Gemeindebund: Ganztags-Anspruch wegen Personalmangels nicht umsetzbar

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Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sieht ein massives Personalproblem auf die Kommunen zukommen – und erwartet deshalb mittelfristig Leistungskürzungen. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg hält insbesondere den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule nicht flächendeckend für umsetzbar.

An Grundschulen ist die Heterogenität der Lerngruppen naturgemäß groß. Foto: Shutterstock
Wer soll die Nachmittagsbetreuung an Grundschulen übernehmen? Foto: Shutterstock

«In den nächsten zehn Jahren scheiden 573.890 Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Kommunen aus», sagte er der «Bild»-Zeitung. «Das entspricht etwa 30 Prozent des Personals.» Selbst mit Werbungs- und Bonus-Programmen sei diese Lücke nicht zu schließen, «das Problem nicht zu lösen». Es gebe nicht genügend junge Menschen.

«Manche Regelungen und Leistungen sowie Rechtsansprüche müssen ausgesetzt oder gegebenenfalls aufgehoben werden», sagte Landsberg. Tabu-Brüche seien daher unumgänglich. «Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule wird flächendeckend nicht umgesetzt werden können. Die mehr als 100.000 erforderlichen Erzieherinnen und Erzieher gibt es nicht und sie können auch nicht kurzfristig eingestellt werden.»

Landsberg sagte, das Ziel sei richtig, die Kommunen würden das weiter vorantreiben, «aber wir lösen das Problem nicht im Gerichtssaal».

Bund und Länder hatten im vergangenen Jahr einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule beschlossen, der schrittweise eingeführt wird. Ab dem Schuljahr 2026/2027 greift die Regelung bei Kindern der 1. Klasse, ab 2029/2030 bei allen Klassen. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung hatte im Sommer ergeben, dass für die Umsetzung bis Ende des Jahrzehnts mehr als 100.000 pädagogische Fachkräfte fehlen könnten.

Wegen des erwarteten Personalmangels in den Kommunen forderte Landsberg, es müsse mehr Standardleistungen statt Einzelfallbetreuung geben. Außerdem müsse das Angebot an digitalen Leistungen in den Behörden steigen. News4teachers / mit Material der dpa

Kalte Schulgebäude, weniger Kita-Fachkräfte, größere Klassen – Kommunen: „Wir müssen realistisch mit der Öffentlichkeit reden“

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Ron
1 Jahr zuvor

Und wieder bricht ein kleines Blütenträumchen aus dem Reich Utopia in sich zusammen, weil Verantwortliche wohl gerne große Versprechungen machen, die Voraussetzungen zur Umsetzung dieser jedoch als lästigen Kleinkram ignorieren.

Ron
1 Jahr zuvor

Vor langer Zeit gab es mal eine effektive, auf Bildung fokussierte Halbtagsschule. Wer danach Hilfe bei Hausaufgaben oder Ganztagsbetreuung benötigte, ging nachmittags in den Hort. Ganz andere Betreuer, ganz andere Atmosphäre und mit echten Freizeitangeboten im Angebot.

Angelika Mauel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Genau. Kinder, die in der Schule gemobbt wurden, blühten auf, wenn sie im Hort Freunde hatten und es ging auch nicht nur ums Lernen im Hort. Gemeinsames Essen und Freizeitangebote gehörten dazu. Und es gab sogar „offene Treffs“ wo Kinder nicht angemeldet wurden, sondern sie kamen aus freien Stücken und konnten heimgehen, wie sie wollten. Kinder konnten tatsächlich über ihre freie Zeit am Nachmittag selbst entscheiden! Noch nie habe ich so am Lernen interessierte, hoch motivierte Schülerinnen erlebt, wie in einem emanzipatorischen Mädchentreff. Auch meine Fachlehrerin war begeistert von der Einrichtung.

Mike
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Und gute Ganztagsschulen bieten noch viel mehr. Stichwort Stuttgart.

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mike

Sehen Sie es mir nach, dass ich nicht extra zur Beschau nach Stuttgart komme. Aus der Presse habe ich aber entnommen, dass dort mittlerweile Alarmstimmung wegen fehlender Lehrer ist.

Ich denke auch nicht, dass eine Ganztagsschule zu vergleichen ist mit einer Kombination aus Halbtagsschule (nur Unterricht) und einem ergänzenden Hort für Hausaufgaben, Essen und Freizeitangebote. Wobei ich Ihnen gerne zubilligen, dass es gute und schlechte Ganztagsschulen gibt und mit viel Engagement, Räumlichkeiten und Personal einiges zu reißen ist.
Für mich liegt der Unterschied beider Konzepte aber im Mentalen. In der Halbtagsschule wird unter Anleitung von Lehrern gelernt. Der anschließende Hort ist ein räumlich völlig getrennter Ort. Hier trifft man nicht seinen verhassten Chemielehrer wieder oder wird durch die Umgebung an das Horrorfach Französisch erinnert. Der Hort ist ein geschützter Raum, wo Betreuer arbeiten, die im besten Fall eine familiäre Atmosphäre schaffen. Hier dürfen sogar die Betreuer über den Chemielehrer mitlästern, dürfen unorthodoxe Unterstützung beim Bewältigen von Problemen geben oder einfach zu Neuem anregen. Betreuer haben ganz andere Möglichkeiten, Kinder und Jugendliche zu inspirieren, mit neuen Sachen vertraut zu machen oder diese einfach mal nach einem bösen Schultag aufzubauen. Und das Schönste ist: ein Sozialarbeiter kostet deutlich weniger als der Oberstudienrat, der die Schach-AG am Nachmittag betreut.

Mary-Ellen
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Oh ja, wir schaffen einen attraktiven „Rahmen“, haben aber „leider kein Foto für dich“, (frei nach Heidi Klum….) 🙁

Angelika Mauel
1 Jahr zuvor

Warum musste eigentlich 2013 der schon in der Diskussionsphase umstrittene Rechtsanspruch für die Jüngsten geschaffen werden und nicht zuerst der Rechtsanspruch auf die Betreuung von Schulkindern im Ganztag??? – Das Kindeswohl dürfte nicht den Ausschlag gegeben haben, sondern die Arbeitgeberinteressen.

Haben Eltern von Kleinkindern „gelernt“ sich mit den wiederkehrenden Personalengpässen in der U-3-Begtreuung zu arrangieren, sind sie später froh, wenn halbwegs genug Ungelernte im offenen Ganztag dafür sorgen, dass der „Rechtsanspruch der Grundschüler“ mehr schlecht als recht durchgezogen werden kann.

Carsten
1 Jahr zuvor

Hurra-wir kehren zum Kerngeschäft zurück !

Emil
1 Jahr zuvor

Es ist nicht nur das Personal, es gibt massiven Raummangel in Grundschulen!!!!

Echt
1 Jahr zuvor
Antwortet  Emil

Und die nötigen Erweiterungsbauten schränken die Spiel- und Verweilmöglichkeiten noch weiter ein. Das erscheint mir recht widersinnig. Freiheit? Bewegung? Frischluft? Wie war das noch mit den Auslaufmöglichkeiten für Nutztiere? Sorry, aber ich habe dabei immer wieder die Massentierhaltung vor Augen. Welcher Haltungskategorie entsprechen denn die Schulen???
Egal, die neue Mensa macht sich gut auf dem Pressefoto. Der Bürgermeister ist zufrieden und dann sollten es die Kinder natürlich auch sein.

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  Echt

Tja, liebe(r) ForenmitteilnehmerIn „Echt“. Die Haltungsformen unserer Schüler (und auch Lehrer) sind teils „Echt“ ein Problem. Stadtschulgehende liegen dabei oft zwischen den Kategorien 1 und 2. Der NDR schreibt dazu: „In der untersten Kategorie Stallhaltung (rotes Siegel) gibt es Mindestanforderungen (…) was Platzvorgabe und Beschäftigungsmaterial betrifft. So teilen sich 26 Hühner (reine Mädchenschule?)…“ einen Raum (vom Schreiber angepasst).
„In der nächsthöheren Stufe Stallhaltung Plus (blaues Siegel) kommen 23 Hähnchen (diesmal wohl reine Knabenschule) auf einen… (Raum). Auch für die anderen Tierarten (sind das die Lehrer?) gibt es minimale Verbesserungen bei der Platzvorgabe und Beschäftigung: Kühe (das wird jetzt beleidigend) werden nicht angebunden. Schweine (schon wieder nicht nett) bekommen zusätzliches organisches Beschäftigungsmaterial (Kaffeemaschine?).Hähnchen und Puten bekommen Stroh…“ (bzw. einen eigenen Stuhl / gilt nicht für Kollegen im Lehrerzimmer).