Deutscher Schulpreis – eine Alibi-Veranstaltung? VBE warnt Politiker davor, „die desolate Situation an den Schulen zu verschleiern“

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BERLIN. In Berlin ist heute – mit großem Bahnhof – der Deutsche Schulpreis verliehen worden (News4teachers berichtet). Ein berufliches Bildungszentrum aus Mecklenburg-Vorpommern wurde dabei von der Bundesbildungsministerin (in Vertretung des Bundeskanzlers) mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. Der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann gießt Wasser in den Wein. Er sagt: „Ich warne die politisch Verantwortlichen davor, diesen Anlass zu nutzen, um den Blick auf die desolate Situation an den Schulen zu verschleiern und der Öffentlichkeit zu suggerieren, dass alles nur halb so schlimm ist und Schule funktioniert, wenn die Lehrkräfte nur wollen.“

Gruppenbild mit Bundesbildungsministerin: Bettina Stark-Watzinger (FDP) kürt die Preisträger. Foto: Deutscher Schulpreis

Den Hauptpreis überreichte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) heute in Berlin in Vertretung von  Olaf Scholz (SPD), der wegen seiner Corona-Erkrankung nicht selbst vor Ort sein konnte. „Gute Bildung braucht Wertschätzung. Dafür steht der Deutsche Schulpreis“, meint der Bundeskanzler in seinem vorbereiteten Statement. „Die heute gekürten Preisträger-Schulen sind auch Vorbild für andere Schulen. Sie zeigen, wie Schule in all ihrer Vielfalt gelingen kann und wie mit gutem Unterricht jede Schülerin und jeder Schüler erreicht werden kann.“ Stark-Watzinger unterstreicht: „Gute Schulen und ihre innovativen Konzepte müssen sichtbar gemacht und gewürdigt werden. Das leistet der Deutsche Schulpreis.“

Lehrkräfte-Vertreter Beckmann sagt zwar auch: „Der VBE steht für Qualität in der Bildung. Wir freuen uns, dass mit dem Deutschen Schulpreis eine Würdigung für besondere Leistung und außerordentliches Engagement von Schulen etabliert werden konnte.“ Er gratuliere den verdienten Preisträgerinnen und Preisträgern und bedanke sich im Namen seines Verbands bei allen teilnehmenden Schulen für ihren Einsatz, innovative Konzepte zur Verbesserung der Bildungsqualität und zum Abbau von Bildungsungerechtigkeit zu entwickeln.

„Nie war die Zahl der unbesetzten Stellen zu Beginn eines Schuljahres größer, nie war die Hilflosigkeit der Politik größer“

Gleichzeitig betont Beckmann aber: „Ich sage in aller Deutlichkeit – wir  sind von einem Start in ein Jahrzehnt der Bildungschancen, wie er im Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung steht, weiter entfernt denn je. Wir sind längst in einem Jahrzehnt der Notversorgung der Schulen angekommen. Nie war die Zahl der unbesetzten Stellen zu Beginn eines Schuljahres größer, nie mussten mehr Lehrkräftestellen mit nicht originär ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden, nie war die Hilflosigkeit der Politik größer.“

Die Lehrkräfte, die im System seien, versuchten den Schülerinnen und Schülern – trotz Pandemie und Flüchtlingswelle – so gut wie möglich gerecht zu werden. „Wir beobachten aber mit Sorge, dass sie dabei permanent an ihre gesundheitlichen Grenzen und darüber hinaus gehen.“ Titel für Projekte zur Pensionärsgewinnung, wie „Grau macht schlau“ in Thüringen, die Tatsache, dass Gymnasiallehrkräfte in einigen Bundesländern an Grundschulen zwangsversetzt werden, weil dort der Personalmangel noch größer ist oder der Einsatz von Headhuntern, um Lehrkräfte aus anderen Bundesländern abzuwerben, machten ungeschminkt deutlich, wo die Schulen stünden.

„Der VBE ist nicht bereit, den herrschenden Mangel als neue Normalität zu akzeptieren und Qualitätsstandards in der Bildung aufzugeben“

„Eine Aussage, wie die der Senatorin Busse aus Berlin, wonach Eltern, Lehrkräfte und Schüler:innen sich auf zehn schwere Jahre einstellen müssen (News4teachers berichtete auch darüber – hier), macht zudem deutlich, dass die Politik weiß, dass sie die desolate Situation an den Schulen in den nächsten Jahren nicht auflösen kann. Der Ausnahmezustand in den Schulen ist längst zum Alltag geworden“, sagt Beckmann.

Er unterstreicht: „Der VBE ist nicht bereit, den herrschenden Mangel als neue Normalität zu akzeptieren und Qualitätsstandards in der Bildung aufzugeben. Wir erwarten daher anlässlich der heutigen Preisverleihung, dass die Politik damit beginnt, neben dem berechtigten Jubel und der Freude über gelungene Projekte, die Gesellschaft endlich darüber aufzuklären, mit welchen Einschränkungen im Schulbereich wir in den kommenden Jahren rechnen müssen. Darüber hinaus braucht es eine sofortige Initiative zur Gewinnung neuer Lehrkräfte und Fachpersonal anderer Professionen, die sie bei ihrer Arbeit unterstützen können. Andernfalls wird der Krankenstand deutlich ansteigen und die Personalsituation wird sich noch weiter verschärfen.“ News4teachers

Praktisch: So sieht Unterricht an Deutschlands preisgekrönter Schule des Jahres aus

 

 

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Achin
1 Jahr zuvor

Der „Deutsche Schulpreis“ hört sich amtlich an, er wird aber von der privaten Bosch-Stiftung bezahlt. Welche Aussagekraft hat ein „nationaler Wettbewerb“, bei dem 99 % der deutschen Schulen nicht dabei sein wollen?

Das obere Foto erinnert eher an Trash als an Bildung, wahrscheinlich soll es „ironisch“ gemeint sein, dass man die Preisverleihung für „Vorbilder für andere Schulen“ wie eine zweitklassige Privatfernsehgameshow aussehen lässt oder lag auch hier ein „innovatives Konzept“ (Bildungsministerin Stark-Watzinger) zugrunde?

Ron
1 Jahr zuvor

Ganz schön viele Worte für wenig Konkretes. Ich habe gelernt: innovative Konzepte und die Reduktion von Bildungsungerechtigkeiten machen gute Schule. Aha. Außerdem dürfen wir, und das sagt man in aller Deutlichkeit ganz offen, nicht akzeptieren, dass der Mangel die neue Normalität wird. Yes, Bro – Peace.

Palim
1 Jahr zuvor

Wir haben schon mindestens 10 schwere Jahre hinter uns,
das interessiert die Politik aber nicht.

Fakten sind Hate
1 Jahr zuvor

Der Deutsche Schulpreis ist so eine Veranstaltung, die die Leistung anderer Top-Schulen missachtet. Es werden lediglich Schulen ausgezeichnet, an denen sich Lehrer befinden, die gerne im Rampenlicht stehen.

Man überlege sich mal, wie viel Zeit in eine solche Bewerbung investiert wird, um wie viele Euros wahrscheinlich nicht zu erhalten?

Hätte man diese Zeit nicht eher in sinnvollere Dinge investieren können?

Wolfgang
1 Jahr zuvor

Wolfgang Kuert erinnert aus 2016 
 
Die Schule, die den Deutschen Schulpreis gewinnt, ist die Gewinnerin des Deutschen Schulpreises und mit Sicherheit nicht die beste Schule Deutschlands!
 
Bisher nahmen von rund 40.000 Schulen in Deutschland jährlich etwas über 100 an diesem Wettbewerb teil. Bei dem diesjährigen Durchgang durften erstmals auch deutsche Auslandsschulen teilnehmen.
 
Trotz dieser Erweiterung des Teilnehmerkreises haben sich gerade mal 80 Schulen beworben. Das sind nur noch 0,2 % der deutschen Schulen.

Fakten sind Hate
1 Jahr zuvor
Antwortet  Wolfgang

Ergänzung:
In einem aktuelleren Artikel hier bei n4T steht Folgendes:
„Seit dem Start des Programms haben sich rund 2.500 Schulen für den Preis beworben.“

Ich denke, dass keine Schule doppelt gezählt wird.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Fakten sind Hate

Warum nicht? Es kann die Summe aller Teilnehmer aller Jahre sein. Sicherlich gibt es Schulen, die jedes Jahr kandidieren.

Lehramtsaussteiger
1 Jahr zuvor

Preise, wie der deutsche Schulpreis basieren auf Showveranstaltungen in denen der Jury ein paar Tage lang ein geschöntes Bild der Schule mit gebrieften Schülerinnen und Lehrerinnen präsentiert wird. An den Schulen selbst herrschen, hinter der Fassade, oftmals verheerende Arbeitsbedingungen und Zustände.

Walter Hasenbrot
1 Jahr zuvor

Zustimmung. Habe das selbst so erlebt.

Grundschullehrer
1 Jahr zuvor

Es wird „ein paar Tage lang ein geschöntes Bild der Schule mit gebrieften Schülerinnen und Lehrerinnen präsentiert“ – eine Kollegin, die an einer solchen „Preisträgerschule“ gearbeitet hat, hat es genau so beschrieben. Die „Vorzeigeklasse“ wurde begleitet und deren Leistungen herangezogen um Rückschlüsse auf die ganze Schule zu ziehen.

Pit2020
1 Jahr zuvor

@Lehramtsaussteiger

Ich habe keinerlei Kontakte zu prämierten Schulen und daher auch keine gesicherten Erkenntnisse. Wer aber den „echten“ Alltag kennt, darf wohl genau das vermuten was Sie äußern.
Der ganze – im wahrsten Sinne des Wortes – „Budenzauber“ erinnert mich spontan an das hier; insgesamt ganz großes Kino, bei Zeitmangel runterscrollen bis „Unangekündigte Kontrolle kündigt sich an„:https://www.gmx.net/magazine/unterhaltung/tv-shows/team-wallraff-burger-king-maeusekot-kueche-vegane-nuggets-fleischfritteuse-37340388
Da wurde auch schon vor 8 Jahren investigativ ermittelt.
Da wurde auch schon seit damals Besserung gelobt …

Ich habe mich schon oft gefragt, wo „Team Wallraff“ im Schulbusiness bleibt?
Trauen die sich ausgerechnet hier nicht rein?

Georg
1 Jahr zuvor

Ein rein leistungsorientiertes Gymnasium, dessen oberstes Ziel seit Jahrzehnten die Studierbefähigung seiner Abiturienten ist, und das auch tatsächlich nachweisen kann, z. B. weil das Durchschnittseinkommen der Absolventen weit über dem Durchschnitt andere Gymnasien desselben Abschlussjahres liegt, hätte beim Schulpreis keine Chance, obwohl diese Schule den Bildungsauftrag maximal erfüllt.

Grundschullehrer
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Volle Zustimmung.

Schattenläufer
1 Jahr zuvor

Da wird ein Preis für außergewöhnliches Engagement in der Bildung verliehen. So weit so gut?

Von einer privaten Stiftung?!

Wer sind die Experten die die Schulen bewerten? Bildungswissenschaftler die seit 20 Jahren keine echte Schule von innen gesehen haben, Politiker die sich über Nebelbomben freuen wie Frau S-W? Wirtschaftsbosse?

Wie kommen Schulen in die Auswahl? Selbstbewerbung?

Welche Kriterien werden da herangezogen? Bauchgefühl? Oh wie toll!

Wer überprüft die Wirksamkeit des Engagements? Wir alle kennen doch von Besuchen der KMK Mitglieder an unseren Schulen die hohe Kunst in einer Ruine den einigen bewohnbaren Raum zu zeigen.

Die wichtigste Frage, welchen Einfluss hat das Ganze auf die Zustände an der absoluten Mehrheit der Schulen. Zu wenig Lehrer, hohe Krankenstände durch fehlenden Arbeitsschutz, Verwaltungsberge, Bauruinen, fehlendes Equipment usw.

Auf den ersten Blick eigentlich prima, man darf aber bei näherer Betrachtung zumindest am Sinn zweifeln.

Hier wird durch Betrachtung von außen das schönste Haus der Siedlung prämiert. Frisch gestrichene Fassade, Orchideen in Garten, Auffahrt mit Marmor gepflastert. Super.

Leider ist zu vermuten, das drinnen auch der Putz bröckelt und die Toiletten verstopft sind.
Außerdem steht das Haus in einer Siedlung aus zum größten Teil vollkommen heruntergekommenen Sozialbauten.

Die hohe Kunst der selektiven Wahrnehmung. Beschämend.
Sich dabei selbst für rein Garnichts zu loben. Peinlich.
Die noch höhere Kunst der unkritischen Presse und Öffentlichkeit dieses potemkinsche Dorf als repräsentativ für die ganze Schulsystem zu verkaufen. Gefährlich.

Wie würden Sie es finden, wenn Sie schwer Erkrankt und sogar in Lebensgefahr wären und der Arzt würde Sie damit beruhigen, dass sie immerhin sehr gepflegte Fingernägel haben?

Bernie
1 Jahr zuvor

Ich weiß nicht, warum sich der VBE beschwert. Mit seiner stellvertretenenden Vorsitzenden Fleischmann sitzt er doch direkt im Beirat bzw. der Jury des Deustchen . Da kann er ja dann entsprechend Einfluss nehmen, um diesen durch den Preis tatsächlich erzeugten Eindruck, man könne tollste Schule machen, wenn man nur will, entgegenzutreten.

ida berlin
1 Jahr zuvor

Witzig. Die Havelmüller-Grundschule, die einen von fünf 2. Plätzen erlangte, wenn ich es richtig verstanden habe, ist bei uns in der Nähe die „Konkurrenzschule“. An unsere Schule kommen Kinder, die ihre Eltern dort nicht einschulen wollen, eben deshalb, weil dort die 1.-3. und die 4.-6. Klasse jahrgangsübergreifend unterrichtet werden.

DerReimer
1 Jahr zuvor

Der volle Neid
aus jedem Kommentar hier schreit.
Meinen Glückwunsch an die Preisträger,
hört hier nicht auf die Ankläger.

Lehramtsaussteiger
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerReimer

Wie immer völlig ahnungslos,
legt unser Hobbyreimer los,
vom Schulbetrieb er keinen Schimmer,
zeigt sich in seinen Reimen immer.

DerReimer
1 Jahr zuvor

Und nur das Merkwürdige daran,
mein Schuldienst schon vor langer Zeit begann…

Lehramtsaussteiger
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerReimer

So fragt man sich nun als Forist,
in welcher Klasse er wohl ist?

Georg
1 Jahr zuvor

Wird uns ImErnst einfallen, wenn der Herr Hirn regnen lässt.

Fakten sind Hate
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerReimer

Neid aus Ihrer Sicht vielleicht.
Schauen Sie doch mal die tollen Projekte in den Schulen ihrer Stadt an. Haben die Lehrkräfte keine Anerkennung verdient?

Was ist mit den Schulen, die lediglich Mängel verwalten? Diese können keine großartigen Projekte umsetzen, weil nichtmals mehr genügend Lehrer anwesend sind, um den Regelunterricht zu gewährleisten.

Grundschullehrer
1 Jahr zuvor
Antwortet  Fakten sind Hate

Auch die Kinder an „normalen“ Schulen haben Anerkennung verdient.

DerReimer
1 Jahr zuvor
Antwortet  Fakten sind Hate

Und deswegen darf man nicht loben?
Lob bringt Ideen und zieht nach oben!

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerReimer

@DerReimer

„und zieht nach oben!“
DAS tut auch jede Dunstabzugshaube in der Küche.
Und die tut das zuverlässig und wesentlich billiger.
Ist aber nur ein Küchengerät und keine Stiftung, in der ernsthaft gearbeitet wird. 😉

Und hier Ideen zur internen 😉 Fortbildung:
https://www.youtube.com/watch?v=EUJMt4gsbk0

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerReimer

Metrum ist immer noch wichtig.

Mika
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Aber das Gefühl dafür ist halt nicht jedem gegönnt. Erinnert mich irgendwie an Menderes…

DerReimer
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Es geht doch hier um den Spaß
nicht wie lang jemand dran saß.
Die Kommentare sind so oft mies
und manche auch richtig fies.
Das Metrum ist also nicht sehr wichtig
hauptsache der Inhalt, der ist richtig.

Lera
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerReimer

Wenn du so schlecht am reimen bist,
Dass das gar kein Zustand ist,
Denk ich mir halt: Das ist doch Mist!

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerReimer

Es geht hier viel mehr um die Begründung der Auszeichnung, die in aller Regel kaum etwa mit Leistung und Bildung zu tun hat, sondern mit zeitgeistigen Methoden, Schlagwörtern und Haltungen.

Grundschullehrer
1 Jahr zuvor

Der „Deutsche Schulpreis“ wird im Grundschulbereich oft an Schulen verliehen, die jahrgangsübergreifend, offen und projektorientiert arbeiten und besonders „innovative“ Konzepte haben. Als wären das allein schon Qualitätskriterien. Die Effektivität der an einer Schule bzw. von einem Lehrer verwendeten Unterrichtsmethoden muss man aber wissenschaftlich erfassen und auswerten. Dies findet im Rahmen des Deutschen Schulpreises nicht statt. Vor dem Hintergrund der desolaten Zustände an vielen Schulen – räumlich, sächlich, personell – ist die Verleihung des Preises nicht mehr als eine üble Provokation.

Last edited 1 Jahr zuvor by Grundschullehrer