Kitas: Beitragsfreiheit statt Qualitätsverbesserung? „Geht in die völlig falsche Richtung“

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BERLIN. Das Bündnis für ein „Kita-Qualitätsgesetz”, das der AWO-Bundesverband, der KTK-Bundesverband und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) tragen, stellt fest, dass die Empfehlungen zum Entwurf des Zweiten Kita-Qualitätsgesetzes (Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung) „weit hinter den Qualitätsanforderungen zurückbleiben“. Die Empfehlungen sollen am Freitag im Bundesrat beraten werden.

„Es ist klar, dass wir in der frühen Bildung in einer außerordentlich kritischen Situation sind.“ Foto: Shutterstock

Der Ende August veröffentlichte Entwurf der Bundesregierung beinhalte hilfreiche Ansätze, um die Qualität in der Kindertagesbetreuung bundesweit zu verbessern. Er könne aber nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einem echten Qualitätsgesetz sein. Die nun diskutierten Änderungsempfehlungen aus der Länderkammer „weichen das Regierungspapier entscheidend auf“.

Die Haltung einzelner Länder und Kommunen ist ein Rückschritt im Qualitätsdialog für eine zukunftsfähige frühkindliche Bildung”, sagt Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, am Donnerstag in Frankfurt am MAIN. „Seit Jahren hat das Qualitätsbündnis darauf gedrängt, den Fokus auf bildungspolitische Qualitätsaspekte zu legen. Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Bund in der kommenden Periode genau das in den Blick nehmen will”, so Siebernik weiter „Die Forderung der Länder, weiter auch in Beitragsfreiheit der Eltern statt in Maßnahmen in Handlungsfeldern von vorrangiger Bedeutung investieren zu dürfen, geht in die völlig falsche Richtung. Damit verabschieden sich einzelne Länder von der Qualitätsverbesserung.”

„Jetzt ist es dringend notwendig, an einem Strang zu ziehen und das System mit Investitionen in Struktur und Personal zu stabilisieren“

Auch Domkapitular Clemens Bieber, Vorsitzender des KTK-Bundesverbandes, äußert Unverständnis über die Stoßrichtung der Bundesrats-Empfehlungen. „Jetzt ist es dringend notwendig, an einem Strang zu ziehen und das System mit Investitionen in Struktur und Personal zu stabilisieren“, betont Bieber. „Und es kommt jetzt auf Hilfe an, die bei den Familien ankommt. Gerade eine bundesweit verpflichtende Staffelung der Kostenbeiträge für die Kindertagesbetreuung, wie im Entwurf der Bundesregierung vorgesehen, würde viele Familien entlasten, die es in diesen Zeiten besonders nötig haben.“

„Wir fordern, dass der Bundesrat dem Gesetzesentwurf der Regierung zustimmt, ohne die Empfehlungen zu berücksichtigen”, unterstreicht Selvi Naidu, Mitglied des AWO Bundesvorstandes. „Der Entwurf ist bei weitem nicht perfekt. Es ist klar, dass wir in der frühen Bildung in einer außerordentlich kritischen Situation sind. Bis 2030 fehlen mehr als 100.000 Fachkräfte in den Kitas, der Rechtsanspruch auf den schulischen Ganztag zeichnet sich am Horizont ab und wir stellen ein enormes regionales Auseinanderklaffen in der quantitativen sowie qualitativen Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung fest. Genau deshalb müssen jetzt die Weichen für ein echtes Qualitätsentwicklungsgesetz gestellt werden”, sagt Naidu abschließend. News4teachers

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Echt
1 Jahr zuvor

Ich habe den Eindruck, dass Qualität schon länger nicht mehr das entscheidende Merkmal frühkindlicher „Bildung “ ist. Allenfalls als formale Floskel. Wenn ich in der Presse lese, dass vereinzelt von Elternvertretern vorgeschlagen wird, die Anforderungen an potentielle Erzieher weiter herabzusetzen, um mehr Personal zu generieren, und ein Hauptschulabschluss als ausreichende Voraussetzung betrachtet wird, dann wird mehr als deutlich, dass es nicht mehr um Bildung, sondern ausschließlich um Verwahr…, sorry Betreuung, geht.
Unfassbar, schon vor 30 Jahren sollte es eigentlich eher in Richtung Akademisierung gehen, um dem Wert frühkindlicher Bildung der schulischen Bildung gleichzustellen, stattdessen wurde immer weiter aufgeweicht. In Nds beispielsweise von 5 auf 4 Jahre Ausbildung, mit dem Zwischenschritt der Sozialassisstenten, sozusagen als günstigen Ersatz für die zuvor abgeschaffte Kinderpflegerausbildung. Wertschätzung gegenüber dem Wohl der Kinder und der berufliche Bildung und Leistung von Erziehern sehe ich hier nicht. Kein Wunder, dass dieser Beruf für motivierte, intelligente Erzieher schnell an Attraktivität verliert, wenn sie die Realität der mangelnden Wertschätzung und Degradierung ihrer Arbeit zur kostenlosen reinen Dienstleistung mit politisch versprochener Rundumversorgung, erkennen. Wie in der Schule,
Pflege und anderen sozialen Bereichen, sollen gesellschaftliche und politische Fehlentwicklungen zudem zum Nulltarif auch noch aufgefangen werden. Was nichts kostet, ist für viele leider häufig auch nichts wert.
Quantität geht in der Kinderbetreuung und -bildung vor Qualität. Wie wertvoll ist uns das Wohl der Kinder?

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Echt

„Wie in der Schule, Pflege und anderen sozialen Bereichen, sollen gesellschaftliche und politische Fehlentwicklungen zudem zum Nulltarif auch noch aufgefangen werden.“

Kita, Schule und Pflegeberufe entwickeln sich immer mehr zu Kamikaze-Berufsfeldern: So wie es ist und so wie die Entwicklungsrichtung ist, hält das keiner bis zur Rente durch, d.h. Hartz 4 (jetzt: „Bürgergeld“) ist ab einem bestimmten Alter für viele vorprogrammiert: Vom System verheizt und dann wie ein altes Kaugummi ausgespuckt.

Mein Tipp an alle Berufseinsteiger: Gar nicht erst in diesen Bereichen anfangen, nicht auf die Proganda vom „erfüllenden, glücklich machenden Beruf“ hören, und sich erst recht nicht von den „Kopfgeldjägern“ (aka Headhunteren) einfangen lassen (wie jüngst in Sachsen-Anhalt geschehen bei den Lehrkräften). Man lebt nur einmal und sollte es nicht verschwenden…

Carsten60
1 Jahr zuvor

Das Wort „Qualität“ sagt sich so leicht, aber wer weiß eigentlich genau, was das in Bezug auf Kitas sein soll? Wer hat die Kompetenz das festzulegen?
Eigentlich hatten wir doch nie in der Geschichte mehr Kinder in Kitas als jetzt. Und wo bleibt der nachweisliche positive Effekt auf die Schulreife der Erstklässler?

Marion
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Vor dreißig Jahren, mußten Kinder mindestens 3 Jahre alt und sauber sein, wenn sie einen Kindergarten besuchen wollten. Meistens bekamen die dreijährigen noch gar keinen Platz, weil die Gruppen schon mit den vier, fünf, und sechsjährigen voll waren.
Die Kinder waren also schon viel selbständiger, wenn sie in den Kiga kamen.
Elterngespräche wurden gerne mal zwischen Tür und Angel geführt und wenn es um etwas wirklich Ernstes ging, hat man einen Termin zum Gespräch vereinbart.
Beobachtungbögen gab es nicht.
Es gab keine „Literaturtage“, keine „Sprachkita“, kein „Haus der kleinen Forscher,“ kein „Würzburger Sprachmodell“…etc.pp.
Es gab Kreisspiele, Kinderlieder, Fingerspiele, Bewegungsspiele, Malen, Basteln, Turnen, Geschichten vorlesen, Bilderbuchbetrachtung, Klanggeschichten, Kuchen backen, Gemüse schnibbeln für die Erntedank – Gemüsesuppe, Spaziergänge, Besuche beim Bäcker in der Backstube und viiiiel freies Spielen sowohl drinnen wie auch draußen.
Die Gruppen waren allerdings noch nicht „offen“. D.h., wenn Gartenzeit war, gingen alle in den Garten.
Wenn ein Ausflug zum Bäcker anstand, gingen alle mit.
Wenn Spielekreis war, war für alle Spielekreis. Keiner wurde zum Mitspielen gezwungen, aber man saß halt trotzdem mit im Kreis.
Wenn etwas gebastelt wurde, hat man nach und nach jedes Kind an den Tisch gerufen und jeder hat folglich auch mal eine Schere in die Hand genommen.
Und dann blieb trotzdem immernoch eine ganze Menge Zeit zum freien Spielen.
Aber die Kinder haben gelernt, auch mal etwas mitzumachen, wenn sie gerade nicht sooo große Lust dazu hatten. Sie hatten halt nebenher noch mehr als genug Freiraum für ihre eigenen Interessen.
Als sie in die Schule kamen, waren die meisten von ihnen in der Lage, mit Schere, Kleber und Stift umzugehen. Sie konnten sich über einen angemessenen Zeitraum auf eine Sache konzentrieren, ihre eigenen Bedürfnisse für eine gewisse Zeit hintanstellen und hatten in der Regel keine nennenswerten Schwierigkeiten beim Schreiben, Lesen und Rechnen lernen. Der eine konnte eben das eine, der andere das andere besser.
Und bevor manche sich jetzt wieder furchtbar aufregen und von Zwang und Unterdrückung sprechen: Wenn ein Kind gerade intensiv in eine Beschäftigung vertieft war, haben wir es im Kindergarten natürlich nicht an den Basteltisch geprügelt. Wir haben schon darauf geschaut, daß der Zeitpunkt paßt.
Aber es gab eben auch die festen Punkte im Tagesablauf, an die sich alle halten mußten. Trotzdem glaube ich nicht, daß die Kinder damals unglücklicher oder unfreier waren. Die Prioritäten waren einfach andere.
Da war auch nicht alles besser.
Heute ist man wesentlich sensibler, was den Umgang mit sog. „verhaltensoriginellen“ Kindern betrifft, man ist hellhöriger und schaut genauer hin, wenn es einem Kind nicht so gut geht. Da hat sich, im Gegensatz zu früher, viel verbessert.
Trotzdem glaube ich, daß ein bißchen mehr Struktur, ein bißchen weniger Show nach außen und mehr Konzentration auf das, was JETZT IM MOMENT passiert, anstatt mit dem Kopf schon wieder bei der Planung des nächsten Projektes zu sein, den Kindern gut tun würde.
Aber was weiß ich schon, ich bin ja nur ’ne alte Basteltante.

Marion
1 Jahr zuvor
Antwortet  Marion

Sorry, damit da keine Mißverständnisse entstehen: Wir haben die Kinder auch dann nicht an den „Basteltisch geprügelt“, wenn der „Zeitpunkt paßte.“
Wir haben freundlich nachgefragt, ob es mal einen Moment Zeit hätte.
Den einen oder anderen mußte man auch mal ein wenig überreden. Daß waren meistens die, die sonst nie eine Schere angefaßt hätten. Am Ende haben sich aber oft gerade die Kinder, die sich nicht um’s Basteln gerissen haben, am meisten gefreut über das, was sie geschafft hatten.

Georg
1 Jahr zuvor

Eine Verbesserung für viele Eltern setzt schon dann ein, wenn sie weniger dafür zu bezahlen haben.