SYDNEY. Trotz aller Bemühungen und Sensibilisierungsmaßnahmen gehören homophobe Beschimpfungen nach wie vor zum Schulalltag auch in Form von ‚freundlichen‘ Frotzeleien unter Jugendlichen. Doch auch diese haben schädliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Teenagern, zeigt eine australische Studie.
Zum Unwillen der Erwachsenen, seien es Eltern oder Lehrkräfte und auch trotz diverser Aufklärungs- und Sensibilisierungsbemühungen sind homophobe Beleidigungen unter Schülern weit verbreitet. Die Beschimpfungen fallen dabei keineswegs nur im Streit. Schon die Begrüßung vieler Jugendlicher scheint Außenstehenden manchmal schon wie die verbale Vorbereitung zu einer Schlägerei, homophobe Schimpfwörter sind teilweise fester Bestandteil des Rituals.
Was wie ein nach außen hin provokatives Herumalbern wirken mag und vielleicht auch von den Jugendlichen so gedacht ist, ist aber letztlich alles andere als harmlos, stellt Dr. Kai Lin fest, Soziologe und Kriminologe an der University of Technology Sydney (UTS). Gemeinsam mit seiner Kollegin Lin Liu von der University of Florida hat er homophobe Beschimpfungen unter über 2.100 Mittelschülern von 36 Mittelschulen im Mittleren Westen der USA untersucht.
Die Annahme, dass homophobe Beschimpfungen, insbesondere freundliche Hänseleien unter Freunden, relativ harmlos seien, wurde durch die Ergebnisse der Studie eindeutig widerlegt. “Diejenigen, die homophobe Beschimpfungen erfahren haben, berichteten unabhängig von der Absicht der Beschimpfung über eine Reihe negativer psychologischer und verhaltensbezogener Folgen”, so Lin. “Dazu gehörten depressive Symptome und ein vermindertes Zugehörigkeitsgefühl in der Schule.”
Mehr als 44 % der Jugendlichen, die an der Befragung teilgenommen hatten, gaben an, im letzten Monat mit Begriffen wie “Homo” oder “schwul” beschimpft worden zu sein. Etwa 17 % der homophoben Beschimpfungen kamen von einem Freund. Das sei zwar nicht so schädlich gewesen wie die Beschimpfung durch einen Rivalen oder einen Fremden, dennoch zeigten sich deutliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit.
Überdies ermittelten Lin und Liu, dass die Auswirkungen homophober Beschimpfungen auf die psychische Gesundheit bei Mädchen stärker gewesen seien als bei Jungen. „Dies deutet darauf hin, dass homophobe Beschimpfungen zwar bei Jungen häufiger vorkommen, Mädchen aber möglicherweise anfälliger für diese Art von Viktimisierung sind”, so Lin.
Jungen, die von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern als ‘unmännlich’ angesehen wurden, waren unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung häufiger das Ziel homophober Beschimpfungen. „Wir haben auch festgestellt,“, so Lin, „dass die negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit bei ethnischen Minderheiten stärker ausgeprägt sind”.
Die Studie bestätige nicht zuletzt frühere Erkenntnisse über die starken und anhaltenden Auswirkungen von homophobem Mobbing auf die psychische Gesundheit einschließlich eines erhöhten Risikos von Angstzuständen, Depressionen und Selbstmord. Zwischen Hänseleien und Mobbing gebe es dabei nur einen schmalen Grat.
Drei Empfehlungen
Für Politik und Praxis halten Lin und Liu drei zentrale Empfehlungen parat:
- Erstens seien auf Schul- wie auf Landesebene klare Anti-Mobbing-Richtlinien erforderlich, die klare Definitionen und Beispiele für homophobes Mobbing enthalten und klarstellen, dass diese Verhaltensweisen nicht akzeptiert werden. Außerdem bedürfe es klarer Verfahren für den Umgang mit solchen Verhaltensweisen.
- Zweitens sollten die Lehrerinnen und Lehrer über die Erkennung und den Umgang mit homophoben Beschimpfungen aufgeklärt werden und dabei unterstützt werden, gemäß den Schulrichtlinien rechtzeitig zu intervenieren, einschließlich der Überweisung an Beratungsstellen und Kommunikation mit den Eltern.
- Was drittens schließlich die Rehabilitierung betrifft, so seien unterstützende Interventionen, die Kommunikation beinhalten, gegenüber Strafmaßnahmen wie Suspendierung und Ausschluss vorzuziehen. Toleranz- und Integrationserziehung sowie Beratung zur psychischen Gesundheit sollten im Vordergrund stehen.
Derzeit arbeitet Kai Lin gemeinsam mit seinem Kollegen Philip Birch an einer geleiteten Längsschnittstudie mit dem Titel “Tend to Men”, die sich mit der Entwicklung von Jungen und Männern befasst und Themen wie Gewalt, Entwicklung der sexuellen Orientierung und Mobbing einschließt.
Der Kriminologe warnt davor, dass die Sozialisierung von Jugendlichen, die in erster Linie den Plattformen der sozialen Medien überlassen wird, homophobes Mobbing und antisoziales Verhalten verschlimmern könnte, und betont, dass Pädagogen Strategien entwickeln müssten, die prosoziales Verhalten fördern. (zab, pm)
Straftaten gegen queere Menschen nehmen stark zu! Aufklärung in Schulen gefordert
Ich habe es noch nie verstanden, warum einige Mitmenschen anscheinend nicht leben können, ohne andere Mitmenschen zu ärgern, herabzuwürdigen, auszugrenzen – immer unter dem Deckmäntelchen “Ist doch nur “Spaß”!”
“Spaß” ist etwas nur dann, wenn ALLE Beteiligten es als Solchen empfinden.
“Tend to men”? Ja bitte, aber nicht vergessen, dass es – laut Artikel – die Mädchen sind, die mehr drunter leiden.
Kleiner Einwand: Auch nicht vergessen, dass Jungen, vielleicht sogar ganz besonders ‘unmännliche’ Jungen, depressive Symptome und fehlendes Zugehörigkeitsgefühl selten offen zugeben können und wollen (auch wenn betroffene Mädchen mehr Leidensdruck äußern). Selbst bei indirekten Fragestellungen sind sie sehr gut darin, dem ihnen eingeredeten ‘Jungenbild’ zu entsprechen. Dass dieses Mobbing bei Jungen häufiger, m.E. sogar weit häufiger, vorkommt, ist auch nicht ganz unwichtig, ich konzentriere mich bzgl homophoben Mobbings jedenfalls eher auf die Jungen. ‘Hänseleien’ von Mobbing qualitativ abzugrenzen verstehe ich im Artikel übrigens nicht so ganz, auch die sind meist nur für die Urheber ‘Spaß’.
Ernsthaft, 36 Mittelschulen im Mittleren Westen der USA? Hier in D gibt es sicherlich auch noch genug Probleme mit Mobbing und Diskriminierung, aber man kann doch diese drei Empfehlungen nicht unkommentiert 1:1 übertragen. Diese Erkenntnisse sind wirklich nicht neu und die Konsequenzen daraus in etlichen Schulprogrammen, Erlassen, Verordnungen -ja, sogar im realen Handeln und Umgang- zu finden.
Bei deutschen Mittelschulen dürfte das vergleichbar sein, wenn man die Hautfarbe durch die Kultur ersetzt. Die Empfehlungen sind die üblichen Blablas, die auf eine Einsicht der Diskriminierenden basieren, welche nicht vorhanden ist und kaum erwirkt werden kann, weil es bei denen noch nicht einmal für Toleranz (Duldung ohne Gutheißung) reicht.
Im Pauschalisieren Mal wieder unübertroffen der Georg. Nix neues also. Kann man einfach ignorieren.
Ich werde bei solchen Studien eher stutzig. Wieso werden exklusiv homophobe Beleidigungen untersucht?
Wenn ja, warum wurde der Schwerpunkt darauf gelegt?
Wie ist der Unterschied in der Wirkung anderartiger Beleidigungen im Vergleich zu homophoben?
Sollen als Folge daraus alle freundschaftlichen Frotzeleien verboten werden oder ist der Sinn nur eine Sprachregelung für den LGBTQIA2s+-Bereich zu installieren?
Homophobe Beleidigungen unterscheiden sich von anderen Beleidigungen dadurch, dass sie nicht nur den Beleidigten abwerten, sondern jeden Homosexuellen. Dies ist so, weil homophobe Beleidigungen Homosexualität und Homosexuelle an sich als etwas Schlechtes darstellen.
Darüber hinaus betreffen die allermeisten Schimpfwörter keine realen Eigenschaften von Personen (“A.loch”, “H.rensohn” usw. sind relativ willkürlich gewählte herabsetzende Begriffe, die mit den beleidigten Personen iin aller Regel nichts zu tun haben.) Homophobe Begriffe betreffen aber eine wesentliche Eigenschaft der Person, wodurch dieese Beleidigungen wesentlich verletzender sind.
Ich finde es bedenklich, wenn angebliche Lehrer, sich nicht klar gegen Homophobie aussprechen, sondern “stutzig werden”. Sie scheinen homophobe Beleidigungen ja sogar in Ordnung zu finden und selbst bei “freundlichen Frotzeleien” zu benutzen.
Aber bei Strebern darf man “frotzeln”? Ist das nicht auch eine Eigenschaft der Betroffenen?
Auch Sie sollten bei Studien mit Bestätigungsverzerrung stutzig werden.
Eine Studie, die sich auf lediglich einen Aspekt beschränkt ist 1. wenig aussagekräftig und 2. sehr anfällig für Bestätigungsverzerrung.
Sie können nach dieser Studie nicht aussagen ob eine homophobe Beleidigung schimmer trifft als eine nicht-homophobe. Das geht rein konzeptuell nicht.
Wer weiß? Vielleicht ist ihr Ad hominem Argument schädlicher als eine homophobe Beleidigung? Sie finden es wohl in Ordnung, Eigenschaften von Mitkommentatoren zu erfinden.
Sie sollten sich grundlegend bei jeder Studie fragen, was die Beweggründe sind und ob bereits grundlegende Fehler im Ansatz der Studie bestehen.
Wo hört denn die Frotzelei auf? Wer definiert denn, was noch Scherz ist? Wohl meistens die Betroffenen. Ich kenne keinen Homosexuellen, der problemlos damit leben kann, dass ‘schwul’ ein multifunktionales Schimpfwort für alles ist (Verhalten, Kleidung, Apps, Bücher….). Darauf zu verzichten ist keine Sprachregelung, sondern normales zwischenmenschliches Verhalten, was unsere Schüler einsehen und lernen sollten. Fällt wohl unter Erziehungsauftrag, habe ich mal gehört.
Wer die Möglichkeit hatte, der wäre am Wochenende in Köln mal gut aufgehoben gewesen. Auf der kostenlosen
ColognePride 2023 – CSD in Kölle
Der CSD hat sich zu einem Fest für alle entwickelt. Neben queeren Menschen feiern immer mehr Heteros mit, oft sogar die ganze Familie.
Heiß, bunt und gute (Party)-Stimmung als DEMO und das Besondere: Top-Stimmung; gute Laune; mitreißende Musik; gel(i)ebte Vielfalt; auch mal Flagge zeigen können; freundliche und tolerante Menschen ohne Hass, Gewalt (pöbeln, rempeln, bis zu verbalen Beleidigung) als Provokation bis hin zu Schlägereien einfach nicht anzutreffen.
Ist natürlich für manche Mitmenschen ein Hapening wo Klischees und Stereotype bestätigt werden. Queers in engen und aufreizenden Klamotten provozieren eher den Rest der Gesellschaft und da zeigt sich wer tolerant lebt.
Bestimmte Bürgerbewegungen haben in den letzten Jahren halt erkennen müssen, dass sie hier einfach nicht erwünscht sind.