BERLIN. Der Deutsche Philologenverband (DPhV) spricht sich für eine verpflichtende inhaltliche Behandlung des Grundgesetzes in der universitären Phase der Lehrkräftebildung aus. Dies betonte die DPhV-Bundesvorsitzende Prof. Susanne Lin-Klitzing im Rahmen der Feierlichkeiten zum 120-jährigen Jubiläum des Verbands. Gerichtet an alle Kultusminister und Kultusministerinnen der Länder fordert sie: „Das Grundgesetz gehört in die Lehrkräftebildung: Es muss in der universitären Phase unbedingt inhaltlich behandelt und damit neu in den Standards verankert werden! Dies kann im Rahmen der gemeinsamen Lehrkräftebildung auch nicht in das Belieben der Universitäten bzw. Wissenschaftsministerien gestellt werden!“
Nicht erst in Anbetracht der aktuellen politischen Herausforderungen seien die Grundlagen für ein umfassendes Demokratie-Verständnis bei angehenden Lehrkräften auch in der universitären Ausbildung zu verankern. Lin-Klitzing: „Rufe nach mehr ‚Demokratieerziehung‘ im Unterricht sind verständlich und nachvollziehbar, aber grundlegend wichtig ist es, den Lehramtsanwärtern und Lehramtsanwärterinnen als angehenden Beamten und Beamtinnen gleich zu Beginn des Studiums die Kenntnis und das Verstehen des Grundgesetzes zu vermitteln. Die Schule wird allerdings auch dann nicht alles zurechtrücken können, was im Rest der Gesellschaft schiefläuft. Hier sind alle in der Verantwortung.“
Lin-Klitzing verwies darauf, dass vielen Lehramtsstudierenden wichtige Eckpunkte des Grundgesetzes nicht geläufig genug sind: „Das Grundgesetz ist die Grundlage unserer Haltung zu unserem Staat, die Basis für Erziehungs- und Bildungsprozesse in der Schule. Viele Lehramtsstudierende konnten sich nicht vertieft, z.B. mit den Artikeln 1, 2, 3, 6, 7 und weiteren für ihr berufliches Handeln wesentlichen grundgesetzlichen Regelungen, auseinandersetzen, eben weil sie ihnen im Studium auch nicht vermittelt werden: Uns Lehrkräften ist es eben nicht egal sein, nach welchem Regeln wir in unserem Staate leben, bilden und erziehen, sondern wir wollen unsere föderale Bildungs- und Schulpolitik im Interesse der Gesamtgesellschaft offensiv mitgestalten! Und dabei geht es sowohl um ein kundiges ‚Demokratie lehren und lernen‘ als auch um die Möglichkeit, gemeinsam ‚Demokratie zu leben‘. Dies ist in den Artikeln 1, 2, und 3 GG grundgelegt und muss nicht dauernd in Zusatzprogrammen eingefordert werden. Wir brauchen diesen gelebten gesellschaftlichen Konsens: außerhalb und innerhalb der Schule. Er muss und kann offensiv eingefordert und mutig gelebt werden!“, ist die DPhV-Bundesvorsitzende überzeugt.
“Dass es unterschiedliche Erziehungs- und Bildungsaufträge in den Bundesländern gibt, mit denen man sich beschäftigen sollte, bevor man sich später in einem Bundesland bewirbt: All dies ist den Studierenden oft nicht bewusst!“
Lin-Klitzing weiter: „Es geht auch um die besondere Bedeutung der im Grundgesetz verankerten Schulpflicht (Art. 7 GG), die über die Unterrichtspflicht hinausgeht, die daraus resultierende Konsequenz des Beamtenstatus´ für die Lehrkräfte, die im Dienst- und Treueverhältnis gegenüber ihrem Dienstherrn stehen und auf Grund der Schulpflicht nicht streiken dürfen! Ähnliches gilt für die grundgesetzlich vorgeschriebene Sicherung des Religionsunterrichts (Art. 7 GG), bei dem Staat und Kirche die gemeinsame Verantwortung tragen. Und dass es unterschiedliche Erziehungs- und Bildungsaufträge in den Bundesländern (Art. 20 und 30 GG) gibt, mit denen man sich beschäftigen sollte, bevor man sich später in einem Bundesland bewirbt: All dies ist den Studierenden oft nicht bewusst!“
Dies könne gut und konkret umgesetzt werden, da die Lehramtsstudierenden in der Lehrkräftebildung an der Universität sowohl ihre Lehramtsfächer als auch begleitend Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften studierten. Das Grundgesetz gehöre in die Phase der vertieften inhaltlichen Auseinandersetzung an der Universität und könne z.B. auch im Rahmen eines Studium generale verpflichtend angeboten werden, so Lin-Klitzing.
Zum Festakt „120 Jahre Deutscher Philologenverband“ am Freitagvormittag sprachen unter anderem Schleswig-Holsteins Kultusministerin Karin Prien und der ehemalige Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Prof. Peter-André Alt, in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Was die Welt im Innersten zusammenhält – Fachlichkeit und Komplexität als Elemente gymnasialer Bildung”. News4teachers
Man sollte zwei Veranstaltungen Staatsrecht sowie eine Veranstaltung Demokratietheorie ins Referendariat integrieren. Zudem sollte der Verfassungsschutz die Lehrerschaft mehr auf extremistische Personen durchleuchten.
O-Ha, das klingt mir zu sehr nach DDR 2.0 (der letzte Satz), denn es müssten dann ja alle “durchleuchtet” werden.
Also zumindest vor gut 20 Jahren gab’s in Bayern im Ref.im 1. und 4. Halbjahr wöchentlich 2 Stunden Staatsbürgerkunde und Schulrecht.
Komisch, ich habe das Grundgesetz nie “studiert” und mich dennoch straffrei und gesetzestreu verhalten. Das lag wohl an dem Kulturkreiskreis, in dem ich aufgewachsen bin und dessen Regeln ich mit der berühmten Muttermilch aufgesogen habe.
“Die Würde des Menschen ist unantastbar” – wir würden Ihnen Artikel eins des Grundgesetzes ans Herz legen, vielleicht ergänzend noch Artikel drei (“Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden”), wenn Sie diese Diskussion zum Anlass nehmen, sich auf die von Ihnen konsumierte Muttermilch etwas einzubilden.
Herzliche Grüße
Die Redaktion
“…ich habe das Grundgesetz nie „studiert“”. Traurig genug!
QED, denn wenn Sie das Grundgesetz studiert hätten, dann wüssten Sie, dass es sich de facto um die Verfassung handelt – also dem Staat Grenzen aufzeigt und seine leviathanische Allmacht einhegt, um die Rechte des Bürgers zu schützen – ganz grob zusammengefasst.
Sie als Person würden kaum vor dem Verfassungsgericht landen und dort “bestraft” werden… was dieses ohnehin nicht tut.
Da war die Muttermilch wohl nicht gehaltvoll genug…
Psssst! Nicht so laut! Sie können doch nicht einfach sagen was sie wollen! Kennen Sie etwa das Grundges….MOMENT MAL. 🙂
Doch, hier (in diesem Land und in diesem Forum) können Menschen schreiben und sagen, was sie wollen – solange sie damit die Rechte anderer Menschen nicht verletzen. Diese Einschränkung ist allerdings nicht jedem geläufig. Auch dabei hilft ein Blick ins Grundgesetz:
Artikel 5
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Ja.
Verstöße gegen das GG sind auch nicht strafbewehrt. Verfassungsbruch kann nicht entsprechend der Grundgesetzartikel belangt werden.
Oha, worauf bzw. auf welche anderenn “Kulturkreise” spielen Sie denn da an?!
Als ob alle Menschen aus besagtem “Kulturkreis” mit seinen Regeln es immer schaffen würden, besagtes Verhalten an den Tag zu legen bzw. ihren Sprösslingen zu vermitteln.
Es geht, wie meist, deutlich mehr um den sozialen und weniger um den kulturellen Hintergrund. Ich persönlich habe mit Eda und ihrer Familie aus Izmir erfahrungsgemäß mehr gemein als mit Ede und seiner Baggage aus z. B. Frankfurt.
Mitglieder von gesichert rechtsextremen Parteien gehören jedenfalls nicht in den Staatsdienst. Für die AFD trifft das jetzt schon auf Thüringen und Sachsen-Anhalt zu.
Ach wie schön waren die alten Zeiten mit Radikalenerlass (Ironie Ende).
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/346271/vor-50-jahren-radikalenerlass/
Klingt anmaßend. Ich warte schon auf die Entrüstung. Aber dürfte durchaus stimmen. Nur trifft das wohl auf die meisten Bundesbürger zu und ich weiß nicht recht, inwiefern uns eine genauere Kenntnis im Alltag weiterbringt. Da sollten sich Lehrer eher um das Schulrecht bemühen, denn um dessen Kenntnis ist es genauso schwach bestellt, aber das kann man gut im Alltag gebrauchen.
Oh, hat Frau Prien den Philologenverband wieder lieb? Im Schleswig-Holsteinischen PhV gibt es – ganz vorsichtig formuliert – Vorbehalte gegen die Ministerin.
Mal abgesehen davon, dass eigentlich jeder spätestens in Klasse 10 Grundgesetz, Menschenrechte, Grundrechte etc. gelernt haben sollte, gehört das in die 2. Phase der Lehre:innenausbildung, in den Vorbereitungsdienst. Schließlich geht’s da auch ums Dienstrecht, Pflichten Verbeamteter usw.
Mal abgesehen davon, dass alle Schüler alles Mögliche in der Schule gelernt haben sollen, haben viele es eben doch nicht gelernt, sonst gäbe es ja nicht die Noten von 1-6. Mindestens 5 und 6 stehen dafür, dass man etwas nicht gelernt hat und die 4, naja, so ein bisschen. Reicht es, das Grundgesetz “ein bisschen” zu kennen? Ein bisschen kennen wir es doch alle, oder?
Schon mal etwas von demokratischer Schulentwicklung und Schulkultur gehört, Herr oder Frau Kolleg:in?! Dann wird eine Haltung draus, die sich verstetigen kann.
Ist nicht bei jedem/jeder der Fall, der/die Grund- und Menschenrechte zu allem Möglichen zählen, was man in der Schule lernt.
Art. 18 GG scheint wenig bekannt zu sein, Art. 38 (1) auch. Nach Art. 91b (2) scheinen Bund und Länder bei der schulischen Bildung nur zum Zweck der “Feststellung der Leistungsfähigkeit im internationalen Vergleich” (im Klartext: TIMSS, PISA, IGLU etc.) zusammenwirken zu dürfen. Das klingt seltsam, denn damit stehen die internationalen Vergleichstests gewissermaßen im Grundgesetz.
Die Teile a, b, c etc. der Artikel scheinen generell wenig bekannt zu sein. Es gibt sogar einen Art. 143g.
Durchaus nicht, aber welchen Widerspruch wollen Sie denn da konstruiert wissen? Demokratische Schulentwicklung widerspricht nicht dem Leistungsgedanken, nicht dem Fachunterricht oder Fachwissen, nicht der Notwendigkeit von Leistungsfähigkeit zur Erfüllung von Aufgaben (ökonomisch, beruflich, persönlich usf.). Sie widerspricht auch nicht der Möglichkeit der “Feststellung der Leistungsfähigkeit im internationalen Vergleich”, wenn das wichtig ist. Demokratische Schulentwicklung heißt nicht Basisdemokratie auf allen Ebenen nach dem Lust- oder Keine-Lust-Prinzip. Also, Kollegin, erst einlesen, dann blubbern.
Hatte ich was von Widerspruch gesagt? Mir scheint einfach, es ist zu wenig bekannt, was wirklich im GG steht. Steht eigentlich (direkt oder indirekt) die “demokratische Schulentwicklung” im Grundgesetz?
Das sagt ja einiges über die Mitglieder des Philologen-Verbandes aus, aber schön, wenn sich Lin-Klitzing der Wissenslücke annehmen möchte.
Ich weiß ehrlichgesagt nicht genau, was bezweckt wird, es gibt ja immerhin bereits entsprechende Regelungen, auch wenn manche Schulleitung die Notwendigkeit der Umsetzung mit der Beliebtheit der Schule abwägt.
Naja, wenn alles daneben geht und Lehrkräfte auf dem Grundgesetz herumtrampeln, ist die Konsequenz klar: Ab nach Bayern, nach 30 Jahren ist da eine politische Karriere garantiert 🙂
Und ich dachte, der staatliche Vorbereitungsdienst soll einen mit den rechtlichen Grundlagen, die ja auf dem GG Berugen, vermittelt werden. Haben die Hauptseminarleitenden da ggf. Kompetenzmängel aufzuweisen, so dass sie jetzt die Verantwortung an die Hochschulen deligieren wollen?
Was glauben Sie denn was los wäre, würden Lehrer IN DER MASSE das Dienstrecht kennen und (ganz so wie heute das Wort “demokratisch” verstanden wird) auch konsequent einsetzen?
Die Hampelei- und Betreuungsschule bräche in Stunden zusammen.
War lange genug im Lehrerrat, um zu wissen, wozu das führt.
Nachtigall, ich hör dir trapsen.
Die Lehrer mucken langsam auf, also werden die thematisierten Kritikpunkte flugs mit dem Grundgesetz erstickt. Die Lehrer müssen wieder zu Gehorsam erzogen werden (Dienst- und Treuepflicht), die vorgegebenen Erziehungs- und Bildungsaufträge der unterschiedlichsten Ministerien auf keinen Fall kritisieren, auch wenn sie noch so kontraindiziert sind, geballte Mehrarbeit und Zusatzaufgaben bis zum Umfallen durchziehen, denn laut Grundgesetz ist man dazu verpflichtet, wie praktisch für den Dienstherrn. Und ja, der Religionsunterricht ist auch im GG verankert, aber mit den vielen Einflüssen längst nicht mehr zeitgemäß.
Nun, offenbar werden jetzt stärkere Geschütze gegen die rebellierenden Lehrkräfte aufgefahren, Staatskunde, da die Lehrer angeblich die Inhalte des GG nicht kennen und nicht demokratisch eingestellt sind. So kann man seine Unfähigkeit und Fehler natürlich auch kaschieren, das Heer der Lehrer soll im Gleichschritt gehen. Und das soll dann Demokratie sein?
Und der Lehrermangel schreitet fort . …
Ja, aber da sich ohnehin nur noch ein kleines Häuflein überhaupt in die Ausbildung begeben wird, wenn der Lehrberuf auch ohne eine solche ausgeübt werden kann, sind die disziplinierenden Überlegungen eigentlich gegenstandslos.
Das Grundgesetz gehört für mich in die Schule.
Ohne die nicht explizit erwähnten Artikel 4 (Glaubens- und Gewissensfreiheit) und Artikel 5 (Freie Meinungsäußerung) fehlt beim ‘Demokratie lehren und lernen’ der Teil, der für unsere Freunde im ‘Rat der 16’ unbequem werden kann. Welch unerwarteter Zufall…
Genau das.
Warum erst im Ref? Den Inhalt sollte man verinnerlicht haben, bevor er in der Praxis Anwendung findet.
Und bei der Menge an Quer-, Seiteneinsteigern und Vertretungskräften aller Couleur wäre mir bei einem genaueren Blick auch wohler. Manch Profilbild in Social Media stimmt mich nachdenklich/macht mich skeptisch. Um hingegen einen Eintrag ins erweiterte Führungszeugnis zu bekommen, muss man schon extrem auffallen.