Kretschmann pocht darauf: Lehrermangel allein ist nicht ursächlich für Leistungsabsturz

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STUTTGART. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann will trotz des Lehrermangels keine Abstriche bei den Bildungszielen machen. «Wir können doch nicht offen vor so einer Frage resignieren», sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart.

„Kinder sind keine Automaten“: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg

Die Schulpolitik gehöre zu den wichtigsten Themen des Landes. Gleichwohl habe die jüngste Studie die Lücken bei Grundschulkindern «dramatisch offengelegt». Das Land habe eine Reihe von Reformen vorgenommen, die aber noch nicht sichtbar würden. «Es geht nicht so schnell», sagte Kretschmann. «Kinder sind keine Automaten, in die man irgendwas reinschmeißt, und dann kommt unten was raus.» Er verwahrte sich erneut dagegen, dass alle Probleme in den Schulen gelöst seien, wenn es mehr Lehrkräfte gebe.

Gerhard Brand, Landeschef des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), hatte an Kretschmann und Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) appelliert, den Menschen reinen Wein einzuschenken, wenn es um die Leistungen der Grundschüler gehe. Die Politik müsse zugeben: «Wir kommen im Moment nicht weiter und wir können das Niveau nicht halten.» Der Lehrermangel werde sich wegen der Pensionswelle, die 2025 auf ihrem Scheitel sei, noch verschärfen. Die Zahl der Studienabgänger werde nicht ausreichen, um diese Lücke aufzufüllen.

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«Ich bin ja selber mal Lehrer gewesen und verstehe ein bisschen mehr vom Unterricht als ein Ziegelstein vom Schwimmen»

Kretschmann räumte ein: «Natürlich ist Unterrichtsausfall ein drängendes und dringendes Problem.» Doch die Probleme in den Schulen seien nicht nur auf fehlende Lehrkräfte zurückzuführen. Das sehe man schon daran, dass es 2019 etwa 94.000 Lehrerinnen und Lehrer für 1,5 Millionen Schüler gegeben habe, während es 1980 noch 74.000 Lehrkräfte für 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche waren. Daran sehe man, dass nicht alles mit der Zahl der Lehrer zu erklären sei.

«Ich bin ja selber mal Lehrer gewesen und verstehe ein bisschen mehr vom Unterricht als ein Ziegelstein vom Schwimmen», sagte Kretschmann. Damit spielte er auf die heftige Kritik von VBE-Landeschef Brand an, der gesagt hatte, Kretschmann habe nach Jahrzehnten in der Politik keine Ahnung vom Schulalltag mehr. «Er versteht davon, was heutzutage im Unterricht passiert, ungefähr genauso viel wie ein Ziegelstein vom Schwimmen», sagte Brand. News4teachers

Ist schlechter Unterricht der Grund für den Leistungsabsturz in Grundschulen? VBE watscht Kretschmann ab

 

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14 Kommentare
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Pälzer
1 Jahr zuvor

Natürlich hat Kretschmann Recht, es kommt nicht nur auf die Menge an Lehrern an. Es sind so viele Faktoren für den Zerfall der Schülerleistungen mitverantwortlich, dass es ganz leicht ist, immer die für unwesentlich zu erklären, an denen man nichts ändern möchte. Der radikale Individualismus, die Schneeflöckchen-Erziehung, Smartphone-Konsum, Schlafmangel, Übermaß an Freizeitangeboten, fehlende Väter und Mütter, frühe kollektive Kita-Erziehung, Konsumorientierung in der Gesellschaft, Videos und Games statt Lesen, keine gemeinsamen Wertmaßstäbe, Konzentrationsprobleme, ungeeignete Unterrichtsmethoden, Überlastung der Lehrer mit Verwaltungsaufgaben, fehlende Fachlehrer (eher in der Sekundarstufe), und viel mehr.

OlleSchachtel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pälzer

Gut auf den Punkt gebracht. Danke

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

„Er verwahrte sich erneut dagegen, dass alle Probleme in den Schulen gelöst seien, wenn es mehr Lehrkräfte gebe.“ – Ok, gebt’s zu, wer von euch hat das behauptet? Na?? … niemand, echt? Tja, was sagt man dazu, das hat gar niemand behauptet – sehr komisch.

Mika
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

@Dil
Genau das habe ich auch gedacht, als ich den Artikel gelesen habe. Sind das jetzt billige Ablenkungsmanöver oder einfach nur Alterserscheinungen? Irgendwie verstörend, dass das von einem Ministerpräsidenten geäußert wird.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mika

Man distanziert sich von offensichtlich falschen Forderungen, die es so nie gab und stellt sich hierdurch beim Empfänger besser dar. Mach ich täglich: Es ist unfassbar, dass man von mir verlangt, ich solle euch volle anlügen, aber das werde ich nicht tun – simsalabim, alle sind dabei. In einer Fortbildung wurde uns beigebracht, wir sollen jetzt volle viel härtere KAs schreiben, aber ich mach da nicht mit, das ist volle unfair – yeahhhh! „Die Doppelvokale kommen nicht so häufig vor – ein Anlass, einige Wörter etwas genauer zu betrachten und sie ihren Umschreibungen, bzw. Erklärungen zu zuordnen.“ Aber da steig ich aus, Leute, ich lass mich nicht so einfach instrumentalisieren, wo ich doch genau sehe, was das für SuS volle für einen zusätzlichen Stress bedeuten würde.

[Wer’s findet, darf’s verraten …]

dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Jetzt werd‘ hier aber nicht komisch, Alter:)

Mittlerweile ist doch das, was die Politiker nicht sagen, interessanter als das, was ihre Presseabteilungen verlautbaren lassen. Das Nicht-gesagte ist doch die eigentliche Meinung.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  dickebank

Also wäre die Wahrheit all das, was die Lücken zwischen den Äußerungen auffüllt und sich gewissermaßen in Pausen, Schweigen, im „Schatten“ umherwindet … das Gewusel der impliziten Botschaften, deren Erscheinen man fürwahr noch so arg unterdrücken mag, wie sehr man auch sich müht dabei, der Korken bleibt nie lange unter Wasser … und, und erst 24h Ferien, oh Gott, wie ich die Schülers vermisse. Wie soll ich das nur rumkriegen, schnüff. Wen soll ich belehren in der Zwischenzeit?!

Ron
1 Jahr zuvor

„Kretschmann pocht darauf: Lehrermangel allein ist nicht ursächlich für Leistungsabsturz“

Na, Herr Kretschmann, wann kommt jetzt die Selbsterkenntnis, dass die katastrophalen Bildungsergebnisse Resultat einer verfehlten Politik sind?!

Lanayah
1 Jahr zuvor

Ist diese Behauptung auch 1:1 auf Pflege, Post, Bahn und Flugverkehr übertragbar? Es liegt nicht am Personalmangel?

Palim
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lanayah

Natürlich nicht,
also weiter so: reduzieren wir die Lehrkräfte, erhöhen die Lerngruppengröße
und setzen noch mehr ungelernte Kärfte in prekären Verhältnissen in die Klassen.

Marc
1 Jahr zuvor

Der war ja auch Gymnasiallehrer. Da gabs ja auch nicht so viele Probleme. Von echten Problemen an Grundschulen und Hauptschulen hat er tatsächlich keine Ahnung.

Und als ehemaliger Gymnasiallehrer ist es natürlich weiterhin für ihn selbstverständlich A13 für alle zu verhindern

Donauperle
1 Jahr zuvor
Antwortet  Marc

Kretschmanns Frau war bis zu ihrer Pensionierung vor einigen Jahren als Grundschullehrerin tätig. Ein wenig Einblick hatte er also schon.
Dies soll allerdings nicht als Entschuldigung dienen für seine sehr unglücklich formulierten Äußerungen.

Dreamghost
1 Jahr zuvor
Antwortet  Donauperle

Unglücklich formuliert halte ich für ein sehr nettes (aber ungerechtfertigtes) Entgegenkommen. Der gute Mann weiß genau, was er sagt. Es ist ja nicht das erste Mal, dass er sich sehr abschätzig ggü seinen alten Kollegen äußert

Last edited 1 Jahr zuvor by Dreamghost
Lehrerin
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dreamghost

Der „gute“ alte Mann weiß genau, was er sagt, deshalb ein kleiner Hinweis zu Kretschmanns Werdegang: Wenn man seinen Lebenslauf im Internet anschaut, stellt man fest, dass er etwa 10 Jahre im aktiven Dienst als Lehrer verbracht hat, so um die 1980er und danach. Man liest von 5(!) verschiedenen Schulorten (Zitat aus Wikipedia, abgerufen 30.10.2022: „Kretschmann unterrichtete zunächst an einer privaten Kosmetikschule in Stuttgart. Nach einer Überprüfung (Radikalenerlass!) war er verbeamteter Gymnasiallehrer für BiologieChemie und Ethik in Stuttgart, Esslingen am Neckar (Theodor-Heuss-Gymnasium), MengenBad Schussenried und zwischen 1988 und 1995 am Hohenzollern-Gymnasium in Sigmaringen. Für die Wahrnehmung seiner parlamentarischen Mandate wurde er mehrmals beurlaubt).
Meine langjährige Erfahrung als Lehrerin: Wenn es an einer Schule gut klappt, wechselt man als Lehrer üblicherweise doch nicht so oft…? Er hat das offensichtlich gemacht, keine Ahnung, ob selbst gewählt oder dienstlich veranlasst. Aber: Wir kennen den Begriff “ Wanderpokal “ in dem Zusammenhang. Spekulation, ich weiß, trotzdem: Könnte es sein, dass er aus der Schulzeit (als Schüler oder Lehrer?) einiges aufzuarbeiten und daher so wenig für die Schulen und Lehrkräfte übrig hat?