Philologen zur Digitalisierung: „Reparaturen sind innerhalb von 24 Stunden durchzuführen“

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BERLIN. Der Philologenverband, in dem Gymnasiallehrkräfte organisiert sind, hat sich auf seiner jüngsten Vertreterversammlung mit der Digitalisierung der Schulen beschäftigt und einen Grundsatzbeschluss gefällt. Gefordert werden darin geeignete Strukturen, genügend Zeit, Geld und Personal sowie Rechtssicherheit – im Umkehrschluss bedeutet das wohl: Nichts davon ist bislang gewährleistet.

Reparaturen an der IT binnen 24 Stunden? Davon können Schulen nur träumen. Foto: Shutterstock

Der Deutsche Philologenverband (DPhV) hat auf seiner Vertreterversammlung einen Leitantrag zur Digitalisierung an Schulen verabschiedet. Darin heißt es, die Corona-Pandemie und die zunehmende Digitalisierung hätten einen großen Einfluss auf das Lehren und Lernen am Gymnasium. Bisherige vielfältige Unterrichtsmethoden würden durch digitale Unterrichtsformate ergänzt. „Ein verändertes Rezeptionsverhalten beim Medienkonsum und beim Wissenserwerb unserer Schülerinnen und Schüler erfordert neue Methoden und neue Fähigkeiten. Ziel ist die Bildung von jungen Persönlichkeiten, die zukünftig in der Lage sein müssen, sich sicher und kompetent in einer von digitalen Medien geprägten Welt zu bewegen und gesellschaftliche Prozesse entwickeln und steuern zu können.“

Um die Digitalisierung der Gymnasien voranzubringen, seien zunächst folgende Forderungen zu erfüllen:

  • „Der Bund und die Schulsachaufwandsträger werden aufgefordert, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, dass an allen Gymnasien ein digital unterstützter Unterricht erfolgreich durchgeführt werden kann. Dazu werden flächendeckend leistungsfähige Breitbandanschlüsse, besonders in ländlichen Räumen, benötigt. In jedem Gymnasium muss ein sicheres und leistungsfähiges WLAN-Netz vorhanden sein.
  • Die Schulsachaufwandsträger haben alle Unterrichtsräume mit moderner digitaler Infrastruktur auszustatten. Diese ist durch ausgebildetes Personal der Sachaufwandsträger regelmäßig zu warten und es ist zu gewährleisten, dass erforderliche Reparaturen innerhalb von 24 Stunden durchgeführt werden.
  • Beim Einsatz von digitaler Technik und Software ist sicherzustellen, dass es zu keiner unangemessenen Leistungs- und Verhaltenskontrolle kommt. Das muss durch die Beachtung der entsprechenden rechtlichen und insbesondere mitbestimmungsrechtlichen Vorgaben gewährleistet sein und sollte durch diesbezügliche Dienstvereinbarungen festgeschrieben werden. Bei der Einführung neuer Technik muss die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Gymnasiallehrkräfte oberstes Prinzip sein.
  • Lehrkräfte sowie Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter sind mit persönlichen Dienstgeräten und dazugehöriger Software auszustatten, die es ihnen ermöglicht, einen qualifizierten und modernen Unterricht durchzuführen. Für die Installation der Software und des Virenschutzes sowie für die Instandhaltung der bereitgestellten Geräte hat der Dienstherr zu sorgen.
  • Der Dienstherr hat eine Lernplattform bereitzustellen, die den Anforderungen des Datenschutzes vollumfänglich genügt. Dazu sind alle Lehrkräfte mit Dienstmailadressen auszustatten.
  • Die bestehenden Rechtsnormen sind so anzupassen, dass für die Lehrkräfte wie für die Lernenden bei der Nutzung digitaler Inhalte in den Bereichen des Urheberrechts und des Lizenzrechts maximale Rechtssicherheit besteht.“

Vorbereitend und begleitend seien vom Dienstherrn Fort- und Weiterbildungen bereitzustellen, für die den Gymnasiallehrkräften entsprechende Zeitressourcen gewährt werden müssen, so fordern die Philologen. Außerdem seien Investitionen in den Gesundheits- und Arbeitsschutz erforderlich, um die Leistungsfähigkeit der Gymnasiallehrkräfte bis zum Ruhestand zu erhalten. Die arbeitsmedizinischen Anforderungen an Bildschirmarbeitsplätze seien in allen Gymnasien konsequent umzusetzen.

„Die gleichberechtigte Anerkennung von digitalen Unterrichtsformaten als Arbeitszeit ist notwendig“

„Zudem muss die Wahrung der Persönlichkeitsrechte aller am Schulleben Beteiligten im Prozess der zunehmenden Digitalisierung im Schulbereich ein durchgehendes Prinzip sein. Die konsequente Umsetzung der Datenschutzbestimmungen ist neben der strikten Einhaltung der personalrechtlichen Bestimmungen dafür eine wesentliche Bedingung.“

Die Digitalisierung dürfe weder zu einer Entgrenzung der Arbeitszeit noch zu einer Arbeitsverdichtung führen, sondern sei im Gegenteil bei der Festlegung des Unterrichtsdeputates zu berücksichtigen. „Der während der vergangenen Zeit an vielen Gymnasien parallel zum Distanzunterricht durchgeführte Präsenzunterricht hat die Doppelbelastung der Gymnasiallehrkräfte durch die Betreuung der Schülerinnen und Schüler vor Ort und zu Hause offenbart und die Notwendigkeit der gleichberechtigten Anerkennung von digitalen Unterrichtsformaten als Arbeitszeit deutlich gemacht“, so heißt es. News4teachers

Bürokratie, Fachkräftemangel, Datenschutz: Scheitert die Digitalisierung der Schulen, bevor sie richtig begonnen hat?

 

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Realist
1 Jahr zuvor

„gleichberechtigten Anerkennung von digitalen Unterrichtsformaten als Arbeitszeit“

Alleine die Tatsache, dass man erst fordern muss, dass digitaler Unterricht genauso als Arbeitszeit anerkannt wird, wie Präsenzunterricht, und dass das „Wechselmodell“, das monatelang praktiziert wurde (halbe Lerngruppe in Präsenz, andere Hälfte digital) eine faktische Verdopplung der pro Lerngruppe aufgewnendeten Arbeitszeit bedeutet, beweist doch nur, wie veraltet und „krank“ das aktuelle Modell der Erfassung der Lehrerarbeitszeit ist!

Arbeitszeit verdoppeln ohne entsprechende Entlastung (Freizeitausgleich) oder ohne entsprechende Entlohnung (Überstundenbezahlung), das gibt es wohl wirklich nur noch im Lehramt. Oder bei prekär beschäftigen Scheinselbstständigen im Logistikgewerbe.

Kein Wunder, dass sich immer mehr potenzielle Berufsanfänger sagen: „Lehramt? Ich bin doch nicht blöd!“

GuteIdee
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Bin auch dafür. Arbeitszeit der Lehrkräfte konsequent erfassen. Die Arbeit findet nur noch in den Schulen (auch Vorbereitung etc) statt. Im Rahmen eine Gleitzeitregel können zusätzliche frei Tage generiert werden, allerdings müssen auch sagen wir mal 30 Tage Urlaub verplant werden. Dann ist das blöde Gerede mit den Ferien und dem freien Nachmittagen auch vorbei.
Da mit der angesprochenen Vollausstattung das Arbeitszimmer zu Hause passe ist, kann der Staat ja den Anteil durch die wegfallenden Steuerermäßigungen wieder einsparen.

Mika
1 Jahr zuvor
Antwortet  GuteIdee

Bin ich sofort dabei. Die KuMis können dann endlich mal das Abi und andere Prüfungen so organisieren, dass die Arbeit in 38,5 Wochenstunden zu erledigen ist. Arbeit außerhalb der Regelarbeitszeit von 8-16.30 Uhr ist nur mit Einwilligung der Lehrkraft möglich (Jippie, keine Elternabende ab 19 Uhr mehr, keine Klassenfahrten etc.) und mit dem nächsten Gehalt zu vergüten. Dafür habe ich sehr sehr gern „nur“ 30 Tage Urlaub, die allerdings im Krankheitsfall nicht verfallen (so wie jetzt) und die ich jederzeit nehmen kann. Weiterhin brauche ich einen entsprechend eingerichteten Arbeitsplatz, um den Unterricht vor- und nachbereiten zu können. Also ich wäre sofort damit einverstanden!

Ed840
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mika

Ich dachte bisher auch Lehrer hätten nur 30 Tage Urlaubsanspruch pro Jahr?
Bei Erkrankung verfallen m.W. auch keine Urlaubsansprüche. Ist für Angestellte im Bundesurlaubsgesetz, für Beamte in den jeweiligen Urlaubsverordnungen der Bundesländer so geregelt.

Rabe aus NRW
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ed840

Ferien gelten nicht als Urlaub, sondern sind unterrichtsfreie Zeit, die wir zu einem grossen Teil faktisch auch für die Arbeit nutzen, zumindest in SII. Da sie zeitlich festgelegt sind, gibt es bei Krankheit in den Ferien keinen Ausgleich.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Faktische Verdopplung der Arbeitszeit finde ich übertrieben, zumindest, wenn man halbwegs ökonomisch denkt und das unlösbare Bilokationsproblem nicht versucht zu lösen. Ich bin aber bei Ihnen, dass das Wechselmodell nichts halbes und nichts ganzes war. Es kombinierte das Schlechte aus Volldistanz und Vollpräsenz.

Kritischer Dad*NRW
1 Jahr zuvor

Der Dienstherr hat eine Lernplattform bereitzustellen“ und natürlich auch die dazu erforderlichen technischen Gerätschaften und Zugänge professionell zu unterhalten. Ob dies durch alleine schon „ausgebildetes Personal der Sachaufwandsträger“ in geeigneter Weise möglich ist, möchte ich stark bezweifeln.

Welche Lehrkraft würde freiwillig vom angenommenen PKW des Hausmeisters den Motor zwecks Erneuerung der Zylinderkopfdichtung zerlegen, nur weil diese in der Freizeit technisch versiert ist?
Bei Schul-Netzwerken ist da die Hemmschwelle – warum auch immer – viel geringer aber die Risiken sicher nicht.

„Beim Einsatz von digitaler Technik und Software ist sicherzustellen, dass es zu keiner unangemessenen Leistungs- und Verhaltenskontrolle kommt.“

⚠️ Da ist man mit MS 365 und deren Applikationen mittels Datenanalyse- und Trackingsoftware ja schon bestens für die Zukunft gerüstet.
Unter dem Titel „Workspace Analytics“ hat Microsoft die Analyse-Tools für die Unternehmenssoftware Microsoft 365 erweitert. Neu kann dabei auch ein „Productivity Score“ für jeden einzelnen Mitarbeiter berechnet werden.
Admins können alle Angaben ohne Benachrichtigung der betroffenen Anwender einsehen. Mit seiner umfassenden Office-Umgebung schafft Microsoft also die Möglichkeiten zur minuziösen Mitarbeiterüberwachung“ was für SuS, LuL, KuK dann 1:1 auch anwendbar wäre.✅

Rabe aus NRW
1 Jahr zuvor

Letzteres ist auch bei Moodle so, da braucht man gar keine US Firma zu bemühen.