansonsten um 14 Uhr schließen, ist niemandem gedient, insbesondere nicht erwerbstätigen Eltern“, betonte die GEW-Vorsitzende.

Um diesen Rechtsanspruch abzusichern, setze sich die GEW für ein zweites Ganztagsschulprogramm ein, mit dem der Bund den Ländern finanziell unter die Arme greifen kann. Voraussetzung hierfür sei die Abschaffung des Kooperationsverbotes im Grundgesetz, das dem Bund bisher untersagt, sich an den Bildungsanstrengungen der Länder zu beteiligen. „Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe – Bund, Länder und Kommunen müssen daher auch in den Schulen endlich zusammen arbeiten können“, hob Tepe hervor.

Zum Bericht: „Bundesagentur: In Kitas droht vorerst kein Personalengpass“

 

 

 

 

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