Viele Informationen, wenig Durchblick: Vielen Schulabgängern fehlt die Orientierung über die weiteren Bildungswege

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GÜTERSLOH. Der Mehrheit der Jugendlichen fällt es schwer, nach der Schule eine Entscheidung für eine Berufsausbildung oder ein Studium zu treffen. Dazu tragen auch zahlreiche Mythen zu Studium und Ausbildung bei, die in Gesellschaft und Politik kursieren. In einer gemeinsamen Analyse hat die Bertelsmann Stiftung und das CHE Centrum für Hochschulentwicklung verbreiteten Mythen zur nachschulischen Bildung einem Faktencheck unterzogen.

Ausbildung oder Studium? Vielen jungen Menschen fehlt die Orientierung (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Rund um die nachschulische Bildung in Deutschland haben sich in der öffentlichen Wahrnehmung einige Mythen etabliert. Das betrifft sowohl die berufliche Ausbildung als auch das Studium. Eine oft geäußerte Falschannahme sieht etwa in der Rekordzahl an Studierenden die ausschließliche Ursache für den Mangel an Auszubildenden. Ein gemeinsamer Faktencheck mit dem CHE Centrum für Hochschulentwicklung kommt jedoch zu einem anderen Schluss.

Demnach greift es zu kurz, den aktuellen Auszubildendenmangel in Deutschland allein mit einer wachsenden Beliebtheit des Studiums zu begründen. Ein Vergleich der Anfänger:innenzahlen zeigt, dass der demografische Rückgang sowohl die berufliche als auch die akademische Bildung betrifft. So ist die Zahl der neuen Auszubildenden zwischen 2011 und 2021 von 733.000 auf 660.000 gesunken. Gleiches gilt jedoch auch für die Studienanfänger:innen: Deren – immer noch niedrigere – Zahl ist im selben Zeitraum von 519.000 auf 470.000 zurückgegangen. Hinzu kommt: Keine der drei Berufsgruppen mit dem höchsten Anteil an unbesetzten Ausbildungsplätzen steht in direkter Konkurrenz zu einem akademischen Studienangebot. Dabei handelt es sich um Klempner:innen, Fachverkäufer:innen im Lebensmittelhandwerk und Fleischer:innen.

(Aus-)Bildungsmythen treffen auf verunsicherte Jugendliche

Die weit verbreiteten Mythen und Falschaussagen, darunter auch die Behauptung „Nur Akademiker: innen verdienen richtig gut“, treffen auf eine in weiten Teilen verunsicherte junge Generation. Vielen fällt es schwer, am Ende der schulischen Laufbahn eine Entscheidung über ihren weiteren Bildungsweg zu treffen. Dies zeigen die Ergebnisse der repräsentativen Jugendbefragung, welche wir im August veröffentlicht haben. Darin geben 55 Prozent der befragten Jugendlichen an, sich zwar ausreichend informiert zu fühlen, sich aber in der Fülle der Informationen nicht zurechtzufinden.

„Fehlinformationen zu Studium und Ausbildung können Fehlentscheidungen zur Folge haben. Für die Jugendlichen selbst führt das zu großem Frust, verpassten Chancen und dem Gefühl, Lebenszeit und Energie vergeudet zu haben. Doch auch gesamtgesellschaftlich ist es angesichts des Fachkräftemangels wichtig, junge Menschen bei der Wahl des passenden Berufs bestmöglich zu unterstützen. Niemand darf beim Übergang von der Schule in den Beruf verloren gehen“, sagt Caroline Schnelle, Expertin der Bertelsmann Stiftung für berufliche Bildung.

Nachschulische Bildungswege sind flexibler als oft angenommen

Für die Berufswahl sind Offenheit und Flexibilität wichtig. Doch dem entgegen steht ein weiterer Mythos: „Nach der Schule muss man sich zwischen Studium und Ausbildung entscheiden – danach steht der weitere berufliche Weg endgültig fest.“ „Dieser Irrglaube hält sich hartnäckig, stimmt aber einfach nicht“, betont Ulrich Müller. „In der nachschulischen Bildung gibt es zunehmend Übergänge in beide Richtungen“, sagt der Leiter politische Analysen beim CHE.

„Gute Politik sorgt dafür, dass Fakten und nicht Mythen Gehör finden. Und sie nutzt auf Landes- und Bundesebene alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel und Wege, innovative Modelle der Zusammenarbeit von beruflicher und akademischer Bildung in die Breite zu tragen. Angesichts des Fachkräftemangels müssen jetzt alle politischen Akteure das Gesamtbild sehen und als Brückenbauer fungieren, damit niemand zwischen den Systemen verloren geht“, fordert Ulrich Müller. News4teachers

Alle untersuchten Mythen rund um die Themen Ausbildung und Studium finden sich im
gemeinsamen Faktencheck mit dem CHE unter diesem Link.

Bildungsforscher fordern mehr Berufsorientierung (auch schon in Kitas und Grundschulen)

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Konfutse
5 Monate zuvor

Die weit verbreiteten Mythen und Falschaussagen, darunter auch die Behauptung „Nur Akademiker: innen verdienen richtig gut“, treffen auf eine in weiten Teilen verunsicherte junge Generation. 
Erzähle mal diese Falschaussage einem Friseur, einer Pflegekraft oder einer Erzieherin oder auch MTA, und zwar Leuten, die schon seit Jahren nach der Ausbildung in Lohn und Brot stehen. Ich glaube, da würden andere Aussagen kommen. Oder lügen die alle bezüglich ihres Gehalts?

Hans Malz
5 Monate zuvor
Antwortet  Konfutse

Wir fragen aber dann auch mal den Dachdecker, der sich selbstständig gemacht hat und jetzt immer über mein Gehalt lacht.

Ingo
5 Monate zuvor
Antwortet  Konfutse

Gucken wir mal noch weiter und schauen wir mal, wie der ex-Azubi und der fertige Akademiker nach ein paar Jahren finanziell dastehen, erst Recht, wenn beide zwischendurch arbeitslos werden und einen neuen Job gefunden haben.

Lisa
5 Monate zuvor
Antwortet  Ingo

Der arbeitslose Akademiker kann immer noch in die Politik. Ex- Azubis haben die Selbstvermarktung nicht so gut gelernt und sind dort weniger anzutreffen.

Sandrina
5 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Ich sehe Akademiker/Nicht-Akademiker jetzt nicht als Kategorisierung fürs „Politikersein“. Politiker werden in der Regel gewählt. Und zwar wählen viele Deppen, aber nicht jeder Depp wird gewählt. Und unter Akademikern gibt es genausoviele Deppen wie unter den Nichtakademikern.
Aber ich gebe Ihnen Recht: viele Politiker kennen Universitäten von innen. Wie heißt es so schön: der Bundestag ist mal voller und mal leerer, aber immer voller Lehrer.

Dirk Z
5 Monate zuvor
Antwortet  Konfutse

Da kenne ich einen sehr schönen Fall, wo jemand nach dem mittleren Bildungsabschluss eine normale Lehre im öffentlichen Dienst im Bereich Umweltschutz gemacht hat und danach etwa ein Jahr als Facharbeiter gearbeitet hat. Da die Entwicklungsperspektive dort nicht berauschend war hat er sich kurz auf Stellensuche begeben und hat einen viel besseren Posten bei einem renomierten Unternehmen bekommen. Das aktuelle Gehalt liegt jetzt schon deutlich höher als bei vielen Akademikern z.B. bei Informatikern und das mit 22 Jahren.

Dil Uhlenspiegel
5 Monate zuvor

Wie schallt’s von der Höh‘?
Da sind die Schulen in der Pflicht.
Hollderei-duliöö.

Pit2020
5 Monate zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

@Dil Uhlenspiegel

Mit einem Jodeldiplom hat man (als Frau – laut Loriot) auch endlich was eigenes.

Dil Uhlenspiegel
5 Monate zuvor
Antwortet  Pit2020

Bewährtes Handwerk eben :o)

Pensionist
5 Monate zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Und ab zur Jodelschule!

Hans Malz
5 Monate zuvor

Wie wäre es denn mit einem verpflichtenden Programm in allen Schulen ab Klasse 8. Damit wäre dann der Übergang sicher gestellt.
Wie könnte man das nennen? Ah, ich habs: Kein Abschluss ohne Anschluss! Wir kürzen das mal KAoA ab.
Morgen schicke ich den Vorschlag mal ans Ministerium.

Monika, BY
5 Monate zuvor

Zwei Wörter: negative Selektion – seit Jahrzehnten.

Sporack
5 Monate zuvor

Als Vater von zwei Kindern, die aktuell auf unterschiedliche Schulformen der weiterführenden Schule gehen, muss ich schon sagen, dass sich Vieles im Vergleich zu meiner eigenen Schulzeit geändert hat:

  • Schreiben nach Hören im Deutsch-Unterricht der Grundschule hat negative Auswirkungen auch noch in der 9. Klasse.
  • Englisch-Unterricht in der Grundschule mit falscher oder keiner Rechtschreibung hat genau keinen Vorteil bzw keine Vereinfachung des Spracherwerbs in der weiterführenden Schule gebracht: Nur noch mehr Frustration
  • Schülerpraktika sind verpflichtend – aber es gibt keine sinnvolle Verinbarungen zwischen Land NRW und Betrieben.

Eigene Job-Suche als Erwachsener ist schon schwer, aber die Praktikumssuche für SchülerInnen ist noch viel schwerer.

Ich wünsche mir:
a) Weniger unterschiedliche Fächer in der Schule, dafür mehr Zeit für *Kernkompetenzen*:

  • Lesen, Schreiben, Rechnen
  • kritisches Reflektieren
  • motorische Fährigkeiten (Hämmern, Sägen, Malen, Zeichnen, Schwimmen, Laufen)
  • Zeit für (stumpfes?) Wiederholen !!

Klassenarbeits- und Testbewertungen, die nicht nur die Ausdrucksweise,
Rechtschreibung oder Grammatik bemängeln,
sondern positive Formulierungsalternativen geben.

Das biologische neuronale Netz muss überwacht trainiert werden!

Diesen Kritikpunkt der Bewertung ohne Korrekturvorschlag trifft auch auf
Bewertungen im Studium zu. („Falsch modelliert“, „Falsch programmiert“:
Offene Fragen bleiben: Wie wäre es denn richtig? Was hab ich am Setting falsch verstanden?)
Inhaltliche Korrekturvorschläge zu machen ist zeitaufwändig (und nervig für bewertende Personen).

Wenn jedoch Kurse und Klassen viel kleiner wären (bräuchte es mehr Räume und mehr Lehrpersonal und damit in Summe mehr finanzieller Aufwand), wäre der Unterricht hoffentlich Zielgruppen orientierter, so dass u.U. weniger falsch gelernt und weniger unpassend gelehrt würde.

b) Organisiertes Praktikum, in der Weise dass Schulen und feststehende Betriebe kooperieren; Praktikumsplatz-Suche sollte nur dann nötig sein, wenn der Default-Betrieb für das Kind thematisch uninteressant ist.

  • in Ausbildungsbetrieben des Handwerks, der Landwirtschaft in Klasse 8 und 9
  • in sozialen Ausbildungsbetrieben in Klasse 10
  • im Schul- und Hochschulbereich bzw. anderen akademischen Berufsfeldern in Stufe 11 und 12

Kernlehrpläne ohne passende Ressourcen für die praktische Umsetzung zu definieren ist für das Unterrichtserlebnis von Schülerinnen und Schüler mindestens genauso schlecht, wie die Mangelverwaltung im Kindergarten sowie im hochschulischen und universitären Bereich.

moi aussi
5 Monate zuvor
Antwortet  Sporack

Sie haben meine volle Unterstützung. Leider kann ich nur einen grünen Daumen geben… .

dickebank
5 Monate zuvor
Antwortet  Sporack

Infrage kommen lediglich Praktika, bei denen nix getan werden muss. Das entsprechende Äquivalent ist die Praktikumsvergütung.
Bei zwangspraktikum in Landwirtschaft oder handwerk hätte ich am 2. Tag eine AU.

Lisa
5 Monate zuvor
Antwortet  dickebank

Oder eine Beschwerde vom Bauern. Ich habe es leider erlebt, dass mir gesagt wurde, dass der Praktikant gar nicht wiederkommen soll.

Sporack
5 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Wenn sich daran ein Erörterungsgespräch zwischen Praktikant und Praktikumsstellenanbieter unter Vermittlung der praktikumsbetreuenden schulischen Beschäftigten angeschlossen hat, dürfte das in gewisser Weise auch sehr lehrreich gewesen sein.

Bla
5 Monate zuvor
Antwortet  Sporack

Die Probleme sind weitgehend „unten“ (also bei „uns“ Lehrkräften) bekannt und konsens.

Nur sind wir (leider) nicht die Instanz der Reformen und Spielregelgeber. Wir sind die Instanz der Umsetzung und spielen überwiegend unter den vorgegebenen Regelungen.

Soll konkret heißen:
– Schreiben nach Gehör wurde als „Reform“ vorgegeben. Viele Lehrkräfte (und auch weitere Personenkreise) waren schon damals sehr skeptisch und haben dies kritisiert.
– Englisch-Unterricht mit falscher oder keiner Rechtschreibung hat grundsätzlich nie Vorteile. Egal in welcher Klassenstufe. Müssen allerdings Lehrkräfte, welche kein Englisch im Studium hatten (also das nicht in der Fächerkombination haben), dies unterrichten, dann ist das halt im Schnitt qualitativ nicht gleichzusetzen mit Native-Speaker/Studierten im Fach. Klassenleiterprinzip und Lehrkräftemängel treffen hier auf den Wunsch des „frühen“ Fremdsprachenerwerbs. Das ist ebenfalls ein systematisches Problem.
– Generell wären solche „außerschulischen Partner und Ansprechpartner“ sehr sinnvoll. Dies als Zentralstelle gemacht und bspw. zugewiesen oder als Optionen machbar. Ansonsten obliegt es der Ressourcen der Schulen und Lehrkräfte dies „zusätzlich“ mal so zu stemmen.

Das ist schwierig … Was will man denn streichen, sodass die Kernkompetenzen trotzdem abgedeckt werden? Ihre aufgeführten Kernkompetenzen überstrecken doch bereits alle Fächer?
– Lesen, Schreiben, Rechnen (Deutsch, Förderstunde, Mathematik, andere Fächer – Physik Rechnungen, Lesen und Schreiben in (nahezu) allen Fächern)
– kritisches Reflektieren (Deutsch, Ethik, Geschichte, Politik, Gesellschaftskunde, Mathematik, Naturwissenschaften generell …)
– Motorische Fähigkeiten (Werken, Gestalten, Kunst, Musik, Sport, Technik, AGs …)
Also: Wo spart man hier an Fächer?

Der Wunsch nach weiterführender Bewertung ist nachvollziehbar. Die Probleme, welche Sie ansprechen müssen hierbei eben auch beachtet werden. Wie soll das klappen bei einem komplett überfüllten System (Bürokratie, voller Lehrplan, Leistungserwartungen/Fokus auf Noten, Planung auf Kante bis darüber hinaus, Unterrichtsausfall, Bewahrung, Forderung nach immer mehr und mehr …) bei den massiv fehlenden Ressourcen (Gebäude, Platz, Lehrkräfte, Multiprofessonelle Teams, Materialien, Digitalisierung)?
Dazu dann der Beschwichtigungsstrategie von Seiten der Politik/Arbeitgeber, wie bspw. der oftmals falsch ausgelegten Hattie-Studie im Rahmen der Klassenstärke.

Praktikumsplätze:
– Wer trägt dann „die Schuld“, wenn Kooperationen (warum auch immer) mit dem Betrieben nicht funktioniert?
– Kooperationen mit BFZ, Arbeitsagentur, einzelnen Betrieben, ggf. Berufssschulen und Unis/Hochschulen gibt es ja grundlegend. Manche haben Ressourcen dazu, andere leider weniger. Auch demografisch.

So ist es. Aber es wird eben gefordert, gefordert und weiter gefordert. Wer es umsetzen soll … Naja, „die da unten“ eben. Anordnen tun es andere. Mangelverwaltung und v.A. Mangelverwahrung ist momentan ein zentraler Teil der Realität. Das muss sich ändern. Bestenfalls schon kurzfristig. Auf jeden Fall langfristig. Das System ist so, wie wir fahren, nicht tragbar.

Sporack
5 Monate zuvor
Antwortet  Bla

Sie Fragen mich: „Also: Wo spart man hier an Fächer?“
Sie scheinen mir zuzustimmen, dass meine Auswahl an Kompetenzen die Menge der Kernkompetenzen abdeckt.
Desweiteren zählen Sie auf, dass aktuelle Fäche diese Kompetenzen auch mehrfach bedienen.

Ich stelle fest; meine tägliche Schulzeit endete als Schüler um 13 Uhr – um 14 Uhr war ich zuhause.

Meine Kinder kommen heute aus der Schule so zwischen 16 und 17 Uhr ; Um 19 Uhr sitzen die an Hausaufgaben, die wenn alles gut läuft um 21 Uhr beendet sind.
Hausaufgaben um 21 Uhr kenne ich aus meiner Schulzeit nur aus der Oberstufe, wenn ich zusammen mit meinem Vater einen math. Beweis knacken wollte; keinen Falls jedoch aus der Unter- und Mittelstufe. Um 19 Uhr war ich fertig mit Hausaufgaben; wenn ich bis 16 Uhr nicht fertig gewesen wäre, hätte es den Vereinssport und/oder Fernsehe-Serie am jeweiligen Nachmittag nicht gegeben.

Dass die tägliche Schulzeit meiner Kinder länger ist als die tägliche Schulzeit als ich Schüler war, liegt daran, dass es einerseits eine Mittagspause gibt (wohl wird die Mensa haustsächlich durch Haupt- und Realschüler und weniger durch die Gymasiaten „am Leben“ gehalten – so wurde auf der Schulpflegschaftssitzung kommuniziert.); Aber auch daran, dass es den politischen Willen gibt, dass auch am Nachmittag unterrichtet wird; Exemplarisch Politik, Latein, Deutsch, Mathe.

Wer dann zuhause am späten Nachmittag nicht betreut werden kann, dem bieten die Schulen eine vielzahl von (durch Eltern mit hinreichender Freizeit oder sonstiger Resdourcen bzw. Lehrer mit besonderer Hoffnung auf Verbeamtung oder besonderem Einsatzwillen) ein buntes Gemisch von AGs.

Im Arbeitszeitgesetz – jedem sicher durch die Gerichtsurteile des EUGH und BAG zum Thema Arbeitszeiterfassung ein Begriff – wird aktuell festgehalten:
„Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. […]“ (ArbZG §3)

Das ArbZG gibt als Schutzmarke eine Höchstzeit der täglichen (zumeist fremdbestimmten) Arbeitszeit an.

SuS sind sicher in der Schule keine Arbeitnehmer/innen; jedoch führt das JArbSchG ähnlich auf: „Jugendliche dürfen nicht mehr als acht Stunden täglich und nicht mehr als 40 Stunden wöchentlich beschäftigt werden.“ (JArbSchG 8)
Sinnvoller Weise gibt der Gesetzgeber nicht nur den Erwachsenen eine zeitliche Schutzgrenze sondern auch den Jugendlichen.

Wir alle wissen: Lernen benötigt einerseits Erklärung und die Möglichkeit des Nachmachens und Ausprobierens und später des Wiederholens zur Festigung.

Also sollte der Lehrbetrieb = „Vermittlung von Wissen (Erklären, Nachmachen, Ausprobieren, Wiederholen=Hausaufgaben=Selbstlernzeit)“ in 8 Zeitstunden bei einer ergänzenden Pause spätestens um 16 / 17 Uhr „erledigt sein“.

So etwas kann man nur erreichen, in dem man entweder die Hausaufgaben in der Schule im Unterricht mit fachlichem Ansprechpartner erledigt; d.h. zuhause angekommen ist Zeit für Sport-/Kunstvereine; oder dass Kinder wieder zur Mittagszeit spätestens um 14 zuhause sind, und die Wiederholungsphase unter Aufsicht der Eltern erledigen.

Aber die Wiederholungsphase in die Abendstunden zu schieben, weil der Schulalltag mit Unterricht bis Nachmittag voll ist; ist ein Webfehler.
Selbst das Modell 2xKurz-Tag mit 3xLang-Tag ist „Kappes“, denn am Kurztag findet dann „geknubbelt“ die Zeit für Sport-/Kunstvereine statt, die zu meiner Schulzeit auf fünf Tage verteilbar waren…

Ich kann durchaus Kinder verstehen, die sagen, dass sie mit weniger Anstrengung auch ihre fünf bekommen.

Für mich (als Informatiker) ist Informatik ein Fach, welches frühstens in der Oberstufe unterrichtet werden braucht. Auch Wirtschaft (Hey wir machen mal nen Mietvertrag und schauen ob die Zinseszinz auf aktuelle Bankprodukte existieren) braucht nicht in der fünften Klasse unterrichtet werden.

Um Ihre Frage zu beantworten: „Also: Wo spart man hier an Fächer?“
Der Lehrplan ist voll mit Fächern, die zu Gunsten von anderen Fächern gestrichen werden könnten.
Nur wird jeder andere Fächer als „Streich-Kandidat“ benennen.
(Ich würde neben Informatik, Wirtschaft, Englisch und Deutsch streichen zu Gunsten von Mathematik, Geschichte, Latein und Philosophie/Religion.)

Sporack
5 Monate zuvor
Antwortet  Bla

Bla schrieb:
> So ist es. Aber es wird eben gefordert, gefordert und weiter gefordert.
> Wer es umsetzen soll …
> Naja, „die da unten“ eben. Anordnen tun es andere.
> Mangelverwaltung und v.A. Mangelverwahrung ist momentan ein zentraler
> Teil der Realität. Das muss sich ändern. Bestenfalls schon kurzfristig.
> Auf jeden Fall langfristig. Das System ist so, wie wir fahren, nicht tragbar.

Danke im Übrigen für Ihre Zustimmung.

447
5 Monate zuvor
Antwortet  Sporack

Das gibt es schon. Nennt sich „Erwartungshorizont“. Liest aber nur, wer es eh nicht braucht. Hab mir 5 Jahre den Mund fusselig geredet – „Lest den EWH Schaut in den Erwartungshorizont lest den EWH schaut euch die Musterlösung an lest den EWH“… ad nauseam.
Musterlösungen nachschlagen oder gar mal 10 Sekunden googeln – „Was issn hyptäktischah Satzbau ey?“ (Zitat OS-Schüler) – nein danke, ist ja unzumutbar. 🙂

Mittlerweile mache ich mir das grassierende Stützräderproblem aber produktiv zu eigen:
Jede Klausur wird individuell nachbesprochen – das spart mir schonmal manche Lehrerstunde.

Ergebnis natürlich das gleiche wie beim EWH (der Lehrer nervt und von SuS nichtmal gelesen, geschweige denn nachbereitet wird):
Nächste Klausur, gleicher Fehler bei 80% (von denen 40% eh garnicht in der Oberstufe seon sollten, anderes Thema).

Ja, noch mehr Stützräder werden bestimmt helfen … Sie machen sich gute Gedanken. Diese laufen allerdings auf 1 zu 1 Betreuung hinaus.

Nur ein Beispiel:
Sie schreiben (sinngemäß) “ richtige Lösungen individuell ausformulieren“ pro SuS. Ich habe grob 150 SuS – sagen 15 Minuten pro Fall für Arbeitstiere wie mich…das macht, ZUSÄTZLICH zur Korrekturzeit dann nach Adam Riese…

Sporack
5 Monate zuvor
Antwortet  447

Individuelle Nachbesprechungen von Klausuren finde ich sehr sinnvoll.

Ich frag mich allerdings, wie passt das in die heutige Schule. Dafür gibt es doch gar keine Zeit oder? (Früher hatte ich um 13 Uhr Schulschluss – um 14 Uhr war ich zuhaus. Meine Kinder kommen heute aus der Schule so zwischen 16 und 17 Uhr ; Um 19 Uhr sitzen die an Hausaufgaben, die wenn alles gut läuft um 21 Uhr beendet sind.)

Und wenn ich mir die Stundenpläne ansehe, gibt es durchaus Unterschiede:
Fächer wiederholen sich in der Woche nicht so häufig, wie zu meiner Schulzeit.
Faktisch mehr Stoff in weniger Zeit auf mehr Fächer.

Aber zurück zur individuellen Klausurbesprechung:
Manchmal wäre 1-zu-1 Betreuung genau das richtige Rezept, inkl. fachspezifischem Sitzenbleiben.

(Warum soll man wegen Englisch , die Themen aus Mathe , Politik etc wiederholen müssen? Sitzenbleiben soll doch keine Strafe sein, sonder die Chance sein, etwas noch mal neu zulernen, was man im ersten Mal nicht begriffen hat.)

Im Studium findet man recht schnell raus, dass es Dinge gibt, die man zwar nach Modell-Stundenplan im gleichen Semester hat, welche man jedoch individuell nacheinander besser versteht und bewältigen kann als parallel.

150 SuS sind etwa 3 Übungsgruppen. Wobei meine Teilnehmer/innen Erwachsene sind. Und sicherlich brauche ich mehr als 15 Minuten für die (Vor-)Bewertung eines Exemplars einer interessanten Programmieraufgabe.

Zum thema „Erwartungshorizont“: Der ist meist so hilfreich für konkrete Fragen wie
die Antwort auf die Frage „Ist das klausurrelevant?“. Also exemplarisch:
„Lösung per Quadratische Ergänzung wird erwartet, Lösung per pq-Formel ist als minderwertig anzusehen, aber auch möglich“
Hilft überhaupt nicht, wenn SuS weder das eine noch das andere reproduzieren kann, oder seinen/ihren Rechenfehler nicht erkennt.
4 != 5 daneben zuschreiben, weil x =2 oder x=-2 richtig wäre, hilft aber auch nicht.

Genausowenig hilfreich ist eine gekringelte Schlange am Seitenrand mit einem großen A (für Ausdruckfehler) mit dem die Hälfte der Punkte verschwindet.
Und am Ender der Korrekturmarkierungen der freundliche Hinweis „Ich weiß, dass kannst Du besser. Note und Berichtigung ist von Eltern gegenzuzeichnen…“

Ich kann meinen Kindern nur stets raten: „Eure Lehrer/innen sollen Euch erklären, wie es Besser geht. Ich kann es im Englischen und Deutschen offensichtlich nicht. Ich würde auch von meiner Perspektive anders bewerten. Aber wenn ich etwas nicht Lesen kann, würde ich es als Korrekteur dranschreiben: Keine Punkte, denn ich kann nicht entziffern, was hier steht. Aber so schlecht schreibt ihr nicht. Fragt höflich und ihr bekommt vielleicht eine hilfreiche Antwort, wenn genug Zeit da sein sollte.“

Aber im obigen Artikel geht es doch eigentlich um die Verzahnung zwischen der schulischen Bildung und der Kenntnisvermittlung über mögliche Berufsfelder und individueller Lebenswege.

Tatsächlich bin ich ratlos, wie man den Wissenstransport besser gestalten und organisieren könnte, ohne mehr Ressourcen (Zeit, Geld, Personal, Räume, etc) in den Topf zu werfen.
Wobei die Wissensaufnahmemöglichkeit auch eine individuelle Eigenschaft ist – unabhängig davon wie lang oder abwechslungsreich sich ein Schultag (oder Studientag) gestalten lässt.
Aber so wie es aktuell gemacht wird, wird es wohl in vielen Fällen nicht passend geschehen (können).

Lisa
5 Monate zuvor

Man darf auch nicht vergessen, dass Studium immer noch als “ cooler“ gilt als Ausbildung. Trotz Bolognisierung selbstbestimmter, und das Umfeld ist anregender. Da wollen einige gerne noch die drei bis fünf Jahre Aufschub, bevor sie ins Hamsterrad kommen. Das Problem sind auch nicht die akademischen junge Leute, sondern diejenigen, die nichts tun oder sich prekarisieren lassen.

Sporack
5 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Ich habe studiert, weil ich etwas lernen wollte, von dem ich dachte, dass man es im Studium lernen würde, weil dies (nach Papierbeschreibung) zu Diplom-Zeiten tiefer ging als eine Ausbildung in ähnlichem Gebiet.
Nach extrinischer Motivation habe ich mein Studium erfolgreich beendet, mit dem Wissen, dass ich das, was ich erfahren und lernen wollte, leider nicht im Studium beigebracht bekam oder erlernen konnte.
Wie dem auch sei, meine Schulzeit (bis auf Englisch und Deutsch) und mein Studium hat mir Freude gemacht – und ich finde es traurig, dass ich diese Freude am Lernen, Knobeln, Ausprobieren über die Jahre hinweg verschwinden sehe (sowohl bei den eigenen Kindern als auch bei den jüngeren Studierenden, die jeweils frisch ins Studium kommen.).

Lisa, Sie schreiben „sich prekarisieren lassen“; dies trifft dann wohl auf sehr viele fertige Akademiker/innen zu. .
Aber so wie Sie, Lisa, es scheiben, meinen Sie wohl eher andere Personenkreise, und diese so vermute ich „lassen“ sich nicht freiwillig aktiv prekarisieren sondern werden passiv prekarisiert.

„Faule Leute“ gibt es mit und ohne Doktortitel – mit und ohne Schulabschluss.

Fakt ist aber auch, dass in unausgeglichenen Tarifverträgen ein Studium durchaus monitären Vorteil beitet: Zwar entscheidet die Tätigkeit über die Stelleneingruppierung, aber nur der Abschluss darüber, ob man diese Eingruppierung auch erhält.