Kita-Debatte: Was ist wichtiger – Beitragsfreiheit oder Investitionen in Qualität?

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ERFURT. Beitragsfreie Kindergartenjahre, mehr Qualität in der Betreuung – Linke, SPD und Grüne in Thüringen wollen hier die nächsten Schritte gehen, doch das kostet viel Geld. Angesichts der Haushaltsverhandlungen sieht Bildungsminister Helmut Holter die Projekte in Gefahr.

Wo liegen die Prioritäten? Illustration: Shutterstock

Kostenlose Bildung und eine bessere Betreuung im Kindergarten – das sind rot-rot-grüne Wunschprojekte und potenzielle Wahlkampfthemen, doch im Ringen um einen neuen Haushalt könnte dafür das Geld nicht reichen. «Das Ergebnis meines Chefgesprächs ist so, dass mir 43 Millionen Euro fehlen», sagte Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) in Erfurt.

Chefgespräche sind Teil der Haushaltsverhandlungen und werden von Finanzministerin Heike Taubert (SPD) mit den Ministerinnen und Ministern geführt. Dabei geht es um die Etats für die einzelnen Ressorts. Holter sagte, er brauche mehr Geld als im aktuell laufenden Haushaltsjahr. Nach Angaben von Holters Ministerium geht man derzeit von einem Etat-Ansatz für sein Haus in Höhe von mehr als zwei Milliarden Euro aus – genauer: 2.054.558.700 Euro. Bei den strittigen 43 Millionen Euro gehe es vor allem um Reformen im Kindergarten-Bereich.

«Wird es das nächste beitragsfreie Jahr geben? Und es geht um die Verbesserung des Personalschlüssels bei den drei- bis sechsjährigen Kindern», erklärte Holter. Beide Projekte sind Teil einer von Rot-Rot-Grün geplanten größeren Reform des Kindergartengesetzes. Ein entsprechender Entwurf sollte nach früheren Angaben von Bildungspolitikern der Koalition nach der Sommerpause in den Landtag eingebracht werden.

Linke-Chefin Ulrike Grosse-Röthig machte klar, dass nach Ansicht der Linken das nächste beitragsfreie Kita-Jahr kommen muss. «Es gehört in den Landeshaushalt 2024, da hat Bildungsminister Helmut Holter völlig recht», sagte sie laut Mitteilung. Man wolle damit vor allem Eltern entlasten, da Familien die Inflation besonders stark zu spüren bekämen. «Ich erwarte von den anderen demokratischen Parteien, dass sie hier Farbe bekennen: für ein klares Ja zur Beitragsfreiheit in Kindergärten», forderte sie.

Bisher müssen Eltern in Thüringen für die letzten beiden Kita-Jahre vor der Einschulung nichts bezahlen. Pro kostenloses Kita-Jahr muss das Land aber rund 30 Millionen Euro jährlich aufbringen. Die Pläne von Rot-Rot-Grün sahen bisher vor, das dritte beitragsfreie Kita-Jahr ab August 2024 einzuführen, es würde also mit rund 15 Millionen Euro im Haushalt 2024 zu Buche schlagen. Ebenso viel würde wohl die Anhebung des Personalschlüssels in bestimmten Altersgruppen kosten.

Gerade die angestrebten Qualitätsverbesserungen und das nächste beitragsfreie Kita-Jahr gelten als rot-rot-grüne Herzensprojekte. Thüringens SPD-Chef Georg Maier hatte erst am Freitag im MDR-Sommerinterview mit Blick auf den anstehenden Wahlkampf betont, dass die SPD Thüringen zum kinderfreundlichsten Bundesland machen wolle, kostenlose Bildung nannte er als ein Beispiel. Auch die Linken haben in der Vergangenheit kostenlose Bildung schon im Kindergarten gefordert, Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) stellte schon im Wahlkampf 2019 ein drittes beitragsfreies Jahr in Aussicht. Den Grünen sind vor allem die Qualitätsverbesserungen wichtig.

Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich mahnte einen «bedarfsgerechten Etat des Bildungsministeriums» an. Reformen gebe es nicht zum Nulltarif. «Wir brauchen mehr gut ausgebildete Lehrkräfte, einen Ausbau der Schulsozialarbeit und Unterstützungspersonal wie pädagogische Assistenzen. Dafür benötigt es einen Haushaltsentwurf der Landesregierung, der diese Ausgaben berücksichtigt», sagte sie.

Angesichts begrenzter Haushaltsmittel müsse man Schwerpunkte setzen. «Für uns ist ganz klar, dass die Qualität wichtiger ist als Wahlkampfgeschenke mit der Gießkanne. Eine unausgegorene Pseudoentlastung, wie sie die CDU mit der Abschaffung der Hortgebühren vorschlägt, bindet zu viele Millionen, die man besser in die individuelle Förderung in Kindergärten und Schulen investieren sollte», erklärte Rothe-Beinlich.

Ein weiterer strittiger Punkt in den Haushaltsverhandlungen ist laut Holter die Kinder- und Jugendhilfe und der Ausbau der Schulsozialarbeit. Dafür wollte er rund 13,6 Millionen zusätzlich haben. «Ich konnte mich da mit Heike Taubert nicht einigen», sagte Holter. Als Fachminister sage er, dass es notwendig sei, diesen Weg zu gehen. «Nun muss es eine politische Entscheidung geben.»

Die Thüringer CDU-Fraktion forderte die rot-rot-grüne Landesregierung auf, schnell einen Haushaltsentwurf vorzulegen. Die CDU habe bereits im Juni ihre Leitlinien für den Haushalt 2024 auf den Tisch gelegt. «Was es braucht, ist endlich ein konsolidierter Vorschlag der Landesregierung und ein klarer Zeitplan, wie wir schnell zu einem verlässlichen Übergangshaushalt kommen», sagte der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Maik Kowalleck. News4teachers / mit Material der dpa

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3 Kommentare
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Silberfischchen
8 Monate zuvor

Die Beitragsfreiheit ist eine tolle Entlastung für die Familien. Die freuen sich darüber, sind für 1 Jahr dankbar und jammern dann wieder über mangelnde Qualität und fehlende Investitionen in Bildung und Kinder.

Oder ist irgendjemand noch dankbar darüber, dass die Schulbildung, die öffentliche zumindest, nichts kostet (den Eltern)???

Ich_bin_neu_hier
8 Monate zuvor
Antwortet  Silberfischchen

Kostenlose Aufbewahrung ohne echte Betreuungsqualität – trotz aller Anstrengungen der Erzieher*innen! – bringt nix, doch die Kosten echter Betreuungsqualität will der Staat nicht bezahlen, die können aber auch viele Eltern nicht stemmen.

Und nun?

Lena Hauenstein
8 Monate zuvor

Ich würde ja gerne was zahlen, wenn es dafür die 3. Kraft gäbe. Die Tagesmutter hat mich auch was gekostet und wenn man die Beiträge staffelt, sehe ich da keinerlei Probleme.