Um Schüler zu befrieden: Senioren helfen als Streitschlichter an Schulen

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KÖLN. Lästereien, Streit oder Beschimpfungen: Wenn Schüler untereinander Ärger haben, gibt es an einigen Schulen eine besondere Anlaufstelle. Senioren stehen für Gespräche bereit und versuchen, zu vermitteln.

Für pensionierte Lehrkräfte eröffnen sich derzeit neue Karriereoptionen - nicht nur in NRW. Foto: Florian Schwalsberger / flickr (CC BY 2.0)
Senioren als Schlkichter an Schulen? Foto: Florian Schwalsberger / flickr (CC BY 2.0)

Als Jasmine, Lara und Raffaela einmal einen schlimmen Streit hatten, sind sie zu «Daggy» und «Babs» gegangen. «Die haben uns dann geholfen, das zu klären», erzählt die neunjährige Lara. «Und jetzt sind wir dicke Freundinnen.» «Daggy» und «Babs» – das sind Dagmar Knopf-Kaupert und Barbara Savelsbergh, zwei ältere Damen, die an einer Kölner Grundschule ehrenamtlich als Mediatorinnen arbeiten. An rund 40 Schulen in Nordrhein-Westfalen stehen Mitglieder des Vereins «Seniorpartner in School» (SiS) regelmäßig als Ansprechpartner für Schüler zur Verfügung.

Der erste SiS-Verein in Deutschland entstand nach einem Vorbild aus den USA 2001 in Berlin. Inzwischen gibt es unter dem Dach eines Bundesverbands fast überall Landesverbände. Die Senioren werden in einer 80-stündigen Ausbildung auf ihre Arbeit als Streitschlichter vorbereitet.

«Wir helfen den Schülern, Konflikte gewaltfrei zu lösen», sagt Knopf-Kaupert. Wichtigstes Prinzip sei die Vertraulichkeit: «Was sie uns erzählen, bleibt im Raum.» Dass die Kinder freiwillig zum Gespräch kommen, sei eine weitere Grundregel. «Zwar werden sie teilweise von den Lehrern zu uns geschickt, aber wenn ein Kind nicht mit uns sprechen möchte, darf es gehen», erläutert die 71-Jährige. Typische Fälle für die Mediatoren seien Konflikte wegen Lästereien, Beschimpfungen oder störender Unarten wie lautem Rülpsen.

«Dadurch, dass wir von außen kommen, haben wir einen ganz anderen Zugang zu den Kindern als Eltern oder Lehrer», sagt Ulrich Wember vom Vorstand des NRW-Landesverbands. «Sie fühlen sich ernst genommen, weil wir Zeit für sie haben und ihnen zuhören.» Für die Senioren sei die Aufgabe eine sinnvolle, bereichernde Tätigkeit im Ruhestand.

Viele Schüler kämen auch zu Einzelgesprächen zu den Mediatoren. «Ich schicke Kinder häufig dann dorthin, wenn ich das Gefühl habe, dass hinter einem aktuellen Problem in Wirklichkeit noch mehr steckt», sagt Angela Lingens, Leiterin der Katholischen Grundschule Langemaß in Köln-Mülheim. So habe zum Beispiel ein Viertklässler plötzlich immer wieder für Ärger gesorgt – doch dem Jungen machte wohl auch der bevorstehende Wechsel zur weiterführenden Schule zu schaffen. Mit Knopf-Kaupert und Savelsbergh habe er dann über seine Sorgen reden können. Lingens ist vom SiS-Projekt begeistert: «Es wirkt sich positiv auf das Schulklima aus.»

Die Senioren sehen ihre Rolle als Vermittler. «Wir geben bei Konflikten keine Lösung vor, sondern die Kinder müssen sich am Ende selbst untereinander einigen», betont Wember. Aus Erwachsenen-Sicht erschienen die gefundenen Lösungen manchmal überraschend oder nicht ausreichend: «Aber es kommt darauf an, dass die Kinder damit zufrieden sind.» Er erzählt von einem Fall, bei dem sich ein Mädchen darüber aufgeregt hatte, dass eine Mitschülerin ständig über ihr Wendepailletten-Shirt strich. «Die beiden vereinbarten dann, dass das eine Kind mit dem Gestreichel aufhört, wenn das andere ihm ein Zeichen gibt.»

Rund 125 Schulmediatoren sind im SiS-Landesverband NRW engagiert. Einmal pro Woche besuchen sie in Zweierteams «ihre» Schule. «Seitens der interessierten Schulen gibt es mittlerweile eine Warteliste», sagt Wember. Der Verband, der seine Arbeit überwiegend durch Spenden finanziert, suche ständig engagierte Senioren. Denn jedes Jahr scheide etwa ein Fünftel der aktiven Mitglieder aus Altersgründen aus.

Wenn es nach Jasmine, Lara und Raffaela geht, könnten «Babs» und «Daggy» ruhig öfter in die Schule kommen. «Am liebsten wäre mir, sie wären jeden Tag da», meint Lara. «Denn sie versuchen, einem immer zu helfen, wenn man ein Problem hat.» (Petra Albers, dpa)

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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