Kultusminister streicht (praktisch) alle Klassenarbeiten bis zum Sommer. Lehrer sind sauer

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MÜNCHEN. Was denn nun? Das bayerische Kultusministerium sorgt mit Aussagen zu Schulaufgaben (wie in Bayern die Klassenarbeiten genannt werden) für viel Verwirrung bei Lehrern, Schülern und Eltern. Jetzt heißt es: Bis zu den Pfingstferien dürfen doch noch Tests geschrieben werden – mit Einschränkung jedenfalls. So oder so: Der bayerische Realschullehrerverband kritisiert das Aussetzen der Schulaufgaben im verbleibenden Schuljahr scharf.

Will Druck rausnehmen: Bayerns Bildungsministerer Michael Piazolo. Foto: Andreas Gebert / StMUK

Die Entscheidung müsse umgehend geändert werden, forderte der Landesvorsitzende (und VDR-Bundesvorsitzende) Jürgen Böhm am Mittwoch in München. Die großen Leistungsnachweise seien wichtig, um die Qualität der Bildung aufrechtzuerhalten «und die erbrachten Leistungen und Lehrzuwächse aus der Zeit des Distanzunterrichts entsprechend zu würdigen».

«Hierbei einfach von oben herab in laufende pädagogische Prozesse einzugreifen, ist fahrlässig, demotiviert viele leistungsbereite Schüler und stößt engagierte Kolleginnen und Kollegen vor den Kopf», erläuterte Böhm. Er warf Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) zudem fehlende Kommunikation vor. Der Minister hatte am Montag verkündet, dass die großen Leistungsnachweise an Realschulen, Gymnasien und Wirtschaftsschulen im restlichen Schuljahr entfallen sollen. Für Verwirrung sorgte dabei, dass in der offiziellen Weisung des Ministeriums an die Schulen erst von der Zeit nach den Pfingstferien die Rede war.

«Unsere Schülerinnen und Schüler müssen sich erst wieder einfinden»

Den Zeitraum bis Pfingsten müsse man differenziert betrachten, erläuterte Piazolo am Mittwoch. In den meisten Landkreisen kehrten die weiterführenden Schularten erst jetzt nach und nach in den Wechselunterricht zurück. Diese Schülerinnen und Schülern sollten ohne Druck durch Klausuren wieder einsteigen können. «Aber wir haben den Sachverhalt, dass auch schon große Schulaufgaben terminiert sind», erläuterte Piazolo. «Da haben wir die Sonderregelung, die wir über die Schulaufsicht kommuniziert haben, dass die stattfinden können. Aber nur auf freiwilliger Basis und nur zur Notenverbesserung.»

Der Kultusminister erklärte: «Der Fokus wird hier in den kommenden Wochen ganz klar auf der Sicherung von Basiswissen und grundlegenden Kompetenzen liegen. Unsere Schülerinnen und Schüler müssen sich erst wieder einfinden.» Zeitdruck und übermäßigen Leistungsdruck sollten dabei vermieden werden.

«Die Corona-Auswirkungen werden den Schulbetrieb noch länger prägen»

«Wir wollen auch heuer am Schuljahresende ein aussagekräftiges Feedback zum Leistungsstand – aber keinen übermäßigen Druck durch zu viele Leistungsnachweise», sagte Piazolo. «Selbst wenn nur noch eine Schulaufgabe pro Fach geschrieben würde, käme es vielfach zu einer Ballung – und die wollen wir verhindern.» Sogenannte kleine Leistungsnachweise könne es aber überall noch geben, schriftlich und mündlich, «freilich auch hier mit Augenmaß». An anderen Schularten, beispielsweise der Mittelschule, haben die Lehrkräfte laut Kultusministerium ohnehin größere Spielräume.

Piazolo kündigte zudem weitere Anpassungen an, Richtung Schuljahresende und auch mit Blick auf das kommende Schuljahr. «Die Corona-Auswirkungen werden den Schulbetrieb noch länger prägen», sagte er. «Wir werden daher auch heuer beim Vorrücken auf Probe großzügig sein, ein Wiederholen nicht auf die Höchstausbildungsdauer anrechnen und weiterhin Schwerpunkte im Lehrplan setzen.» Sein oberstes Ziel sei es aber, die Schülerinnen und Schüler so rasch wie möglich in einen normalen Schulalltag zurückzubringen, «am besten so bald wie möglich mit vollem täglichem Präsenzunterricht für alle». News4teachers / mit Material der dpa

Lehrerverbandschef zeigt sich genervt von Kultusminister Tonne („Was denkt der…?“)

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Marc
2 Jahre zuvor

Ist das nicht der, der den Grundschulleuten die 29. Stunde aufgebrummt hat, aber kein A13 zahlt?

Katinka
2 Jahre zuvor
Antwortet  Marc

Was hat das mit dem Artikel zu tun? Aber ja, ist er.

Bavarianteachy
2 Jahre zuvor
Antwortet  Marc

Genau der.
Und der, der die Faschingsferien gestrichen hat.

GriasDi
2 Jahre zuvor
Antwortet  Bavarianteachy

Nein, er hat die Faschingsferien nicht gestrichen. Gestrichen hat sie Söder ohne Absprache mit dem Kultusministerium.

Katinka
2 Jahre zuvor

Ich empfinde es auch als Schlag ins Gesicht, weil es den Distanzunterricht und die Arbeit der letzten Monate abwertet. Dann hätten wir es auch sein lassen können, wenn man die Inhalte jetzt nichtmal mehr abprüfen darf und sich trotzdem ein verlässliches Bild über den Lernstand machen soll. Es ist schwierig, sich rein über das Mündliche einen Eindruck zu verschaffen.
Außerdem werden die SchülerInnen dann im Herbst aus allen Wolken fallen und wieder völlig überfordert sein, weil sie seit einem Jahr keine Klassenarbeit mehr geschrieben haben und diese Prüfungssituation gar nicht mehr kennen, das war zu Beginn dieses Schuljahres schon so. Immerhin ist es nicht so wie letztes Jahr, dass man NUR noch Noten zur Verbesserung geben darf. Man darf jetzt auch „normale“ Noten geben und immerhin noch Test schreiben, sonst sähe ich für die Wochen nach Pfingsten schwarz. Das ist ein Schnitt ins eigene Fleisch, denn wenn die SchülerInnen wissen, es wird kaum noch was abgeprüft, nehmen sie es nicht wirklich ernst und reißen damit noch tiefere Wissenslücken rein, die noch schwerer wieder aufzuholen sind. Pauschal alle Klassenarbeiten abzusagen halte ich für wenig sinnvoll.

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Katinka

Sehe ich auch so. Bayern scheint wohl mittelfristig den Spitzenreiterplatz im Ländervergleich abgeben zu wollen.

Ich kenne das bayerische Prüfungssystem zu wenig, jedoch dürfte es auch dort einen gewissen Spielraum bei der Gestaltung von Tests geben. Diesen kann man ja mal voll ausreizen hinsichtlich Anzahl, Bearbeitungszeit und Schwierigkeitsgrad, um den fleißigen Schüler zu bestätigen, dass sich ihre Arbeit gelohnt hat und den entspannten Schülern mal deutlich ihre Entspannung vor den Latz zu knallen.

Markus
2 Jahre zuvor

Dieser Mann ist nicht mal in der Lage die verschiedenen Schulformen innerhalb eines Pressetermins auseinander zu halten. Ein Lehrer erhält generell nur noch über Pressetermine Auskünfte wie er zu arbeiten hat.
KMS gibt es entweder nicht, zu spät oder mit anderem Wortlaut.

Riesenzwerg
2 Jahre zuvor

Ich finde viel schlimmer, dass die Kids das Lernen und uns faule Säcke nun ministeriell vorgegeben nicht mehr ernst nehmen müssen.

Was wird das eine Lachnummer – die Hausaufgaben zu morgen…..

Lasst uns die Noten würfeln!

Da werden wihl einige engagierte Eltern ihre Rechtsanwälte bemühen….

Achim
2 Jahre zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Ach, lieber Riesenzwerg. Offensichtlich haben Sie keinen Schimmer davon, was die Kids von Lehrern halten. Klar, während der Schulzeit bleibt ihnen nichts anderes übrig, als alles zu schlucken und sich unterzuordnen. Nach der Abschlussfeier kommt dann der Bruch. „Mit denen will ich nie wieder zu tun haben…..“

Teacher Andi
2 Jahre zuvor
Antwortet  Achim

Was soll diese Pauschalisierung? Sie argumentieren ja gerade so, als ob alle Lehrer nur unfähig und autoritär sind. Schon mal in letzter Zeit in der Schule gewesen?

Katinka
2 Jahre zuvor
Antwortet  Achim

Ach, aber Sie haben Schimmer davon, was ALLE SchülerInnen denken?
Interessant…

Andreas
2 Jahre zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

An was liegt es denn, dass ständig Anwälte von den Eltern angeheuert werden müssen? Vielleicht liegt es auch daran, dass man manchen Lehrern nicht anders beikommt, weil Sie von ihrem hohen Ross herab regieren. Sie sind es eben nicht gewohnt einmal Gegenwind zu bekommen und lassen es dann soweit kommen. Schüler, die eine eigene Meinung haben kann man ja problemlos massregeln. Lehrer hatten viel zu lange gerade in kleinen Gemeinden eine gerade gottgleiche Stellung neben Bürgermeister und Pfarrer. Zum Glück ändert sich das so langsam.

Teacher Andi
2 Jahre zuvor

„Von oben herab“, das trifft es im Kern. Es war noch nie anders. Aber jetzt zeigt sich ganz deutlich die Unfähigkeit und Unbeholfenheit des KuMis, und dieser Herr Piazolo mag auf seinem Gebiet eine Koryphäe sein, aber als Bildungsminister hoffnungslos überfordert. Aus Angst, jetzt einer Flut von elterlichen Klagewellen gegenüber zu stehen, greift er hier in den pädagogisch sinnvollen Ablauf, den die Lehrer am besten beurteilen können, ein mit Entscheidungen, die nicht sonderlich zielführend aber für ihn bequem sind, um es mal gemäßigt auszudrücken. Im Endeffekt heißt das: alle Schüler kommen durch, auch solche, die in der Distanzzeit keinerlei Leistungsbereitschaft gezeigt haben. Die Konsequenzen werden alle Beteiligten vor große Probleme stellen, aber bis dahin ist Herr Piazolo vielleicht schon weg und der Posten wird weitergegeben an den nächsten „Experten“, der politisch oben auf der Liste steht. Spätfolgen und Nachhaltigkeit werden wie immer ausgeklammert.
Traurig, was man mittlerweile an der Basis alles ertragen muss. Es ist verwunderlich, dass die Lehrer immer noch alles so geduldig schlucken.

xy
2 Jahre zuvor

Das völlig erratische Vorgehen und die schlechte Kommunikationspolitik waren bei Eltern und Lehrern der größte Auslöser von Stress. Eltern holten sich ihre Informationen nicht mehr aus der Schule, BR24 war die Quelle, die schneller informierte. Getroffene Absprachen mit Partner oder AG mussten oft innerhalb von einigen Tagen umgeworfen werden. Daran ist nicht Piazolo alleine schuld, bei den Schulen war in allen Bundesländern kein konstantes und pandemiegerechtes Vorgehen zu erkennen und die Probleme waren in vielen deutschen Familien ähnlich.
Die geplanten Tests abzusagen ist gut gemeint, wird aber nach hinten losgehen. Manche Lehrer werden gehäuft kleine Tests schreiben und es wird kaum Erleichterung bringen, denn am Ende müssen Noten stehen.

Dala Wald
2 Jahre zuvor
Antwortet  xy

Herr/Frau xy hat völlig recht, die „Erleichterung“ geht nach hinten los.
Von wegen keine Lernstandserhebungen! Ich bin kein Lehrer, aber Mutter eines 7-Klässlers (Gymnasium in Bayern). Heute, erste Schultag, sind in alle Hauptfächer schon Kurzarbeiten angekündigt für die nächsten 3 Wochen. Dazu kommt noch eine schneller Vokabeltest in Latein gleich noch diese Woche, wo ein Wortschatz von 5 Lektionen abgefragt wird. Bei uns wurde die ministerielle Gutmütigkeit einfach so verstanden, dass man weiterhin Schulaufgaben einfordert, die aber etwas kürzer sind und auf Papier anders heißen, Kurzarbeit eben. Lernen muss das Kind so oder so. Kein Druck wurde rausgenommen! Keineswegs! Wäre schön gewesen.
Niemand scheint hier zu verstehen, dass die Kinder es auch satt haben: seit zwei Jahren keine Ausflüge, kein Klassenfahrt, kein Skilager, kein Wandertag, kein Sport, kein Weihnachtsbasar, kein Schultheater oder -konzerte, dieses Jahr auch kein Faschingsferien. Nur lernen.
Warum kann man nicht das Ganze mal anders angehen? Warum kann man nicht gemeinsame Projekte machen, wo die Klasse sich wieder zusammenfindet, sich „resozialisiert“? Es wäre viel wichtiger als die Lateinvokabeln und Kurzarbeiten. Sorry, die Noten sind nicht die wichtigsten Sachen im Leben.