Rassismus-Streit um Abi-Lektüre: „Als Bildungsinstitutionen müssen wir uns damit auseinandersetzen, wem wir da was zumuten“

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STUTTGART. «Größtmögliche Demütigung» oder literarischer Schatz? Koeppens «Tauben im Gras» spaltet die Gemüter. Im Abi an beruflichen Gymnasien soll es zur Pflicht werden. Literatur-Experten sehen darin kein Problem, die schwarze Community und ein renommierter Geschichtsdidaktiker dagegen schon.

In Koeppens „Tauben im Gras“ taucht an mehr als 100 Stellen das „N-Wort“ auf – zumutbar ifür Abiturientinnen und Abiturienten? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Wolfgang Koeppens Roman «Tauben im Gras» soll im kommenden Jahr Abi-Pflichtlektüre an beruflichen Gymnasien in Baden-Württemberg werden. Das Werk aus dem Jahr 1951 spaltet die Gemüter. Die einen finden den Roman zu rassistisch für den Unterricht, weil das «N-Wort» darin dutzende Male vorkommt. Die anderen sehen das Werk im Kontext der Zeit. Eine Ulmer Lehrerin protestiert öffentlich dagegen. Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) hält laut Ministerium weiter an der Pflichtlektüre fest (News4teachers berichtete).

Mit dem Begriff «N-Wort» wird heute eine früher gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben. Jemand, der sich gut mit Koeppen auskennt, ist Literaturprofessor Walter Erhart von der Universität Bielefeld. Von 1997 bis 2007 leitete er das Koeppen-Archiv in Greifswald und gibt noch heute mit drei Kollegen die Werke des Autors im Suhrkamp Verlag heraus. Er kann die Haltung der Kultusministerin durchaus nachvollziehen.

«“Tauben im Gras“ galt bisher als problemlose Schullektüre», sagt er. Studierende hätten sich zwar immer wieder beklagt, wie schwierig das Werk sei. Eine Rückmeldung, dass der Text problematisch sei, habe er nie bekommen. Sicherlich aber sei es nötig, den Roman in seinen historischen Kontext einzuordnen und aus diesem heraus zu verstehen.

In Nordrhein-Westfalen war Koeppens Werk laut Kultusministerium bereits 2014 Abi-Pflichtlektüre, in Baden-Württemberg zuletzt um die Jahrtausendwende. Der Roman sei schwer verständlich und nicht sehr eingängig, sagt Erhart. Und ja, er komme mit Blick auf die Sprache rassistisch rüber, stimmt er Kritikern zu. Dadurch könnten sich Menschen verletzt fühlen. Koeppen an sich sei aber ein linksliberaler Autor gewesen, der auf der Seite von Minderheiten gestanden habe. Er habe die kolonialen Bestrebungen des Westens sehr stark kritisiert. Wenn man ihm Rassismus vorwerfe, werde er deutlich missverstanden.

Der Gebrauch des «N-Wortes» im Roman sei alternativlos gewesen in der damaligen Zeit. «Damals war es kein Schimpfwort, so hat man gesprochen», erklärt Erhart. Der Roman habe keinen übergeordneten, von den Romanfiguren klar abgegrenzten Erzähler, der das «N-Wort» benutze. Die Stimmen der Figuren seien zu verstehen als O-Töne, also als echte Stimmen aus der Vergangenheit, die Verhaltens- und Denkweisen der Menschen in der unmittelbaren Nachkriegszeit darstellten. Man könne eintauchen in die Zeit, die Anstößigkeit des Begriffs werde dadurch gemildert.

«Wenn man bei Koeppen sagt, das geht gar nicht, dann muss man das bei anderen Autoren auch tun. Und dann gibt es da keine Grenze mehr»

Ein Problem beim «N-Wort» gebe es aber, wenn ein Erzähler eine Geschichte erzähle und dabei rassistische Begriffe benutze. Da gebe es berühmte Beispiele wie etwa Heinrich von Kleists Novelle «Die Verlobung von Santa Domingo». Darin tauche das «N-Wort» schon auf den ersten Seiten auf.

«Auch dieses Werk aber ist ungeheuer komplex, und die von uns Lehrkräften erwartete Aufgabe wäre es, den Gebrauch solcher heute bedenklicher Worte und Begriffe für eine Diskussion über die Geschichte unserer europäisch-westlichen Kultur zu nutzen.» An der Debatte um Koeppens Werk könne sich direkt die Frage anschließen, «wie wir mit unserem kulturellen Zeugnissen umgehen». «Wenn man bei Koeppen sagt, das geht gar nicht, dann muss man das bei anderen Autoren auch tun. Und dann gibt es da keine Grenze mehr.»

Das Hauptproblem sei gar nicht das Buch selber, sagt Professor Bernd-Stefan Grewe. Er ist Direktor des Instituts für Geschichtsdidaktik und Public History an der Eberhard Karls Universität in Tübingen und Unterzeichner einer Petition gegen die neue Abi-Pflichtlektüre. Das Buch zeige die Perspektive der frühen 50er Jahre. «Das spiegelt den Rassismus wider aus dieser Zeit, was ziemlich schwer auszuhalten ist.» Grewe würde Koeppens Werk nicht verbieten, es lohne eine Auseinandersetzung damit, findet er.

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Der Roman eigne sich durchaus dafür, den Rassismus von früher zu zeigen «und ich würde ihn Menschen grundsätzlich auch als Lektüre empfehlen – aber eben nicht als Abi-Pflichtlektüre», so der Geisteswissenschaftler. Seine Einwände dagegen seien auch eine humanitäre Intervention. «Als Bildungsinstitutionen müssen wir uns schon damit auseinandersetzen, wem wir da was zumuten und ob manche Dinge wirklich sein müssen.» Eine Auseinandersetzung mit dem Holocaust, dem Nationalsozialismus oder dem Kolonialismus sei unumgänglich im Unterricht. «Aber die Frage, wie ich das mache, in welchen Fächern und in welchem Rahmen – die ist natürlich sehr wichtig.»

Es gebe auch Lehrkräfte, die am Beispiel von «Tauben im Gras», den Rassismus der Nachkriegszeit thematisieren würden. «Die packen das ganz bewusst an. Etwas ganz anderes ist es, wenn das eine Pflichtlektüre für das Zentralabitur ist. Da muss ich mich über Wochen mit dem Werk und dadurch auch mit dem „N-Wort“ auseinandersetzen», sagt Grewe.

Eine Abiturlektüre werde sehr intensiv bearbeitet. Deshalb sei die Frage, ob man das tatsächlich zu einer Pflicht machen und Menschen zumuten müsse, die nicht im Blick der Bildungsbehörden seien. Es gebe kein generelles Bewusstsein in den Institutionen, Menschen etwa mit anderen Hautfarben bei den Entscheidungen mit einzubeziehen. Dies sei der eigentliche Skandal an der Sache.

«Weil ich Schwarz bin, weiß ich, wie es sich anfühlt, dieses Wort immer wieder lesen oder hören zu müssen»

Die Debatte rund um die Abi-Pflichtlektüre hat auch David Diallo in Ulm verfolgt. Kurze Zeit später nimmt er Kontakt zur Ulmer Lehrerin Jasmin Blunt auf, die die Debatte angestoßen hatte, und engagiert sich auch im Verein «Mein Ich gegen Rassismus», der die Petitionen gegen das Buch mitinitiiert hat.

Alltagsrassismus habe er immer wieder erlebt, dieser sei oft subtil, sagt der 28 Jahre alte Patentingenieur. Doch, dass man das «N-Wort» über Wochen im Unterricht zu hören bekommen soll, sei zu viel gewesen. «Weil ich Schwarz bin, weiß ich, wie es sich anfühlt, dieses Wort immer wieder lesen oder hören zu müssen», sagt er. «Es ist die größtmögliche Demütigung.» Nicht umsonst sei das Wort ein Tabu.

Die Vorstellung, dass sich andere so etwas im Unterricht anhören müssten, habe ihn dazu bewegt, aktiv zu werden. «Und wenn ich mich auf den Schulhof stellen und die Lehrer fragen muss, ob die das wirklich in Ordnung finden.» Es gebe so viel alternative Lektüre, da werde es wohl eine Einigung zwischen den Betroffenen und der Kultusministerin geben können, sagt er.

Man nehme den Schülern mit so einer Lektüre doch auch die Hemmung, das «N-Wort» auf dem Pausenhof zu wiederholen. Jedes Mal, wenn dieses Wort ausgesprochen werde, sei es, als ob «man eine Nadel ins Herz gestochen bekommt», sagt der 28-Jährige.

Deswegen kann es sich Diallo auch nicht erklären, wieso das für die Auswahl zuständige Fachgremium sich vorher nicht Rat bei Vertretern von Schwarzen geholt habe. «Durch so eine Kontrollfunktion, wäre so etwas nicht passiert.» Die Bildungseinrichtungen seien nicht dafür sensibilisiert zu erkennen, wie sich schwarze Schüler in der Konfrontation mit dem «N-Wort» im Unterricht fühlten. «Ein Minderheitengremium als zusätzliche Instanz ist dringend nötig.» Von Aleksandra Bakmaz, dpa

Bildungsministerium: Rassentheorien wurden zu lange in Deutschland unterrichtet

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PaPo
1 Jahr zuvor

„Die einen finden den Roman zu rassistisch für den Unterricht, weil das «N-Wort» darin dutzende Male vorkommt.“

Ein Roman ist nicht bereits rassistisch, nur weil in ihm Charaktere u./o. der Erzähler rassistisch Denken u./o. agieren. Dazu gehört mehr.

Worüber wird also konkret diskutiert?

(a) Dass das Werk tatsächlich affirmativ ggü. Rassismus sei? Dass es Rassismus relativiere? etc. Inwiefern bietet das Werk entsprechende Interpretationspotenziale?

(b) Das vermeintl. zu viel u./o. zu intensiv Rassismus geschildert wird? Was wäre ‚zu viel‘ und warum? Wer legt das fest?

(c) Dass manche Leser i.w.S. indigniert sind, sich unwohl o.ä. fühlen, wenn Sie mit bestimmten Begriffen, Schilderungen o.ä. konfrontiert werden? Kontextunabhängig?!

Ernstgemeinte Frage Ich kenne den Roman nicht, aber es scheint, als setze man von kritisierender Seite (a), (b) und (c) in der Diskussion um dieses Werk immerzu gleich.

PaPo
1 Jahr zuvor
Antwortet  PaPo

Und für das Protokoll:
Ich bin kein Verfechter von entsprechenden Kanones, im Gegenteil (s. https://www.news4teachers.de/2022/08/bayern-streicht-goethes-faust-als-pflichtlektuere-aus-dem-lehrplan-ja-und/#comment-465285). Ja auch das Zentralabitur ist m.E. eher problematisch. Es geht mir also nicht darum, hier einer Verpflichtung zur Lektüre eines bestimmten Werkes das Wort zu schreiben. Es geht mir um Transparenz in der Kritik.

PaPo
11 Monate zuvor
Antwortet  PaPo

Warum verwundert es nicht, dass keiner der Downvoter eine Antwort gab, nicht geben konnte?…

Walter Hasenbrot
1 Jahr zuvor
Antwortet  PaPo

Der Roman „Tauben im Gras“ ist explizit antirassistisch.

Zum Beispiel anhand der Figuren Washington Price und Carla wird der Rassismus der Nachkriegszeit in Form Probleme eines schwarzen amerikanischen Soldaten und einer weißen Deutschen als Paar verdeutlicht.

Washington gerät unter anderem in einen rassistischen Mob, der ihn unter Rufen des N-Wortes mit Steinen bewirft.

Diesen Roman kann man gar nicht anders im Untericht behandeln, als auch die Rolle des N-Wortes im Roman und den Rassismus in der der Nachkriegszeit, den es ja bis heute gibt, aufzugreifen.

Insofern tut man sich einen Bärendienst, wenn man antirassistische Romane wie „Tauben im Gras“ aus dem schulischen Kanon ausschließen will.

Feli
1 Jahr zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Richtig, Herr Hasenbrot. Es ist mir auch völlig unverständlich, wie Kritiker nur auf die Häufigkeit des N-Wortes schauen können, die sogar typisches Kennzeichen für Rassismus war und ist, und dabei den Wert dieser Lektüre, nämlich rassistisches Verhalten in einer Gesellschaft, drastisch vor Augen zu führen und sich mit ihm auseinanderzusetzen, dabei übersehen.

Riesenzwerg
11 Monate zuvor
Antwortet  Feli

Dann müssen nahezu sämtliche Rapper verboten werden.

Riesenzwerg
11 Monate zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

„Washington gerät unter anderem in einen rassistischen Mob, der ihn unter Rufen des N-Wortes mit Steinen bewirft.“

So bitter das ist – heute wieder sehr aktuell.

„Diesen Roman kann man gar nicht anders im Untericht zu behandeln“ – und da gibt es auf jeden Fall einen Austausch im geschützten Raum.

mankannesnichtfassen
1 Jahr zuvor

Ich kenne den Roman und habe ihn bereits unterrichtet. Er stellt die Situation im Nachkriegsdeutschland m.E. realistisch dar, inklusive rassistischer Verhaltensweisen. Wie soll man eine in Teilen rassistische Gesellschaft in einem literarischen Werk nachzeichnen, ohne dass die Figuren sich rassistischer Sprache bedienen? Die Alternative wäre, dass diese Problematik komplett aus der Literatur verschwindet oder man Rassisten zeichnet, die politisch korrekt reden – sehr realistisch. Ist es nicht eben ein erschütternd realistisch gezeichnetes Bild, das Rassismus kritisiert?

Ron
1 Jahr zuvor

Und ich fühle mich beim nächsten Roman vielleicht verletzt, weil Männer als „Schweine“ dargestellt werden. Möchte mich im Kunstunterricht auch nicht mehr mit Rodin beschäftigen, weil seine Frauenfiguren nicht dem feministischen Ideal heutiger Zeiten entsprechen. Gauguin mit seinen Südseeschönheiten geht auch gar nicht. Alles chauvinistischer Dreck, der andere verletzt und zudem den Tatbestand der kulturellen Aneignung erfüllt. Und überhaupt: Südsee darf nur von dort ansässigen indigenen Menschen gemalt werden. Für alle anderen verbieten. Ist wie mit deutschen Bands und Rasterlocken – die sind auch unangemessen und führen zur Ausladung des Konzertveranstalters. Spricht sich nun hoffentlich auch schnell bei den Lederhose und Dirndl tragenden Japanern auf dem Oktoberfest rum. Bin kulturell in meinem Selbstwertgefühl stark angegriffen. Am besten gar keine Position mehr einnehmen. Oder maximal versteckt wie in der ehemaligen DDR „Lass meinen Drachen steigen“ oder „Über sieben Brücken musst du latschen“. Besser nur noch abstrakte Kunst – allerdings ohne fallische Striche und sexuell aufgeladene Kreise. Effi Briest geht ja auch nicht mehr. Falsches Frauenbild. Und auch Goethe war ein Sexist – in der Literatur und im realen Leben – muss also ebenfalls auf die Verbotsliste. Auch Bismarck sollte nach Willen der Aktivisten von den Sockeln in den Innenstädten geholt werden, weil er die Bildung deutscher Kolonien nicht verhindert hat. Alte Straßennamen natürlich ebenfalls alle umbenennen – sämtlich geschichtlich vorbelastet und – laut Berlin-Grünen – zu wenig Frauennennungen. Also nur noch weibliche Straßennamen mit südafrikanischen Freiheitskämpferinnen, die hierzulande keiner kennt und aussprechen kann – oder deutsche Wortungetüme wie „Carolina Michaëlis de Vasconcelos – Straße“. Da freut man sich doch als Anwohner und lässt gerne Visitenkarte im Sonderformat drucken.

Lasst uns für die gute Sache alles umformatieren, löschen und verbieten. Lasst uns alle bösen Wörter aus Büchern tilgen, Falschsager bei den Verpetzernetzwerken melden, tatsächliche Geschichte für die gute Sache umdeuten oder verschweigen. Erlaubt keinen Netflixfilm mehr ohne farbigen englischen Herzog, ohne waffenschwingende Wikingerfrauen und kein Akzeptieren mehr von Entschuldigungen, wenn Politikern auf dem Parteitag das Unwort „Indianer“ rausrutscht.

unverzagte
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

@Ron „Und ich fühle mich beim nächsten Roman vielleicht verletzt,…“

Sie sind hier leider so gar keine keine Ausnahme, wenn es darum geht die eigene Befindlichkeit in Relation zur einer möglichen Diskriminierungserfahrung zu thematisieren.

Blicken auch Sie in Ihrer Biographie auf Vorfahren, die mal eben nur so aus Spaß an Verachtung aufgehängt wurden?

Kennen Sie den Jazzklassiker „Strange Fruit“ von Billy Holliday?

Glauben Sie, dass „wir“ als Weiße auch nur ansatzweise nachempfinden können, was es tatsächlich bedeutet seit vielen Generationen aufgrund einer Hautfarbe beleidigt, verfolgt und getötet zu werden?

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  unverzagte

Was Sie hier zusammenargumentieren, ist Rassismus pur. Warum haben ich und meine Mitmenschen irgendeine Verantwortung für geschichtliche Ereignisse, die weit vor unserer Geburt und in fernen Ländern stattgefunden haben und für die ich nach Ihren Worten allein deshalb Mitverantwortung trage, weil ich eine helle Hautfarbe habe wie die damaligen „Täter“?

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

„Sie haben als Lehrkraft eine Verantwortung für Schülerinnen und Schüler heute (eben auch für Schwarze, für jüdische, für queere, für alle, die Opfer von Diskriminierung werden könnten).“

Genau – und in diesem Kontext verweise ich noch einmal auf meinen anfänglichen Beitrag, in dem ich dargelegt habe, dass es neben Farbigen noch diverse andere gesellschaftliche Gruppen gibt. Und mit jedem Buch, Film oder Kunstwerk werden die Gefühle oder Befindlichkeiten einer dieser Gruppe tangiert. Was meinen Sie, wie z.B. ein Buch, in dem eine Vergewaltigung dargestellt wird, auf jemanden wirkt, der selbst Entsprechendes erlebt oder miterlebt hat. Um entsprechende Konflikte zu vermeiden, also alle Bücher mit Inhalten dazu von den Schullisten? Nix mehr mit Kleist und der „Marquise von O …“? Meine Tochter durfte gerade im Religionsunterricht dem Thema „Tod und Sterben“ beiwohnen. Wenige Monate nach dem Tod ihrer Oma. Hätte man das Thema also verbieten sollen, weil immer irgendein Kind betroffen ist? So sehr ich Ihre grundsätzliche Argumentation emotional verstehe, so sehr führt sie aber in der Konsequenz in die Irre, da kritische Kunst immer und überall jemanden in seinen Gefühlen trifft. Alles verbieten?

Ça me fatigue
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Empathie ja – natürlich, das ist wichtiger denn je!

Aber auch das Beschäftigen mit Dingen, die vor unserer Zeit falsch gelaufen sind, ist immens wichtig.

Nur, wenn ich realistische Schilderungen als Basis nehme, kann ich versuchen zu verstehen, was damals passiert ist, wie die Menschen damals dachten, wobei sie sich eben nichts dachten, weil es immer schon so war oder weil es als “ normal“ galt.

Auch wir leben in einer Zeit, die später mal in den Geschichtsbüchern stehen wird (wenn es die Menschheit dann noch gibt).
Es ist wichtig für unsere Zukunft, dass Anzeichen von Wiederholungen erkannt werden, Anzeichen von potentiellen Gefahren und Strömungen, von Denkweisen.
Und das geht nur, wenn ich mich mit dem beschäftige, was früher tatsächlich war, wie es zu dem kam, was wir Geschichte nennen.

Ob das im Abi sein muss, darüber kann man streiten.
Aber gerade solche problematischen Werke müssen in der Schule mit Anleitung gelesen werden. Wann denn sonst? … alleine sicher nicht.

Es gab schon einmal eine Zeit (mehrfach in der Geschichte), da hat man Werke (Texte, Bilder, Musik), die nicht zur aktuellen Denkweise gepasst haben, verbannt. Was jeweils darauf folgte, war nicht positiv für die Menschheit.

Wir müssen uns gerade heute, mit all den Schwierigkeiten und Unwegbarkeiten, die wie ein Damoklesschwert über uns schweben, mit unserer Geschichte auseinandersetzen. Junge Menschen müssen lernen, nicht alles auf sich zu beziehen, sondern solche Werke als Zeugen der Geschichte zu verstehen. Und dazu gehören auch Inhalte, die (in alle Richtungen) grenzwertig sind, oder die Grenzen gar überschreiten.

Wird in dem Roman der Rassismus befürwortet? Wird er eher realistisch dargestellt, um die Menschen aufrütteln? Wirkt der Roman gleichgültig?
Es ist doch wichtig, das zu unterscheiden.

Als Kompromiss könnte man sich ja darauf einigen, dass er in der Oberstufe gelesen werden muss, aber nicht als Abi-Pflichtlektüre?!

Nebenbei:
Wieviele Krimis gibt es, die sich mit Vergewaltigung beschäftigen und die massenhaft freiwillig geschaut werden? Was denken sich Vergewaltigungsopfer dabei? Müsste man das (aus Empathie) verbieten? Oder ist es wichtig, auf die Problematik hinzuweisen? Vermutlich haben beide Seiten ihre Berechtigung. Wiederholungen zu vermeiden – das wäre das oberste Ziel!

Wichtig ist es, die Fähigkeit zu erlangen, das Bezugssystem zu ändern, den Blickwinkel der anderen einnehmen zu können. Das muss man üben! Ich sehe heutzutage nicht, dass viele SuS dazu fähig sind.

Manchmal benötigt man hierzu aber ein wirklich dickes Fell. Deshalb braucht man Zeit dafür, GEMEINSAM darüber zu sprechen, Hintergründe zu erkennen und verstehen, einen Blick auf die Gesamtsituation zu werfen (die Zeit vorher und die danach eingeschlossen). … und nicht zuletzt die Bereitschaft, es zuzulassen, dass man sich mit „unangenehmen Themen“ auseinandersetzt, um diese zu verarbeiten. Sie gehören nunmal zu unserer Geschichte und zu unseren Vorfahren. Da hilft auch Verbannen nicht.

Das ist keine einfache Aufgabe in Zeiten des Lehrermangels, der massenhaften Unterrichtsausfälle und der bei vielen SuS fehlenden Kompetenz, Texte nicht nur stumpf zu lesen, sondern auch zu verstehen, zu hinterfragen, zu interpretieren.

Daher:
– im Unterricht lesen: ja
– als Abi- Lektüre: nein
– ähnliche, aber einfachere Werke in der Mittelstufe lesen und mit dem Geschichtsunterricht, dem Kunstunterricht und dem Musikunterricht (je nach Thema auch mit den naturwissenschaftlichen Fächern) verknüpfen: ja – das wäre wünschenswert.

Robert
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Wenn Sie Empathie „für alle, die Opfer von Diskriminierung werden könnten“ sprechen, denken Sie dann auch an die nicht schwarzen, nicht jüdischen, nicht queeren oder nicht muslimischen Schülerinnen und Schüler?
Oder sind diese durch Armut, soziale Benachteiligung, Ungerechtigkeit oder versagende Eltern und Lehrer immer nur Opfer ihrer eigenen Zunft?

Ich frage bewusst etwas provokativ und will damit auf eine gewisse Einseitigkeit in Ihren Opfer- und Täterdarstellungen hinweisen, die mir immer wieder aufstößt.

Weiter unten schreiben Sie: „Wer sich ernsthaft als Deutschstämmiger mit Rassismus- und Diskriminierungsopfern vergleicht, hat ganz offensichtlich das Problem nicht verstanden, sorry.“
Genau diese mangelnde Empathie für die Betroffenheiten deutschstämmiger Menschen meine ich mit meiner Kritik. Sie stufen sie mehr oder weniger als Luxusprobleme ein, die überhaupt nicht verglichen werden mit den Leiden der von Ihnen genannten Gruppen.

Robert
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Z.B. die zunehmende Beobachtung von Arbeitnehmern, dass ihre Bewerbungen auf eine Arbeitsstelle bei einem farbigen Konkurrenten immer weniger Chance auf Erfolg haben, weil sich die Firma vor Rassismus-Vorwürfen schützen will.
Oder: dass ein Mitarbeiter mit fremdländischen Wurzeln eigene Fehler gern mit rassistischer Arbeitsbehinderung erklärt. Er kann sich dabei ziemlich sicher sein, dass nicht er abgemahnt wird, sondern sein(e) Kritiker. Auch hier handeln die Vorgesetzten aus Angst vor Rassismusanklagen.

Ob Sie`s glauben oder nicht, Rassismusvorwürfe sind nicht nur in Diskussionen ein scharfes Schwert, sondern längst auch in der Arbeitswelt.

Noch ein kurzer Blick auf die Schulen. Raten Sie mal, wem Lehrer bei einer Prügelei zwischen einem farbigen und einem weißhäutigen Schüler eher beistehen, auch wenn der Beistand völlig falsch ist! Richtig, dem farbigen. Und Lehrkräfte sind gut beraten, das auch zu tun, wenn sie selbst nicht in die Schusslinie von Rassismusjägern geraten wollen.

Was Sie anscheinend noch nicht mitbekommen haben, werte Redaktion, sind die Auswirkungen permanenter Rassismusvorwürfe über Jahre und Jahrzehnte hinweg sowie einem diesbezüglich verengten Weltbild. Sie bewegen sich meiner Beobachtung nach nur in dem Auschnitt, den Sie bevorzugt wahrnehmen wollen und dementsprechend kritisieren.

Noch nehme ich Rassismusvorwürfe ernst, aber wie lange noch, wenn tagtäglich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird und man nachgewiesene Einzelfälle nur zu gern generalisiert, um das ideologische Bild von Opfern und Tätern ja nicht ins Wanken geraten zu lassen.

Auch ein weißer Schüler oder Erwachsener kann durch falsche Schuldzuweisungen und Abmahnugen tief verletzt und gedemütigt sein. Dies zu bagatellisieren und zu fragen, was denn „die besonderen ‚Betroffenheiten‘ deutschstämmiger Menschen sein sollen“, ist für mich und andere ein Schlag ins Gesicht oder dramatischer ausgedrückt: Es ist, als bekäme „man eine Nadel ins Herz gestochen“.

Bla
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Der Fall von Gil Ofarim müsste wohl ein deutliches Beispiel aufzeigen, wie schnell sowas gehen kann.
Belege gibt es inzwischen ja genug.

[Soll einfach nur als Beispiel dienen, wonach Sie fragten.]

Bla
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Mutmaßlich ist das nicht mehr – das konnte ja inzwischen durchaus nachgewiesen werden?
Naja, Sie wollten einen Fall. Den habe ich halt geschrieben.
Das soll jetzt nicht in einem Vergleich oder sonst was enden. Fälle gibt es mit Sicherheit einige – das wird Ihnen auch klar sein. Fälle mit tagtäglichen Rassismus in Deutschland gibt es deutlich mehr. Auch das ist klar. „Einige wenige wehren sich“ gilt nämlich für die meisten (unangenehmen) Dinge. In so ziemlich jeder Richtung.

Beides ist „falsch“ und sollte in einer „Heilen Welt“ nicht so laufen. Auch das sollte klar sein.

Daneben gibt es noch sehr viele andere unschöne Dinge, welche falsch laufen/schlimm sind.
Es geht hier auch nicht um ein „das ist aber schlimmer“. Was mit „Ein mutmaßlicher Fall – gegen Tausende …“ so verstanden werden kann. Nein, jeder einzelne Fall ist schlimm. Für den Betroffenen ist der Fall Gil Ofarim auch sehr schlimm gewesen und mit Sicherheit immer noch nicht so einfach aus dem Kopf.

Bla
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Ach, so meinen Sie das. Okay, dann ist es noch mutmaßlich. Zieht sich ja bisher nur in die Länge.

Das Selbige gilt dann natürlich auch für viele der – mutmaßlichen – „Tausende[n], die tagtäglich Rassismus in Deutschland erfahren.“, bis diese zur gerichtlichen Urteilssprechung eindeutig bewiesen wird.
[Wenn wir denn vom Begriff her gehen. Nicht, ob es der Tatsache erstmal entspricht.]

Räubertochter
11 Monate zuvor
Antwortet  Robert

Da muss ich Ihnen tatsächlich zustimmen. Wir hatten diese Diskussion vor etwa zwei Jahren an unserer Schule. Es wurde gesagt, wir hätten ein Rassismus-Problem und müssten das im Unterricht thematisieren. Ich meinte dazu, dass es leider die Eltern der muslimischen Kinder seien, die das Spielen und überhaupt den Umgang mit christlichen Kindern oftmals verbieten würden und wir da ebenfalls ansetzen müssten. Betretenes Schweigen und danach dann die Aufklärung für mich: Rassismus gegen christliche oder deutsche Kinder gibt es nicht. Meine Gesichtszüge sind leicht entgleist. Es ist sehr schade, dass in der heutigen Zeit über solche Dinge gesprochen werden muss, aber eigentlich ist diese Debatte auch überfällig. Rassismus gibt es nicht nur gegen farbige, muslimische, jüdische, homosexuelle Menschen, sondern auch gegen weiße, christlich geprägte oder deutsche Mitbürger und dies sage ich als Mensch mit Migrationshintergrund, mit Vorfahren die in Auschwitz-Birkenau vergast worden sind.

Carsten60
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Von Frauenquoten werden letztlich auch Männer betroffen, und so ähnlich könnte das mit Migrantenquoten oder so laufen.

Lisa
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Nun ja gut, deutschstämmig nicht, aber einer russischstämmigen Kollegin würde b deutet, dass sie nicht das Opfer von Diskriminierung sein kann, da sie ja weiß sei. Auch der Ukraine – Russland – Konflikt wurde als “ Probleme zwischen Weißen Menschen“ eingestuft. Also solche Angriffe habe ich selbst miterlebt. Meiner Meinung nach sind das bestimmte Kreise, die den Opfer-Status für sich exklusiv reklamieren.

Lisa
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Genau. Um die Vergangenheit abzustreifen, muss man sie erst einmal kennen. Woke will sie negieren. Da geht der Lerneffekt gegen Null. Es gab keine schwarzen Herzöge. Frage: Warum nicht? Wenn ich sie zeige, war doch alles supi, kein Grund, was zu hinterfragen. Aber ich wehre mich dagegen, dass man nur aus bestimmten Romanen was lernen kann. Es gibt mehr als einen Weg, das Thema Rassismus zu behandeln.

unverzagte
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Anstatt zu antworten, bezichtigen Sie meine Fragen nonchalant als Argumentation (?) für „puren Rassismus“ ohne auch nur ansatzweise auf diese Fragen einzugehen.

Es geht um ein aktuelles Minimum an Empathiefähigkeit, das so gar nichts mit „irgendeiner Verantwortung“ zu tun.

Jule
1 Jahr zuvor
Antwortet  unverzagte

Mit Ihrer Frage zum Abschluss sagen Sie letztlich: Ihr Weißen könnt und solltet euch eigentlich gar keine Meinung erlauben, weil ihr die besondere Lage anderer gar nicht nachvollziehen und beurteilen könnt.
Akzeptiert also, was euch gesagt wird und maßt euch nicht an mitzureden, es sei denn, ihr zeigtet dabei nur Verständnis und Mitgefühl. Das allein ist angebracht.

Ich kann nicht glauben, was Sie indirekt sagen und was das konkret bedeutet.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

In gewissen Stadtteilen ist die von ihnen gemeinte Mehrheitsgesellschaft die Minderheit. Was ist denn dann?

Chapeau Claque
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Ständigen Anspielungen als gewisse Kritik, ein Seitenhieb, auch Stichelei oder Spitze. Eine Praxis des instrumentalisierenden Gebrauchs. Nichts bleibt – bei „diesen“ Stadtteilen, auch wenn Georg es „gewisse“ Stadtteile nennt- , außer einer verorteten gesellschaftlichen Abwertung / Ablehnung / Geringschätzung / soziale Disqualifizierung.

Fr.M.
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

„Nichts ist dann. In diesen Stadtteilen werden keine Lebenschancen vergeben.“
So langsam komme ich bei Ihrer Argumentation gar nicht mehr mit. Es geht in diesen Stadtteilen um Beleidigungen, Pöbeleien und Diskriminierungen deutschstämmiger Menschen.
Und das soll nichts sein?

Luk
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Allmählich merke ich, dass es gesellschaftliche Minderheiten doch ganz schön gut haben. Einzelne Angehörige brauchen nur von Diskriminierungserfahrungen zu berichten und schon werden diese generalisiert und auf die ganze Gruppe übertragen.
Haben Sie noch nie davon gelesen oder gehört, dass dies zur Masche werden und auch ausgenutzt werdenn kann?
Oder sind Minderheiten besser als andere Menschen? Gibt es unter ihnen keine Schummler, Märchenerzähler und Ausnutzer von Gutgläubigkeit?

Und natürlich macht „ein Mitglied einer Mehrheitsgesellschaft Diskiminierungserfahrungen“!! Die Gesamtheit unserer Mehrheitsgesellschaft ist dabei ziemlich irrelevant.
Es genügt, dass Deutsche in einer überwiegend fremdländisch geprägten Nachbarschaft leben und schon ist möglich, dass sie dort Diskriminierungserfahrungen machen. Ebenso ergeht es deutschstämmigen Schülern, die an ihren Schulen in der Minderheit sind.
Ihre Thesen sind manchmal erstaunlich.

unverzagte
11 Monate zuvor
Antwortet  Jule

Was Sie aus meiner Frage herauslesen glauben zu können, ist allein Ihre resolute Interpretation :

Auch in diesem Forum wird mit einer hanebüchenen Selbstverständlichkeit auf den eigenen Bauchnabel gezeigt, um anschließend Vergleich ziehen zu können, die schlichtweg keine sind. Und ja, wenn man keine Ahnung von über 100 Jahren Diskriminierung aufgrund einer Hautfarbe hat, sollte man besser einfach mal schweigen und überlegen, ob die persönliche Erfahrung mit Ausgrenzung thematische Relevanz haben KANN.
Mehr als angemessen wäre tatsächlich Betroffenen zuzuhören und sich einzufühlen, was denn bitte sonst !?

Indigene bieten dafür eine Volksweisheit: “ Verurteile nie jemanden, bevor Du nicht neun Monde in seinen/ihren Mokkassins gewandert bist.“

! Dank an die eifrige Redaktion für Ihre unermüdlichen, sehr geduldigen, klar nachvollziehbar formulierten Positionen !

Carla
11 Monate zuvor
Antwortet  Jule

Vielleicht verstehen Sie besser, Jule, wenn Sie diesen Artikel des Deutschlandfunks lesen:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/struktureller-rassismus-ein-irrefuehrender-begriff-100.html

Hier einige Auschnitte:

Fragt man Menschen mit Migrationsgeschichte, ob sie in den letzten zwei Jahren aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert wurden, so antworten etwa 10 Prozent mit „ja“. Das ergab eine repräsentative Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (PDF)…90 Prozent fühlen sich nicht diskriminiert. Sogar rechte Gewalt ist deutlich zurückgegangen.

Laut Mitte-Studie (PDF) hat sich der Anteil der Deutschen mit rassistischen Einstellungen in den letzten 20 Jahren fast halbiert: von 12,2 auf 7,2 Prozent.

Warum also reden wir mehr über Rassismus? Das liegt … vor allem daran, dass Begriffe wie „Gewalt“ und „Rassismus“ heute viel weiter gefasst werden als früher. Und so entdeckt man mehr, obwohl eigentlich weniger da ist.

Aktuell ist der Rassismus-Begriff noch einmal erweitert worden, manchmal unter dem ominösen Label „struktureller Rassismus“. Inspiriert von der „Critical Race Theory“ ist im Extremfall jetzt jeder ein Rassist, wenn er einer Gruppe angehört, die im Mittel sozioökonomisch bessergestellt ist als eine nicht-weiße oder zugewanderte Minderheit.

Natürlich hat niemand ein Patentrecht auf theoretische Begriffe wie „Rassismus“. Man kann sie so eng oder weit fassen, wie man will. Doch wenn alle Menschen per Definition rassistisch sind, wird der Begriff unbrauchbar.

Um die Lage zu verbessern, muss man alle Faktoren analysieren. Dabei hilft es jedoch wenig, wenn man immer reflexartig „Rassismus“ ruft, …

unverzagte
11 Monate zuvor
Antwortet  Carla

Vielen Dank für diesen weiterführenden link !

Hier findet sich geteilte Befürchtung wieder, dass der Wert einer hoffentlich weiter zunehmenden Aufmerksamkeit zum täglichen Rassismus inflationär zu werden droht, wenn nicht viel sorfältiger zwischen strukturell über Generationen gewachsenem Rassismus und schlichten Vorurteilen, mobbing etc. differenziert wird.

Es ist fruchtbare Arbeit, sich selbst auf verinnerlichte, rassistische Ressentiments zu überprüfen: Wie und was nehme ich an mir unbekannten Menschen zuerst wahr ? Muss es die Hautfarbe sein ?

Leider auch unsere Elterngeneration spielte Spiele, in denen im Kreis tanzend gesungen wurde: “ Ist die schwarze Köchin da ? Nein, nein, nein – dreimal muss sie ´rum marschieren, beim vierten Mal den Kopf verlieren“

Als Kind durfte ich mir mit einer „netten“ Nachbarin eine Maske für den Fasching aussuchen. Unbedingt wollte ich die einzige schwarze Maske. Die fand diese Nachbarin aber gar nicht schön, ob ich nicht lieber eine andere, vielleicht süße Tiermaske möge ? Nach längerem Bestehen meinerseits auf eben diese Maske, bekam ich sie schließlich doch. So vermitteln sich Werte, die keine sind.

Ebenfalls im Kindesalter verkleidete ich mich als Sinti-, Romaangehörige mit einem Schild um den Hals „Wäscheklammern zu verkaufen“. An die durchweg abweisenden Blicke der Ortsbewohner*Innen erinnere ich mich heute noch. Für rassistisch Verfolgte sind Verachtung lebenslange Erfahrungen, die sich nicht wie Kleidungsstücke oder Maske abstreifen lassen.

Martina
11 Monate zuvor
Antwortet  Carla

Auch ich möchte Ihnen für den Link danken, liebe Clara.
Ich war überrascht, dass nur 10 Prozent der Menschen mit Migrationserfahrung angaben, in den letzten 2 Jahren diskriminiert worden zu sein und 90 Prozent dies verneinten.
Ich habe gedacht, weil seit einiger Zeit so viel von Rassismus und „Alltagsrassismus“ die Rede ist, sei das Verhältnis genau umgekehrt.

Ich habe den Artikel mit großem Interesse gelesen und fand ihn sehr informativ. Besonders den letzten Abschnitt möchte ich dick unterstreichen:

„Um die Lage zu verbessern, muss man alle Faktoren analysieren. Dabei hilft es jedoch wenig, wenn man immer reflexartig ‚Rassismus‘ ruft, sobald ein Vorstand nur aus Weißen besteht. Mit der diffusen Rede vom ’strukturellen Rassismus‘ ist niemandem geholfen.“

Kurz
11 Monate zuvor
Antwortet  Martina

Richtig, der heutige Hype um Rassismus ist m.E. weit übertrieben, klagt in Bausch und Bogen die weiße heutige Gesellschaft an und hilft keinem.

Trotzdem bin ich für „Tauben im Gras“ als Abi-Pflichtlektüre. Sie ist ein grundsätzliches Zeitzeugnis für Rassismus in weißen Gesellschaften, u.a. in den USA, der in den 50er Jahren überall noch gang und gäbe war.

Ihn der heutigen Jugend nochmal deutlich vor Augen zu führen und ihre ablehnende Haltung gegenüber Rassismus dadurch zu stärken, kann nur gut und richtig sein. Ich denke, in diesem Punkt stimmen wir auch überein.

unverzagte
11 Monate zuvor
Antwortet  Carla

P.S. In dem Beitrag von Phillip Hübel wird mit keiner Zeile erwähnt, inwiefern die These der Vermittlung von unbewussten Vorurteilen umstritten sei. Stattdessen stellt er sehr einseitig den seinen Angaben nach nicht vorhandenen strukturellen Rassismus mit ablehnenden Adjektiven wie „nebulös und „ominös“ dar.
Weiter ist eine rassistische Abwertung nicht allein im psycholgischen sondern auch im soziologischen und historischen Kontext zu betrachten.
Völlig unklar bleibt, aufgrund welcher Daten er zu der Annahme kommt, kommt, dass reproduzierte, implizierte Stereotype uns allen so selbstverständlich bewusst bzw. so bekannt sind, dass wir uns nonchalant souverän von eben diesen distanzieren könnten – schön wäre es. Das mag ja auf Menschen zutreffen, die sich regelmäßig kritisch selbst reflektieren auf ihren internalsierten Rassismus , dürfte aber kaum verallgemeinerbar sein.
In Kanada soll es übrigens strafbar sein, jemand nach der Herkunft zu befragen – so „unschuldig“ kann es also nicht sein. Abgesehen davon wäre es eh wichtiger zu erfahren, wo wir hingehen.

Alex
11 Monate zuvor
Antwortet  unverzagte

Hoffentlich nicht noch stärker in die Rassismus-Hysterie. Wenn das so weitergeht, bekommen auch die mitfühlendsten und empathischsten Menschen allmählich zuviel davon.
„Viel hilft viel“ ist mit Vorsicht zu genießen. Die Wirkung kann nämlich nach hinten losgehen.

Carsten60
1 Jahr zuvor

Ich habe den Eindruck, hier wird eine Winzigkeit aufgebauscht, während die ganz großen Probleme in der heutigen Schule mit der üblichen Phraseologie kleingeredet werden. Ein einziger Abiturtext! Dass auch schon Mathematikaufgaben falsch gestellt wurden, das wird totgeschwiegen. Oder dass Biologieaufgaben allein aus dem gegebenen Text lösbar waren, ohne Fachkenntnisse.
Zu den großen Problemen gehört z.B. auch die Diskrepanz zwischen dem Anspruch der Bildungsziele und der in Tests gemessenen Wirklichkeit.

Marc
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Liegt halt an den Medien, die bestimmen können welche Themen aufgebauscht werden und welche nicht. Sogar ZDF Heute hatte in seinen social media Kanälen berichtet. Dabei hatte das ÖRR mal erklärt, dass regionale Themen keine Beachtung finden sollten in bundesweiten Nachrichten. Aber das scheint bei dieser einen Lehrerin wohl anders zu sein. Warum? Tja, mag am Thema liegen und der politischen Schlagseite mancher Medien. Ein Herzensthema

Bellabolli
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Liebe Redaktion,

es wird halt leider wie so oft automatisch davon ausgegangen, dass sich bestimmte Schülergruppen grundsätzlich durch die Lektüre diskriminiert fühlen müssen. Was, wenn eine Schülerin oder ein Schüler mit entsprechendem Hintergrund das beste Deutschabi des Jahrgangs dazu schreibt, gerade WEIL das Thema sie oder ihn wegen persönlicher Erfahrungen besonders anspricht und er oder sie dazu wirklich etwas dazu zu sagen hat?! Könnte ja durchaus auch passieren…

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Und ich werde als einheimische Biokarotte dadurch diskriminiert, dass ich fortwährend und inflationär mit Literatur und Filmmaterial konfrontiert werde, das „DEN Deutschen“ vorrangig als Nazi und Verbrecher zeigt.

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

„Welches Literatur- und Filmaterial meinen Sie, in dem „der“ Deutsche als Nazi und Verbrecher gezeigt wird? Und: Falls es solches gibt – welche persönlichen Nachteile haben Sie dadurch?“

Das Leben ist schön, Der Junge mit dem gestreiften Pyjama, Auf Wiedersehen Kinder, Der Untergang, Das Boot, Der Soldat James Ryan, Armee der Schatten, Der Pianist, Shoah, Schindlers Liste, Tagebuch der Anne Frank, Der Pfandleiher, Jakob der Lügner, Holocaust, Die Grenzzone, Stalingrad, Eichmann, Die Wannseekonferenz usw. Dazu tägliche Portion History-Doku mit entsprechenden Themen.

Um es klar zu sagen: Wir alle sind Teil unserer Geschichte und sollten uns dieser stellen bzw. daraus lernen. Die Einseitigkeit, Dominanz und teilweise Klischeehaftigkeit der Darstellung, gepaart mit einer zeitlichen Verengung des geschichtlichen Diskurses auf diese grauenvollen Zeit, hat tiefgreifende Folgen auf unsere Bevölkerung. Man hält Menschen in ewiger Schuld für Dinge, die sie persönlich nicht zu verantworten haben. Bei den Oscars gibt es folgerichtig in aller Regel auch nur mit deutschen Antikriegsfilmen oder Nazi-Gräueltaten etwas zu gewinnen.

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Die Redaktion: „Zu behaupten, Menschen würden „in Schuld“ gehalten (von wem denn?), ist ein perfides Verschwörungsmärchen von Rechtsaußen, mit der die Verantwortung dafür, dass sich Geschichte nicht wiederholen darf, zurückgeweisen wird – um den eigenen Rassismus zu legitimieren.“

Ich halte Ihre Reaktion auf meinen Beitrag hier für völlig unangemessen. Sie werfen mir im Vorbeigehen mal eben so Rechtsradikalismus, das Nutzen perfider Verschwörungsmärchen und Rassismus vor. Davon distanziere ich mich aufs Schärfste! Das ist schlicht eine Frechheit, die komplett konträr zu akzeptablen journalistischen Standards steht. Pfui! Ich bitte um Löschung Ihres Beitrags.

So ist das
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

„Pfui“ ?
Sie sind sich schon klar, wer sich Ihrer Aussagen dauerbedient ?

> Oton Ron: „Die Einseitigkeit, Dominanz und teilweise Klischeehaftigkeit der Darstellung, gepaart mit einer zeitlichen Verengung des geschichtlichen Diskurses auf diese grauenvollen Zeit, hat tiefgreifende Folgen auf unsere Bevölkerung. Man hält Menschen in ewiger Schuld für Dinge, die sie persönlich nicht zu verantworten haben.“
Da müssen Sie sich aber schon bei AfD, Lehrer Höcke ……usw. Über geistigen Diebstahl beschweren ! 🙂

@ Ron, hoffentlich darf ich davon ausgehen, dass das wie so oft ein Rundumschnellschlag, sozusagen ein “ echter Ron “ ist.

Mit der Forderung an @ Reaktion, zu löschen, machen Sie sich lächerlich.

Jeder kann Ihren O-ton nachlesen ! [A.D.]

Kerstin
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Apropos „Das Leben der anderen“.
Müsste dieser Film nicht kritisiert werden, weil er bei Stasi-Opfern und deren Nachkommen „persönliche Betroffenheit auslösen kann“?

Oder: Müssen großartige Filme (mit ständigem N-Wort!) gegen die frühere Sklaverei in Frage gestellt werden, weil sie bei Schwarzen persönliche Betroffenheit auslösen können?

Wenn „persönliche Betroffenheit“ einiger für alles Mögliche entscheidend und bestimmend sein soll, z.B. auch fürs Gendern unserer Sprache, dann wird mir angst und bange.
Ich hoffe immer noch, dass diese generalisierenden Übertreibungen nur die Modeerscheinung einiger Jahre ist. Ansonsten könnte ich nur noch deprimiert sein und düster in die Zukunft blicken.

Bla
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Also ich darf mich als Lehrer doch als faulen Sack betiteln? Ist ja dann auch mehr ironisch. Andere sollen das aber bitte unterlassen.
Vorbildfunktion blenden wir mal aus. Das schon in Ordnung anscheinend. Weiß man doch.

Bla
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Marvel, viele Comics (nach dem 2. Weltkrieg).
Bspw. Captain America, als klassisches Beispiel, wo ein Held die Nazis platt macht.
[Ist für mich in Ordnung … Hat jetzt auch keine negativen Auswirkungen für/auf mich. Will hier nur ein klassisches Beispiel nennen. Bei dem Beispiel geht es auch nicht um Historie oder sonst was …]

Hannah
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Die Deutschen waren Nazis und haben andere Menschen aufgrund ihrer Religion, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer körperlichen oder geistigen Behinderungen verfolgt und getötet.

Andre Hog
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hannah

Ja, absolut richtig und absolut verabscheuungswürdig….ich will jetzt nicht den 80er Jahre-Historikerstreit bemühen oder neu aufleben lassen….und was bitte passiert, wenn wir ohne diesen spezifischen deutschen Blick auf die Geschichte blicken und uns auch trauen, die historischen Verbrechen anderer Nationen kritisch in den Blick zu nehmen. Der Genozid der US-Amerikaner an den indigenen Stämmen, der Genozid der Türken an den Armeniern, der brutalen Unterdrückung und Massenermordungen von Reginegegnern und Kritikern im Stalimismus und Maoismus, die gewaltsamen Umkulturierungen der indigenen Stämme in Kanada z.B. in den sog Missionsschulen…to be continued in so many cases….
Ja, wir müssen über solche furchtbaren Auswüchse von Menschen gegen Menschen informieren, Beurteilungen auf der Basis historischen Faktenwissens und entsprechender moralischer Kategorien und ethischen Empathien zugänglich machen und individuelle Werturteile dazu zu ermöglichen.

Daher ist ein geweiteter Blick auf diese Themen notwendig.

Pit2018
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Ist Ihnen die Literaturanalyse mit ihrer Betrachtung und Aburteilung von Alltagsassismus im Nachkriegsdeutschland wirklich so unwichtig im Vergleich zur persönlichen Betroffenheit einiger Menschen durch ein ständig wiederkehrendes Schimpfwort?

Wer wie Sie dauernd Rassismus anprangert und deswegen auch ständig aufs Tapet bringt, von dem kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er tatsächlich meint, allen jungen Schwarzen sei wichtiger, das N-Wort in einem begrenzten Zeitraum nicht so oft hören oder lesen zu müssen als dass den Klassenkameraden Rassismus mal in seiner ganzen Breite durch ein Buch vor Augen geführt bekommen.

Sie werfen anderen Kommentatoren oft zu wenig Empathie vor, hier aber lassen Sie Ihre eigene vermissen. Sie schließen sich ganz der Meinung von David Diallo an, der als Aktivist des Vereins «Mein Ich gegen Rassismus» anscheinend nur auf das häufige N-Wort guckt und dessen Auswirkung auf Betroffene beschreibt.
Ich frage mich, ob er das Buch überhaupt gelesen und es selbst mal analysiert hat. Dann wäre ihm vermutlich mehr als nur das N-Wort als „größtmögliche Demütigung“ eingefallen.

Andre Hog
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2018

Lieber Pit….Danke!

Robert
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Der Bogen wird doch ständig zu früher geschlagen und daraus das Hier und Jetzt abgeleitet. Mit Deutschlands übler Vergangenheit wird doch ständig für die Gegenwart argumentiert und überall Rechtsradikalität und Rassismus als wohlbekannt und typisch deutsch vermutet.

Warum nicht endlich mal zugeben, was nicht zu übersehen ist?

Bla
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Ne, als Biodeutsche, Kartoffeln und Almans ist das schon ganz gut. Natürlich ist man priviligiert. Schon alleine, dass wir in Deutschland leben. Sei es durch den Sozialstaat oder den Rechtsstaat. Beides funktioniert besser, als in anderen Ländern.

Kennt man ja aus bspw. aus der TAZ, dass diese «ignorant, geschichtsverdrossen und besserwisserisch» sind.

Dass Ihre angesprochenen Probleme noch heute gelten ist nicht zu leugnen. Das ist ein Problem.
Der Umgang mit solchen Wörtern, wann was wie in Ordnung ist, sollte aber dann bitte auch bedacht werden. Auch bzw. gerade von Betroffenen – in welchem Ausmaß auch immer.

Maria Busold
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

sie können aus dem Weg gehen. Es werden immer 2 Texte zur auswahl gestellt.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Spätestens im Vorabitur gibt es die Wahlmöglichkeit für die Schüler.
Ein Lehrer würde sich in der Vorbereitung zum Abitur juristisch angreifbar machen, wenn er diesen Roman als Pflichtliteratur aus rassistischen oder anderen Gründen weglassen würde.

Carla
1 Jahr zuvor

Zitat: „Im Abi an beruflichen Gymnasien soll es zur Pflicht werden. Experten sehen darin kein Problem, die schwarze Community und andere dagegen schon.“

Ich bin zwar keine „Expertin“, sehe aber auch kein Problem, sondern eher eine Problematisierung. Wenn klar ist, dass Koeppen ein linksliberaler Autor gewesen ist, der stets auf der Seite von Minderheiten gestanden hat, tun sich mir dicke Fragezeichen auf, wenn sein Buch, das seit jeher als Auseinandersetzung mit dem Rassismus galt und gilt, plötzlich als Pflichtlektüre für Abiturienten nicht mehr zulässig sein soll.

Anscheinend geht es allein um das häufig vorkommende N-Wort, das David Diallo, selbst Schwarzer vom Verein „Mein Ich gegen Rassismus“ in seiner Vorstellung, dass er es im Unterricht über Wochen hören müsse, zu viel ist.
Wörtlich sagt er: «Es ist die größtmögliche Demütigung». Es sei, als ob «man eine Nadel ins Herz gestochen bekommt».

Ich frage mich, ob diese anrührende Beschreibung persönlicher Betroffenheit ausreicht, um ein Buch, das sich mit Rassismus auseinandersetzt und laut Literaturprofessor Walter Erhart „die Verhaltens- und Denkweisen der Menschen in der unmittelbaren Nachkriegszeit darstellt“ tatsächlich auf den Abi-Index gehört, zumal ich nicht glaube, dass „man“, also alle Schwarzen, sich beim N-Wort so gedemütigt und ins Herz gestochen fühlen wie Herr Diallo.

Ohne ihm zu nahe treten zu wollen, würde ich Herrn Diallo gerne fragen, ob eine kritische und tiefgreifende Auseinandersetzung von jungen Erwachsenen mit Rassismus, zu dem das N-Wort maßgeblich gehört, nicht wesentlich wichtiger ist oder sein sollte als die sture Vermeidung einer Begegnung mit einem einzigen Wort, auch wenn es in der Lektüre häufig vorkommt.
Es ist doch viel wertvoller und nachhaltiger, wenn die Abiturienten durch die Lektüre von „Tauben im Gras“ selbst eine Abneigumng gegen das N-Wort entwickeln, als wenn sie es nur aus Verbotsgründen nicht in den Mund nehmen.

Rainer Zufall
1 Jahr zuvor

Bin gespannt, wie weit der Alltagsrassismus in der Abiturprüfung aufgegriffen wird. Wenn es eine der letzten Prüfungen ist, sollte ja das Ganze Programm zum Thema Rassismus fest sitzen, nicht wahr?

mama51
1 Jahr zuvor

Ganz ehrlch:

Mimmimimimimimi…???

  • Wenn das Werk für heutige Abiturienten „zu schwer“ ist, dann weg damit!
  • Wenn die KuK mit der angemessen + kritischen Auseinandersetzung (Didaktik + Methodik) überfordert „sein sollten“, dann weg damit!
  • Sollte es „aus rassistischen Gründen“ verschwinden müssen/sollen, dann bitte konsequent auch alles andere streichen. Siehe „Ron“ vor 3 Stunden!
Maggi
1 Jahr zuvor

Die Betroffenheit ist im Abitur eh an der Tagesordnung. Im Geschichtsabitur gibt es immer eine Aufgabe zur NS-Zeit. Hier werden auch negative Erlebnisse aufgearbeitet, obwohl wir auch Schüler*innen haben, die familiär betroffen waren, sowohl Opfer als auch Täter.

Diese Thematik darf man nicht totschweigen, sondern muss sie im Kontext ihrer Zeit kritisch aufarbeiten, nur so verstehen die Schüler*innen die Tragweite der Problematik.

Es gibt in der klassischen deutschen Literatur viele Werke, die sich mit Minderheiten beschäftigen, um diese mit ihren Problemen darzustellen.

Kann man für den höchsten Schulabschluss erwarten, dass man sich damit auseinandersetzt – meiner Ansicht ja.
Genauso wie ich es in Geschichte von den Schüler*innen erwarte. Eine Diskussion ist wichtig, um die Problematik aufzuzeigen, mit einem Verbot gibt man Populisten die Möglichkeit, dieses für sich auszuschlachten und so politische weiter zu erstarken.

Carla
1 Jahr zuvor
Antwortet  Maggi

„…, mit einem Verbot gibt man Populisten die Möglichkeit, dieses für sich auszuschlachten und so politische weiter zu erstarken.“
Das ist nur eine Seite der Medaille, liebe Maggi. Die andere finde ich mindestens ebenso wichtig.

Heute beruhen mir zu viele Verbote nicht mehr auf Sachverstand, sondern auf Ideologien mit entsprechenden Moraldiktaten, die auf keinen Fall in Frage gestellt werden dürfen, auch wenn der Verstand noch so sehr rebelliert.
Begründungen für moralische Verbote sind dabei unnötig, denn sachliche Kritik gilt oft sogar als ungehörig. Empörung, Beschimpfung, Diffamierung oder auch Sprüche wie „Schäm dich!“ sind heute oftmals die höheren „Argumente“.

Was die Schulen betrifft, denke ich z.B. an die Einführung der Inklusion. Sie wurde auf moralischen Treibsand gebaut und Menschen mit anderer Meinung als inhuman und behinderten-feindlich beschimpft.
Diese Art von Geboten und Verboten ist mehr als fragwürdig . Man braucht nur noch Empörung anzustimmen, um seinen Willen durchzusetzen und Sachkritiker damit vom Platz zu fegen.

Die absolute Herrschaft von Moralvorstellungen über Verstand und Verstandesleistung ist die andere Seite der Medaille und die bereitet mir erhebliches Unbehagen.

Rüdiger Vehrenkamp
1 Jahr zuvor

Selbst 10-Jährige spielen inzwischen (zu meinem Entsetzen) Videospiele wie „GTA“, das eigentlich ab 18 ist. Da macht es keinem Jugendlichen oder jungen Erwachsenen etwas aus, das „N-Wort“ zu lesen oder gar zu hören. Die Protagonisten im Spiel gehen sehr inflationär damit um. Ich habe im Laufe der letzten Jahre genügend junge Menschen getroffen, die das Spiel spielten – darunter auch Menschen mit entsprechender Hautfarbe.

Hier geht es um eine Lektüre für das berufliche Gymnasium, also fast Erwachsenenbildung. Zum Lernen gehören meines Erachtens auch unangenehme Wahrheiten und diese beinhalten nunmal, dass das besagte Wort vor einigen Jahrzehnten völliger Usus war. Und genau DAS soll doch wohl thematisiert werden. Geht es nicht genau darum, dies anhand der Lektüre herauszuarbeiten? Ich halte all unsere Lehrkräfte für fähig, das Thema empathisch und sachkundig zu unterrichten, auch für betroffene Menschen. Nur hier muss halt klar werden, dass die Nachkriegszeit eine andere war, als die 20er Jahre nach der Jahrtausendwende.

447
1 Jahr zuvor

Sie versuchen noch, sich mit diesen subversiven Angriffen rational auseinandersetzen. Genau das liegt der Fehler. Sie suchen Logik, wo keine ist, sondern nur Angriff.

Dabei kann ich ihre Verwirrung ganz leicht aufklären:

1) Immer, wenn man es GEGEN Ordnung, Struktur, Bildung, Disziplin, kurz: Zur Zersetzung funktionierender Strukturen einsetzen kann – da ist das N-Wort (oder welches Wort auch immer) „traumatisiertend“,“Rassissmusss“ usw.

2) Wenn in GTA, Musik, Musikfilmchen usw. diese Worte und noch viel schlimmere verwendet werden – ist das toll, „empowerment“,“reclaimen“ usw.

Was also gegen Zivilisation, Ordnung und Struktur geht – das ist gut.
Und umgekehrt.

Prüfen Sie das mal für sich selbst – Sie werden sehen, auf einmal ergibt es Sinn, was da passiert.

Andre Hog
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Nun muss ich mich doch laut wundern, wie die Red. hier ein völlig unzulässiges Framing und Blaming betreibt.
Kommentator*en, die nicht der Meinungsvorgabe der Red entsprechen wollen und dagegen argumentieren, werden als „weiße saturierte Männer“ tituliert, die besserwisserisch anderen Menschen die Welt erklären wollen.

sorry…das geht eindeutig zu weit – wir teilen zuweilen einfach nicht eure Meinung. Ganz einfach…und man kann das auch einfach mal so hinnehmen und weise schweigen.

Riesenzwerg
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

„Redaktion“ ist auch irgendwie anonym.

Im übrigen kurz zur Diskriminierung von „Weißen, Deutschstämmigen, …“

Ich war einige Zeit in London – kein Zimmer bekommen bei u.a. einer aus Indien stammenden Vermietung.

Mein Kumpel fragte alleine nach -kein Problem.

Rassismus ist nicht auf Deutschland begrenzt.

unverzagte
11 Monate zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Vielleicht passte der Vermietung Ihre Nase nicht unabhängig von der Hautfarbe? Antipathie soll gelegentlich auch grenzenunabhängig vorkommen…

Bla
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Und ist das jetzt „richtig“ so? Oder in Ordnung?

Also wenn man selbst „betroffen“ ist, ist sowas immer nicht so schlimm? Als Mensch mit Behinderung dürfte ich andere Behinderte beleidigen? Oder nur welche mit gleicher/ähnlicher Behinderung?
Als Schwarzer dann nur schwarze eben N… nennen. Darf ich das als weißer Mensch dann zu einem schwarzen Freund auch sagen? Wo ist die Grenze? Wer setzt sie?

Kann man sich nicht mal einfach darauf einigen, dass keiner das machen sollte? Also sich beleidigen? V. A. öffentlich? Ob Scherz oder nicht … Muss das denn sein?
Wenn ich von anderen erwarte, dass sie das nicht machen, sollte ich dann nicht als gutes Beispiel dies selbst (v. A. öffentlich) unterlassen?
Da gibt es eigentlich kein wenn und aber für mich …
Oder man sagt: Der Ton macht die Musik. Wer es negativ meint, ist ein Ar…loch und ansonsten ist doch alles fine.

Konsequent und Konsequent sind oft eine Sache der Auslegung. Meistens für sich selbst.
Das ist das Problem mitunter bei solchen Debatten. Selbst ist man immer gleicher, betont aber doch einzigartig und anders zu sein.

Bla
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Darum geht es mir gar nicht.
Die Frage ist „ist das gut so?“.
Das was sie mit Jugendkultur darstellen ist mir bewusst. Das ist aber nur ein politisches drumrum reden, ohne eine Antwort zu geben. Es stellt die Ursache her. Aber nur weil etwas (immer) so war/ist – muss das nicht richtig sein.

Also ist es in ordnung, wenn man selbst sich dazu zählt und sich gegenseitig so nennt. Bei anderen aber nicht?
Dann braucht man sich aber bitte nicht wundern, wenn der Trend Richtung „du Fo…“, „Hu…sohn“ oder sonst etwas in der Jugendsprache geht.
Das war in meiner Jugend ja schon „normal bei uns“. Ist ja doch super, wenn man das kumpelhaft sagt?
Warum haben dann einige Menschen damit ein Problem?
Was das „K-Wort“ und „N-Wort“ für die einen im Freundeskreis ist, ist der „H..sohn“ eben für die anderen – auch in Ordnung. Aber halt auch nur unter sich … Weeehe wer anderes nutzt das.

Und daher nochmal meine Frage:
Ist das in Ordnung so?

Wenn Sie das mit Jugendkultur nochmal nennen, dann nehme ich das als klares „Ja“ für mich.
Das eine ist eine Erklärung und ein Prozess, welcher sich entwickelt. Meine Frage ist die ethische dahinter. Das eine hat mit dem anderen herzlich wenig zu tun bzw. gehört vllt. auf den Prüfstand der heutigen Zeit.

Alx
1 Jahr zuvor

Ich finde die Vorstellung es gäbe eine „Vertretung von Schwarzen“ irgendwie problematischer als das Buch.
Wenn man annimmt als Vertreter für alle dunkelhäutigen Menschen agieren zu können, muss man davon ausgehen, dass alle dunkelhäutigen Menschen einem gewissen Stereotyp folgen.
Wie nennt man das noch einmal, wenn man Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe in ein Schublädchen steckt?

447
1 Jahr zuvor

Einfache Lösung: Als Lektüre abschaffen.

Das kürzt den Unfug ab, der ohnehin ablaufen wird.

Riesenzwerg
11 Monate zuvor

Und bis zum Einsatz der Lektüre 2024 hat niemand Gelegenheit, sich darauf vorzubereiten?

Ich habe es noch nicht gelesen (aber bestellt).

Was ich auf Wikipedia (jaaaa) gelesen habe, erscheint mir sehr interessant und vielschichtig.

Da ist deutlich mehr Potential drin, als ich zuerst dachte.

Die Rolle der Frau in der Zeit sollte auch eine Betrachtung im Unterricht erfahren, ebenso wie der Kuss zwischen Emilia und Kay, zwei Frauen, die sich 1951 küssen.

Ob es nun ein Ja oder Nein für das Buch gibt – inzwischen bin ich sehr neugierig geworden.

Riesenzwerg
11 Monate zuvor

https://youtu.be/E1vNb2TK6f0

13 Fragen

Nur ganz kurz – Genderdebatte und ein farbiger Autor, der das N-Wort in seiner aktuellen Literatur bewusst und mit guter (?) individueller und interessanter Begründung verwendet. Um 9:35 bis 9:45.

Lisa
11 Monate zuvor

Ich verstehe nicht, warum es immer nur einen Roman und nicht zwei oder drei zur Auswahl geben kann. Habe ihn gelesen, und ich fand ihn fürchterlich. Verschachtelt, langweilig.Dann doch lieber Faust 1, da bekommt der Abiturient einen soliden Lehrgang in Schwarzer Magie. ( Das war nur ein Witz, aber ich erinnere mich an eine Zeugin Jehova – Mutter …)
Mein Ideal wäre ein Pool von 3- 4 Lektüren, aus denen die Lehrkräfte das Richtige für ihre Schüler auswählen. Technisch nicht machbar? Zu wenig vergleichbar?
Noch idealer: Die Schüler wählen aus
Wieso muss alles immer wie in 19. Jahrhundert Obrigkeitsstaat laufen?

Georg
11 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Dafür müssten die Schüler aber 3-4 Lektüren durcharbeiten…

Riesenzwerg
11 Monate zuvor

So, das ist die Vorbemerkung, die in meiner aktuellen Ausgabe von „Tauben im Gras“ zu finden ist:

„Tauben im Gras erschien 1951 als erster Roman jener „Trilogie des Scheiterns“, mit der Koeppen eine erste kritische Bestandsaufnahme der sich formierenden Bundesrepublik gab. Mit Vehemenz und kritischer Schärfe analysiert er die Rückstände und Verhaltensweisen, die zu Faschismus und Krieg geführt haben und die schließlich in den fünfziger Jahren die Restauration der überkommenen Verhältnisse protegieren. Dabei ist das Verfahren von Tauben im Gras ein kaleidoskopartiges: der ganze Roman schildert die Gestalten und Ereignisse eines einzigen Tages im München zu Beginn der fünfziger Jahre. Mit einer Fülle genauer atmosphärischer Details zeichnet Koeppen den Nachkriegsalltag dieser Stadt, die sein Protagonist, der verhinderte Schriftsteller Philipp, als ein Schlachtfeld erlebt, als undurchdringliches „Pandämonium „“.

(„Tauben im Gras“ müsste kursiv geschrieben werden, gibt mein Handy nicht her.)

Bedeutungen (2) ⓘ“Pandämonium“ (der Duden)

a) Gesamtheit aller Dämonen, Schreckgestalten
b) Ort der Dämonen, des Grauens

Sicher – schwer zu lesen.
Sicher – trotzdem wichtig!