Lehrermangel! Laut GEW fehlen den Schulen 10.000 Kräfte (allein in Niedersachsen)

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HANNOVER. Am Donnerstag geht in Niedersachsen die Schule wieder los, doch die Probleme sind auch nach den Ferien noch die alten, warnt die Gewerkschaft GEW: Vor allem personell müsse das Land nachlegen. Dafür verlangt sie einen Nachtragshaushalt von einer Milliarde Euro.

„Mit ganz erheblichen Mängeln“: Der GEW-Landesvorsitzende Stefan Störmer. Foto: GEW Niedersachsaen, Henning Scheffen

Was denken Niedersachsens Bürgerinnen und Bürger über die Bildungspoltik im Land? Die GEW hat nachfassen lassen (mit einer repräsentativen Umfrage des Markt- und Sozialforschungsinstituts Insa-Consulere) – Ergebnis: 70 Prozent der Befragten sagten mit Blick auf die Hochschulen und 82 Prozent in Bezug auf die Schulen, dass Investitionen in die Bildung für die nächste Landesregierung „sehr hohen“ oder „eher hohen“ Stellenwert haben sollten. Zudem erteilen sie der aktuellen Regierung nur die Schulnote „4+“ (Durchschnittsnote 3,54) für die zurückliegende Bildungspolitik.

Bei der bevorstehende Landtagswahl wird dieser Themenbereich für 70 Prozent der Befragten mitentscheidend sein, fand die Umfrage heraus: 30 Prozent der Niedersächsinnen und Niedersachsen sagen, die Bildungspoltik habe einen mittleren Einfluss auf ihre Wahlentscheidung und sogar 40 Prozent bescheinigten einen eher hohen oder zumindest hohen Einfluss.

«Auf dem Rücken der rund 105.000 Schulbeschäftigten lasten die Versäumnisse der Sparpolitik der letzten 20 Jahre»

Tatsächlich ist die Lage nicht rosig. Niedersachsens Schulen fehlen vor dem neuen Schuljahr laut der Bildungsgewerkschaft GEW rund 10.000 Beschäftigte, davon 7.000 Lehrer. Der GEW-Landeschef Stefan Störmer forderte daher ein parteiübergreifendes Bekenntnis zu einer nachhaltigeren Bildungspolitik. Konkret solle das Land einen Nachtragshaushalt von einer Milliarde Euro beschließen und diese Investitionen in den kommenden Jahren fortsetzen, sagte Störmer am Montag in Hannover.

«Es sieht so aus, dass wir wieder mit ganz erheblichen Mängeln in das neue Schuljahr starten», sagte Störmer. «Auf dem Rücken der rund 105.000 Schulbeschäftigten lasten die Versäumnisse der Sparpolitik der letzten 20 Jahre.» Verantwortlich dafür seien sowohl die SPD, die das Kultusministerium derzeit führt, als auch CDU, Grüne und FDP, die in den 20 Jahren zeitweise ebenfalls an der Regierung waren.

Bereits im vergangenen Schuljahr war die Unterrichtsversorgung im Land mit 97,4 Prozent so niedrig wie zuletzt vor 19 Jahren. Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) hatte daraufhin im Juni ein Maßnahmenpaket vorgestellt, mit dem das Land mehr Lehrer anwerben will. Dazu zählen finanzielle Prämien sowie die erleichterte Einstellung von Quereinsteigern, Studierenden und Pensionären.

Besserung ist laut GEW jedoch nicht in Sicht: Denn während das Land bis zu 2300 Stellen für das neue Schuljahr ausgeschrieben habe, hätten in diesem Sommer landesweit nur knapp 1470 angehende Lehrkräfte ihr Referendariat abgeschlossen. Dabei beziffert die Gewerkschaft den Bedarf sogar auf 7.000 Lehrer. Diese seien nötig, um mit einer Vertretungsreserve künftig besser für kurzfristige Ausfälle etwa wegen Krankheiten gewappnet zu sein.

Auch der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL) erklärte, bestenfalls drei Viertel der ausgeschriebenen Stellen seien bisher besetzt worden. Besonders betroffen seien davon die nicht-gymnasialen Schulformen. «Der Ausfall vieler Unterrichtsstunden an unseren Schulen ist leider fast schon zu einem Normalzustand geworden. Das darf nicht sein», sagte der VNL-Vorsitzende Torsten Neumann.

«Wir stellen so viele grundständig ausgebildete Lehrkräfte und Quereinsteiger ein, wie es der Markt ermöglicht»

Ein Sprecher des Kultusministeriums betonte, das Land mobilisiere «alle Kräfte und viele Ressourcen, um ausreichend Lehrkräfte und weiteres pädagogisches Personal einzustellen». Das Maßnahmenpaket wirke: «Wir stellen so viele grundständig ausgebildete Lehrkräfte und Quereinsteiger ein, wie es der Markt ermöglicht.» Allerdings sei man in diesem Jahr auch wegen der Kinder aus der Ukraine in einer Sonderlage mit 32.000 zusätzlichen Schülern. «Allen sollte klar sein, dass wir besondere Bedingungen haben in diesem Jahr. Wir werden auch im Schuljahr noch nachjustieren und handeln», sagte der Sprecher.

Die GEW erneuerte zudem ihr Werben für die Anhebung der Gehälter von Grund-, Haupt- und Realschullehrern, für die Schaffung weiterer Studienplätze für angehende Lehrer sowie für bessere Arbeitsbedingungen, um die Beschäftigten im Dienst zu halten. Dazu zähle eine geringere Unterrichtsverpflichtung, sagte Störmer, denn derzeit erreiche an den allgemeinbildenden Schulen nur jeder vierte Lehrer, der aufhört, das Regelalter – an den Berufsschulen sogar nur jeder fünfte. Viele entschieden sich trotz Lohnverzichts für einen früheren Ruhestand, weil sie am Ende ihrer Kräfte seien, hieß es.

Mit Blick auf das Coronavirus sprach sich die Gewerkschaft weiter für das Testen und Masketragen aus – beides ist nicht verpflichtend, wird vom Kultusministerium aber empfohlen. Der Umgang mit der Pandemie ist es zugleich, der das Zeugnis der GEW für Kultusminister Tonne rettet: In der Corona-Politik habe der SPD-Politiker Augenmaß bewiesen, lobte Störmer. Allerdings seien viele andere Probleme an den Schulen dadurch in den Hintergrund geraten. News4teachers / mit Material der dpa

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15 Kommentare
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Minna
1 Jahr zuvor

Einführungsveranstaltung in Hamburg: 3 Klassen zu 28 Kinder, keine Maskenpflicht, jedes Kind darf bis zu drei Personen mitbringen, die Luftfilter bleiben aus, 2 Kinder tragen in der Klasse Maske. Uns wird gesagt, die Massenveranstaltung unterliege der Schulpflicht (falsch, Risikogruppen können Distanzunterricht beantragen). Während der Veranstaltung weist die Schulleiterin darauf hin, dass im Ganztag (Nachmittagsbetreuung) gerade sehr viele erkrankungsbedingt ausfallen würden und ob die Eltern zunächst bitte darauf verzichten könnten.

Es wird halt versucht, auf Biegen und Brechen „Normalität“ durchzudrücken. Es ist alles so UNFASSBAR dumm …

Eine-Frage-haette-ich-da-noch
1 Jahr zuvor
Antwortet  Minna

Wie sollte denn eine Einführungsveranstaltung Ihrer Meinung nach aussehen bzw. ablaufen, damit der Ablauf nicht „unfassbar dumm“ ist?

Minna
1 Jahr zuvor

Nach 2 Jahren Pandemie sollte ich das eigentlich nicht beantworten müssen. Testen, Maskenpflicht (meinetwegen nur für die Erwachsenen) während der 1-stündigen Veranstaltung oder sie nach DRAUSSEN verlegen, es war ein wolkenfreier Tag. Kleinere Gruppen usw. Stattdessen gibt es in einer Woche dann Vertretungsbastelei und unbekannte schwerere Folgen… es ist dumm und die, die das verstanden haben suchen das Weite. Die Pandemie geht nicht von Wunschdenken weg.

Eine-Frage-haette-ich-da-noch
1 Jahr zuvor
Antwortet  Minna

Und hier sehe ich das große Problem: Sie stehen nicht über den Dingen und dürfen entscheiden, was „gut“ und was „dumm“ ist. Vielleicht sind Abläufe aus Ihrer Sicht „absolut dumm“, daraus ergibt sich aber keine Allgemeingültigkeit. Viele andere Menschen würden Ihre Vorschläge als „absolut dumm“ bezeichnen und hätten hier auch Argumente für diese Sichtweise. Verstehen Sie mich nicht falsch, es geht mir nicht darum, mich auf eine bestimmte Seite zu stellen. Vielmehr geht es mir darum, Sie dafür zu sensibilisieren, dass es hier kein allgemeingültiges „Richtig“ und „Falsch“ gibt – und dies auch niemals geben wird.

Bla
1 Jahr zuvor

Dann also auch Arztpraxen ohne Maske besuchbar?
Öffentliche ohne Maske? (So siehts ja eh schon oft aus, obwohl „falsch“ lt. „Vorschrift“)
Sich nicht wundern, wenn es dann weniger Interessenten für bspw. Pleger, Erzieher, Lehrkräfte usw. bei solchen Entscheidungen gibt und mehr Erkrankte. Auch nicht wundern, wenn es dadurch eben nicht „normal“ laufen kann! Bitte mit den Konsequenzen (bspw. Unterrichtsausfall, SuS früher daheim, keine sofortige Behandlung und keine Pflegeplätze und KitaPlätze) als Eltern und Gesellschaft leben und „akzeptieren“.

„Richtig“ und „Falsch“ gibt es nämlich schon in bestimmten Bereichen. Wir könnten die Begriffe auch durch „sinnvoll“ und „unsinnig“ (hier „unfassbar dumm“) austauschen in diesem Kontext.

Nur Argumente zu haben macht das Ganze doch nicht immer sinnvoller … Es gibt mit Sicherheit auch Argumente für Selbstjustiz. Trotzdem bin ich froh, dass wir einen Staat haben, in welchem es eine Justiz gibt. Und auch die Durchführbarkeit (Polizei, Anwälte, Richter usw.) gegeben ist.

Christabel
1 Jahr zuvor

Wir lesen jetzt hier jeden Tag Artikel zum Thema Lehrkräftemangel, egal in welchem Bundesland. Wir sind alle am Ende unserer Kraft, jeder Ausfall wird einfach auf die anderen verteilt, egal ob Ausfall durch Krankheit oder Schwangerschaft. Besonders die Hauptfächer sind betroffen, da diese nicht einfach gestrichen oder reduziert werden können.
Ich frage mich nur, wo die fehlenden Lehrkräfte alle herkommen sollen, dafür muss man auch mal etwas machen! Eine Kürzung des Deputats ist lange überfällig, die Anzahl der Korrekturen ist einfach nicht mehr zu schaffen. Jeder will raus, sobald es geht. Schade um den tollen Beruf, aber kaputtmachen lasse ich mich nicht!

Hoffnung
1 Jahr zuvor
Antwortet  Christabel

Aber die Anzahl der zu vertretenden Stunden ist doch begrenzt. Zumindest bei uns.

Christabel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hoffnung

Ich meinte mehr die Anzahl der Klassen, in denen HauptfachlehrerInnen unterrichten müssen, weniger das an jeder Schule (hoffentlich vorhandene) Vertretungskonzept.
Früher hatte ich mit zwei schriftlichen Fächern wenigstens mal 1-2 Förderstunden oder 1 Stunde mehr pro Klasse, auch zum Fördern, das ist die einzige Möglichkeit der Entlastung bei uns. Es gibt auch keine Entlastung für Korrekturen wie an anderen Schulen, eigentlich ein Skandal. Aber die Stundenplaner haben jedes Jahr mehr Mühe, Deutsch, Mathe und Englisch verteilen zu können.
Komisch, dass die jungen Leute diese Fächer nicht mehr studieren, Nachwuchs ist bei uns ebenfalls nicht in Sicht.

Palim
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hoffnung

Warum sind die zu vertretenden Stunden begrenzt? Fällt eine Lehrkraft aus, sind es 28 Stunden,
sind es mehr Lehrkräfte, sind es entsprechend mehr Stunden.
Förderunterricht ist ohnehin zusammengestrichen, kein Kind geht eher nach Hause, also müssen die Stunden irgendwie aufgefangen werden.

Sybille, 48
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hoffnung

In Nds kann mich die Schulleitung 10 Wochen lang 4 Std mehr machen lassen.

fabianBLN
1 Jahr zuvor
Antwortet  Christabel

Also ich kenne an meiner Schule keine Lehrkraft, die den Lehrerberuf verlassen möchte. Das halte ich für ein Ammenmärchen bzw. für Ausnahmen, die hier jemand zur Regel erklären will.

MoVö-Fr
1 Jahr zuvor

Leute, das ist ja noch nicht alles. Bei Schwangeren macht man derzeit eine Gefährdungsbeurteilung, bei der Arbeitsmediziner sagen, Beschäftigungsverbot. Dezernentin verbietet das. So weicht man aus auf ein eingeschränktes Beschäftigungsverbot, also nur noch interne Aufgaben, aber kein Unterricht. Dann stimmt zumindest die Unterrichtsversorgung in der Statistik. Aber was ist mit qualifiziertem Unterricht, wenn man in der Klasse nur noch Personal hat, das betreut? Und das muss man ja auch erst mal finden. Strange aus meiner Sicht ‍♀️

GS in SH
1 Jahr zuvor
Antwortet  MoVö-Fr

Genauso ist es. Langzeiterkrankte und Schwangere gelten rein statistisch als anwesend. So passiert es immer wieder, dass Schulen offiziell als zu 100% besetzt gelten, dabei aber LK nicht zur Verfügung stehen.
Für die Statistik zählt aber nur die Lehrkräftezuteilung, nicht ob diese LK tatsächlich unterrichten können.
Wenn in NS offiziell 1000 Lehrer fehlen werden es in der Praxis locker doppelt so viele sein!

Alex
1 Jahr zuvor

Auch A13 für alle in Niedersachsen ist nur eine Frage der Zeit, vor allem, wenn NRW es jetzt bald dingfest macht. Eine Zulage erhalten Grundschul- und Sek1 Lehrer sogar bereits, aber 80 Euro sind halt noch lange keine 500 Euro.

fabianBLN
1 Jahr zuvor

10 000 fehlende Lehrkräfte in einem Bundesland, das verbeamtet? Sagt das mal den Berlinern! 😀