Umbenennung der Anne-Frank-Kita ist nach Empörungswelle vom Tisch („geschichtsvergessen“)

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Eine mögliche Namensänderung der Kita «Anne Frank» in Tangerhütte (Sachsen-Anhalt) ist nach weltweiter Empörung vom Tisch. Der Bürgermeister der Einheitsgemeinde Stadt Tangerhütte, Andreas Brohm (parteilos), bestätigte auf Anfrage, dass die Diskussion vom Kuratorium der Kita beendet worden sei. Man sei ohnehin seitens der Kita und des Kuratoriums mitten in der Diskussion gewesen. In der vergangenen Woche hatte sich auch der Stadtrat gegen eine Umbenennung der Kita «Anne Frank» in «Weltentdecker» ausgesprochen.

Die Gedenkstätte für Anne Frank und ihre Schwester Margot im ehemaligen KZ Bergen-Belsen. Es ist kein Grab: Die Leichname liegen irgendwo in den Massengräbern verborgen, über denen die Heide wächst. Foto: Shutterstock

Worum ging es? Nach Angaben des Bürgermeisters von Tangerhütte, Andreas Brohm, wurde in den vergangenen 14 Monaten an einem neuen Konzept für die Kindertagesstätte «Anne Frank» gearbeitet. Bereits Anfang 2023 sei in diesem Zusammenhang auch überlegt worden, diese grundlegende Konzeptänderung mit einem anderen Namen sichtbar zu machen. Konkrete Pläne oder Entscheidungen zum Namen hätten aber nicht angestanden.

Dennoch hatten sich vergangene Woche auch die Fraktionen des Stadtrats in einer gemeinsamen Erklärung gegen die Überlegungen gewendet: «Die Behauptung durch die Kita-Leitung, der Name Anne Frank wäre ungeeignet und Kindern schwer vermittelbar, zeugt eher von einer Geschichtsvergessenheit der Verantwortlichen», hieß es in der Erklärung. Im Gespräch sei der Name «Weltentdecker» gewesen, wie die «Magdeburger Volksstimme» am 6. November berichtet hatte.

Wie waren die Reaktionen? Weltweit berichteten Zeitungen über den Fall aus Tangerhütte, unter anderem die «New York Times», «Jerusalem Post», «Times of Israel» und «Le Figaro» aus Frankreich. Das Internationale Auschwitz Komitee kritisierte die Pläne scharf und nannte sie «töricht». Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bewertete die Pläne als «völlig falsches Signal». In einigen Publikationen und Beiträgen in Sozialen Netzwerken wurde zudem das Gerücht gestreut, die Umbenennung erfolge aufgrund von Druck durch Eltern mit Migrationshintergrund.

Wer war Anne Frank? Anne Frank wurde 1929 als Kind jüdischer Eltern in Frankfurt am Main geboren. Ihre Familie flüchtete 1933 vor den Nationalsozialisten in die Niederlande. Dort versteckte sie sich von 1942 bis 1944 in einem Hinterhaus. In dieser Zeit schrieb Anne Frank ein Tagebuch, das heute zu den meistgelesenen Werken der Weltliteratur gehört. 1945 starb sie im Alter von 15 Jahren im Konzentrationslager Bergen-Belsen.

Gab es bereits ähnliche Fälle? Einen ähnlichen Fall hatte es bereits vor rund zwei Jahren gegeben: Nach einem öffentlichen Aufschrei wurde die «Anne Frank»-Kita im thüringischen Elxleben nicht umbenannt. Ausschlaggebend waren unter anderem Proteste aus der Jüdischen Gemeinde.

Ist die Geschichte damit beendet? Auch wenn die Umbenennung vom Tisch ist, werde das Thema innerhalb der Stadt weiter besprochen werden müssen, sagte der Vorsitzende des Stadtrats von Tangerhütte, Werner Jacob (CDU) auf Anfrage. In der vergangenen Woche hatten mehrere Stadträte den parteilosen Bürgermeister bereits zum Rücktritt aufgefordert. «Moralisch hat er da komplett versagt und das wird Konsequenzen haben», sagte Jacob. Mit seinen Äußerungen habe der Bürgermeister die Stadt international in ein schlechtes Licht gerückt. Besonders die Reaktion aus Yad Vashem habe ihn berührt, sagte Jacob. Hier werde er im Namen des Stadtrats eine Antwort verfassen.

Was schrieb Yad Vashem? «Die Depersonalisierung des Namens dieser Kindertagesstätte sendet ein alarmierendes Signal an die Bürger in Ihrer Region», so hatte der Vorsitzende der zentralen Holocaust-Gedenkstätte in Israel, Dani Dajan, in einem Brief an den Bürgermeister geschrieben. Dajan sei von «dieser Entwicklung» sehr überrascht gewesen und forderte Brohm auf, die Pläne noch einmal «zu überdenken».

Weiter schrieb er in dem Brief, der auch an Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) adressiert war: «Was für eine pädagogische Botschaft wollen Sie den Bewohnern der Stadt senden, indem Sie den Namen der Einrichtung ändern? Wollen Sie damit andeuten, dass Anne Franks Vermächtnis nicht mehr relevant ist, insbesondere in einer Zeit, in der der Antisemitismus in Deutschland und in vielen anderen Ländern zunimmt?» News4teachers / mit Material der dpa

„Nie die Hoffnung nehmen“: Warum sich die Geschichte von Anne Frank für Kita-Kinder (noch) nicht eignet

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4 Kommentare
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BeWa
5 Monate zuvor

Natürlich ist die KitaLeitung „geschichtsvergessen“.
War ja nicht anders zu erwarten.
Sie hat schließlich noch nicht einmal gewusst, dass sie auch verantwortlich ist für pädagogische Botschaften an die Bewohner der Stadt.
Wenn es wirklich so war, dass im Rahmen einer bereits lange diskutierten Konzeptumstellung der Kinderrat einen Namenswechsel wünschte, sollte man sich vielleicht noch einmal Gedanken darüber machen, welchen Wert Partizpation wirklich hat.

PS
In SH muss man für das Erlangen bzw. den Erhalt der Betriebsgenehmigung neben päd. Konzept ein Eingewöhnungskonzept, ein Kinderschutzkonzept, ein Beschwerdekonzept nebst Organigramm usw. auch ein Partizipationskonzept vorlegen,

weil … sehr wichtig … und so …
– die Wünsche und Meinungen der Kinder.

Unfassbar
5 Monate zuvor
Antwortet  BeWa

Statt geschichtsvergessen würde progressiv, Zeitgeist o.ä. auch passen.

Angelika Mauel
5 Monate zuvor
Antwortet  BeWa

Ein Verstoß gegen ein Partizipationskonzept muss nicht per se schlimm sein. Auch wenn die Eltern sich im Interesse ihrer Kinder mehrheitlich für einen anderen Kita-Namen entschieden haben, sollte so viel Toleranz da sein, dass ihnen keine „Geschichtsvergessenheit“ vorgeworfen wird. Eltern und Erzieherinnen darf es vorrangig um die Kinder gehen. Das Tage

Unfassbar
5 Monate zuvor

Mich würde es nicht überraschen, wenn die das in ein paar Jahren erneut versuchen. Ohne den Angriff der Hamas wäre das ohne mediales Interesse durchgekommen.