GEW-Chefin Finnern fordert zum Tag der Arbeit ein 100-Milliarden-Sondervermögen für Bildung

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ESSEN. Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, hat vorgeschlagen, ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bildung aufzulegen. Mit diesem Geld sollten Maßnahmen finanziert werden, um die Chancengleichheit in Deutschland zu verbessern. „Gleiche Bildungschancen sind entscheidend für die Entwicklung unserer Gesellschaft. Sie ermöglichen den Menschen Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben“, begründete Finnern ihren Vorstoß während der Kundgebung der DGB-Gewerkschaften am 1. Mai in Essen. Der „Tag der Arbeit“ steht unter dem Motto „GeMAInsam Zukunft gestalten“.

„Das alles kostet Geld, viel Geld“: Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Foto: GEW

Die GEW-Vorsitzende machte deutlich, dass sie die Bildungsvorhaben mit dem Titel „Mehr Fortschritt wagen“, die die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hat, grundsätzlich begrüße. Sie stellte aber auch fest: „Die neue Bundesregierung inszeniert sich mit viel Pathos. So große und bedeutsame Worte wollen aber erst einmal gefüllt und umgesetzt werden. Denn so gut und fortschrittlich sich die Pläne der Regierung anhören, so wenig wird über die Preisschilder gesagt, die sich hinter den angekündigten Maßnahmen verbergen. Und bereits jetzt, nach knapp fünf Monaten, bröckelt die Einheit, der kleinste Koalitionspartner FDP nimmt sich extrem viel Raum.“

„Die Bundesregierung wird ihre Projekte nicht finanzieren können, ohne das Kooperationsverbot in der Bildung komplett zu schleifen“

Die angekündigten Verbesserungen der Betreuungsrelation in den Kitas, Qualitätsstandards für den Ganztag, sozial Ungleiches ungleich zu behandeln mit dem Startchancen-Programm, das für 20 Prozent der allgemein- und berufsbildenden Schulen greifen soll, mehr Dauerstellen für Daueraufgaben an den Hochschulen und die Fortführung der Nationalen Weiterbildungsstrategie seien richtige Projekte. „Fest steht: Das alles kostet Geld, viel Geld. Das Sondervermögen ist eine Lösung. Aber die Bundesregierung wird ihre Projekte nicht finanzieren können, ohne das Kooperationsverbot in der Bildung komplett zu schleifen, die Schuldenbremse zu kippen und die Lasten in unserer Gesellschaft anders zu verteilen. Wir brauchen eine mutigere und gerechtere Steuerpolitik, die Vorschläge des DGB liegen auf dem Tisch“, unterstrich Finnern.

„Die zweite entscheidende Frage lautet: Mit welchem Personal sollen die Veränderungen vor dem Hintergrund des dramatischen Fachkräftemangels gelingen? Bis 2030 werden mindestens 250.000 qualifizierte Menschen in den Bildungsberufen fehlen. Bund und Länder müssen diesen Fachkräftemangel endlich gemeinsam wirksam bekämpfen“, betonte Finnern. „Wenn das nicht gelingt, sind alle anderen Vorhaben zum Scheitern verurteilt.“ Zusätzlich müssten die Fachkräfte an Kitas, Schulen, Hochschulen und in der Weiterbildung nach zwei Jahren Corona-Pandemie endlich entlastet werden: „Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten am Limit – und oft darüber hinaus.“

„Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben eine friedenspolitische Überzeugung aus historischer Verantwortung“

Die GEW-Vorsitzende verurteilte den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine scharf. Sie appellierte an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: „Beenden Sie diesen Krieg sofort! Lassen Sie endlich die Waffen schweigen!“ Finnern verwies auf die grenzüberschreitende Solidarität der Gewerkschaftsbewegung: „Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben eine friedenspolitische Überzeugung aus historischer Verantwortung. Wir arbeiten eng mit der internationalen Gewerkschaftsbewegung zusammen. Wir organisieren praktische Hilfe.“

Gemeinsam unterstützten die DGB-Gewerkschaften die ukrainischen Gewerkschaften mit humanitärer Hilfe, organisierten Konvois und Züge mit Hilfsgütern und öffneten die Bildungsstätten für Geflüchtete. „Die vielen Kinder und Jugendlichen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, in das Bildungssystem in Deutschland zu integrieren, ist eine große Herausforderung. Dieser stellen sich alle Beschäftigten gerne. Sie brauchen von der Politik jedoch materielle und personelle Unterstützung“, sagte Finnern. News4teachers

„Die fehlende Wertschätzung der Arbeitgeber ist total enttäuschend“: GEW-Chefin Maike Finnern im Interview

 

 

 

 

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kanndochnichtwahrsein
1 Jahr zuvor

Warum muss sich etwas ändern?
Es muss mehr in Bildung investiert werden (nicht unbedingt nur Geld), damit alle anderen Vorhaben und Aufgaben (von Gesundheit üder Wirtschaft bis hin zur Verteidigung, sollte es denn notwendig werden) nur funktionieren können, wenn ausreichend gut ausgebildete und verantwortungsbewusste Menschen künftige Aufgaben übernehmen können.
Halbherzig abgehandelte Bildung, unbedachte Sparmaßnahmen oder gar als lästig „mal kurz mit irgendwem besetzte“ Bildungsressorts gefährden alles andere.
Ohne gutes Bildungswesen (nicht nur „fürs Abi lernen“) werden wir in Zukunft weder fähige und phantasievolle Wissenschaftler und entwickler haben, noch reflektiert, besonnen und unaufgeregt handelnde und entscheidende Politiker!

Wie muss sich etwas ändern?
Bildung muss grundlegend auf gesunde Füße gestellt werden. Beim Wort „Maßnahmen“ stellen sich mir schon die Nackenhaare hoch – gewöhnlich ist diese Wortwahl (hier vielleicht/hoffentlich so nicht gemeint) das Mäntelchen für schnelle, wenig reflektierte, kurz medien- und öffentlichkeitsheischende, dann aber schnell wieder verpuffte „Projekte“.
Wir brauchen aber nachhaltige Strukturen, die im Normalfall Raum für Flexibilität im Sinne der Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes (Bedrüfnisse – nicht gleichzusetzen mit Ansprüchen oder Wünschen!!) sicherstellen, aber auch in Krisen bestehen können.

Wer soll das leisten?
Lehrer sind und bleiben auf Sicht Mangelware. Lehrer sind bereits am Ende ihrer Möglichkeiten und oft ihrer Kräfte oder weit drüber hinaus.
Ich denke, jetzt ist die Gesellschaft gefragt. Wir können uns keine „Versorgungsmentalität“ mehr leisten. Wir können nicht mehr sicherstellen, dass alle Kinder Anspruch auf Ganztagsbetreuung durch Lehrer haben.
Schule und Lernen hat auch früher funktioniert, als Schule noch um 14 Uhr endete (manchmal denke ich sogar besser…). Eltern oder Vertreter anderer Professionen müssten Betreuungsaufgaben übernehmen, damit Schule wieder Qualität bekommt, damit Lehrerarbeitszeit für ihren eigentlichen Zweck genutzt werden kann, Lehrer nicht verbrannt werden, indem ihre 25 oder 28 Unterrichtsstunden über jeweils einen 10 Stunden Unterrichtstag verteilt werden, um danach und am Wochenende noch die andere Hälfte der Arbeitszeit zu Hause zu leisten. Außerdem fallen für viele weite Anfahrtswege an, die nochmal 5, 10 und mehr Stunden pro Woche Zeit – und Nerven – fressen.
Sicher sollen Eltern ihrer Erwerbsarbeit nachkommen können und die Kinder derweil gut aufgehoben sein. Aber das müssen doch nicht Lehrer machen!
Den Lehrermangel werden wird man m.E. in den nächsten 10 Jahren nur abfedern können, wenn wir zum Halbtagsunterricht zurückkehren, Lehrer wieder Raum und Zeit für qualitativ guten Unterricht haben, den sie dann machen, wenn Kinder sich konzentrieren können. Das ist nicht in der 7. oder 8. Stunde.

Welche Aufgaben werden Lehrer haben?
Es wird höchste Zeit, die Aufgaben der Lehrer klarer abzugrenzen, statt sie immer weiter zu erweitern. Viele Kollegen haben heute das Gefühl, für ihre Aufgaben nie ausgebildet worden zu sein, ihnen nicht gewachsen zu sein, für Dinge herhalten zu müssen, weil sonst niemand da ist für diese Aufgaben – angefangen von der Betreuung und Förderung zieldifferent zu fördernder oder zunehmend verhaltenskreativer und fordernder Kinder über den Umgang mit mindestens ebenso verhaltenskreativen und fordernden Eltern, die Gesundheitssorge (von Vorsorge kann man in der Pandemie ja wohl kaum sprechen) bis hin zu Friedenspädagogik in Kriegszeiten (nicht erst seit Putin) und Umweltpädagogik im Klimawandel – beides eigentlich nicht mehr erklärbar und vermittelbar, weil nicht vernunftorientiert gehandelt und weltweit mit unterschiedlichem Maß gemessen wird.
Für all diese Aufgaben wollen wir ausreichend und ausreichend (gleichzeitig in allen genannten Bereichen) qualifizierte neue Kollegen finden????

Wenn wir nicht weiter träumen wollen, werden wir jetzt wirklich handeln müssen.
Gerne mit Sondervermögen – aber ein echtes und ehrliches Umdenken würde vielleicht auch schon was bringen!

Last edited 1 Jahr zuvor by kanndochnichtwahrsein
fabianBLN
1 Jahr zuvor

Diese 100 Milliarden nimmt die GEW woher? Bisher sagte man ja in solchen Fällen immer gerne, bei der Rüstung könnte gespart werden. Das las ich auch hier schon. Nun soll aber gerade bei der Rüstung investiert werden. Wo soll das dann eingespart werden oder wer soll mehr zahlen?

Bla
1 Jahr zuvor
Antwortet  fabianBLN

Also ist die Alternative – welche genau?
Bitte mal ein kleines Konzept oder auch nur Gedanken.
Das würde mich ernsthaft interessieren.

Wer nicht investiert, braucht nicht klagen. Wenn Abstriche (und jetzt wird mal nicht Coronatests gemeint) gemacht werden, dann bitte mit den Konsequenzen leben und ehrlich sein.
Also sagen Sie dann bitte auch: „In Bildung ist es nicht Wert etwas zu investieren“. Dann wären sie zumindest ehrlicher als viele Parteiprogramme.

klm
1 Jahr zuvor
Antwortet  Bla

Die Anklage von Unehrlichkeit aus dem, was fabianBLN sagt, zu erheben, finde ich abstrus. Müssen es denn immer gleich persönliche Unterstellungen und Beschimpfungen sein, wenn eine Meinung nicht gefällt!?

Bla
1 Jahr zuvor
Antwortet  klm

Also war das eine ernst gemeinte Frage oder wie?
Dann: Es gibt deinen Haushaltsplan. Der wird geplant. Dort plant man Bildung eben auch in Ziffern/Zahlen mit ein oder wirbt es nicht. Logisch eigentlich?
Wenn man nichts investieren kann, dann darf/sollte man das nicht bewerben.
Wenn man es bewirbt, sollte man auch Zahlen dazu haben.
Wenn man es bewirbt, dann sollte man auch damit rechnen, dass es eingefordert wird. So ist das nunmal.
Woher die GEW das Geld nimmt? Das braucht sie nicht. Das ist nicht ihr Job. Daher ist die Frage unnötig.
Woher man das Geld nehmen könnte? Naja, entweder man macht eine realistische Wirtschaftsrechnung und geht damit dann auch in den Wahlkampf oder man „lügt“. Notfalls muss man eben von einer „Schwarzen 0“ sich mal abwenden.
Gespart hat man ja schon Jahrzehnte im sozialen Bereich. Wo ist denn das Geld? Ansonsten bitte einfach ehrlich machen und dann eben auch sagen: Okay, „uns“ ist die Bildung eben nicht xy Wert!

Last edited 1 Jahr zuvor by Bla
D. Orie
1 Jahr zuvor

JUPPPPPP!

Schattenläufer
1 Jahr zuvor

Keinen zusätzlichen Pfennig wird es für die Bildung geben.
Das hat Tradition!
Das hat sich bewährt!!
Zusätzlich Mittel wird es maximal für mehr Papier im KuMi geben. Damit kann man dann noch mehr dienstliche Anweisungen und motivierende Briefe an die Schulen verschicken.
Mann kann damit auch Presseerklärungen herausgeben, welche die gute Arbeit der KMK loben.
Mehr wird nicht kommen.

Realist
1 Jahr zuvor

GEW „fordert“ 100 Milliarden extra.

Wie süß, der Unterdackel von Verdi kläfft sein Herrchen (= die Politik) an.

Kläffen können sie viel, aber wenn es drauf ankommt (siehe letzte Tarifverhandlungen), dann kneift GEW/Verdi wieder den Schwanz ein und „verhandelt“ eine Nullrunde bei fast 8 Prozent Inflation…

Geld für bildungspolitische Luftschlösser fordern (und natürlich nicht bekommen), aber für die Mitglieder und Beschäftigten 8 Prozent ReallohnVERLUST abschließen…