DÜSSELDORF. Eine Umfrage, mit der die nordrhein-westfälische FDP-Landtagsfraktion Stimmung pro weite Schulöffnungen machen und ihre Schulministerin Gebauer unterstützen wollte, wird zum Bumerang. Nicht nur, dass das Ergebnis geschönt dargestellt wurde. Eine neue Umfrage im Auftrag des WDR zeigt sogar: Die Politik der vollständigen Schulöffnungen vor den Sommerferien wird von den Bürgern – anders als von der FDP behauptet – mehrheitlich abgelehnt. Heute starteten rund 600.000 Grundschüler in den Unterricht ohne Abstandsregel.
Von einem «verantwortungsvollen Schritt in ein Stück Normalität» sprach am Montag NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) in einem WDR 2-Interview mit Blick auf den heute gestarteten Regelunterricht in den Grundschulen. «Es ist kein Experiment», betonte sie. Grundschulkinder bräuchten Struktur, die ihnen die Schule bieten könne. Es sei nach der langen Zeit der Schulschließung für die jüngsten Schulkinder wichtig, mit einem positiven Schulerlebnis abschließen zu können. Das Infektionsgeschehen in der Altersgruppe gehe in Nordrhein-Westfalen zudem gen Null. Seit heute muss in den Grundschulen des Landes kein Abstand zwischen den Schülern von 1,50 Metern eingehalten werden. Im öffentlichen Raum außerhalb der Schule gilt die Abstandsregel nach wie vor.
Gebauer hatte Ende vergangener Woche vermeintlich Rückendeckung durch eine Umfrage im Auftrag der FDP-Landtagsfraktion bekommen: „Die Mehrheit der Menschen in NRW findet den Start des regulären Unterrichts an Grundschulen am Montag richtig“, so meldete die Deutsche Presseagentur unter Berufung auf die FDP-Landtagsfraktion. Das stimmt so aber gar nicht, wie News4teachers richtigstellte.
Nach „regulärem Unterricht“ wurden die Bürger gar nicht gefragt
Korrekt ist: Die Mehrheit der Menschen in NRW äußerte lediglich Zustimmung dazu, dass Grundschüler wieder jeden Tag in die Schule gehen können. Nur danach waren Bürger im Rahmen der repräsentativen Umfrage befragt worden, die von der FDP-Landtagsfraktion in Auftrag gegeben worden war – von «regulärem Unterricht» war dabei keine Rede. Die Fragestellung lautete wörtlich: «Wie bewerten Sie, dass in Nordrhein-Westfalen alle Grundschüler ab dem 15. Juni wieder jeden Tag in die Schule gehen können?» Dass mit der Öffnung die bisher geltende Abstandsregel im Unterricht gestrichen wird, darüber wurden die Befragten nicht informiert.
Der WDR hat jetzt mit einer konkreteren Umfrage nachgehakt. Und siehe da: Die Entscheidung der Landesregierung, die Grundschulen noch vor den Ende Juni beginnenden Sommerferien wieder vollständig zu öffnen, wird von den Bürgern in Nordrhein-Westfalen in allen Altersgruppen mehrheitlich abgelehnt. Nach Ansicht von 52 Prozent der Wahlberechtigten hätte man damit bis nach den Sommerferien warten sollen. Lediglich 40 Prozent finden die Entscheidung richtig. Rückhalt genießt der Schritt der liberalen Schulministerin Gebauer allein im eigenen Lager: Mit 64 Prozent finden fast zwei Drittel der FDP-Anhänger die Öffnung der Grundschulen ab dem 15. Juni richtig.
WDR fragte präzise nach „normalem Schulbetrieb“
Für den NRW-Trend im Auftrag des WDR-Magazins «Westpol» hatte das Institut Infratest dimap vom 8. bis 9. Juni 1001 Wahlberechtigte in NRW telefonisch befragt. Die Fragestellung lautete: «Wegen der Corona-Pandemie wurde der Schulbetrieb in Nordrhein-Westfalen eingeschränkt. Ab nächster Woche werden die Grundschulen in NRW wieder vollständig geöffnet. Finden Sie es gut, dass der normale Schulbetrieb an den NRW-Grundschulen jetzt noch vor den Sommerferien wieder aufgenommen wird? Hätte man damit bis nach den Sommerferien warten sollen? Oder sollte der normale Grundschulbetrieb erst wieder beginnen, wenn es einen Corona-Impfstoff gibt bzw. keine Neuinfektionen mehr auftreten?» News4teachers / mit Material der dpa
Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.
Schulöffnungen: Wie die FDP mit einer Umfrage, die das Wesentliche verschweigt, Stimmung macht
Super!
Da werden 1001 Leute willkürlich ausgewählt. Sind das Familien gewese? Familien mit Kleinkindern? Betroffene? Oder irgendwer, der vom Thema nicht betroffen ist? Omas und Opas, die sich von der Angstmacherei beeinflusst wurden?
Einfach nur peinlich…
Es handelt sich in beiden Fällen um repräsentative Umfragen seriöser Meinungsforschungsinstitute. Repräsentativität bedeutet, dass eben nicht willkürlich Menschen („Omas und Opas“) befragt werden – sondern dass eine Stichprobe erhoben wird, die in wesentlichen Grundzügen der Bevölkerung entspricht. Innerhalb einer marginalen Fehlermarge lässt sich daraus auf die Gesamtheit schließen.
Allerdings kommt es schon auf die exakte Frage an, welche Schlussfolgerungen sich aus dem Ergebnis herleiten lassen. Konkret: Man kann es durchaus begrüßen, dass Grundschüler täglichen Unterricht haben (wie im Auftrag der FDP gefragt worden war), ohne deshalb gleich die Schulöffnungen ohne Abstandsregeln der schwarz-gelben Landesregierung gutzuheißen. Die Interpretation des Ergebnisses durch die FDP-Landtagfraktion war also falsch. Herzliche Grüße Die Redaktion
@Müller: Also doch keine Fake News.
Eine kritische Hinterfragung ist immer gut, man sieht es ja aktuell in den USA.
Die Betonung, die Art der Frage und der Nachsatz „Einfach nur peinlich…“
ist aber nur schlechter Stil.
Auch wenn hier ein Meinungsforschungsinstitut beauftragt war, wäre das Ergebnis anders ausgefallen, würde die Anzahl der befragten halt von der anderen Seite negativ ausgelegt worden. Zudem ist die Fragestellung ja auch ausschlaggebend, welche Antworten ich bekomme.
Wie gut die Aussagen der Institute sind, sieht man ja an den Wahlprognosen der letzten Jahre.
Was ich nicht erkennen kann, ist: Im Artikel stehen mehrere Fragen, aber nur eine prozentuale Auswertung. Hier wäre die Differnezierung der Ergebnisse auf jede Frage intressant.