KAISERSLAUTERN. Neue Lösungen für die Digitalisierung des Unterrichts sind für Forscher und Unternehmen nicht erst seit dem zu erwartenden Milliardenregen aus dem Digitalpakt ein großes Thema. Die Einstellung, der Lehrer muss sich dem Medium anpassen, ist dabei weitgehend passé. Die Anbieter digitaler Lernmedien auf der Didacta traten allesamt als Partner der Lehrer auf, denen auch im smarten Klassenzimmer immer noch die Hoheit über den Unterricht zukommt. Daran zweifeln auch die Forscher des deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz nicht. Doch ihr neu entwickeltes „Intelligentes Schulbuch“ für Tablet und Rechner könnte bei einigen Lehrern Horrorvorstellungen wecken.
Die Forscher nutzen für das Schulbuch eine Technik, die Blickrichtungen der Leser erkennt und danach analysieren soll. Das Ziel formuliert Physik-Professor Jochen Kuhn folgendermaßen: „Das Besondere hierbei ist, dass das Buch die Stärken und Schwächen der Schülerinnen und Schüler mithilfe integrierter Sensoren frühzeitig erkennt“. So werde etwa schnell klar, ob die Schüler Lerninhalte verstanden haben oder nicht. Die Technik helfe dabei, sie individuell zu fördern.
„Es gibt auf dem Markt bereits Lerntechniken, die den Wissensstand von Schülern abfragen.“ , so Kuhn. Aber hier spiele nur der Lernerfolg eine Rolle, es könne nicht getestet werden, ob jemand zum Beispiel länger als der Durchschnitt brauche, um eine Rechenaufgabe zu lösen, weil er Probleme mit mathematischen Formeln habe.
Die Technik, die hinter dem „Buch“ steckt, ist relativ einfach: Auf Tablets oder Bildschirmen wird der Inhalt des Buchs angezeigt. Unter dem Display ist ein Eye-Tracker angebracht. „Dieses System kann die Blickbewegungen der Leser erfassen“, so Projektleiter Andreas Dengel. „Es sieht auf diese Weise, an welcher Stelle er beispielsweise länger verweilt oder was er wiederholt liest.“ Das System eignet sich nicht nur für den Physikunterricht, sondern für alle Unterrichtsfächer.
In einem nächsten Schritt möchten die Forscher diese Daten genauer analysieren, um daraus beispielsweise Rückschlüsse auf das Lernverhalten und den Lernfortschritt zu ziehen. „Die Technik kann künftig helfen, frühzeitig zu erkennen, ob ein Schüler bei einem Thema zum Beispiel Unterstützung braucht, weil er es noch nicht richtig verstanden hat“, erklärt Dengel weiter. Auf der anderen Seite ermöglicht die Technik, zu sehen, wo bei einem Schüler besondere Interessen liegen. „Blickt er zum Beispiel öfter in der Folge auf ein bestimmtes Wort, könnte das System ihm weitere Informationen dazu liefern, etwa über den Internetbrowser“, ergänzt Kuhn.
Auf der Computermesse Cebit – vom 20. bis zum 24. März in Hannover – wollen die Forscher ihr Projekt vorstellen. Sie arbeiten bereits mit einem Schulbuchverlag zusammen. (zab, pm)
Wir erwarten die künftigen bahnbrechenden Erfolge entspannt und geduldig.
Die bahnbrechenden Innovationen haben bislang fast durchgehend Niveauverlust zur Folge gehabt. Bei fachlich einfachen Abfrageaufgaben kann ich mir die Hilfe durch ein intelligentes Schulbuch noch vorstellen, bei anspruchsvolleren Aufgaben wie Interpretationen oder Textaufgaben der Oberstufe bin ich sehr skeptisch. Ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen.
Damit das was bringt, müssen Schüler vor allem eines: Wollen.
Das müssen sie auch ohne Tablet. Beim Tablet kommt erschwerend das enorme Ablenkungspotenzial hinzu.
… wer glaubt, dass das “intelligente Schulbuch” den Lehrer überflüssig macht, der glaubt auch, dass der intelligente Kühlschrank und die intelligente Waschmaschine die Eltern überflüssig machen…
Ich hab gar keine Lust, überhaupt etwas dazu zu sagen, alleine lernen kann man doch heute auch schon.
… und viele merken irgendwann, dass man doch jemanden braucht, der anleitet, strukturiert, erklärt, hilft und einfach nur schaut, ob man’s wirklich getan hat.
Nur wollen das die Digitalisierungs-Anbeter nicht wahrhaben.
…einigermaßen entsetzt bin ich darüber, dass (Zitat) “…Physik-Professur Jochen Kuhn forlgendermaßen [formuliert] : „Das Besondere hierbei ist, dass das Buch die Stärken und Schwächen der Schülerinnen und Schüler mithilfe integrierter Sensoren frühzeitig erkennt“. ”
Abgesehen von den orthografischen Mängeln dieses Satzes erscheint es mir ziemlich abenteuerlich, optischen Sensoren die Fähigkeit zuzusprechen, Lernschwierigkeiten von Schülern zu diagnostizieren. Ähnliches Gedankengut prägte doch m.W. auch das sogenannte “operationalisierte Lernen” aus den siebziger jahren des vergangenen Jahrhunderts, das dann ebenfalls sehr bald in der pädagogischen Mottenkiste verschwunden ist.
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