Fleischmann zum Lehrermangel: Die Politik steuert die Schulen gegen die Wand!

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MÜNCHEN. Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands, hat sich zum dramatisch zuspitzenden Lehrermangel (nicht nur) im Freistaat geäußert – und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zum Einschreiten aufgefordert. Wir veröffentlichen ihren Kommentar im Wortlaut.

„Kann doch nicht sein“: Simone Fleischmann, Präsidentin des BLLV, ist empört. Foto: BLLV

„Schon vor zwei Wochen warnte der BLLV davor: Das Konzept des ‚Fahrens auf Sicht‘ geht nicht auf. Wir forderten deswegen den Ministerpräsidenten höchstpersönlich auf, Bildung jetzt endlich zur Chefsache zu machen! Der Lehrermangel, die Integration der ukrainischen Flüchtlinge, die Corona-Maßnahmen und jetzt auch noch die Energiekrise schlagen an den Schulen nun noch extremer zu, als wir uns dies alle zusammen je vorstellen konnten!

Das Kultusministerium fordert jetzt alle Schulen auf, minimal zu planen, also nur noch das anzubieten, was scheinbar unbedingt notwendig ist. Die vor Ort Verantwortlichen für die Grund-, Mittel- und Förderschulen sollen es nun richten: ‚Regional spezifisches Ausbalancieren von angespannten Personallagen‘ nennt man das dann im Kultusministerium. Wir sagen dazu: Es kann doch nicht sein, dass die Karre wieder mal vor Ort aus dem Dreck gezogen werden muss!

Wenn man das schulische Angebot für nächstes Schuljahr auf ein Minimum reduziert, dann setzt man sich minimale Ziele, die man dann natürlich auch maximal erreichen kann. Bei dieser Milchmädchenrechnung spielt der BLLV nicht mit. Wir ahnen es jetzt schon, dass der Kultusminister dann zum Start des neuen Schuljahres sagt: Wir starten mit einer soliden Grundversorgung und haben die Lage im Griff.

Warum werden so große Klassen gebildet? Warum gibt es keine Arbeitsgemeinschaften mehr?

Was der Minister aber nicht tun muss, müssen die Verantwortlichen vor Ort tun: Sie erläutern den Kindern und Jugendlichen, den Eltern, den Lehrerinnen und Lehrern und allen an Schule interessierten Bürgerinnen und Bürgern, was eigentlich gerade los ist. Warum werden so große Klassen gebildet? Warum gibt es keine Arbeitsgemeinschaften mehr? Wo sind die Förderangebote? Warum gibt es keine Förderung in differenzierten Lerngruppen, wie z. B. in Englisch? Warum sind die ukrainischen Kinder jetzt doch nicht in einer eigenen Klasse? Warum unterrichten hier Menschen meine Kinder, die gar keine Lehrkräfte sind? Bis jetzt gab es kleinere Klassen für Kinder mit Migrationshintergrund: Warum gibt es das nicht auch in Zukunft? Warum sind Kunst, Musik und Sport nicht so wichtig wie Deutsch und Mathematik? Wie sollen Kinder praktische Lernerfahrungen machen, wenn 29 von ihnen in ein Klassenzimmer gepfercht und keine Lerngruppen gebildet werden?

All diese Fragen zeigen, dass sich die politisch Verantwortlichen keinerlei Gedanken darüber machen, was Schule eigentlich leisten soll. Was bräuchten Kinder und Jugendliche in diesen Zeiten denn eigentlich?

Klar, man kann dieses Delegieren von Problemen an die Schulen ganz chic auch als das Gewähren von dezentraler Entscheidungskompetenz bezeichnen. Ehrlich wäre es aber, wenn man endlich mal offen sagt: Das Konzept des ständig propagierten Fahrens auf Sicht geht nicht auf. Wir fahren nämlich ohne Ziel nirgendwo hin – sondern schlichtweg an die Wan

Die politisch Verantwortlichen müssen dies nun offen benennen – deren salbungsvolle Worte gepaart mit der Hoffnung, dass die Kolleginnen und Kollegen ohne Rücksicht auf ihre eigene Gesundheit das vor Ort schon irgendwie hinbekommen, weil sie es schon immer für die Schülerinnen und Schüler getan haben, ist keine Lösung, sondern ein weiterer Beleg für das Durchwurschteln in der bayerischen Bildungspolitik!“ News4teachers

Lehrermangel „viel schlimmer als gedacht“ – Schulleitungen müssen in den Ferien Notpläne ausarbeiten

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18 Kommentare
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E.S.
1 Jahr zuvor

Vor die Wand steuern Politiker die Schulen schon seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten, vor die Wand.

Lehramtsaussteiger
1 Jahr zuvor
Antwortet  E.S.

Genau. Allerdings werden Politiker gewählt. Noch bei der Landtagswahl 2018 ergab eine Umfrage, dass Bildungspolitik für die Wahlentscheidung kaum eine Rolle gespielt hat. Das zu Tode-sparen des Schulsystems in Bayern und Deutschland hat die Menschen vor Corona schlichtweg kaum interessiert.

Trollbuster
1 Jahr zuvor

Na dann sind wir ja Mal gespannt, welche der Parteien es besser gemacht hätte. Alle Parteien regieren irgendwo in D. Und keine macht es besser. Da kann man wählen, was man will…

Andre Hog
1 Jahr zuvor

„Regional spezifisches Ausbalancieren von angespannten Personallagen“ nennt man das …..
UND…

…..“das Gewähren von dezentraler Entscheidungskompetenz“

Im Erfinden schöner Euphemismen sind die Herrschaften ganz groß…wie in NRW…da wird das „nach unten Durchreichen der Probleme und die Aufforderung zur praxisnahen und gelingenden Lösung“ den KuK als „Beinfreiheit“ verkauft…und alle, die jemals Touristenklasse geflogen sind, wissen, dass Beinfreiheit eigentlich ein erstrebenswertes Gut sein kann.

Ich würde die zugewiesene „Beinfreiheit“ gerne zur „Blutgrätsche“ gegen diese völlig verantwortungsverweigernden und inkompetenten KuMis verwenden….aber da würde wahrscheinlich wieder wegen „unfairen Spiels“ abgepfiffen, wenn die mal aus ihrer VIP-Lounge herauskämen und sich auf das reale Spielfeld begeben würden.

„Lasst den Pöbel doch da unten rennen … hey, gibts hier noch ne Pulle Schampus und diese leckeren Kaviarhäppchen … es macht mich immer so durstig, wenn ich das Fußvolk so hektisch herumwuseln sehe!??“

Last edited 1 Jahr zuvor by Andre Hog
447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

Es gibt ein Gegenmittel, und das ist erschreckend einfach. Man macht was man muß (ungleich das, was einem gesagt wird, Lektüre der BASS & Co. fördert das Rechtsverständnis). Das macht man mit 100%, engagiert, schülerzugewand, pädagogisch usw. Und dann… (Achtung, jetzt wird es wild!).. . geht man nach Hause. Und wer krank ist, der bleibe krank zu Hause und mache nix, ausser gesund werden. Müssen halt die ständigen Agitprop- und „Homepageprojekte“ usw. halt liegen bleiben – zu Ente, schade Banane.

SekII-Lehrer
1 Jahr zuvor
Antwortet  447

Dieses „Gegenmittel“ funktioniert nicht überall. Bei korrekturintensiven Fächern in der Oberstufe machen hier die allermeisten „nur“ das, was notwendig ist. Und das ist schon zu viel und viele sind deswegen in Teilzeit. Das Problem, einfach ein paar Zusatzaufgaben nicht zu übernehmen, hätte ich gerne.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  SekII-Lehrer

Nun, dann ist es eben so, dass die Vorgaben – zwei Wochen nach Schreiben der Klassenarbeit muss diese korrigiert zurückgegeben werden – nicht einzuhalten sind – wegen der Lehrergesundheit oder weil man selber mal zu einem Konzert möchte.

Es geht NICHT, dass alles immer geschafft werden muss.
Es geht NICHT, dass die „Preise“ kaputt gemacht werden.

Ich will bestimmt nicht, dass wir alle wieder 😉 zu faulen Säcken werden.

Aber ich will auch nicht, dass jede(r) Einzelne von uns zu beweisen versucht, dass wir eben keine faulen Säcke sind.

Das geht seit Jahren nach hinten los und trifft nur uns, unsere Familien und unsere Gesundheit.

DAS sollte nicht das Ziel sein – sich kaputt machen für was noch mal?

Seebald
1 Jahr zuvor
Antwortet  SekII-Lehrer

*Dieses „Gegenmittel“ funktioniert nicht überall. Bei korrekturintensiven Fächern in der Oberstufe machen hier die allermeisten „nur“ das, was notwendig ist.*

Quatsch, das geht immer, auch bei korrekturintensiven Fächern: wenn man krank ist, dann ist man krank.

Palim
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

Wie viele orginärt und gut ausgebildete Lehrkräfte gibt es eigentlich in den Behörden?

Könnten sie nicht jede und jeder 2 Tage in der Woche in den Schulen aushelfen,
den Rest der Arbeit kann man ja dann außerunterrichtlich erledigen.

Das würde mal Beinfreiheit für die Bediensteten geben und sie können sich am regionalen spezifischen Ausbalancieren beteiligen – klingt irgendwie sehr sportlich, das ist doch gerade angesagt. Work-Balance – oder wie das heißt.
Außerdem wird man mit dem Leuchten der Kinderaugen belohnt!

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Palim

„Leuchtende Kinderaugen“ sind wohl das „Balkonklatschen“ des Bildungsbetriebs. 🙂 Gut getroffen. Mal was total anderes: Wieviele Volljuristen, Steuerberater oder Ärzte machen einem eigentlich die Steuererklärung (oder z. B. die Zähne) für „leuchtende Kundenaugen“? Ach so, da ist es wieder was gaaaaanz aaaaanderes… weil…. äh, ja, warum eigentlich? Hmmh, irgendwie finde ich keinen Grund. Ich schreibe gleich mal unsere Steuerberaterin an, wie toll unsere Augen leuchten werden, wenn sie unsere nächste Steuergeschichte umsonst regelt. Da kann diese Kapitalistin jawohl mal solidarisch sein, oder sowas.

Andre Hog
1 Jahr zuvor
Antwortet  Palim

….ja, gute Idee … und man bekommt ja soviel zurück!!!

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

Endlich!

Und bitte mit Karacho lieber heute als morgen!

Schattenläufer
1 Jahr zuvor

Die Politik fährt die Schulen an die Wand?
An der Wand sind wir schon längst aufgeprallt.
Die Politik verstellt nur für den Rest der Gesellschaft den Blick auf die Unfallstelle und lässt verlauten, dass es nur ein leichter Blechschaden ist. Praktisch nur ein Kratzer.
Gleichzeitig legt in dem Wrack gerade den Rückwärtsgang ein um nochmal richtig Anlauf zu nehmen.
Das beschreibt de Lage besser.

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Schattenläufer

Nicht gut, beim Rückwärtsfahren werden ja dann alle letzten noch findbaren ? Schutzmaßnahmen geplättet ( hörs richtig knirschen ) und beim erneuten Anlauf alle, die noch aufrecht krabbeln können, z.B. der revoluzzende Riesenzwerg 😉
endgültig geplättet .

Was mich in diesem Zusammenhang interessiert; wie sehen Sie, @ Schattenläufer, die Möglichkeiten der SL/EWSL zur Einflussnahme -> Schutzmaßnahmen etc.
Ich kenne nur enervierende Austausche mit dem GA, wann Präsenz nicht mehr geht, SuS in Quarantäne müssen, null Eigenständigkeit……
Und da ja nun immer mehr von Entscheidungen auf Praxisebene die Rede ist ? Bei uns gibt’s nix Neues von oben…
( Ich verstehe, wenn Sie sich dadurch zu weit vorbeugen würden, wenn Sie nicht darauf eingehen.)

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

„Es kann doch nicht sein, dass die Karre wieder mal vor Ort aus dem Dreck gezogen werden muss!“

Doch – wir sind nämlich alle samt und sonders blöd genug, das zu tun. Wir haben Übung darin und wir haben ein Verantwortungsgefühl.

Aber genau jetzt, hier und heute, ist es allerhöchste Zeit, den Karren im Dreck stecken zu lassen!

Das ist kein Aufruf zum Streik (dürfen die meisten von uns ja nicht ;)), aber es ist ein Aufruf zum Nachdenken – selbstverständlich an die KuKs, denn bei den KuMis …. Ihr wisst schon.

Ich rufe zum „Lassen“ auf

  • lasst den Karren, wo er ist. (Wir waren es nämlich nicht, die ihn versenkt haben!)
  • lasst euch kein schlechtes Gewissen machen!
  • lasst die Verantwortung da, wo sie hingehört!
  • lasst euch nicht alles aufdrücken – lasst es liegen!
  • lasst euch nicht das Leben noch schwerer machen – lasst mal 5fe gerade sein!
  • lasst Ruhe und Entspannung zu – alles andere…. weg damit!

Ja, das ist leicht Reden und noch leichter Schreiben – aber wir alle haben es in der Hand – weiter die Blödnasen zu sein, die ihre Gesundheit für was nochmal in die Tonne treten oder zu sagen – SlowMo – aber den gut.

Wir verausgaben uns für einen Karren, der defekt ist und auch mit viel Liebe und Sorgfalt und nicht mehr fahrbereit gemacht werden kann.

Das ist wie beim Hauskauf – man kann mit viel Mühe erhalten oder man haut das Ding weg und baut neu

Und wir müssen zulassen, dass wir neubauen müssen!

Andre Hog
1 Jahr zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Lieber Riesenzwerg,
….stimme dir mit lautem Hallo zu und würde meine BigBand dazu die Begleitmusik spielen lassen!!
Dein James Lasst ….alias Andre Hog 😉

GriasDi
1 Jahr zuvor

Die Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte scheinen ja so gut zu sein, dass niemand mehr Lehrkraft werden will. Tja, was könnte man da nur tun? Die Arbeit noch unattraktiver machen wie in den letzten Jahren? Ja, ich glaube das hat geklappt.
Wenn wieder mehr Leute für das Lehramt begeistert werden sollten, dann wäre mal ein Anfang, dass Lehrer (ferienbereinigt) mal „nur“ 40 Stunden pro Woche arbeiten müssen.

dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  GriasDi

Wieso? – Ich bin tarifbeschäftigt, warum soll ich im Schuldienst 40 Wochenstudnen arbeiten, die sonstigen Kolleg*innen im ÖD arbeiten doch auch nur 38,5 Wochenstunden. Sonst wird doch immer behauptet, dass das der Ausgleich für das niedrigere Arbeitsentgelt im Vergleich zur Besoldung sei.