Warum die Verbeamtung von Lehrkräften zu Giffeys Dauerbaustelle werden könnte

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BERLIN. Die Rückkehr zur Verbeamtung von Lehrkräften in Berlin ist beschlossene Sache. Die Umsetzung ist allerdings schwieriger als erwartet. Und das liegt nicht nur am Verfassungsgerichtshof. Das Projekt könnte für die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) zur Dauerbaustelle werden.

Neverending story? Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Foto: Shutterstock / photocosmos1

Die ersten Lehrerinnen und Lehrer nach rund 18 Jahren Unterbrechung hat Berlin schon im Juli wieder verbeamtet. Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) überreichte zahlreiche der rund 220 Ernennungsurkunden bei einem Festakt persönlich. Die nächsten Schritte, die bei der Verbeamtung der bislang angestellten Lehrkräfte anstehen, dürften weniger feierlich und auch deutlich schwieriger sein – und das Problem nicht verschwinden lassen. «Die Verbeamtung ist wirklich nur ein Schritt. Wir müssen mehr ausbilden», sagte die bildungspolitische Sprecherin der Linken, Franziska Brychcy.

Die Senatsverwaltung für Bildung hat inzwischen ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Rückkehr zur Verbeamtung von Lehrkräften rechtlich absichern soll. Es legt die Altersgrenze für die Verbeamtung von bisher angestellten Lehrkräften auf 52 Jahre fest. «Wir wollen alle verbeamten, die das wollen, und auch alles ausschöpfen bis 52 Jahre», sagte Brychcy. «Aber die Verbeamtung löst nicht das Problem, dass die Tischdecke zu kurz ist und dass wir mit den anderen Bundesländern extrem konkurrieren um die guten Fachkräfte, auch mit Brandenburg.»

Wenn Berlin im kommenden Jahr den Vorsitz der Kultusministerkonferenz (KMK) habe, müsse das Ziel sein, einen Staatsvertrag zur Lehrkräfteausbildung hinzubekommen. «Das heißt, eine Vereinbarung, dass alle Bundesländer bedarfsdeckend Lehrkräfte ausbilden müssen und dass sich möglicherweise auch der Bund daran beteiligt», sagte Brychcy.

«Ich verstehe das Ansinnen der GEW, aber 900 Euro schaffen wir nicht. So ehrlich muss man mit den Lehrkräften auch sein»

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin sieht den Gesetzentwurf der Bildungsverwaltung zur Verbeamtung kritisch. Ihr fehlen insbesondere Regelungen zum finanziellen Ausgleich für Lehrkräfte, die keine Beamten werden, etwa weil sie zu alt sind.

Nach Angaben der Bildungsverwaltung soll die rot-grün-rote Koalition im Abgeordnetenhaus eine Lösung dafür erarbeiten, die dann gemeinsam mit dem Gesetz im Januar beschlossen werden könnte. «Wir werden als Koalition den Änderungsantrag einbringen für den Nachteilsausgleich, der finanzieller Natur sein wird», sagte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Marcel Hopp. «Die Kernfrage ist, welchen finanziellen Nachteilsausgleich die Tarifgemeinschaft der Länder akzeptiert.»

In der Tarifgemeinschaft ist Berlin Mitglied und möchte das auch bleiben. Das bedeutet aber auch, das Land kann nicht einfach seinen angestellten Lehrkräften einen x-beliebigen Zuschlag zahlen und sie damit viel besser stellen als Lehrkräfte in anderen Ländern. Wie viel ist realistisch? «Der Erwartungsrahmen ist das „Sächsische Modell»“, sagte Hopp. Dahinter steckt eine komplizierte Rechtskonstruktion, die angestellten Lehrkräften annähernd 200 Euro zusätzlich sichert. «Wir versuchen, den Rahmen auszureizen und eventuell auch etwas höher zu gehen», sagte Hopp.

Die GEW fordert eine tarifliche Zulage von bis zu 900 Euro. «Aus unserer Sicht geht das nicht», sagte Bildungsexpertin Franziska Brychcy dazu. «Ich verstehe das Ansinnen der GEW, aber 900 Euro schaffen wir nicht. So ehrlich muss man mit den Lehrkräften auch sein.» Rechtlich würde ein solcher Beschluss nicht halten, ist Brychcy überzeugt. Und es würde aus ihrer Sicht auch mit den Abstandsregeln im Tarifsystem ein Problem machen, wenn eine Kollegin zusätzliche Aufgaben übernimmt und dafür in der Gehaltsstufe A14 eingruppiert, aber doch schlechter bezahlt werde als eine andere, die A13 plus eine solch hohe Zulage bekomme.

Auch Brychcy betonte, die exakte Höhe der Zulage sei noch offen. «Wir möchten aber, dass es diesen Ausgleich für die angestellten Lehrkräfte gibt», so die Bildungsexpertin. «Wir haben vereinbart, dass wir einen Änderungsantrag zu dem Artikelgesetz einbringen werden ins Parlament.» Allerdings gibt es da noch ein viel gravierenderes Problem.

Durch die mögliche Wiederholung der Wahl zum Abgeordnetenhaus sei unklar, wann das Abgeordnetenhaus über diese Fragen überhaupt beschließen könne, sagte Brychcy. Der Verfassungsgerichtshof hat sein Urteil zur Wahlwiederholung für den 18. November angekündigt. «Im schlechtesten Fall bedeutet das für das Verbeamtungsprojekt, dass es zeitlich nach hinten rutscht», sagte Brychcy. «Die Verbeamtung können wir dann möglicherweise erst im März nach der Wiederholungswahl beschließen.» News4teachers / mit Material der dpa

GEW kritisiert Gesetzentwurf zur Lehrer-Verbeamtung („Grenzt an Bruch des Wahlversprechens“)

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Die Berlinerin
1 Jahr zuvor

Ich will es noch einmal wiederholen: Vor allem wird man monatelang hingehalten und es wird versprochen, versprochen, versprochen… Dann wundert sich die Politik über Politikverdrossenheit? Im APRIL sollten alle Lehrer Berlins irgendso ein Schreiben bekommen, das ihnen – ich nehme mal an – die Bedingungen einer Verbeamtung nennt. Kam nicht. Jetzt haben wir OKTOBER, Frau Busse, Frau Giffey !!!!

Nun sollte innerhalb von 2 Wochen erklärt werden, was als Nachteilsausgleich jene erwartet, die nicht verbeamtet werden. Das kam wieder nicht. Man weiß nur, aus 4 Stunden Abminderung wurden 3 und dann 2 und nun keine, sondern ein Zuschlag, der einfach lächerlich ist, WENN man dem sächsischen Modell (seinerzeit 170,- Euro brutto plus!) folgen wird. Wenn… Aber warum hat man das nicht gleich seinerzeit auf dem Parteitag der SPD gesagt, als man sich dort die knappe Zustimmung zur Wiederverbeamtung holte? Weil man dann diese Zustimmung nicht bekommen hätte? Trick 17. So nennt man das doch, oder?

Und nun lasse man uns nochmal über Politikverdrossenheit und sinkende Wahlbeteiligungen und was man dagegen tun könne und müsse, reden! Oder wie es neudeutsch heißt: „sich ehrlich machen“! Mach dich bitte mal ehrlich, liebe SPD, liebe Frau Giffey, liebe Frau Busse! Warum redeten Sie denn auf dem besagten Parteitag der SPD noch ganz anders?

Die GEW wies schon damals darauf hin, dass all die Versprechungen für den Nachteilsausgleich nicht umsetzbar seien, wie sie angekündigt wurden! Aber diese Ankündigungen waren die Grundlage für die Zustimmung!

celanon
1 Jahr zuvor

Die Lehrer, die jetzt im Normalfall aufgrund ihres Alters in Berlin nicht mehr verbeamtet werden können, sind im Normalfall auch jene, die am längsten nicht verbeamtet waren, sprich als angestellte Lehrer gearbeitet haben und dabei die Vorteile des Beamtentums eben nicht hatten. Und dennoch in Berlin blieben!!!!

Es ist gerade deshalb diesen Lehrern gegenüber zutiefst unfair, sie jetzt mit einem Almosen abzuspeisen, wenn sie weiterhin nicht verbeamtet bleiben und weiterhin die Vorzüge des Beamtentums nicht erhalten.

Das ist der Punkt.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  celanon

Auch das ist ein sehr deutliches Zeichen von, hust, röchel, „Wert“schätzung….

Man kann auch sagen – der gewohnte Schlag ins Gesicht!

Klar müssten allen angestellen Kollegys soforrt ihre Savhen packen und gehen – es herrscht Lehrkräftemangel! – doch wer kann, will und wird nach zig Jahren schon Haus und Hof nebst allen Sozialkontakten verlassen?

Das weiß auch der neu gegründete Verbeamtungsverein.

Checkthefacts
1 Jahr zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Der „neu gegründete Verbeamtungsverein“ wird hoffentlich zu erkennen wissen, wie man Bestandslehrkräfte motiviert, die auch als examinierte Lehrer Angestellte sind und bleiben möchten oder aus Altersgünden müssen und – natürlich – rechnen können. Innere Kündigung und Dienst nach Vorschrift sind per se kein Kündigungsgrund. Die Tarifgemeinschaft der Länder muss gar nicht zustimmen, sofern sich der Ausgleich im Rahmen des Stufenzuschläge bewegt, die bereits heute, hier und jetzt, möglich wären. Gerecht ist, wenn man den einen nicht mit fadenscheinigen Argumenten vorenthält, was man den anderen, langfristig, nun großzügig gewähren möchte.

celanon
1 Jahr zuvor

Um seit einigen Jahren allen Berliner Grundschullehrern A/E 13 zu zahlen, war genug Geld da? Das machte rund 500 Euro Gehaltserhöhung für die Betroffenen aus!

Auch um seit 2013 oder so allen neueingestellten Lehrern in Berlin eine Gehaltszulage von bis zu 1600 Euro zu zahlen (unter Vorwegnahme der Erfahrungsstufe 5), war genug Geld da!

Um jetzt einigen wenigen Tausend nicht zu verbeamtenden Lehrern einen fairen finanziellen Ausgleich zu zahlen, ist nicht genug Geld da???

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  celanon

Aber seien wir mal ehrlich – das wird wenigstens offen und ehrlich kommuniziert!

Ironiedetektor erforderlich!

Diese ganze Stümperei ist der helle Wahnsinn. Da sollten wegen dauerhaft erwiesener Unfähigkeit und/oder Nichtwollen dringend mal Abmahnungen folgen und Köpfe (in die Lobby-Korrupt-Wirtschaft – vielleicht bei Schulbuchverlagen 😉 ) rollen.

Mir ist klar, dass das nicht geht. Die haben das ganze Jahr Karneval und Fasching – also Narrenfreiheit.

Auch ein System, das nichts taugt, wenn Menschen es derart missbrauchen.

Realist
1 Jahr zuvor

„Tarifgemeinschaft“, „900 Euro schaffen wir nicht“, „Wiederholungswahl“

An billigen Ausreden mangelt es der Politik wie immer nicht, wenn sie sich um das Einlösung ihrer großmundigen Versprechen drücken will… die ersten beiden Aspekte konnte man schon wissen, bevor man solche Versprechen abgab, den letzteren hat die Politik und die angeschlossene Verwaltung selber vermasselt.

Erbärmlich, wie immer.

Schuppentier20
1 Jahr zuvor

Es handelt sich hier wohl um den klassischen Fall eines „Was-schert-mich-mein-Geschwätz-von-gestern-Politikers“.

„Lasić will denen, die nicht verbeamtet werden können, vier „Ermäßigungsstunden“ pro Woche spendieren, sagte sie der taz. Das erforderte allerdings zusätzliches Personal – Entlastungsstunden für die Quereinsteigenden waren zuletzt genau daran gescheitert.
Ohnehin ist unklar, ob die Wiederverbeamtung die Fachkräftekrise tatsächlich mildern kann: Im vergangenen Schuljahr gingen vermutlich rund 550 LehrerInnen wegen Verbeamtung in ein anderes Bundesland – was aber nur eine „plausible Schätzung“ ist, weil die Bildungsverwaltung die Versetzungsgründe nicht erfragt. Und: Auch andere Länder haben trotz Verbeamtung Nachwuchsprobleme.“
SPD Berlin stimmt über Verbeamtung ab: Von Beamten und Lehrermangel – taz.de

Wer ist „Lasic“? Ich möchte mal Herrn oder Frau Lasic sprechen und was er oder sie nun sagt, nachdem all die Versprechungen wohl gebrochen werden, mit denen man die Verbeamtung durchsetzte. Zuletzt war von „Lasic“ irgendwie nichts mehr zu hören, oder?

fabianBLN
1 Jahr zuvor
Antwortet  Schuppentier20

Im Artikel kannst du lesen, wer „diese Lasic“ ist, die den nicht zu verbeamtenden Lehrern noch 4 Ermäßigungsstunden versprach. Jetzt scheint die irgendwie untergetaucht zu sein. Warum wohl?

Checkthefacts
1 Jahr zuvor
Antwortet  fabianBLN

Weil alleine diese 4 Ermäßigungsstunden ein schlechter Witz waren bzw. wären. Die holt ein gewissenhafter Lehrer/ein gewissenhafte Lehrerin, der/die in Berlin schon jetzt an der Belastungsgrenze steht, ganz freiwillig durch Mehrarbeit zuhause nach, zugunster seiner/ihrer Schüler*innen. Und hätte dann am Ende von einem solchen Vorhaben rein gar nichts.

Lakon
1 Jahr zuvor

Im Blick auf die Berichterstattung der letzten Jahre über Berlin scheint es mir deutlich schwerer wiegende Probleme in der Berliner Bildungspolitik zu geben als das Verbeamten. Vor allem: die Bildungspolitik der Berliner Regierungen.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lakon

Was gibt’s denn da zu meckern, wenn der Leiter einer traditionellen reformpädagogischen Schule seit 1948 (sozusagen das Prestige-Flaggschiff aller Berliner Schulen) sich so optimistisch äußert:
https://www.youtube.com/watch?v=R1HY5264o5Y
Sie hat selbstverständlich privilegierte Bedingungen: 136 Lehrer für 1200 Schüler und dann 27 Erzieher dazu.

Carsten60
1 Jahr zuvor

Giffeys Hauptproblem ist nicht die Verbeamtung der Lehrer, sondern die drohende Neuwahl wegen der massiven Verfälschungen der Wahl vom Sept. 2021 durch hausgemachte, verwaltungsmäßige Unfähigkeit (nicht Sabotage oder Störungen durch Extremisten). Nach derzeitigen Umfragen liegen die Grünen vor der CDU, und die SPD ist nur dritte. Und die Linkspartei könnte weiter absacken, wenn das Chaos bei ihr so weitergeht.

Honigkuchenpferd
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Wie schon geschrieben, Tausende Berliner Lehrer, die nun leer ausgehen (fast leer), können durchaus das Zünglein an der Waage sein.

Dreamghost
1 Jahr zuvor

«Aus unserer Sicht geht das nicht. Ich verstehe das Ansinnen der KM, aber ein weiteres Schuljahr schaffen wir nicht. So ehrlich muss man mit den Politikern auch sein.»

Scheinio
1 Jahr zuvor

Alle Probleme wären beseitigt, wenn ALLE Lehrkräfte (unabhängig der Qualifikation) nach nur Tätigkeitsmerkmalen bezahlt werden!
Dann würden sich die Verantwortlichen gezwungen fühlen mehr Lehrkräfte auszubilden 🙂

Deshalb finde ich E13/A13 für ALLE wichtig!