BA appelliert an Betriebe, auch förderbedürftigen Jugendlichen eine Chance zu geben

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HANNOVR. Obwohl viele Betriebe Schwierigkeiten haben, ihre Ausbildungsstellen zu besetzen, gibt es immer noch junge Menschen, die keine Ausbildungsstelle finden. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) appelliert an die Betriebe, auch förderbedürftigen Jugendlichen eine Chance zu geben. Der DGB setzt auf Druck.

Schlechte Schülerinnen und Schüler haben kaum Chancen auf dem Ausbildungsmarkt. Andererseits werden Fachkräfte händeringend gesucht. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Die Ausbildungsbetriebe spüren den Nachwuchsmangel auf dem Ausbildungsmarkt: Bis Ende September blieben zum Beispiel in Niedersachsen 4.715 Ausbildungsplätze unbesetzt, in Bremen waren es 467 Ausbildungsstellen, teilte die Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit (BA) am Donnerstag in Hannover mit. In Thüringen ist die Lage ähnlich.

In Niedersachsen gab es demnach in diesem Jahr 8.640 Bewerberinnen und Bewerber weniger als gemeldete freie Ausbildungsstellen. In Bremen waren es 1.253 weniger Bewerber als Ausbildungsplätze. Gleichzeitig aber haben aber auch 2.679 Jugendliche in Niedersachsen und 396 in Bremen trotz Bewerbung im September keinen Ausbildungsplatz bekommen.

In Niedersachsen nahmen 4.955 junge Menschen ihre Meldung als ausbildungssuchend zurück; in Bremen waren es 536. Laut Bundesagentur für Arbeit entschlossen sie sich zwischenzeitlich für eine Alternative, besuchten etwa eine weiterführende Schule, machten ein freiwilliges Jahr oder gingen für Au-Pair- oder Work & Travel-Jobs ins Ausland.

Der Chef der BA-Regionaldirektion, Johannes Pfeiffer, riet Unternehmen, auch solchen Jugendlichen eine Chance zu geben, die größere Unterstützung benötigen. Dafür böten die Agenturen für Arbeit und Jobcenter Förderangebote und Beratung. Es gebe für Betriebe auch die Möglichkeit, über Langzeitpraktika Schülerinnen und Schüler kennenzulernen und sie an die Ausbildungsinhalte heranzuführen.

Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) bleiben trotz des Nachwuchsmangels noch zu viele junge Menschen ohne Ausbildungsplatz. Gerade Schüler und Schülerinnen mit Hauptschulabschluss oder Migrationshintergrund hätten oft das Nachsehen. Inzwischen verfügten 20,2 Prozent aller 20- bis 34-Jährigen über keine abgeschlossene Ausbildung oder über ein Studium. Niedersachsen stehe dabei im Bundesvergleich besonders schlecht da.

Nur jeder fünfte Betrieb in Niedersachsen bilde überhaupt aus, bemängelte der Gewerkschaftsbund. Der DGB forderte ein Bonus-Malus-System: Wer ausbilde, bekomme Geld und wer nicht ausbilde, zahle in einen gemeinsamen Fonds ein, aus dem die ausbildenden Unternehmen unterstützt werden. Außerdem sei eine Ausbildungsgarantie notwendig. In Bremen gebe es bereits das Modell des umlagefinanzierten Ausbildungsfonds: Darin zahlen Betriebe 0,3 Prozent der Bruttolohnsumme ein. Ausgenommen sind Kleinbetriebe.

«Auf 100 Lehrstellen in den Betrieben kommen rund 60 Bewerber. Damit ist es für Jugendliche weiterhin sehr günstig, mit einer attraktiven Ausbildung in die berufliche Zukunft zu starten»

In Thüringen standen rund 1.600 unbesetzten Lehrstellen Ende September der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit zufolge rund 300 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz gegenüber. Insgesamt hatten sich von Oktober 2022 bis September 2023 im Freistaat rund 7.800 junge Menschen bei den Arbeitsagenturen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz registrieren lassen. Das waren 300 Bewerber weniger als noch im vergangenen Jahr.

«Auf 100 Lehrstellen in den Betrieben kommen rund 60 Bewerberinnen und Bewerber», sagte der Chef der Regionaldirektion, Markus Behrens. Damit sei es für Jugendliche weiterhin sehr günstig, mit einer attraktiven Ausbildung in die berufliche Zukunft zu starten. Die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen in Thüringen sei ungebrochen hoch. Dennoch hätten zahlreiche Firmen keinen Azubi gefunden, sagte Behrens. Einerseits passten die Vorstellungen auf der Bewerberseite nicht mit den Angeboten und Anforderungen der Ausbildungsberufe überein. Auf der anderen Seite glaubten immer noch viele Jugendliche, dass der Weg zum beruflichen Glück nur durch ein Studium zu erreichen sei.

Die Regionaldirektion verwies auf Alternativen für diejenigen, denen der direkte Einstieg in die Ausbildung nicht gelungen sei. Möglich sei beispielsweise eine Einstiegsqualifizierung – also ein betriebliches Praktikum von vier bis zwölf Monaten, welches im Übernahmefall auf die Dauer der Ausbildung angerechnet werden kann. Auf Seiten der Betriebe gelte es, zu überlegen, ob für sie auch Bewerber mit ungünstigeren Startchancen in Frage kämen. Dazu gehörten Jugendliche mit einem Handicap genauso wie junge Menschen mit Migrations- oder Fluchthintergrund. News4teachers / mit Material der dpa

Auch das gehört zur Bildungskrise: Der Ausbildungsmarkt kommt nicht in Schwung. Ist die Duale Ausbildung noch zu retten?

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5 Kommentare
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Unfassbar
5 Monate zuvor

Die Betriebe müssen in der heutigen Zeit leider knallhart abwägen:

Jeder Auszubildende oder Praktikant bindet damit Arbeitszeit eines Angestellten und damit Produktivität dieses Angestellten. Der Produktivitätszuwachs durch den Auszubildenden oder Praktikanten muss demnach nach einer vergleichsweise kurzen Einarbeitungszeit auch unter Berücksichtigung des Welpenschutzes mindestens so groß sein wie der Produktivitätsrückgang des vorhandenen Angestellten.

Je größer die Förderbedürftigkeit des Jugendlichen ist, desto schwieriger wird die Abwägung für die Firma, besonders wenn es keine staatliche Förderung oder Komplettfinanzierung gibt.

Realist
5 Monate zuvor
Antwortet  Unfassbar

„staatliche Förderung oder Komplettfinanzierung“

Da würde doch ein tolles Geschäftsmodell drinnenstecken: Homeoffice für Auszubildende. Wieder ein Win-Win für interessierte Betriebe und die Jugendliche…

ConfirmationBias
5 Monate zuvor
Antwortet  Unfassbar

Zumal es auch sehr schwierig ist, ein Ausbildungsverhältnis zu kündigen, sollte der Azubi sich als absolut unzuverlässig oder unfähig herausstellen. Insofern ist das wirtschaftliche Risiko einfach zu groß.

Lisa
5 Monate zuvor

Hmm schwierig. Ein Betrieb oder eine Firma macht ja keine Sozialarbeit im pädagogisch geschützten Rahmen, sondern muss Geld verdienen. Meiner Erfahrung nach sind vielen Chefs sogenannte Sekundärtugenden wie Pünktlichkeit, Sorgfalt, Höflichkeit wichtiger als dolle Schulleistungen. Nur geht der Mangel oft Hand in Hand. Ich hatte Schüler aus der viel geschmähten Förderschule, diese hatten genau diese Verhaltensweisen gelernt. Sie waren die Einzigen, die auf ihrem Platz saßen, die Arbeitsmaterialien gerichtet und still waren, wenn ich reinkam. Und dann passierte etwas Interessantes: Einige fingen an, die anderen auch leistungsmäßig einzuholen beziehungsweise zu übertreffen. Ich sollte sie gar nicht benoten, habe es jedoch ab der ersten redlich verdienten Zwei getan. Länger Rede, kurzer Sinn: eine solche Förderung würde viele Schüler, die Förderbedarf haben, ausbildungsfähig machen. Habe die Kollegen von der Förderschule damals, war 2008, aufrichtig bewundert.

Georg
5 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Diese Sekundärtugenden sind soooooooo wichtig und gerade deren Verlust ist für die Verrohung der ganzen Gesellschaft weltweit verantwortlich.