Zu kompliziert? Zehntausende Studierende stellen keinen Antrag für Energiegeld

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HANNOVER. Studierenden und Fachschülern sollte eine Einmalzahlung von 200 Euro dabei helfen, die gestiegenen Lebenshaltungskosten zu bewältigen. Doch viele Berechtigte stellten keinen Antrag. In Niedersachsen ist jetzt eine Diskussion darüber entbrannt, was mit dem übrigen Geld passieren soll. 

200 Euro Energiepauschale jeweils wurden an Studierende verschenkt. Davor allerdings stand ein kompliziertes Antragsverfahren. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Zehntausende Studierende haben keinen Antrag auf die ihnen zustehende Energiepreispauschale von 200 Euro gestellt. Beispiel Niedersachsen: Von den rund 200.000 antragsberechtigten Studierenden bei den Hochschulen und Berufsakademien haben bis Fristende Anfang Oktober knapp 166.000 einen Antrag gestellt, wie das Wissenschaftsministerium in Hannover auf Anfrage mitteilte.

Fast alle Anträge wurden demnach ausgezahlt. Rund 33,2 Millionen Euro gingen an die Studierenden. Zwölf Anträge wurden den Angaben zufolge abgelehnt, weil sie Dubletten waren. Die Einmalzahlung von 200 Euro ist steuerfrei und soll die gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise für Studenten und Fachschüler abfedern.

Für den Allgemeinen Studierendenausschuss der Universität Göttingen war die Hilfe für viele Empfänger ein wertvolles Mittel, um trotz steigender Inflation und explodierender Energiekosten das Semester zu meistern. Das Verfahren sei aber unzulänglich, und der Aufwand sei nicht abschätzbar gewesen, kritisierte Hochschulreferentin Esther Heitland. «Dies hat mit Sicherheit einen Teil der Studierenden, die keinen Antrag gestellt haben, abgeschreckt.» Kritik äußerte sie auch daran, dass Informationen nur auf Deutsch und Englisch weitergegeben worden seien. Für Studierende ohne deutschen Pass seien die Hilfen zudem sehr umständlich zu beantragen gewesen.

Mehr Unterstützung der Politik forderte ebenfalls jüngst der Studierendenausschuss der Universität Lüneburg. Es brauche eine grundlegende Reform der Studienfinanzierung, eine Anhebung des Bafögs, der Wohnkostenpauschale und der Elternfreibeträge. Studierende seien systematisch von Armut betroffen.

Das Geld konnte bis einschließlich 2. Oktober beantragt werden. Gut 2,83 Millionen Menschen machten bundesweit davon Gebrauch. Etwa 567 Millionen Euro wurden ausgezahlt. Die Bundesregierung war von etwa 3,5 Millionen Anspruchsberechtigten ausgegangen. Wer zum 1. Dezember vergangenen Jahres an einer Hochschule eingeschrieben war und seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, konnte das Geld beantragen. Die Antragsstellung begann flächendeckend Mitte März.

Eine Frage ist nun, was mit dem Geld passiert, das nicht beantragt wurde. Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs sagte auf Anfrage, den Vorschlag des Deutschen Studierendenwerks, mit dem Geld die Studierenden zu unterstützen – beispielsweise mit dem Ausbau der psychosozialen Beratungsstellen – halte er für überlegenswert.

Der SPD-Politiker verwies unter anderem auf zusätzliche 30 Millionen Euro des Landes an die Studierendenwerke und ein Mittagessen zum reduzierten Preis. «Die Studierendenwerke erhalten außerdem ab dem kommenden Haushalt von uns jährlich 700.000 Euro mehr», betonte der Minister. News4teachers / mit Material der dpa

Das Verfahren

Laut Berliner Morgenpost lief die Antragsstellung folgendermaßen ab:

Für die Einmalzahlung wurde die Internetseite www.einmalzahlung200.de programmiert. Antragsberechtigte mussten sich zunächst ein „BundID-Konto“ erstellen, das den Zugang zu allen digitalen Dienstleistungen des Staates ermöglicht. Dazu brauchten sie die Onlinefunktion des Personalausweises. Mit der „AusweisApp2“ wurde dann über ein NFC-fähiges Handy die Identifizierung gemacht. Allerdings haben nicht alle Personalausweise die Online-Funktion. Alternative: Das Elster-Zertifikat der Steuerverwaltung. Dazu musste ein Elster-Benutzerkonto angelegt werden. Nachdem dann mit Online-Ausweis oder Elster-Daten die Identität bestätigt wurde, wurde ein einmaliger Zugangscode benötigt, der von den Hochschulen versendet werden musste. Er sollte beweisen, dass der Antragssteller bis zum Stichtag 1. Dezember 2022 eingeschrieben war. Danach konnte das Geld beantragt werden.

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3 Kommentare
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mama51
6 Monate zuvor

Laut Berliner Morgenpost lief die Antragsstellung folgendermaßen ab: …

DAS alles ist doch wieder „typisch DEUTSCH“:
Von der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare!
Als hätten die Studierenden sonst nichts zu tun! Wann hat dieser Bürokratie – Moloch endlich mal ein Ende?

Torsten
6 Monate zuvor

Über Abbau von Bürokratie reden Politiker schon eine Ewigkeit.k Klingt ja auch gut, wenn man selbst nichts damit zu tun hat … Es tut sich leider nichts. Wann wird endlich in den Amtsstuben mal aufgeräumt! Ist das nicht schlimm, wenn wir weiterhin typisch deutsch sind?

Lisa
6 Monate zuvor

Man bräuchte dringend ein BundIT Konto, und allein an dem Einrichten dass mancher Student doch recht lange. Andere hat es geärgert, dass sie auf diesem Weg gezwungen werden sollten, sich das einzurichten. Wenn sie die 200 Euro nicht ganz nötig brauchten, ließen sie es bleiben.. Die mir bekannten Studenten hätten es besser gefunden, einen Online Antrag mit einer hochgeladenen Immatrikulationsbescheinigung abgeben zu können. Dann wären auch diejenigen mit nichtdeutschen Pässen nicht benachteiligt worden. Aber dennoch nette Geste, danke 🙂 Nicht nur meckern. 😉